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Transkript:

Heidemarie Schumacher Durchgesehen und aktualisiert von Thomas Sören Hoffmann HEGELs Rechtsphilosophie Kurseinheit 1: Die Rechtsphilosophie im System der HEGELschen Philosophie kultur- und sozialwissenschaften

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der FernUniversität reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Inhaltsverzeichnis 3 Inhaltsverzeichnis HINWEISE ZUR LITERATUR UND LEKTÜRE 4 EINFÜHRUNG 7 1. ZU HEGELS WISSENSCHAFTSBEGRIFF 10 1.1 Philosophie als Rekonstruktionsarbeit 13 1.2 Wahrheit und System 14 1.3 Wirklichkeitsbegriff 21 2 HEGELS RECHTSPHILOSOPHIE ALS MOMENT DER PHILOSOPHIE DES GEISTES 26 2.1 Geistphilosophie 27 2.1.1 Subjektiver und objektiver Geist 28 Exkurs: Anerkennung als Grundbestimmung des objektiven Geistes 30 2.1.2 Objektiver und absoluter Geist 35 3 ARCHITEKTONIK DER RECHTSPHILOSOPHIE 41 3.1 Logik und Rechtsphilosophie oder: Logik der Rechtsphilosophie 41 3.1.1 Die Logik als Form der Wissenschaft 42 3.1.2 Zur Methode der Rechtsphilosophie 45 4 DIE VORREDE ZUR RECHTSPHILOSOPHIE: EINLEITENDE ANALYSE UND KOMMENTAR 52 DENKHILFEN ZU DEN ÜBUNGSAUFGABEN 57

4 Hinweise zur Literatur und Lektüre Hinweise zur Literatur und Lektüre Als einheitliche Textgrundlage für HEGELs Werke diente der Verfasserin folgende Ausgabe: G.W.F. HEGEL, Werke in zwanzig Bänden, hrsg. von Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel, Frankfurt/Main 1969ff. Nach dieser Ausgabe erfolgt die Zitation, jeweils mit folgenden Siglen für die einzelnen Werke: R Grundlinien der Philosophie des Rechts (Bd. 7), A: Anmerkungen, Z: Zusätze (redigiert von E. Gans aufgrund von Vorlesungsnachschriften), N: eigenhändige Notizen HEGELs PG Phänomenologie des Geistes (Bd. 3) L I, II Wissenschaft der Logik (Bd. 5-6) E I,II,III Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830) (Bd. 8-10), A: Anmerkungen, Z: Zusätze redigiert von Henning(I), Michelet(II), Boumann(III) Jen. Schr. Jenaer Schriften (1801 1807), (Bd. 2) Nürnb.Schr. Nürnberger und Heidelberger Schriften (1807-1817), (Bd. 4) Gesch.Ph. I Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie I, (Bd. 18) Für eine weitergehende Beschäftigung mit HEGELS Rechtsphilosophie im allgemeinen wird empfohlen: G.W.F. HEGEL: Vorlesungen über Rechtsphilosophie 1818-1831. Edition und Kommentar in 6 Bänden von K.-H. ILTING darin v.a.: Einleitung / Die Rechtsphilosophie von 1820 und HEGELs Vorlesungen über Rechtsphilosophie, Bd. 1, Stuttgart 1973 B. LIEBRUCKS: Sprache und Bewußtsein, Bd. 3: Wege zum Bewußtsein. Sprache und Dialektik in den ihnen von KANT und MARX versagten, von HEGEL eröffneten Räumen, Frankfurt / Main 1966 (enthält einen Kommentar zu HEGELs Rechtsphilosophie auf 487-667). M. RIEDEL (Hg.): Materialien zu HEGELs Rechtsphilosophie, 2 Bde, Frankfurt/Main 1975 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 88/89) J. RITTER: Metaphysik und Politik. Erweiterte Neuausgabe mit einem Nachwort von O. Marquard, Frankfurt/Main 2003

Hinweise zur Literatur und Lektüre 5 Zur vertiefenden Lektüre insgesamt wird empfohlen: Gesamtdarstellungen: Th.S. HOFFMANN: G.W.F. HEGEL. Eine Propädeutik, 3. Aufl. Wiesbaden 2015 W. JAESCHKE: HEGEL-Handbuch: Leben Werk Schule, 2. Aufl. Stuttgart / Weimar 2010 R. KRONER: Von Kant bis HEGEL, 2. Bde., 3. Aufl. Tübingen 1977 K. ROSENKRANZ: G.W.F. HEGELs Leben, Berlin 1844 (NA Bremen 2012) L. SIEP (Hg.): G.W.F. HEGEL: Grundlinien der Philosophie des Rechts, 3. Aufl. 2012 (Klassiker Auslegen Bd. 9) Zu Abschnitt 1: G.W.F. HEGEL: Phänomenologie des Geistes, Vorrede Wissenschaft der Logik, Bd. I, 13-79 Zu Abschnitt 2: E. ANGEHRN: Freiheit und System bei HEGEL, Berlin/New York 1977 M. RIEDEL: Zwischen Tradition und Revolution: Studien zu HEGELs Rechtsphilosophie, erw. NA Stuttgart 1982, darin: Objektiver Geist und praktische Philosophie (1968); HEGELs Kritik des Naturrechts (1967); Der Begriff der Bürgerlichen Gesellschaft und das Problem seines geschichtlichen Ursprungs (1962) Zu Abschnitt 3: Bürgerliche Gesellschaft: eine Kategorie der klassischen Politik und des Naturrechts, hg. von H. SEUBERT, Stuttgart 2011 System und Geschichte, Frankfurt/Main 1973 (ed.bd. 619), darin: Fortschritt und Dialektik in HEGELs Geschichtsphilosophie (1969); Freiheitsgesetz und Herrschaft der Natur: Dichotomie der Rechtsphilosophie (1971) HEGELs Philosophie des Rechts. Die Theorie der Rechtsformen und ihre Logik (hg. v. D. HENRICH u. R.-P. HORSTMANN) Stuttgart 1982

6 Hinweise zur Literatur und Lektüre Dialektik in der Philosophie HEGELs, hg. u. eingel. v. R.-P. HORSTMANN, 2. Aufl. Frankfurt/Main 1989 K. HARTMANN: Systemtheoretische Soziologie und kategoriale Sozialphilosophie, in: Philosophische Perspektiven Bd. 5, Frankfurt/Main 1973 Ideen zu einem neuen systematischen Verständnis der HE- GELschen Rechtsphilosophie, in: Perspektiven der Philosophie, Bd. 2, Amsterdam 1976 Moralität und konkretes Allgemeines, in: Archiv für Geschichte der Philosophie, Bd. 60, Berlin/New York 1978 Linearität und Koordination in HEGELs Rechtsphilosophie, in: HEGELs Philosophie des Rechts (s.o.), Stuttgart 1982 D. HENRICH: HEGEL im Kontext. Mit einem Nachwort zur Neuauflage, Frankfurt/Main 2010 K. H. ILTING: Die Struktur der HEGELschen Rechtsphilosophie, in: Materialien zu HEGELs Rechtsphilosophie, Bd. 2, Frankfurt/Main 1975 H. OTTMANN: Individuum und Gemeinschaft bei HEGEL, Bd. 1: HEGEL im Spiegel der Interpretationen, Berlin / New York 1977

Einführung 7 Einführung Die Rechtsphilosophie läßt sich gewiß als die große Zusammenfassung der Staats- und Gesellschaftslehre HEGELs verstehen; aber das bedeutet nicht, daß sie sich auf den Bereich des Staats- und Gesellschaftsproblems beschränkt. Darin liegt hier die Schwierigkeit: Die politische Theorie setzt philosophische Zusammenhänge voraus, die über sie selbst hinausweisen. 1 RITTERs Hinweis faßt zusammen, was eine Annäherung an HEGELs Rechtsphilosophie, aber auch an jedes andere Werk der HEGELschen Philosophie so problematisch macht; sie sind nicht ohne weiteres verständlich. Sprache und systematische Voraussetzungen dieser Philosophie erschweren den leichten Zugang. Besonders der unvorbereitete Leser wird einige Mühen auf sich zu nehmen haben, um zum Kern der Sache durchzudringen. HEGELs Diktum aus der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes, daß das Ganze die Wahrheit sei, gilt auch für das Ganze eines Systemteils wie die Rechtsphilosophie. Sein eigentümliches Verständnis des Ganzen bezieht sich aber nicht nur auf den äußeren Umfang oder die Abfolge der Kategorien; ein Verständnis der vollen Wahrheit - so könnte man paraphrasieren - stellt sich erst vom Ende des Werkes her ein; andererseits partizipieren die auf dieses Ende hinweisenden Stufen der Darstellung als Momente bereits am Prozeß der Wahrheitsfindung. Die Aneignung des Ganzen der Rechtsphilosophie muß daher auf zwei Ebenen stattfinden, da der Zusammenhang nicht nur linearer, sondern auch integraler Natur ist. Die Gesamtheit dieses doppelten Prozesses erhält sich gleichmäßig auf allen Stufen der Darstellung, inhaltlich als Entfaltung des Freiheitsbegriffs, der Form nach als angewandte Logik. Für eine einführende Interpretation wie die hier vorgelegte bedeutet dies, daß eine sukzessive Kommentierung einzelner Paragraphen der Rechtsphilosophie nicht unbedingt hilfreich gewesen wäre. Sinnvoller dagegen erschien es, einen vorläufigen Überblick zur Systematik der Rechtsphilosophie, d.h. ihrer Position im HEGELschen Gesamtsystem und die sich daraus ergebenden Konsequenzen - vor allem hinsichtlich ihres Verhältnisses zu Geistphilosophie und Logik zu geben. 1 Vgl. J. RITTER, Metaphysik und Politik, Frankfurt/Main 1969, 234

8 Einführung Die erste Kurseinheit will dies versuchen. Ihr Anliegen ist es, dem Leser HEGELs systemphilosophischen Wissenschaftsbegriff nahezubringen. Im ersten Abschnitt geht es dabei um HEGELs Bestimmungen zur Aufgabe von Philosophie, um seine Wahrheitstheorie und seine Auffassung von philosophischer und empirischer Wirklichkeit. Dies geschieht vermittels einer Auswahl und Interpretation entsprechender Textstellen, v.a. aus der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes. Die Unzulänglichkeit dieses Verfahrens wird in Kauf genommen, da es sich für unseren Kontext nur darum handeln konnte, eine Vorstellung davon zu geben, wie die Rechtsphilosophie in das System eingebettet ist. Schon die Lektüre der ausgewählten Textstellen wirft ein Licht auf die Vielschichtigkeit dieses Zusammenhangs. Darüber hinaus sollte ein Eindruck davon vermittelt werden, inwiefern HEGEL die Rechtsphilosophie als Darstellung des Geistes als Willen, als System praktischer Philosophie also, begreift. Der Rahmen der Geistphilosophie als dritter Teil des HEGELschen Gesamtsystems wird hier ebenso thematisch wichtig wie die Auffassung der Rechtsphilosophie als Theorie der Freiheit. Der dritte Teil der ersten Kurseinheit wollte eine vorwegnehmende übersieht über die logischen Implikate der Rechtsphilosophie geben; da es sich bei diesem Problemfeld noch weitgehend um ein Forschungsdesiderat handelt, konnte hier nicht viel mehr als das Vorstellen offener Fragen geleistet werden. Den zentralen Aspekt bildete die Frage nach dem Verhältnis von HEGELscher Logik und Rechtsphilosophie und der Logik der Rechtsphilosophie als einer Logik der Freiheit. Der vierte Punkt leitet zu Analyse und Kommentar der Rechtsphilosophie selber über; die Vorrede, von HEGEL selbst als nur äußerliche Hinführung charakterisiert, bezieht sich wie die erste Kurseinheit nur vorläufig auf den eigentlichen Zusammenhang und konnte daher in den vorbereitenden ersten Kurs mit hineingenommen werden. Die kommentierenden Bemerkungen verweisen immer wieder auf das bereits in dieser Kurseinheit Entwickelte. In der zweiten Kurseinheit erfolgt sodann eine eigentliche Kommentierung des Textes. Eine Paraphrasierung im Sinne einer bloßen Nacherzählung der Rechtsphilosophie sollte vermieden, die Interpretation durch die in der ersten Kurseinheit entwickelten Gesichtspunkte geleitet werden. Daher ergaben sich die Schwerpunkte der Analyse aus den obengenannten Themen der ersten Kurseinheit: Wie bestimmt HEGEL Recht als wissenschaftlichen bzw. philosophischen Gegenstand? In welcher Weise

Einführung 9 werden die Kategorien praktischer Philosophie gerechtfertigt? und: Welche Strukturebenen lassen sich im Ablauf der Argumentation unterscheiden? Die voraussetzbaren Ergebnisse der ersten Kurseinheit gewährleisten eine gewisse Vertrautheit mit HE- GELs Sprache und Argumentationsweise, so daß das Interpretationsverfahren Schwerpunkte setzen kann, die es ermöglichen, die Rechtsphilosophie überhaupt in den Griff zu bekommen (eine inhaltliche Zusammenfassung liefert die Vorbemerkung zur zweiten Kurseinheit). Bei allen genannten Punkten handelt es sich lediglich um den Versuch einer Hinführung; die eigentliche Arbeit am HEGELschen System, d.h. die längerfristige Arbeit an den zugrunde gelegten Werken, vor allem das eingehende Studium der Reahtsphilosophie selbst, kann ein solcher Kurs nicht ersetzen. Wenn er dazu dient, den Leser zu einer weitergehenden Beschäftigung mit HEGEL anzuregen, hat er seinen Zweck erfüllt.