Dieser Artikel ist bereits online erschienen unter elektroniknet.de: http://www.elektroniknet.de/home/designtools/fachwissen/uebersicht/l/leiterplatten-design/design-werkzeuge-um-komponenten-inleiterplatten-einzubetten-kopie-1/2/ 2010 WEKA FACHMEDIEN GmbH Alle Rechte vorbehalten Der virtuelle Prüfling: Simulation zur Verbesserung des Leiterplattendesigns nutzen Bhavesh Mistry, Product Manager National Instruments, Toronto, Canada Wenn man sich die Seiten verschiedener Fachzeitschriften ansieht, wird ohne Frage klar, dass viele Leser nach Möglichkeiten suchen, mit denen sie ihren Designansatz verbessern können. Angesichts schrumpfender Budgets weltweit suchen wir alle nach Wegen, um produktiver zu sein, die Anzahl an Innovationen zu erhöhen und Kosten in Schach zu halten. Dieser Innovationsbedarf gilt insbesondere für die Technologiebranche, etwa für den Entwurf von Leiterplatten. Derzeit sind einer Reihe von Berichten die fortgesetzten Leistungsschwächen und Mängel von Leiterplatten zu entnehmen. Die Aberdeen Group zum Beispiel berichtete, dass mindestens 64 % der Elektronik entwickelnden Unternehmen ihre Kostenziele verfehlen. Diese Kosten stehen sehr wahrscheinlich zu mindestens 39 % der Designs in Beziehung, die drei Neuauflagen benötigen. Schlechtes Design und ineffektive Tests stellen auch weiterhin große Herausforderungen bei der Leiterplattenentwicklung dar. Viel Aufmerksamkeit wurde im Designbereich auf die besten Verfahrensweisen gelegt. Ingenieure sowie Unternehmen aus dem EDA-Bereich haben eine gemeinsame Ausgangsbasis durch diese simple Frage gefunden: Wie können wir unsere Werkzeuge anpassen, um einen besseren Ansatz beim Leiterplattendesign zu finden? In diesem Artikel werden wir eine ähnliche Fragen stellen, aber den Umfang unserer Verbesserungen ausweiten, indem wir folgende Frage formulieren: Wie können wir unsere Werkzeuge anpassen, um einen besseren Ansatz beim Leiterplattendesign und -test zu finden Um die Designeffizienz zu verbessern, müssen wir die verschiedenen Aufgaben von Ingenieuren ganzheitlich betrachten und alle Facetten des Entwicklungsprozesses verbessern: vom Konzept bis hin zum Produkt. Das bedeutet, dass wir den häufig stiefmütterlich behandelten Prüfingenieur berücksichtigen und uns vor Augen führen müssen, wie er an die Aufgabe der Validierung herangeht.
Ein verbesserter Ansatz bei Design und Test ist mithilfe der Nutzung einer lange wenig beachteten Technologie möglich der Schaltungssimulation. Im Verlauf dieses Artikels werden wir betrachten, wie durch Nutzung der Schaltungssimulation nicht nur das Designverhalten besser evaluiert, sondern auch die Verbindung zwischen den Bereichen Design und Validierung hergestellt werden kann, um eine bessere Testentwicklung zu ermöglichen. Das bedingt die Einführung des Paradigmas des virtuellen Prüflings. Was ist ein virtueller Prüfling? Prüfling bezeichnet jeden beliebigen Elektronikaufbau, der getestet wird. So kann beispielsweise ein elektronisches System einer Reihe von Tests unterzogen werden, um sicherzustellen, dass entweder eine einzelne Einheit oder das gesamte System die Spezifikationen erfüllt. Ein virtueller Prüfling ist lediglich ein elektronisches System, das wir mithilfe der Simulation virtuell testen. Unsere Analyse und Evaluierung des Prüflings geschieht ganz einfach mittels eines mathematischen Modells davon, wie wir uns den möglichen Betrieb des Systems vorstellen. Zwar mag dies wie ein simples Konzept erscheinen, doch ist die bereitwillige Annahme dieser simulierten Definition eines elektronischen Systems der Grund, dass wir es effektiv zu nutzen beginnen können, um unseren Ansatz bei Design und Test zu verbessern. Entwicklungsprozess einer Leiterplatte Das Konzept des virtuellen Prüflings wird uns dabei unterstützen, unsere Ansätze bei den verschiedenen Phasen des Leiterplattendesigns zu verbessern, der aus vier Verbindungspunkten besteht: Der Konzeptphase, in der Spezifikationen definiert werden Der Designphase, in der das Design auf Schaltplanebene definiert wird Der Layoutphase, in der eine Leiterplatte (oder ein physikalischer Prototyp) definiert wird Der Testphase, in der die Leiterplatte (oder der Prototyp) validiert wird Abbildung 1: Entwicklungsprozess des Leiterplattendesigns
Dieser Entwicklungsprozess ist in Techniklaboren auf der ganzen Welt Standard. Durch Einsatz der Simulation zur Verbesserung dieser einzelnen Phasen werden wir in die Lage versetzt, Zeit und Kosten zu sparen und das Designverhalten zu verbessern. SPICE-Simulation und Schaltungsentwurf Zuerst soll betrachtet werden, wie die Designphase durch Einsatz der Schaltungssimulation verbessert werden kann. SPICE (Simulation Program with Integrated Circuit Emphasis) ist eine Sprache, die Elektronikparameter für die mathematische Simulation beschreibt. SPICE-Modelle für Widerstände, Kondensatoren, Induktivitäten, Operationsverstärker, Transistoren und Netzgeräte können kombiniert werden, um virtuell das Verhalten und die Qualität einer Leiterplatte darzustellen. Die SPICE-Simulation gibt es bereits seit den 1960ern, sie hat aber lange Zeit ein Schattendasein geführt. Das kann der Tatsache zugeschrieben werden, dass Simulation traditionell eine sehr schwer zu verwendende textgesteuerte Sprache ist. In den letzten zehn Jahren haben grafische Simulationsumgebungen wie National Instruments Multisim zu einer viel einfacheren Nutzung der Simulation geführt, da sie es ermöglichen, einen Schaltkreis grafisch zu definieren und ein SPICE- Simulationsmodell automatisch im Hintergrund zu erstellen. Solche Vorstöße führten zu einer Zunahme bei der Verbreitung von Simulationssoftware. Die Schaltungssimulation stellt eine sehr einfache, aber leistungsstarke Möglichkeit dar, den Entwurf zu verbessern. Zeitverluste und Kostenaufwand während des Entwicklungsprozesses werden mit den häufigen Iterationsphasen zwischen Entwurf, Layout und Test in Verbindung gebracht. Bei einem Ansatz ohne Simulation wird die Leiterplatte direkt aus dem Schaltplan übernommen. Der Nachteil bei dieser Vorgehensweise besteht darin, dass Designfehler erst viel zu spät im Entwicklungsprozess erkannt werden. Gängige Fehler während der Evaluierung eines physikalischen Prototyps können u. a. folgende sein: Falsche Entscheidungen bei der Auswahl der elektronischen Bauteile Es wurde eine ineffektive Schaltungstopologie verwendet, die jetzt neu entworfen werden muss Im Schaltkreis trat ein unvorhergesehenes Verhalten durch nicht berücksichtigte Extremfälle und unerwartete Stimuli auf Resultate von Fehlentscheidungen beim Design wie Rauschen und Übersprechen Werden Fehler wie die hier genannten nicht vor dem Test des Prototyps aufgedeckt, sind wir gezwungen, Prototypen zu überarbeiten und somit wieder zur Designphase zurückzukehren. Diese Wiederholungen sind im Allgemeinen kostenaufwändig und umständlich, da Zeit für die Überarbeitung des Schaltbilds sowie für das Warten auf das Durchlaufen der Validierung benötigt wird.
Simulation als virtueller Prüfling Um solche Schwächen im Entwicklungsprozess zu überwinden, sollte überlegt werden, wie Simulation und ein virtueller Prüfling zur Verbesserung des Designverhaltens genutzt werden können. Die Simulation kann zur Bewältigung gängiger Fehler eingesetzt werden, indem das Schaltungsverhalten abgefragt wird. Relevante Punkte lassen sich innerhalb eines Schaltkreises leicht identifizieren. Die simulierte Performance kann an jedem Punkt dazu beitragen, ein Gesamtbild des Designverhaltens zu erstellen. So kann die Simulation dazu beitragen, SPICE-Modelle von Herstellern zu nutzen, um das Verhalten der Bauteile in gängigen Designtopologien vor der Prototypenerstellung darzustellen Simulationsergebnisse zu analysieren, um dadurch zu verstehen, ob die Spezifikationen erfüllt werden während der Simulation verschiedene Testfälle (unterschiedliche Stimuli etc.) durchzuspielen, um das Designverhalten in Extremfällen zu sehen Wird die Anzahl an Fehlern reduziert, können Zeit und Kosten gespart werden. Denn das Gesamtverhalten wurde bereits in einer virtuellen Umgebung auf Fehler untersucht. Die Simulation ist keinesfalls ein Ersatz für den physikalischen Prototypen. Sie stellt aber ein Werkzeug im Repertoire des Entwicklers dar, mit dem er die Zeit für die Schritte bis zur Phase der Prototypenerstellung reduzieren kann. Produkte wie z. B. Multisim, welches kürzlich auf die Version 11.0 aktualisiert wurde, helfen dank ihrer bedienfreundlichen Oberfläche die Komplexität der Simulation deutlich zu verringern.
Tests mit dem virtuellen Prüfling verbessern Nachdem wir gesehen haben, wie sich das Designverhalten mithilfe von Simulation verbessern lässt, soll es nun darum gehen, wie dieselbe Technologie uns dabei unterstützt, Tests zu verbessern und zu erleichtern. Wie in Abbildung 1 dargestellt, wird mit Tests nicht vor der letzten Phase des Entwicklungsprozesses begonnen. Viele Prüfingenieure müssen warten, bis eine endgültige Leiterplatte fertiggestellt wurde (nach dem Layout), bevor die Entwicklung von Prüfszenarien überhaupt beginnen kann. Das bedeutet, dass die Erstellung von Testszenarien und Gesamtheitsanalysen sowie das Festlegen von Messgeräteeinstellungen auf die vorherigen Phasen im Entwicklungsprozess warten müssen. Um den Prüfansatz zu verbessern, muss vorhandene Latenz des Leiterplattenentwicklungsprozesses überwunden werden. Wieder einmal bietet Simulation die Lösung. Die Schaltungssimulation während der Designphase wird als Ersatz für einen physikalischen Prototypen eingesetzt. Schrittweise Verbesserungen können durch Visualisierung des Designverhaltens erfolgen, indem Bauteilmodelle modifiziert werden und die Designtopologie in einem virtuellen Umfeld geändert wird. Prüfingenieure können dieselbe Simulation als Ersatz für den Prüfling nutzen, den sie letztendlich validieren werden. Dieser virtuelle Prüfling kann dabei helfen, Eingangssignale für festgelegte Testpunkte (dieselben, die der physikalische Prototyp haben wird) zu liefern. Dadurch können die Messgeräteeinstellungen bereits definiert und verschiedene Testszenarien durchlaufen werden. Prüfingenieure können von der Arbeit des Designingenieurs profitieren und diese als Entwurf für die Testentwicklung verwenden. Der virtuelle Prüfling steht am Ende der Designphase zur Verfügung, d. h., dass die Testentwicklung jetzt parallel zur Phase des Leiterplattenlayouts und der Fertigung geschehen kann. Daraus können sich Zeiteinsparungen während des Entwicklungsprozesses ergeben und nicht eingeplante Kosten, die sich aus einer Verzögerung ergeben würden, können vermieden werden (Abbildung 2).
Abbildung 2: Verbesserter Entwicklungsprozess Implementierung des virtuellen Prüflings Das Konzept des virtuellen Prüflings kann durch die Simulationsumgebung Multisim und die grafische Programmiersprache NI LabVIEW implementiert werden LabVIEW wird von Ingenieuren weltweit verwendet, um z. B. reale Messwerte zu erfassen, zu analysieren und darzustellen. Dazu nutzt LabVIEW das Konzept der virtuellen Instrumente. Diese erfassten Messungen können dann in einer LabVIEW- Anwendung analysiert werden. Die Multisim-Schaltungssimulation ist über eine fertige API (Automatisierungsschnittstelle) in LabVIEW integriert. Das ist für ein Werkzeug aus dem EDA-Bereich einzigartig und dient dazu, die Kommunikation zwischen Design und Test zu ermöglichen. Durch diese Automatisierungsschnittstelle in Multisim kann LabVIEW Multisim als simulierte Messquelle behandeln. LabVIEW-Programme können daher unter Nutzung der Multisim-Simulation als virtueller Prüfling entwickelt werden. Die verschiedenen Testszenarien, das Definieren der Messeinstellungen und der Verifizierungsansatz insgesamt können somit auf Grundlage simulierter Daten entwickelt werden. Sogar die Fehlerbehandlung der Prüfanwendung kann in dieser Vorabphase erfolgen. Abbildung 3: Simulation des Designverhaltens in Multisim (virtueller Prüfling)
Abbildung 4: Entwicklung von LabVIEW-Prüfcode zur Messung des Verhaltens eines virtuellen Prüflings Sobald ein realer Prototyp bereitgestellt wird, kann der virtuelle Prüfling gegen den als Prototypen vorhandenen Prüfling ausgetauscht werden. Das bedeutet, dass eine Form der Datenerfassung (z. B. mittels PXI-, PCI-, USB-Datenerfassung oder GPIB) genutzt werden kann, um die Leistung des Prototypen mit genau demselben Testprogramm zu erfassen und zu analysieren, das für den virtuellen Prüfling verwendet wurde. Abbildung 5: Austausch des virtuellen Prüflings gegen einen realen Prüfling Durch Nutzung des oben beschriebenen Prozesses kann der Anwender: Testfälle parallel zum Schaltungsentwurf und -layout definieren. Das heißt, das Ende der Layoutphase muss nicht mehr abgewartet werden, bevor mit der Testentwicklung angefangen wird. Stattdessen kann mit dem Testen bei Bereitstellung des physikalischen Prototyps sofort begonnen werden. auf Grundlage einer virtuellen Umgebung können verschiedene Tests wiederholt und Extremfälle aufgedeckt werden. Dadurch wird eine verbesserte Fehlerbehandlung ermöglicht.
Äpfel mit Äpfeln vergleichen : Dieselben Tests, die zur Verifizierung des Designverhaltens eingesetzt wurden, können nun für den physikalischen Prototyp verwendet werden. So kann ausgeschlossen werden, dass Fehler in beiden Phasen übersehen werden. Fazit Die Simulation kann sich sofort positiv auf einen Entwicklungsprozess auswirken. Die Möglichkeit, das Verhalten einer Leiterplatte effektiv nachzubilden, bevor mit Silizium und Kupfer gefertigt wird, kann dazu beitragen, ihr Verhalten zu verbessern sowie Zeit und Kosten zu sparen. Mit einem kaum merklichen Paradigmenwechsel können wir beginnen, die Simulation eines Schaltungsentwurfs jetzt als Verkörperung realer Hardware anzusehen, als virtuellen Prüfling. Dadurch können wir simulierte Messdaten nicht nur zur Verbesserung des Designverhaltens einsetzen sondern auch ein schnellere Umsetzung von Prüfanwendungen ermöglichen. In den vier Phasen Konzept, Entwurf, Layout und Test können wir Unwirtschaftlichkeiten durch Einsatz von Schaltungssimulation besser vermeiden.