Substitution von Blutbestandteilen Stellenwert von Erythropoetin Steffi Bärwolf; FÄ für Innere Medizin Medizinische Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin Klinikum Ernst von Bergmann Potsdam
Gesetzliche Grundlage Richtlinien der Bundesärztekammer zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten gemäß 12 a u. 18 TFG Zweite Richtlinienanpassung 2010 (gültig seit 10.07.2010) www.baek.de/haemotherapie ISBN 978-3-7691-1294-8 Deutscher Ärzte-Verlag
AB0-Identitätstest Blutkomponenten und Plasmaderivate sind verschreibungspflichtige Arzneimittel zwingend ärztliche Anordnung und Aufklärung des Patienten unmittelbar vor Transfusion von EK Bedside-Test durch transfundierenden Arzt keine Entnahme von Blutproben aus verschlossenen Beuteln
Erythrozytenkonzentrate Lagerung bei 2-6 C; Transport bei 1-10 C Haltbarkeit nach Eröffnung 6h Verfügbare Präparate: alle EK sind aus frischem Vollblut einer Einzelspende hergestellt alle EK in Deutschland sind in-line-filtriert/leukozytendepletiert bestrahlt/unbestrahlt
Auswahl von EK Auswahl nach Blutgruppenserologie (AB0-System, Rhesus-Faktor D, ggf. weitere Merkmale wie C, c, E, e, Kell, Antikörpersuchtest, Kreuzprobe) immer AB0- und Rhesus(D)- gleich transfundieren nur in Ausnahmefällen AB0-ungleich aber kompatibel Patient A B AB 0 Kompatible EK A oder 0 B oder 0 AB, A, B oder 0 0
Ausnahme bei nicht zweifelsfrei bestimmbarer Blutgruppe, sind EK der Blutgruppe 0 zu transfundieren zum Beispiel: Patienten mit Hämolyse durch Isoagglutinine nach AB0- inkompatibler allogener Knochenmarktransplantation Patienten mit autoimmunhämolytischer Anämie
Dosierung von EK Orientierung ausschließlich nach der Klinik keine verbindlichen numerischen Werte Anstieg des Hkt um 3-4% (1-1,5 g/dl)/ EK Anpassung des Transfusionsvolumens bei Herz- und/oder Niereninsuffizienz
Indikation von EK Wiederherstellung und Aufrechterhaltung einer Normovolämie nach akutem Blutverlust (absolute Indikation <Hkt 15%) Grundsatz: akuter Blutverlust macht früher Sypmtome als chronischer Jüngere Patienten mit normaler Herz-Kreislauf-Funktion tolerieren Anämie besser als Ältere Kreislaufstabile tolerieren Anämie besser als instabile Bei hämatologischen Systemerkrankungen: Rhesusuntergruppen und Kell-kompatibel Vermeidung der Gabe EK potentieller KM/SZ-Spender und ihrer Blutsverwandten an ihre potentiellen Empfänger
Grenzwerte zur sofortigen Transfusion bei akutem Blutverlust Hkt > 30% ja Volumensubstitution nein klinisch relevante Erkrankung (Sepsis, KHK ) ja nein Indikation zur EK-Transfusion Hkt < 20% Indikation zur EK-Transfusion ab Hkt< 15% absolute Transfusionsindikation ja nein Volumensubstitution
Grenzwerte zur Transfusion bei chronischer Anämie durch chronischen Blutverlust, Eisenmangel, Hämolyse, Tumoranämie und hämatologische Systemerkrankungen mit und ohne Chemotherapie Hkt >25% ja nein keine Transfusion klinisch relevante Erkrankung (KHK, Sepsis, Fatigue ) Hkt<20% ja nein Transfusion von EK klinische Entscheidung keine Transfusion Transfusion von EK
Bestrahlung von Blutprodukten Bestrahlung mit γ-strahlen (Einzeldosis 30 Gy) Ziel ist Verhinderung der Übertragung vermehrungsfähiger, immunkompetenter Lymphozyten auf immunkompromittierte Patienten (Transfusions-GvHD)
Indikation für bestrahlte EK Transfusion: bei Blutstammzell- oder Knochenmarktransplantation vor autologer Stammzellentnahme (ca. 7-14d) bei allen autolog oder allogen Transplantierten und bei hämatologischen Neoplasien bei schweren Immundefekten intrauterin oder bei Frühgeborenen < 37 SSW bei allen gerichteten Blutspenden von Blutsverwandten bei Austauschtransfusionen Praxis: Vorbeugung der Alloimmunisierung bei vielen Transfusionen
Thrombozytenkonzentrate 1 TK enthält 2-4x10 11 Thrombozyten Lagerung bei 20-24 C unter ständiger Agitation Transport bei Raumtemperatur sofortige Transfusion nach Auslieferung Zur Verfügung stehende Präparate: TK aus Vollblutspende (Einzelspender; nur 6-8 x10 10 Thrombozyten/50 ml) TK-gepoolt aus 4-6 Einzelspendern TK-apherisiert; 2-4x10 11 Thrombozyten eines Spenders TK wie aufgeführt, zusätzlich bestrahlt TK-HLA kompatibel
Indikation für TK hämorrhagische Komplikationen bei: erworbenen Thrompzytopenien/-pathien im Rahmen hämatologischer Systemerkrankungen bei angeborenen Thrombozytopathien Prophylaxe bei Thrombozytopenie/- pathie und Blutungsgefahr sowie präoperativ Thrombozytopenie bei Massentransfusionen
Kontraindikationen von TK absolute Kontraindikation nur bei der TTP relative Kontraindikation bei: hämatologischen Systemerkrankungen, geplanter KM-Transplantation, heparininduzierter Thrombozytopenie, disseminierter intravasaler Gerinnung
Auswahl von TK Kompatibilität im AB0-System bei Nichtverfügbarkeit Major-Kompatibilität wie bei EK einhalten Bei TK aus Vollblutspenden (gepoolte TK) wegen restlichen Erythrozyten auch Rhesus-Faktor D berücksichtigen bei Rh(D)-negativen Mädchen oder gebärfähigen Frauen Vermeidung Rh(D)-positiver Konzentrate, sonst Prophylaxe mit Anti- D-Immunglobulinen i.v.
Gepoolte- oder Apherese-TK? kein signifikanter Unterschied zwischen gepoolten und Apherese- Konzentraten bezüglich: Transfusionseffizienz Kontamination Transfusionsreaktionen Refraktärität/Immunisierung Indikation für Apherese-Konzentrate: bei Alloimunisierung gegen HLA-und/oder plättchenspezifische Antigene, verbunden mit einem unzureichendem Substitutionseffekt Auswahl des Spenders nach Antigenmuster des Empfängers
Prophylaktische TK-Transfusion Hämostaseologisch stabile Patienten ohne Risikofaktoren und bei hämatologischen Systemerkrankungen mit Produktionsstörung bei zusätzlichen Risikofaktoren (febrile Infektionen, Blutungszeichen, plasmatische Gerinnungsstörung) <10x10 9 /l <20 x10 9 /l Promyelozytenleukämie ITP nur bei Blutung Schwerwiegende Blutung, vor chirurgischen Eingriffen mit hoher Blutungsgefahr, vor Blutstammzellspende, Lumbal/- Epiduralpunktion, Organbiopsie Neurochirurgische Eingriffe, Eingriffe am Auge, Massivtransfusionen Strenge Indikationsprüfung bei anhaltender Thrombozytopenie ohne Therapie <50-80x10 9 /l < 80x10 9 /l
Eine Knochenmarkbiospie bei ausgeprägter Thrombozytopenie ist keine Indikation zur TK-Transfusion, sofern eine adäquate Kompression der Punktionsstelle gewährleistet ist.
Dosierung von TK Anstieg der peripheren Thrombozytenzahlen um 20-30x10 9 /l bei Patienten mit nicht erhöhtem Umsatz durch Gabe von: 4-6 Einzelspender-Thrombozytenkonzentraten 1 Pool-Thrombozytenkonzentrat 1 Zytapherese-Thrombozytenkonzentrat nicht erreichbar bei: immunologischem Refraktärzustand durch Allo-AK gegen HLA- Klasse-I-AG, plättchenspezifische AG, und AB0-Blutgruppen AG dann Verwendung HLA-kompatibler und AB0-Blutgruppenkompatibler TK
Thrombozyten haben eine mittlere Lebensdauer von ca.8-12 d
Vermeidung von CMV-Infektionen Transfusion von CMV-AK negativen Blutpräparaten bei: CMV-negativen Empfängern eines allogenen Stammzellpräparates CMV-negativen Empfängern mit schweren angeborenen Immundefekten HIV- infizierte Personen, die CMV-negativ sind Schwangere, die CMV-negativ sind PRAXIS: Vorgehen umstritten, da organisatorisch schwierig. Durchseuchung in Deutschland ca. 50%, weltweit 30-90%.
Häufigkeit von UAW Häufigkeit unerwünschter Wirkungen von Blutpräparaten Hämolytische Transfusionreaktion vom Sofort-Typ; ohne tödlichen Ausgang Hämolytische Transfusionreaktion vom Sofort-Typ; mit tödlichem Ausgang Allergische Transfusionreaktion; milder Verlauf Allergische Transfusionreaktion; schwerer Verlauf Posttransfusionelle Purpura Transfusionsassoziierte Graft versus Host Disease (tagvhd) Transfusionsassoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) Bakterielle Kontamination (EK) Bakterielle Kontamination (TK) Transfusionsassoziierte Virusinfektion:HIV Transfusionsassoziierte Virusinfektion:HCV Transfusionsassoziierte Virusinfektion: HBV Transfusionsassozierte Parasitosen: Malaria (Neue) Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (vcjd) Risiko/ je transfundierte Einheit 1:6.000-1:80.000 1:250.000-1:600.000 1:33-1:333 1:20.000-1:50.000 Einzelfälle 1:400.000-1:1.200.000 1:5.000-1:7.200 1:500.000-1:4.700.000 1:900: 1:100.000 <1:1.000.000 (D 1:20.000.000) <1:1.000.000 (D <1:20.000.000) 1:10.000-1:1.000.000 (D ca. 1:500.000) <1:1.000.000 fragliche Fälle in UK D- DRK-Studie für DRK-Blutspendedienste in Deutschland 2003
Erythropoetin und Erythropoesestimulierende Wirkstoffe Gabe s.c. oder i.v. stimulieren wie körpereigenes EPO Proliferation, Differenzierung und Überleben von Vorläuferzellen der Erythropoese im Knochenmark Vorläuferzellen tragen EPO-Rezeptor Epo wirkt als Wachstumsfaktor und Zytokin
Richtlinien European Organisation for Research and Treatment of Cancer (EORTC) und American Society for Clinical Oncology (ASCO) geben aktuelle evidenzbasierte Richtlinien für den Einsatz Erythropoese stimulierender Agenzien bei anämischen Tumorpatienten heraus
Zulassung von EPO/ ESO zur Behandlung: bei Erwachsenen mit nichtmyeloiden malignen Erkrankungen, die eine Chemotherapie erhalten und bei denen das Risiko einer Transfusion besteht einer Anämie bei chronischem Nierenversagen bei Kindern und Erwachsenen unter Dialysebehandlung Reduktion von Fremdbluttransfusionen vor einem großen orthopädischen Eingriff mit hohem Risiko einer Transfusionskomplikation, falls eine Eigenblutspende nicht möglich Steigerung der autologen Blutgewinnung vor Eigenblutspende Prävention der Frühgeborenenanämie
ESA/EPO in der Hämatologie/Onkologie Therapieziele: Anstieg des Hämoglobinwertes Vermeidung anämiebedingter Symptome oder Organschäden Reduktion/ Verhinderung von EK-Transfusionen (Evidenzgrad A) Verbesserung der Lebensqualität (Evidenzgrad A)
Verordnung von ESA/EPO bei Tumorpatienten keine Zulassung für Tumorpatienten mit symptomatischer Anämie ohne Chemotherapie Verordnung nur bei symptomatischer Anämie mit Chemotherapie Aufklärung über Risiken Nutzen-Risiko-Abwägung: Art und Stadium der Erkrankung, Prognose, Behandlungspräferenz des Patienten vor und unter ESA/EPO-Gabe Eisenspeicher kontrollieren und ggf. auffüllen (i.v.) bei kurativer Zielsetzung oder guter Prognose EK bevorzugen(?)
Dosierung von ESA/EPO Behandlung der Chemotherapie-assoziierten Anämie ab Hb<10g/dl Zielwerte Hb 10 (-12) g/dl kein dauerhafter Hb >12 g/dl niedrigste Dosis wählen um Hb zwischen 10-12 g/dl zu halten oder Dosisintervall verlängern Darbepoetin alfa 500 µg (6,75 µg/kg KG) alle 3 Wochen Epoetin alfa 40 000 IE 1x/Woche Epoetin beta 30 000 IE 1x/Woche
Dauer der Behandlung mit EPO solange Hb<10 (-12) g/dl und Verbesserung der Anämiesymptome Abbruch bei Erreichen des Ziel-Hb oder 4 Wochen nach Ende der Chemotherapie Beendigung der Behandlung bei unzureichendem Ansprechen nach 8 Wochen, keine Dosiseskalation (Evidenzgrad B)
UAW bei ESA/EPO-Gabe 1.Metaanalyse Bennett CL, Silver SM, Djulbegovic B et al (2008) Venous thrombembolism and mortality associated with recombinant erythropoietin and darbepoetin administration for the treatment of cancer-associated anemia. JAMA 299:914-924 Ergebnisse: Signifikant erhöhte Rate an venösen Thromembolien bei 8172 Patienten aus 38 Studien (ca. 1,6-fach erhöht) Signifikant erhöhtes Sterblichkeitsrisiko bei 13611 Patienten aus 51 Studien
UAW bei ESA/EPO-Gabe 2. Metaanalyse Bohlius J, Schmidlin K, Brillant C et al (2009) Recombinant human erythropoieses-stimulating agents and mortality in patients with cancer: a meta-annalysis of randomised trials. LANCET 373: 1532-1542 Erhöhte Letalität und verschlechtertes Gesamtüberleben bei 13933 Patienten aus 53 Studien
Fazit Tumorpatienten müssen bei Gabe von ESA/ EPO über die heute bekannten Risiken sorgfältig informiert werden : thromembolische Komplikationen einschließlich pulm. Embolien Stimulation des Tumorwachstums verkürztes progressionsfreies Überleben erhöhte Letalität allergische Reaktionen bis zum anaphylaktischen Schock, Angioödeme, Bronchospasmen, Urtikaria, Krampfanfälle, Erytheme
Weitere Informationen www.dgho.de (Pfad Leitlinien>Allgemeines, Therapieverfahren> ) www.onkodin.de; unter supportive Therapie
Wer, außer Radfahrer, bekommt eigentlich EPO?