Urban Emotions kontextuelle Emotionsinformationen. auf Basis von Echtzeit-Humansensorik und Crowdsourcing-Ansätzen



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Transkript:

664 Urban Emotions kontextuelle Emotionsinformationen für die räumliche Planung auf Basis von Echtzeit-Humansensorik und Crowdsourcing-Ansätzen Peter ZEILE 1, Bernd RESCH 2, Jan-Philipp EXNER 1, Günther SAGL 2 und Anja SUMMA 2 1 Technische Universität Kaiserslautern zeile@rhrk.uni-kl.de 2 Universität Heidelberg Zusammenfassung Wie der Mensch urbane Räume wahrnimmt, ist eine wesentliche Fragestellung für eine nachhaltige räumliche Planung. Der vorliegende Beitrag beschreibt die Intention des von der DFG geförderten Forschungsprojektes Urban Emotions. Dabei werden kurz die methodischen und inhaltlichen Verknüpfungen von smarten Technologien und der räumlichen Planung erläutert, die als Grundlage für die schon teilweise umgesetzten und zukünftigen Methoden innerhalb des Forschungsprojektes angedacht sind. Anhand einer Groundtruthing App nach dem People as Sensor -Konzepts sowie einer Studie zur psychophysiologischen Messung von Reaktionen von Fahrradfahrern im städtischen Verkehr wird das Potenzial des Zusammenwachsen dieser Technologien ersichtlich. Die Vision dieses bürgerzentrierten Ansatzes, bei dem den Menschen als intelligenten Sensor eine tragende Rolle in der zukünftigen Stadtplanung zugeordnet wird, ist Forschungsgegenstand des Urban Emotions Projektes und Inhalt dieses Beitrages. 1 Einleitung Vor dem Hintergrund der Entwicklung von einer digitalen zu einer intelligenten Stadt bietet sich die Möglichkeit, Daten mit räumlicher Relevanz nahezu in Echtzeit zu erfassen und daraus Informationen zu generieren. Im Rahmen von Real-time und Live Cities eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten, die Verbindung zwischen der physischen und der digitalen Welt mittels vielfältiger Sensorik von kalibrierter Elektronik in Messgeräten und Sensormessnetzen bis hin zu menschlichen Sensoren (GOODCHILD 2007), psychophysiologische Messungen im Stadtraum Emotional Mapping/Emomaps (ZEILE et al. 2009), Mobilfunkdaten und sozialen Netzwerken im Web 2.0. (SAGL et al. 2012) herzustellen. Aufgrund der neu zur Verfügung stehenden Informationen für den urbanen Raum besteht die Chance, das Funktionieren dieses Gefüges aus einer komplett neuen raumwissenschaftlichen Sicht zu sehen. Dieses Potenzial für Analyse und Simulation des urbanen Raumes, welches noch nicht annähernd ausgeschöpft ist, wird als neue Science of Cities beschrieben (BATTY 2013). Jedoch sind es, wie BATTY (2012) auch feststellt, vor allem die Bürger, welche die Stadt tatsächlich intelligent machen aber gerade diese Interaktionen zwischen Bürger und urbanen Räumen werden zurzeit aus wissenschaftlicher Sicht noch unzureichend betrachtet. Strobl, J., Blaschke, T., Griesebner, G. & Zagel, B. (Hrsg.) (2014): Angewandte Geoinformatik 2014. Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-543-0. Dieser Beitrag ist ein Open-Access-Beitrag, der unter den Bedingungen und unter den Auflagen der Creative Commons Attribution Lizenz verteilt wird (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/).

Urban Emotions 665 Das Urban Emotions Konzept setzt genau hier an und trägt dazu bei, diese Lücke zu schließen: Es soll eine neue, ergänzende Sichtweise auf die Stadt mithilfe des Sensors Mensch entstehen, damit dieser in planerische Prozesse integrativer einbezogen werden kann. Dabei wird im Gegensatz zu einer subjektiven Beurteilung einer statischen Situation, wie dies z. B. in SALESSES et al. (2013) der Fall ist, der dynamische situative urbane Kontext in der subjektiven Wahrnehmung und Bewertung mitberücksichtigt. 2 Smarte Technologien und räumliche Planung Die räumliche Planung steht vor der großen Aufgabe, dass sie in Zukunft eine immens große Datenmenge mit räumlichem Bezug verarbeiten muss. Die Diskussion um die Nutzung und die richtige Extraktion von Big Data beginnt gerade. Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Spezialisten aus der Geoinformatik und der Planungsdomäne ist deshalb für die Zukunft unverzichtbar. Gleichzeitig sollten neue, kreative Methoden zur Identifizierung städtischer Probleme erprobt werden, so wie es im Rahmen des Forschungsprojektes Urban Emotions angedacht ist. Im Erfolgsfall können diese neuen smarten Methoden der Mainstream-Stadtplanung eine wertvolle Ergänzung sein, und sie im Idealfall auch ersetzen (STREICH 2014). Insbesondere die zunehmende Verbreitung der Wearables und die damit verbundene Möglichkeit zur umfassenden sensorgestützten und teilweise echtzeitbasierten Datenerfassung eröffnen eine neue Dimension des urbanen Erkenntnisgewinns. Gleichzeitig wird der Trend zur zunehmenden Vernetzung des öffentlichen Raumes mit Sensoren vonseiten der Wirtschaft verstärkt lanciert, die planenden Institutionen in den Städten reagieren oftmals nur auf diesen Trend. Gerade der Kontext Mensch, Stadt und Sensoren/Daten erlaubt einen Einblick in die Wirkungsweise der komplexen Beziehungen der einzelnen Entitäten untereinander. Nicht nur technische Aspekte sind hierbei wichtig, sondern vor allem auch die sozialen Bezüge: Denn die Smart City braucht den smarten Citizen (RATTI 2014). Für die räumliche Planung bedeutet dies, sich ihres interdisziplinären Charakters zunehmend bewusst zu sein, nur so wird sie smart. Die verantwortlichen Akteure müssen fundiertes Fachwissen der Technologie, Administration und Soziologie besitzen, um dies zu erreich (EXNER 2014). Oder, wie GREENFIELD (2011) es ausdrückt: Der Planer der Zukunft muss mindestens so vertraut mit der Arbeit von Jane Jacobs, Jan Gehl und Holly Whyte sein, wie er mit der von Vint Cerf oder Eric Raymond ist. 3 Methoden und prototypische Umsetzung Im Zuge des DFG-geförderten Urban Emotions -Projektes wurde eine People as Sensors App entwickelt, die Menschen die Möglichkeit bietet, den Kontext eines emotionalen Ausschlages einzugeben. Dieser Kontext besteht einerseits aus der Art der Emotion (Angst, Überraschung, Freude, etc.) und der Suche nach dem Trigger, dem Emotionsauslöser. Abbildung 1 zeigt das generelle Urban Emotions Konzept bestehend aus fünf Kernbausteinen. Im ersten Schritt werden Emotionsinformationen über Humansensorik aufgenommen. Da Emotionen mit derzeit verfügbaren Sensoren nur als nicht zuordenbare Ausschläge gemessen werden können, wurde eine Art Ground-truthing App auf Basis des People as

666 P. Zeile, B. Resch, J.-P. Exner et al. Sensors Konzeptes (RESCH 2013) kreiert (s. u.). Im zweiten Schritt werden diese Emotionsdaten mit Social Media Daten korreliert, wobei computerlinguistische Methoden für die Extraktion von Emotionen aus den Textdaten verwendet werden. Die aus dieser Korrelation gewonnenen Emotionsinformationen werden im dritten Schritt mittels dynamischer Visualisierungsmethoden raumzeitlich dargestellt und anschließend, im vierten Schritt, in stadtplanerischen Szenarien erprobt um so mögliche Rückkoppelung im Gefüge Mensch- Sensor-Stadt (Raum) erkennen zu können. Auf Basis der Ergebnisse wird im fünften und letzten Schritt ein Set von konkreten Handlungsempfehlungen für die Stadtplanung erstellt. Abb. 1: Urban Emotions Konzept: 1) Messung von Emotionen, 2) Korrelation mit VGI, 3) dynamische raumzeitliche Visualisierung, 4) Validierung und Rückführung in stadtplanerische Prozesse, und 5) Erstellung von Handlungsempfehlungen Darüber hinaus wurde ein Verfahren konzipiert, das Daten aus diversen VGI-Beständen analysiert und Emotionen extrahiert. Vorerst werden hauptsächlich georeferenzierte Twitter Tweets berücksichtigt. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Twitter Community ständig größer und mobiler wird, dies begünstigt schnelle Antworten auf Tweets was wiederum die Aktualität und Frequenz der gesamten Beiträge erhöht (PERREAULT & RUTHS 2011). Zusätzlich kann davon ausgegangen werden, dass sich der unmittelbare Kontext des mobilen Benutzers bis zu einen gewissen Grad in dessen Tweets widerspiegelt. Zudem sind Twitter Daten grundsätzlich über eine öffentliche Application Programming Interface (API) frei zugänglich (https://dev.twitter.com/). Für die Extraktion von Emotionsinformation aus Tweets wurden Methoden aus der Computerlinguistik mit Geoinformatikmethoden kombiniert. Der zentrale Schwerpunkt des Projektes und damit auch die Innovationsleistung, die über bisherige Ansätze hinaus geht liegt in der Aufgabe, eine echtzeitnahe und auch für planerische Zwecke zielgerichtete Kombination von Emotionsmessungen, People as Sensors Beobachtungen und VGI-Emotionsinformation zu entwickeln. Derzeit stehen die Einzelkomponenten wie nachfolgend beschrieben schon als Solitär zur Verfügung. 3.1 Ground-truthing: People as Sensors App Um Emotionsinformation gezielt in städtische Planungsprozesse integrieren zu können, müssen Emotionen möglichst akkurat in Bezug auf ihre räumliche Genauigkeit und ihren kausalen Ursprung bestimmt werden. Speziell der Grund, warum eine Emotion ausgelöst

Urban Emotions 667 wurde und welche Art der Emotion zu einem Ausschlag geführt hat, ist eine technische und methodische Herausforderung. Das derzeitige Problem besteht darin, dass die Art der Emotion nicht über verfügbare Sensorik bestimmbar ist. Deshalb wurde im Urban Emotions Projekt eine Methodik für eine Art Ground-truthing entwickelt, die eine klare Zuordnung eines gemessenen emotionalen Ausschlages zu einer von sieben Basisemotionen (EKMAN 1988) und dem Grund des Ausschlags schafft. Mithilfe einer einfachen People as Sensors Smartphone App werden subjektive Gefühlslagen der Probanden durch deren Benutzereingaben erfasst und automatisch mit Zeitstempel und geographischen Koordinaten versehen. Durch diese zusätzliche Datenerfassung werden die objektiven Messungen validiert, wodurch deren Aussagekraft bedeutend erhöht werden kann. Konkret wird Testpersonen die Möglichkeit gegeben, ihre subjektiven Empfindungen in urbanen Situationen einzugeben. Dadurch wird eine Zuordnung von Ausschlägen der Emotionssensoren zu den tatsächlichen Ereignissen in der physischen Welt geschaffen. Das grundlegende Konzept der Urban Emotions App ist in Abbildung 2 dargestellt. Die in die android-basierte App eingegebenen Emotionen werden mit den Sensormessungen kombiniert und über standardisierte Schnittstellen (Transactional Sensor Observation Service SOS-T) an einen Server geschickt, der die Daten speichert und für weitere Analyse- und Visualisierungsprozesse aufbereitet. Abb. 2: Überführung von gemessenen Emotionen zu Basisinformationen für städteplanerische Prozesse durch Kombination vom Sensordaten und People as Sensors Eingaben 3.2 Beispiel EmoCycling Eine erste Studie zum Potenzial der humansensorischen Datenerfassung wurde im Kontext der Forschungstätigkeiten mit dem EmoCycling-Projekt vollzogen, welches die emotionalen Befindlichkeiten von Radfahrern im urbanen Raum untersuchte. Hierbei wurden mit einem Wearable, dem Smartband, die psycho-physiologischer Reaktionen der Körper aufgezeichnet. Durch eine Kombination von Video-Kamera-Signalen und GPS-Koordinaten kann der emotionale Stress sekundengenau gemessen und verortet werden (vgl. hierzu ZEILE et al. 2013). Analyseort dieses ersten Tests des Urban Emotions -Equipments noch ohne den Einsatz der App war eine Radstrecke in der Stadt Kaiserslautern. Dabei wurde

668 P. Zeile, B. Resch, J.-P. Exner et al. Wert auf eine repräsentative Auswahl von Straßenabschnitten gelegt. Zusätzlich war für eine Strecke mit einer höheren Geländebewegung vorgesehen, diese einmal mit Pedelecs (Pedal Electric Cycle) und als Vergleich mit einem klassischen Fahrrad zu befahren. Zur Identifikation von Stresshotspots werden alle Datensätze aggregiert, die Triggerpunkte extrahiert und zu einer Heatmap verdichtet. Besondere Bereiche von vermehrten Stressreaktionen können nachträglich per Videomaterial gesichtet werden und dienen als Ansatzpunkte für verkehrsplanerische Optimierung. Auffällig bei der Studie ist die geringere Stressdichte bei Bergauffahrten des Pedelecs im Vergleich zum Fahrrad. Zwar liegt es nahe, den Grund dafür in dem unterstützenden Elektromotor zu sehen, aber weitere Verifizierungen diesbezüglich werden durch den Einsatz der Urban Emotions App erhofft, welche in zukünftigen Szenarien integriert wird. Abb. 3: Vergleich der ermittelten Stresspunkte zwischen Fahrradfahren und Pedelec- Fahrern (HÖFFKEN et al. 2014) 4 Schlussfolgerung und Ausblick Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklung einer auf Emotionsmessungen basierenden Informationsgrundlage für die Stadtplanung ist eine dezidierte Analyse der Ausgangsituation. Eine neue innovative Methode im Bereich des Live-Monitorings ist die emotionale Stadtkartierung, bekannt als Emotional Mapping oder EmoMapping. Das EmoCycling-Projekt zeigt das Potenzial bei der Analyse bei einer klassischen verkehrsplanerischen Fragestellung und ermöglicht zeitnah und situativ Problemstellen lokalisieren und stadtplanerisch adressieren. Ergänzend dazu wird in Zukunft im Rahmen des Urban Emotions Projektes auch die Informationsbeschaffung über explizit geäußerte nutzergenerierte Daten untersucht werden, welche die implizit erfassten humansensorischen Daten verifizieren können. Auch potenzielle Konfliktfelder, wie etwa die unterschiedlich hohe Verbreitung der Bevölkerung mit verschiedenen Social Media-Diensten in verschiedenen Ländern sollen dabei beleuchtet werden. Von den Ergebnissen des Forschungsprojektes wird höchste Relevanz für die Raum- und vor allem Stadtplanung in Zukunft zu erwarten sein. So drängt sich eine weitergehende Integration der urbanen Emotionsdaten in Planning Support Systems (PSS) sowie auch konkret in der städtischen Verwaltung auf.

Urban Emotions 669 Danksagung Das Projekt Urban Emotions der Kooperationspartner CPE (TU Kaiserslautern) und Geoinformatik (Universität Heidelberg) wird von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) gefördert. Mitarbeiter innerhalb der EMOCYCLING-Studie waren Andrea Meyer- Hentschel, Carsten Miller, Dennis Groß, Fabian Schmitt, Filiz Yesil, Florian Denzer, Hannah Rauschkolb, Johann Wilhelm, Nora Daude und Sebastian Buschlinger. Literatur BATTY, M. (2012), Smart Cities of the Future. UCL Working Paper Series, 188, 1-41. BATTY, M. (2013), The New Science of Cities. The MIT Press, Cambridge. EKMAN, P. (1988), Gesichtsausdruck und Gefühl (Hrsg.). 20 Jahre Forschung von Paul Ekman. Junfermann-Verlag, Paderborn. EXNER, J. (2013), Smarte Planung Ansätze zur Qualifizierung eines neuen Instrumentenund Methodenrepertoires im Rahmen von Geoweb, Raumsensorik und Monitoring für die räumliche Planung. Sierke, Göttingen. GOODCHILD, M. F. (2007), Citizens as Sensors: the World of Volunteered Geography. GeoJournal, 69 (4), 211-221. GREENFIELD, A. (2011), Beyond the smart city. Urbanscale. http://urbanscale.org/news/2011/02/17/beyond-the-smart-city/. HÖFFKEN, S., WILHELM, J., GROß, D., BERGNER, B. & ZEILE, P. (2014), EmoCycling Analysen von Radwegen mittels Humansensorik und Wearable Computing, Proceedings RealCORP2014. Wien (akzeptierter Konferenzbeitrag). PERREAULT, M. & RUTHS, D. (2011), The effect of mobile platforms on Twitter content generation. Proceedings of the Fifth International Conference on Weblogs and Social Media. Barcelona (Spain), 289-296. RATTI, C. (2014), Forget Flying Cars Smart Cities Just Need Smart Citizens, The European, 21.3.2014. RESCH, B. (2013), People as Sensors and Collective Sensing-Contextual Observations Complementing Geo-Sensor Network Measurements. In: KRISP, J. M. (Ed.), Progress in Location-Based Services. Springer, Berlin/Heidelberg, 391-406. SAGL, G., RESCH, B., HAWELKA, B. & BEINAT, E. (2012), From Social Sensor Data to Collective Human Behaviour Patterns: Analysing and Visualising Spatio-Temporal Dynamics in Urban Environments. In: JEKEL, T., CAR, A., STROBL, J. & GRIESEBNER, G. (Hrsg.), GI-Forum 2012: Geovisualization, Society and Learning. Wichmann, Berlin/ Offenbach, 54-63. SALESSES, P., SCHECHTNER, K. & HIDALGO, C. A. (2013), The Collaborative Image of The City: Mapping the Inequality of Urban Perception. PLoS ONE, 8 (7), e68400. STREICH, B. (2014), Subversive Stadtplanung. Springer VS, Wiesbaden. ZEILE, P., EXNER, J.-P., BERGNER, B. S. & STREICH, B. (2013), Humansensorik und Kartierung von Emotionen in der räumlichen Planung. In: BUHMANN, E. et al. (Eds.), Peer reviewed Proceedings of Digital Landscape Architecture 2013 at Anhalt University of Applied Sciences. Wichmann, Berlin/Offenbach, 129-141.