Predigten von Pastorin Julia Atze 5. Sonntag der Passionszeit Judika 2. April 2017 1. Mose 22, 1-13 Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Ich wandere an der Landstraße. Es ist Mittagspause auf der Konfirmandenfreizeit, ich will mich ein bisschen bewegen und den Kopf durchpusten. Neben mir nur Felder und ein paar Häuser. Die Sonne scheint und mir wird schon richtig warm, trotz der steifen Brise, die hier weht. In dem kleinen Dorf biege ich ab ich schaffe eine Runde über die Dörfer zurück zum Jugendheim, denke ich und gehe etwas schneller. Wunderbar ruhig ist es, ich treffe keinen Menschen. Meine Gedanken fliegen wie Drachen im Wind. Ich stelle mir vor ich hätte einen meiner Söhne an der Hand und wäre auf dem Weg zu seiner Opferung. So wie Abraham. Aber ich schaffe es nicht. Unvorstellbar erscheint mir diese Tat, dieser Gang. Wo gehen wir hin, Mama? Und was machen wir da? Warum hast du mich mitgenommen? Wie sollte man solche Fragen beantworten, ja überhaupt ertragen können? Abraham kann. Er antwortet Gott wird es schon richten. Ist das Gottvertrauen oder religiöser Wahn? Ich denke: Ich möchte lieber sterben als mich auf diesen Weg machen. Liebe Gemeinde, eine verstörende, erschreckende und zugleich faszinierende Geschichte ist Abrahams Versuchung beziehungsweise die Opferung Isaaks, wie sie auch oft genannt wird, obwohl es ja Gott sei Dank! gar nicht dazu kommt.
Predigten von Pastorin Julia Atze Seite 2 Die einen finden die Geschichte grausam, menschenverachtend und unerträglich. Was ist das für ein Gott, der so etwas von einem Menschen verlangt? Dass er seinen Sohn schlachtet? Mit so einem Gott kann und will ich nichts zu tun haben. Auch wenn die Geschichte am Ende doch noch gut ausgeht. Diese Versuchung, diese Prüfung des Glaubens ist widerwärtig. Und Abraham als Vorbild wegen seiner Gottestreue? Nein, danke. Der Verhält sich ja wie ein Gotteskrieger! Blinder Gehorsam gegenüber einem grausamen Gott, der Menschenleben missachtet. Abrahams Gottestreue macht doch Angst! Wie kann er nur ohne ein Wort sein Kind nehmen und bereit sein, es zu schlachten! Warum gibt er sich nicht selbst? Warum protestiert er nicht gegen Gottes Befehl? Abraham als Vorbild? Wirklich nicht. So die eine Seite. Andere finden diese Geschichte faszinierend, weil sie so lebendig und nachvollziehbar erzählt ist, weil in ihr wirklich was los ist: Abraham, der schweren Herzens Gottes Stimme gehorcht und seinen Sohn nimmt, um das Unvorstellbare zu tun. Isaak, der in kindlicher Naivität fragt, wo denn das Opferlamm sei, aufgeregt, weil er dabei sein darf, bei einem Schlachtopfer. Dann die quälende Stille während die beiden auf den Berg steigen. Man spürt förmlich Abrahams Verzweiflung, wie er Holzscheit auf Holzscheit legt, wie wir auch Dinge ganz bewusst und langsam tun, wenn wir darauf hoffen, dass doch noch etwas Rettendes geschehen möge, das den Fortgang der Geschichte verändert, hoffen, dass endlich das erlösende Wort gesprochen werde das
Predigten von Pastorin Julia Atze Seite 3 uns rettet, dass unsere Sorgen und Ängste beendet und uns befreit aufatmen lässt. Und nach einer quälenden, gefühlt ewig dauernden Weile das Messer ist schon erhoben, die Situation an Dramatik nicht zu überbieten kommt endlich dieses erlösende Wort, auf das wir so sehnsüchtig gewartet haben. Nein, Gott ist kein unmenschlicher, grausamer Gott. Am Ende ist er ein gnädiger, menschenliebender Gott, der kein Menschenopfer will. Nie wieder! Und Abrahams Gottestreue erweist sich doch als vorbildlich: Bleibt er doch nicht in der wahnsinnigen Tat, die Gott ihm befohlen hat, stecken, sondern hört auch ein zweites Mal auf die Stimme Gottes, die ihm nun genau das Gegenteil befiehlt. Und das ist das, liebe Gemeinde, was mir diese Geschichte nur erträglich macht: dass sich das Grausame, Gewalttätige, Zerstörerische nicht durchsetzt. Es ist da, erschreckend und beängstigend, aber es behält nicht das letzte Wort. Ja, Abraham ist bereit das größtmögliche Opfer zu bringen, er ist bereit zu töten, sein geliebtes, einziges Kind weil Gott es von ihm verlangt. Er wehrt sich nicht. Er schreit nicht, bittet nicht, fleht nicht. Selbst Christus hat mit lautem Schreien und Flehen zu Gott gebetet, und auch der Psalmbeter hat gerufen und geklagt: Warum, Gott, verstößt du mich? Nicht so Abraham. Er schweigt. Weil er Gott mehr vertraut als allen anderen? (Gucken!) Weil er weiß, dass Gottes Wege unergründlich sind? (Gucken!) Weil er weiß, dass wir Menschen immer wieder Grausames erleben und in der Lage sind Grausames zu tun? (Gucken!)
Predigten von Pastorin Julia Atze Seite 4 Vielleicht gehen ihm solche Gedanken durch den Kopf. Denn er gerät eben nicht in einen religiösen Wahn, der einen blind macht und taub für alles andere, er gerät nicht in die Spirale von Gewalt und Krieg, obwohl er sogar schon dass Messer hebt. Nein. Abraham ist immer noch offen für Gottes Wort, für Gottes Stimme, die jetzt ganz anders zu ihm spricht: Abraham, leg deine Hand nicht an den Knaben. Nicht wie all die Gotteskrieger, die im Namen Gottes töten, und keinen Einhalt finden. Nicht wie all die Kriegsführer, die davon reden, dass es nun einmal Opfer braucht im Krieg und so das Töten legitimieren. Nein. Abraham hört auf diese andere Stimme Gottes. Und das ist das Besondere an ihm, das zeigt Abrahams Größe. Denn er hätte ja auch denken können: Das ist gar nicht Gottes Stimme, das ist die jetzt die Stimme des Versuchers, die mich davon abhalten will, Gottes Willen zu tun! Er hätte ja auch denken können: Das ist jetzt nur die Stimme meines Herzens, meine Liebe zu meinem Sohn, die mich weich macht und abbringt von meinem Glauben. Darauf höre ich nicht! Mein Auftrag ist klar und eindeutig! Aber nein. Gott sei Dank. Abraham hält inne und hört auf Gottes Friedensstimme. Darin ist er ein Vorbild im Glauben. Und genau darin können wir Abrahams Kinder sein: Wenn wir auf Gottes Friedensstimme hören, wo wir darauf eingestimmt werden, einer Logik des Krieges und der Gewalt zu folgen. Wenn wir genau hinhören und hinsehen, wo falsche Gewissheiten uns taub und blind machen wollen für das, was dem Frieden dient.
Predigten von Pastorin Julia Atze Seite 5 Es ist nie zu spät dieser Friedensstimme zu folgen. Das Messer kann schon erhoben sein und muss doch nicht töten. Und der Friede Gottes, der größer ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.