Eliten-Netzwerke deutscher Journalisten und ihre Auswirkungen am Beispiel der Außen- und Sicherheitspolitik

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Transkript:

Eliten-Netzwerke deutscher Journalisten und ihre Auswirkungen am Beispiel der Außen- und Sicherheitspolitik Uwe Krüger 56. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Dortmund, 1.-3. Juni 2011

Gliederung Soziale Netzwerke Frame-Analyse Fazit und Ethik-Folgerungen

Fotos: www.nachrichtenaufklaerung.de Initiative Nachrichtenaufklärung veröffentlicht jährlich eine Top-Ten-Liste vernachlässigter Themen 2008 auf der Liste: Gefahren durch Uran-Munition in Kriegsgebieten

Der Spiegel 3/2001

Die Zeit 3/2001 und 26/2001

Andreas Zumach, UNO-Korrespondent der taz in Genf: Die Wahrheit wird nach wie vor unterdrückt. Es gibt Stellen, die das Thema nicht wollen. ( ) Industrie, Regierungen, Militärs. Und es geht vor allem darum, horrenden Schadenersatzforderungen von den bislang möglicherweise mehreren Hunderttausend Geschädigten zu entgehen. (message 1/2008)

Diskutiert der Journalismus Themen nur dann, wenn auch die Mächtigen darüber reden? Sind die Journalisten gar von Eliten kognitiv vereinnahmt, weil sie oft und vertraulich Umgang mit ihnen haben übernehmen sie also deren Perspektive, deren Problembewusstsein und deren blinde Flecken?

Netzwerkanalyse: Methode Positionseliten von 21 deutschen Leitmedien ermittelt (219 Personen) Wo treffen sie Eliten aus Politik und Wirtschaft außerhalb ihrer journalistischen Pflichten? Vereine, Stiftungen, Konferenzen, Policy planning groups Untersuchungszeitraum 2002-2009 Quellen: Internet, Bücher, Artikel, Archive, Organisationen 64 Journalisten in 82 Organisationen involviert

Gesamtnetzwerk

Gesamtnetzwerk M 100 Sanssouci- Colloquium (9) Jährliches Treffen von Politik und Medien in Potsdam

Gesamtnetzwerk Gelbe Karte (8) Hintergrundkreis von Hauptstadtkorrespondenten M 100 Sanssouci- Colloquium (9) Jährliches Treffen von Politik und Medien in Potsdam

Gesamtnetzwerk Hintergrundkreis von Hauptstadtkorrespondenten Weltwirtschaftsforum Davos (16) 2.500 Eliten aus Wirtschaft, Politik, Medien, Religion Gelbe Karte (8) M 100 Sanssouci- Colloquium (9) Jährliches Treffen von Politik und Medien in Potsdam

Gesamtnetzwerk Münchner Sicherheitskonferenz (7) 350 Eliten aus Politik, Diplomatie, Militär, Rüstungsindustrie, Medien

Gesamtnetzwerk Atlantik-Brücke (6) Freundschaftsverein Deutschland USA, 500 Personen aus Wirtschaft, Politik, Medien, Wissenschaft Münchner Sicherheitskonferenz (7) 350 Eliten aus Politik, Diplomatie, Militär, Rüstungsindustrie, Medien

Gesamtnetzwerk Atlantik-Brücke (6) Freundschaftsverein Deutschland USA, 500 Personen aus Wirtschaft, Politik, Medien, Wissenschaft Münchner Sicherheitskonferenz (7) 350 Eliten aus Politik, Diplomatie, Militär, Rüstungsindustrie, Medien Berliner Presse Club (5) Hintergrundkreis von Hauptstadtkorrespondenten

Gesamtnetzwerk

Netzwerk Klaus-Dieter Frankenberger (FAZ)

2+

3+

Netzwerk Stefan Kornelius (Süddeutsche)

3+

Netzwerk Josef Joffe (Die Zeit)

4+

Frame-Analyse Haben diese Netzwerke denn einen Einfluss auf die Berichterstattung? untersucht anhand eines Themenkomplexes, in dem es eine Kluft zwischen Elite und Bevölkerung gibt: Auslandseinsätze der Bundeswehr (speziell Afghanistan) und der erweiterte Sicherheitsbegriff

Frame-Analyse: Thema Quelle: www.infratest-dimap.de

Frame-Analyse: Methode Gesucht wurden alle Artikel der vier Journalisten Klaus-Dieter Frankenberger (FAZ), Stefan Kornelius (Süddeutsche Zeitung), Josef Joffe (Die Zeit) und Michael Stürmer (Die Welt) zwischen 2002 und 2010 mit mindestens zwei von fünf Begriffen: *sicherheit, verteidig*, krieg*, fried*, milit* 83 Artikel gefunden, v.a. Kommentare und Leitartikel Frame-Elemente induktiv-qualitativ bestimmt (23)

Framing-Analyse: Ergebnisse

Frame-Analyse: Ergebnisse Frame-Element erweiterter Sicherheitsbegriff Die Finanzkrise und die Energiedebatte haben gezeigt, dass Sicherheit eigentlich ein breiter Begriff ist. (Kornelius, SZ vom 3.2.2010) Und nach den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien wird die Sicherheit Deutschlands auch am Hindukusch verteidigt, der traditionelle geographische Sicherheitsbegriff also globalisiert und ausgeweitet. Dass die traditionellen Beschränkungen aufgegeben wurden, ist richtig; sie waren obsolet geworden, weil die Umstände sich fundamental geändert haben. (Frankenberger, FAZ vom 24.5.2003)

Framing-Analyse: Ergebnisse

Frame-Analyse: Ergebnisse Frame-Element Bedrohungskatalog Die letzten Jahre haben das Bedrohungsspektrum dramatisch erweitert, mit dem dschihadistischen Terrorismus und all seinen Spielarten an der Spitze der Liste, gefolgt von anderen religiös motivierten Bedrohungen, aber auch von den Ängsten, die der Klimawandel, die Energieversorgung oder selbst Flüchtlingsströme auslösen. (Kornelius, SZ vom 10./11.7.2007) Diese Gefahren und Herausforderungen reichen vom Terrorismus über die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen über Energie und Klimawandel bis zu Cyberangriffen, wirtschaftlicher Instabilität und Pandemien. (Frankenberger, FAZ vom 8.2.2010)

Framing-Analyse: Ergebnisse

Frame-Analyse: Ergebnisse Frame-Element Bündnis mit USA pflegen! Als atlantische Gemeinschaft lassen sich die Turbulenzen der neuen multipolaren Welt allemal besser aushalten. Nur in dieser Kombination können die vielfältigen Herausforderungen gemeistert werden. (Frankenberger, FAZ vom 5.11.2006) Wer Amerika nicht mag, möge die Machtverhältnisse nicht vergessen. (...) Nüchterne Interessenpolitik gebietet es, den Draht nach Washington nie abreißen zu lassen. Umso mehr, als die Interessenkongruenz viel breiter ist, als es Schröder und Bush je wahrhaben wollten. (Joffe, Zeit vom 15.9.2005)

Framing-Analyse: Ergebnisse

Frame-Analyse: Ergebnisse Frame-Element Volk überzeugen! Den Meinungskampf an der Heimatfront darf die Politik nicht scheuen, wenn sie von dem überzeugt ist, was sie vorgibt. (...) Der Kampf um die hearts and minds muss auch bei uns geführt werden. (Frankenberger, FAZ vom 7.1.2008) Alle Politik muss den Wählerwillen respektieren. Aber das Grundgesetz verbietet es den Regierenden nicht, für das außenpolitisch Gebotene zu werben. (Joffe, Zeit vom 7.2.2008)

Frame-Analyse: Ergebnisse In Grundsatzfragen liegen die Journalisten auf der Linie von USA, Nato und Bundesregierung Definition von Sicherheit und Bedrohungskatalog unkritisch übernommen Kritik an Bundesregierung nur aus Perspektive von USA und Nato, nicht aus der Sicht der skeptischen Bevölkerung

Frame-Analyse: Gegencheck Leitmedien mit Ressortleitern ohne einschlägige Netzwerke: Frankfurter Rundschau und taz 5 Begriffe gesucht 0 Artikel mit aktiver Argumentation erweiterte Suche nach allen Autoren ergab: 7 Artikel in FR, 3 Artikel in taz: teilweise elitenkonform, teilweise scharfe Kritik am erweiterten Sicherheitsbegriff

Fazit Koinzidenz von Netzwerken und Argumentation ist wahrscheinlich ein Zusammenhang, aber kein simpler Kausalzusammenhang biografische Bezüge deuten auf Homophilie hin: Kontakt zwischen ähnlichen Personen häufiger als zwischen unähnlichen (Lazarsfeld/Merton) Journalisten werden von Eliten nur bei Wert- Homophilie kooptiert, Einbindung in das Elitenmilieu verstärkt wahrscheinlich die Konformität (Theorie der Schweigespirale)

Folgerungen für journalistische Ethik Berufsständische Ethik-Kodizes schweigen zum Thema Eliten-Nähe Ein Sicherheitsabstand zwischen Journalisten und Eliten müsste diskutiert und kodifiziert werden Mein Vorschlag: Journalisten sollten keine Aufgaben in Organisationen übernehmen, wenn es dort thematische oder personelle Berührungspunkte mit ihrem Berichterstattungsfeld gibt

Danke für Ihre Aufmerksamkeit!