4/2013 UniSPIEGEL 13 FOTO: RICKY JOHN MOLLOY

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Transkript:

Der RoboProf Die Studenten der Universität Aalborg sollten genau hinschauen, wenn sie in eine Veranstaltung von Henrik Schärfe gehen. Der Professor besitzt näm lich einen»geminoiden«, einen Roboter, der so aussieht wie er. Im Gespräch mit dem UniSPIEGEL berichtet Schärfe, wie Mitmenschen auf die Maschine reagieren und welches Verhältnis er zu seinem elektronischen Zwilling hat. 12 UniSPIEGEL 4/2013

FOTO: RICKY JOHN MOLLOY UniSPIEGEL: Wo steckt denn Ihr Roboter gerade? Schärfe: In seinem Büro. Er hat sein eigenes Zimmer, das hängt voller Mikrofone und Kameras. Manchmal führen wir Besucher rein und beobachten damit, wie sie auf meinen Nachbau reagieren, auch darum geht es in meinen Forschungen. Ich würde mich in dem Raum nicht wohlfühlen, deswegen bestehe ich auf einem eigenen Zimmer (lacht). UniSPIEGEL: Eigentlich ziemlich praktisch: Sie haben einen mechanischen Doppelgänger, einen Avatar, den Sie aus der Ferne kommandieren können. Haben Sie Angst, dass er Ihren Job gefährden kann? Schärfe: Hiroshi Ishiguro, der meinen Roboter gebaut hat, unterrichtet in Japan an zwei Universitäten. Zu einer schickt er gewöhnlich seinen Androiden, den er dann von seinem Büro aus steuert. Einige warfen schon jetzt den Gedanken auf, ob er für die eine Vorlesung voll bezahlt werden müsse: Er sei ja physisch gar nicht anwesend. UniSPIEGEL: Sie selbst haben Ihren Roboter auch schon eine Vorlesung halten lassen. Schärfe: Stimmt. Im Hörsaal saßen 150 Erstsemesterstudenten. Meine Stimme kam aus Lautsprechern, meine Folien wurden auf die Wand projiziert. Ich war in meinem Büro auf der an- 4/2013 UniSPIEGEL 13

icub Humanoide Helfer Manchmal, sagt Karinne Ramirez, sei ihr der Roboter unheimlich. Wie das eine Mal, als er sich ohne Kommando umdrehte, ihr in die Augen schaute und lächelte. Warum er das tat? Das weiß die Forscherin bis heute nicht. Der Roboter, mit dem Ramirez an der Technischen Universität München arbeitet, ist eine Art Kind aus Blech und Drähten. Er heißt icub, ist einen Meter groß und hat zwei comicrunde Augen. Als icub von seinen italienischen Erbauern nach München geliefert wurde, konnte er schon krabbeln und greifen. Jetzt sorgt Forscherin Ramirez dafür, dass es dabei nicht bleibt. Dank der 31-Jährigen kann er nun auch etwas, das sie»die Mama tracken«nennt. Sieht icub ein Gesicht, freut er sich: Der rote leuchtende Strich unter seiner Stupsnase rundet sich dann zu einem lachenden Mund wie bei einem Baby, das mit seiner Mutter»Kuckuck!«spielt. Was sich putzig, aber nutzlos anhört, dient einem höheren Zweck: icub soll so programmiert werden, dass er merkt, wenn eine Person im Raum ist. Er soll sie mit den Augen verfolgen und irgendwann auch antizipieren können, was die Person vorhat. Ramirez und die anderen Robotiker wollen, dass Roboter zu nützlichen kleinen Helfern heranwachsen, die beispielsweise Schuhe binden, Gläser spülen, Essen kochen oder den Müll rausbringen können. Das alles ist noch Zukunftsmusik, aber in deutschen Unternehmen und Universitäten wird mit großem Aufwand daran gearbeitet, Roboter aufmerksamer, alltagstauglicher und letztlich PR2»James«menschlicher zu machen. Es ist wohl nur noch eine Frage von wenigen Jahrzehnten, bis Androiden in Privathaushalten, Krankenhäusern oder anderen sozialen Einrichtungen arbeiten. Schon jetzt gibt es Modelle, die in Altenheimen eingesetzt werden und etwa erkennen können, wenn ein Senior gestürzt ist und am Boden liegt. Humanoide Helfer werden sich zu einem Milliardengeschäft entwickeln und das Alltagsleben der Menschen stark verändern, waren sich viele der Experten einig, die im Mai bei der weltweit größten Fachkonferenz für Robotik und Automation in Karlsruhe zusammengekommen waren. Einer der Roboter, auf die die Wirtschaft besonders hofft, ist das Modell PR2. Es wird in den USA hergestellt, weltweit an Forscher machen Roboter aufmerksamer, alltagstaug - licher und menschlicher. Es ist wohl nur noch ein Frage von wenigen Jahrzehnten, bis Androiden in Kranken - häusern, Seniorenheimen oder Privathaushalten arbeiten. Wollen wir das eigentlich? VON LAURA HÖFLINGER Institute geliefert und kostet bis zu 300 000 Euro. Ein Exemplar wohnt in Bremen, heißt James und kann Pfannkuchen backen. Er kippt dafür eine Fertigmischung in die Pfanne, weil»er noch keine Eier aufschlagen kann«, wie Moritz Tenorth erzählt. Der Post-Doc und seine Kollegen an der Universität Bremen wollen James zu einem Helfer für den Haushalt ausbilden. Irgendwann soll er Menschen beistehen, die allein nicht mehr zurechtkommen. James kann nicht nur Pfannkuchen zubereiten, sondern auch Brot toasten, es mit Butter beschmieren und Käse drauflegen. Das Raffinierte an James: Er saugt sich sein Wissen aus dem Internet. Er liest Rezepte, schaut Videos und wappnet sich so für ein Leben am Herd.»Unser Ziel ist es, dass er eines Tages von YouTube und dem Kochportal Chefkoch lernen kann«, sagt Tenorth. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Denn jede Alltagshandlung ist für einen Roboter kompliziert: Damit er zum Beispiel Pfannkuchen machen kann, muss er lernen, den Herd anzuschalten, den Teig im richtigen Winkel auszugießen und den Kuchen im richtigen Moment zu wenden. Doch James und die anderen PR2 haben einen großen Vorteil: Sie sind vernetzt. Was ein Modell in Frankreich lernt, kann man auch für seinen Doppelgänger in Deutschland herunterladen. Wächst da auf diesem Wege langsam, aber sicher ein Alleskönner heran? Einer, der menschliche Pfleger und Haushaltshilfen überflüssig macht? Ein amerikanischer Künstler fand ein eindrucksvolles Bild für die Angst vor der Mechanisierung der Menschlichkeit: Er schuf den Lebensende-Roboter, der Sterbenden in ihren letzten Stunden die Hand hält, wenn es sonst keiner mehr machen will. Wer würde eine solche Welt wollen?»roboter werden Zuneigung nicht ersetzen können«, sagt Forscher Tenorth. Für ihn und die Münchner Robotik-Fachfrau Ramirez sind Roboter Werkzeuge, keine Gefährten, wie sie beide betonen. Einfach jemand, der beispielsweise die Wäsche zusammenlegt, und zwar dann, wenn er es soll. Ein PR2 in den Vereinigten Staaten schafft es schon jetzt. Er braucht allerdings 25 Minuten für ein Handtuch. 14 UniSPIEGEL 4/2013

FOTOS: RONNY HARTMANN / DAPD / DDP IMAGES (L.O.); MICHAEL BAHLO / PICTURE ALLIANCE / DPA (L.U.) deren Seite des Gebäudes und steuerte alles fern. Zuvor hatten wir Kameras angebracht, so dass ich auf Fragen reagieren konnte und darauf, was im Raum passierte. UniSPIEGEL: Bewegte sich der Roboter? Schärfe: Alle künstlichen Muskeln sitzen im Kopf und im oberen Torso. Ich kann den Kopf steuern, der Mund bewegt sich wie meiner, wenn ich spreche. Atembewegungen und Blinzeln laufen automatisch. Mein Roboter ist also nicht nur eine Puppe, die stocksteif dasitzt. UniSPIEGEL: Wie haben die Studenten reagiert, als sie begriffen, dass sie einen Roboter vor sich haben? Schärfe: Manche haben anfangs gar nicht gemerkt, dass da durch eine Maschine zu ihnen gesprochen wird, die erfuhren das erst in der Pause. Was wir beobachteten: Frauen achten wesentlich mehr auf Details. Etwa stört es sie sehr, wenn Lippenbewegung und Ton nicht ganz synchron sind. Männer kümmern sich mehr um das große Ganze. UniSPIEGEL: Heißt das, es fällt Männern leichter, einen Roboter zu akzeptieren? Schärfe: Vielleicht, aber richtig wohl fühlen sich beide Geschlechter nicht. Die Frage ist: Warum regt uns dieses Medium überhaupt so auf? Warum las - sen wir einen Fernseher unseren Kindern Märchen erzählen, aber übernähme das ein Roboter, fänden wir das komisch? An der Universität Aalborg haben wir mehr Studenten, als in unsere Hörsäle passen. Also übertragen wir viele Vorlesungen in einen zweiten Raum. Das finden wir okay. Aber einen Roboter finden wir seltsam. UniSPIEGEL: Was haben Roboter denn an sich, das uns so aufwühlt? Schärfe: Wann immer jemand den Roboter trifft, muss er zwei sehr unterschiedliche Bilder in seinem Kopf in Einklang bringen. Der Android ist ja eine Maschine, sieht aber aus wie ein Mensch. Was passiert, nennen wir»conceptual blending«zwei Bilder, die sich zu einem neuen überlagern. Es kann für manche sehr verstörend sein, wenn sie einen Menschen sehen, der eigentlich etwas ganz anderes ist. UniSPIEGEL: Vielleicht passen Menschen und Androiden einfach nicht zusammen? Schärfe: Wir können ja lernen, neue Arten der Kommunikation zu akzeptieren. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das erste Mal geskypt habe, so wie jetzt bei diesem Gespräch. Aber ich bin mir sicher, es fühlte sich ein wenig seltsam an. Inzwischen haben wir uns daran gewöhnt. UniSPIEGEL: Wir werden uns also auch angewöhnen, einen Roboter im Haus zu haben und mit ihm zu reden? Schärfe: Oh ja, das ist ein glaubhaftes Szenario. Viele vermuten, dass der Markt für Haushaltsroboter so groß werden könnte Roboter-Schädel: Blinzeln läuft automatisch wie der Markt für Autos. Roboter können uns so ziemlich überall helfen: in Schulen, in Seniorenheimen, in Krankenhäusern. Ein paar Pfarrer haben mich sogar gefragt, ob sie den Geminoid in der Kirche ausprobieren könnten, um die Messe abzuhalten. Vielleicht testen wir das sogar eines Tages. Aber das wird zwangsweise kontrovers werden. Kann ein Roboter eine Beichte abnehmen? Eine Ehe schließen? UniSPIEGEL: Je ähnlicher Maschinen dem Menschen werden, desto gruseliger finden wir sie: Wissenschaftler nennen das den»uncanny-valley-effect«, den»unheimliches-tal-effekt«. Wäre es nicht besser, einem Humanoiden erst gar kein menschliches Gesicht zu geben? Sondern lieber etwas Ikonisches oder Cartoonhaftes? Schärfe: In manchen Fällen bestimmt. Aber wenn ein Professor eine Vorlesung hält, soll er doch nicht aussehen wie Micky Maus. Nehmen wir aber an, der Roboter wurde gebaut, um alten Menschen zu helfen, aus dem Bett ins Bad oder in den Rollstuhl zu kommen, vielleicht wäre ein Gesicht wie aus»irobot«das beste, also so ein ganz unaufdringliches, neutrales. Sähe er aus wie ein Mensch, hätte die Situa - tion ja durchaus etwas sehr Intimes. UniSPIEGEL: Wie war es, eine Maschine entstehen zu sehen, die einem so ähnlich ist? Schärfe: Ich bin mehrmals nach Japan gereist, wo sie gebaut wurde. Jedes Detail haben wir besprochen. Mein Gesicht wurde inspiziert, gefilmt und fotografiert. Als wir den Androiden dann das erste Mal angeschaltet und gesehen haben, wie er sich bewegt, da hatte ich das Gefühl, eine Person erwache aus langem Ko - ma. Das war ein machtvoller Moment. UniSPIEGEL: Der Roboter hat eine Narbe auf der linken Handober - fläche, darüber hinaus trägt er eine Kopie Ihres Eherings. Schärfe: Ich habe da ein Brandmal von einer Zigarette. Der Android hat auch die leicht schiefen Zähne, die ich habe, und die Färbung mancher Stellen meiner Haut. Wir wollten einen Roboter bauen, der wirklich genauso aussieht wie ein Mensch. Tatsächlich haben viele Kollegen gesagt, dass das mit meinem Roboter zum ersten Mal gelungen sei: Er habe das»unheimliche Tal«durchschritten. UniSPIEGEL: Auf manchen Bildern sitzt er angeschnallt neben Ihnen auf dem Beifahrersitz. So transportieren Sie ihn? Schärfe: Für kurze Distanzen: ja. Wir sind aber auch schon geflogen, er muss dann vorher durch diese großen Scanner, zusammen mit Golfschlägern, Cellos und Fahrrädern, was natürlich unwürdig ist. Für längere Strecken haben wir eine große Box und verschiffen ihn. 4/2013 UniSPIEGEL 15

HENRIK SCHÄRFE ist 44 Jahre alt und arbeitet am Fachbereich Kommunikation und Psychologie der Universität Aalborg in Dänemark. 2011 ließ er sich von seinem japanischen Kollegen Hiroshi Ishiguro, der auch einen elektronischen Zwilling hat, einen Geminoiden bauen. Schärfe ist weniger an der Technik der Maschine interessiert als vielmehr daran, wie ein Roboter aussehen muss, damit Menschen ihn akzeptieren. Die Londoner»Times«wählte Schärfe 2012 wegen seiner Roboterforschungen in die Liste der»100 einflussreichsten Menschen der Welt«. Weitere Infos zu Schärfes Projekt gibt es auf der Internetseite geminoid.dk. Außerdem kann man den Roboter in etlichen YouTube-Filmen beobachten. UniSPIEGEL: Wir beide sprechen gerade über den Roboter, als sei er ein echter Mensch. Wie steht es denn um Ihre Beziehung zu Ihrem Doppelgänger? Schärfe: Ich weiß, dass er eine M a s c h i n e i s t, u n d i c h h a b e k e i n Problem, das Licht auszumachen, und ihn im Büro zurückzulassen, wenn ich heimgehe. Aber manchmal, wenn ich morgens herein - komme und ihn sehe, dann lächle ich und freue mich. Menschen können Gefühle für humanoide Roboter entwickeln. Und wissen Sie was wenn ihn jemand bewegt hat, während ich weg war, denke ich manchmal für den Bruchteil einer Sekunde: Wieso habe ich mich bewegt? Und es ist seltsam, ich glaube es sogar spüren zu können, wenn man den Roboter anfasst. UniSPIEGEL: Sie spüren eine Hand auf Ihrer Schulter, wenn sie eigentlich auf dem Roboter liegt? Schärfe: Ja, oder wenn ein Fremder versucht, das Hemd des Roboters aufzuknöpfen, weil er sehen will, wie weit die Haut geht, dann ist das, als würde jemand meine Privatsphäre verletzen. Wir haben im Labor eine Regel : Du kannst das Gesicht des Roboters anfassen, solange du auch mein Gesicht so anfassen würdest. UniSPIEGEL: Wie wäre es erst für Sie, wenn Ihr Geminoid kaputt - ginge? Schärfe: Am Anfang, als er nach Dänemark kam und wir ihn hin und her räumten, da hatte ich tatsächlich Alpträume, dass wir ihn fallen lassen könnten. Das ging vorbei. Doch wir haben viel darüber nachgedacht, was wir denn eigentlich mit ihm machen sollen, wenn wir fertig sind. Sollen wir ihn recyceln? Zur Mülldeponie bringen? UniSPIEGEL: Hören Sie auf! Sie können ihn doch nicht einfach wegwerfen! Schärfe: Natürlich nicht, das werden wir auch nicht machen. Wahrscheinlich endet er in einem Museum, weil er einer der ersten super-realistischen Androiden in der westlichen Welt ist. Aber selbst Sie, die Sie ihn ja gar nicht kennen, reagieren so: Werfen Sie ihn nicht weg! Dabei ist er eigentlich nur eine Maschine. Oder nicht? GESPRÄCH: LAURA HÖFLINGER FOTO: GORM OLESEN / POLFOTO / PICTURE ALLIANCE / DPA 16 UniSPIEGEL 4/2013