Phosphor in der deutschen Landwirtschaft Bilanzen und Effizienzen Hans-Georg Frede und Martin Bach, Universität Gießen 1. Problemstellung Landwirtschaftliche Ökosysteme zählen zu den komplexesten Systemen, die wir uns vorstellen können - nicht zuletzt wegen ihrer vielfältigen Wechselwirkungen mit den Umweltmedien Wasser, Boden und Luft. Wenn diese landwirtschaftlichen Ökosysteme in ihren Effizienzen und potentiellen Belastungen beurteilt werden sollen, dann sind zunächst die Stoffströme zu analysieren und zu bilanzieren. Unter allen zu betrachtenden Stoffen zählt der Phosphor zu den wichtigsten, zum einen, weil er einen der besonders knappen und essentiellen, aber nur begrenzt verfügbaren Stoffe in der Landwirtschaft darstellt, zum anderen aber auch, weil er vor allem im Zusammenhang mit Erosionsprozessen zu einer der Hauptbelastungsgrößen der offenen Gewässer zählt. In dem nachfolgenden Beitrag werden die Ergebnisse der aktuell verfügbaren P-Bilanzen für die Bundesrepublik Deutschland vorgestellt und Überlegungen angestellt, ob die herkömmlich angenommenen Eutrophierungspotentiale für Gewässer von P-Einträgen aus landwirtschaftlichen Nutzflächen gerechtfertigt sind. 2. P-Bilanzen Zur Beurteilung der Entwicklung der P-Bilanzüberschüsse in Deutschland seit 1990 sind in Abbildung 1 die P-Flächen- und Gesamtbilanzen dargestellt. Die Abbildung zeigt, dass die Überschüsse in den Gesamtbilanzen bis ca. 2002 leicht rückläufig waren und danach stagnierten. Für die Flächenbilanzen werden dagegen über den gesamten betrachteten Zeitraum hinweg Abnahmen und ab 2004 sogar negative Bilanzüberschüsse berechnet. Abb. 1: Entwicklung der Überschüsse der P-Gesamt- und Flächenbilanz in der Landwirtschaft für die Bundesrepublik Deutschland seit 1990
Gemäß dem grundlegenden Prinzip einer Nährstoff-Bilanzierung (Bach, 2008) müssen Flächenbilanz und Stallbilanz in der Summe gleich der Gesamtbilanz für einen betrachteten Stoff sein. Tabelle 1 zeigt jedoch, dass dieser Ansatz für Phosphor nicht aufgeht. In der Summe weisen die Stall- und die Flächenbilanz nur einen Überschuss von 5,8 kg P*ha -1 *a -1 auf. Es ist davon auszugehen, dass die P-Bilanzierung noch erhebliche Unsicherheiten aufweisen. Drei mögliche Hauptursachen sind in Erwägung zu ziehen: (i) Die Koeffizienten bei den P-Gehalten sind unzureichend geschätzt, (ii) der P-Anfall in Gülle/Mist wird unterschätzt und/oder (iii) der P-Entzug mit der Ernteabfuhr wird überschätzt. Verbesserte Ergebnisse bzw. methodisch exakte P-Bilanzen sind offensichtlich nur zu erzielen, wenn die genannten Größen und Koeffizienten genauer erfasst werden können als das gegenwärtig möglich ist. Tab. 1: Bilanzgrößen der P-Gesamt,- Flächen- und Stallbilanz in der Landwirtschaft für die Bundespublik Deutschland (2007) Bilanzgrößen Gesamt- Bilanz Flächen- Bilanz Stall- Bilanz ---------- kg P/ha LF ---------- Mineraldüngemittel 6,8 6,8 SeRo-Dünger (incl. Tiermehl) 3,1 3,1 Wirtschaftsdünger 12,8-12,8 Futtermittel aus Inlandserzeugung 3,7 3,7 innerbetriebliche Futtermittel 17,2 Futtermittel aus Importen 3,4 3,4 P-Mineralfutter 4,1 4,1 Ernte-Abfuhr -24,7 Pflanzliche Marktprodukte (netto) -7,4 Tierische Marktprodukte -4,1-4,1 Summe Zufuhren 21,1 22,7 24,8 Summe Abfuhren -11,5-24,7-16,9 Überschuss 9,5-2,0 7,8 Unbeschadet dieser methodischen Beschränkungen ist die P-Bilanzierung aber durchaus geeignet, langfristige Entwicklungen aufzuzeigen. Die vieljährigen P-Überschüsse haben dazu geführt, dass sich im Boden große Mengen an Phosphor angereichert haben. Sie haben sich rechnerisch im Laufe der vergangenen 57 Jahre im Durchschnitt des Bundesgebietes auf ca. 900 kg P*ha -1 LF aufsummiert (Abb. 2). Auch wenn die rückläufigen jährlichen Überschüsse in den letzten Jahren zu einem leichten Rückgang in den kumulierten Überschüssen geführt haben, so ändern diese doch nichts an der Größenordnung der im Laufe der Jahre angereicherten P-Mengen in den Böden. Selbst unter Berücksichtigung eines gewissen erosiven P-Austrages ist davon auszugehen, dass diese angereicherten P-Mengen zumindest teilweise für die pflanzliche Versorgung zur Verfügung stehen.
Abb. 2: Akkumulierte P-Mengen in den landwirtschaftlich genutzten Böden Deutschlands im Zeitraum 1950 bis 2007 Im Gegensatz zum Stickstoff wird Phosphor in nahezu allen Böden langfristig angereichert. Ein Austrag aus den Böden ist für dieses Element, außer über die Abfuhr mit geernteter Pflanzensubstanz, praktisch nur über den partikelgebundenen, erosiven Transport von der landwirtschaftlichen Fläche in die Gewässer denkbar. Als eutrophierungsbegrenzendes Element bildet Phosphor in Gewässern eine der Hauptquellen der Gewässerbelastung, weshalb P-Einträge aus ökologischen Gründen auch als besonders kritisch angesehen werden müssen. Hohe P-Anreicherungen im Boden stellen somit auch ein hohes Belastungspotential für Gewässer dar. 3. Problemfall viehstarke Regionen In einer noch nicht veröffentlichten Studie zu den P-Bilanzen viehstarker Regionen in Nordwestdeutschland konnte am Beispiel von 598 Betrieben gezeigt werden, dass der betriebsspezifische P-Bilanzüberschuss (berechnet auf Basis der Nährstoff-Vergleiche der Betriebe) mit steigendem Viehbesatz zwar zu nimmt, die Streuung der einzelnen Werte mit einer Spannweite von über 70 kg P*ha LF -1 jedoch sehr hoch ist (Abb. 3). Der im Wirtschaftsdünger enthaltene Phosphor wird von vielen Betreiben offensichtlich nicht genügend in die Düngeplanung einbezogen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme lagen ca. 60% der Betriebe über dem Grenzwert des betrieblichen P-Überschuss der DüngeVO von 20 kg P 2 O 5 *ha LF -1 (entsprechend 8,8 kg P*ha LF -1 ). Es ist auch nicht davon auszugehen, dass alle diese Betriebe diese seit 2006 in der DüngeVO festgelegten Grenzwerte jetzt einhalten.
Abb. 3: Überschuss in der P-Bilanz von 598 viehhaltenden Betrieben in einer viehstarken Region in Nordwestdeutschland. Eine Aufschlüsselung der in Abb. 3 dargestellten Daten nach der Art der Viehhaltung in den Betrieben (Rindvieh, Schweine) macht zudem deutlich, dass die Angaben der Betriebe in den nach DüngeVO vorgeschriebenen Nährstoffvergleichen oftmals nicht plausibel sind. So hätten die bei bestimmter Betriebsform (Sauenhaltung oder Mastschweinehaltung) anfallenden P-Mengen in Wirtschaftsdüngern in einer linearen Beziehung zum Viehbesatz stehen müssen, was aber offensichtlich in vielen Fällen nicht der Fall ist (Abb. 4). Hier sind die Betriebsangaben kritisch zu hinterfragen. Abb. 4: P-Anfall in Wirtschaftsdüngern (nach Angaben des Nährstoff-Vergleichs) in Abhängigkeit vom Viehbesatz bei Schweine haltenden Betrieben in viehstarken Regionen in Nordwestdeutschland
4. Zur Eutrophierungswirkung von Phosphor Ein Austrag von Phosphor aus den Böden erfolgt praktisch nur über den partikelgebundenen, erosiven Transport von der landwirtschaftlichen Fläche in die Gewässer. Als eutrophierungsbegrenzendes Element bildet Phosphor in Gewässern wiederum eine der Hauptquellen der Gewässerbelastung, weshalb P-Einträge aus ökologischen Gründen auch als besonders kritisch angesehen werden. In den nachfolgenden Überlegungen soll der Frage nachgegangen werden, ob diese Annahmen gerechtfertigt sind. Es ist bekannt, dass die trophische Wirkung von P-Einträgen in die Gewässer u.a. abhängt von der Eutrophierungsgefährdung des Gewässers zu dem jeweiligen Zeitpunkt (Jahreszeit, Gewässermorphologie etc.) und der Bioverfügbarkeit der P-Einträge (P-Bindungsformen). Die Bioverfügbarkeit ist im Wesentlichen an die Bindungsform gekoppelt: ortho-p = gut pflanzenverfügbar; partikulär gebundener P = schlecht pflanzenverfügbar. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg hat auf dieser Basis die Verfügbarkeit verschiedener P-Eintragsquellen analysiert und wie in Abb. 5 dargestellt bewertet: Abb. 5: Anteile des P-pflanzenverfügbar am P-gesamt verschiedener Eintragsquellen (Quelle: Gerdes & Kunst, 1997) Wird der pflanzenverfügbare P-Anteil in die Bewertung von P-Einträgen in die Gewässer mit einbezogen, so ist der Belastungsanteil unterschiedlicher Einleiter anders zu bewerten als es bisherige Praxis ist. Am Beispiel des Landes Hessen soll dieser Zusammenhang abschließend dargestellt werden: die P-Einträge in die hessischen Oberflächengewässer werden für das Bezugsjahr 2005 mit insgesamt 1.794 t P-ges. angegeben (Tetzlaff et al., 2009; Tetzlaff 2006). Davon fallen auf Kläranlagen und Direkteinleiter 47%, Erosion und Abschwemmung 28%, Regenüberläufe 20% sowie Drainagen und Grundwasser 5%. Bezogen auf den jeweiligen pflanzenverfügbaren P-Anteil ändern sich die prozentualen Mengenanteile wie folgt: Kläranlagen und Direkteinleiter 63%, Erosion und Abschwemmung 20%, Regenüberläufe 20% sowie Drainagen und Grundwasser 9% (s. Abb. 6). Rechnet man Kläranlagen und Direkteinleiter sowie Regenüberläufe der Klasse der Punkteinleitungen zu und Erosion und Abschemmung sowie Drainagen und Grundwasser den diffusen Einleitungen, so ergibt sich folgendes Bild: Bei Betrachtung der P-Gesamteinträge haben die Punkteinträge einen Anteil von 67% an den Gesamteinleitungen, bei Berücksichtigung lediglich des pflanzenverfügbaren ortho-phosphats machen die Punkteinleitungen 85% der wirksamen P-Einträge aus.
Abb. 6: Gegenüberstellung der P-gesamt- und ortho-p-einträge in die Gewässer Hessens (ortho-p-einträge berechnet auf der Grundlage von Gerdes & Kunst, 1997; s. auch Abb. 5) 5. Zusammenfassung Es wurden die Ergebnisse der aktuell verfügbaren P-Bilanzen für die Bundesrepublik Deutschland seit 1990 vorgestellt und Überlegungen angestellt, ob die herkömmlich angenommenen Eutrophierungspotentiale für Gewässer von P-Einträgen aus landwirtschaftlichen Nutzflächen gerechtfertigt sind. Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Für die Landwirtschaft in Deutschland als Ganzes sind die Überschüsse in den P-Bilanzen rückläufig. In der Gesamtbilanz ist seit 2002 keine weitere Abnahme festzustellen. Die Flächenbilanzen weisen jedoch weitere Abnahmen auf und sind seit 2004 negativ. Zwischen den einzelnen Betrieben ist allerdings eine sehr große Varianz der P- Überschüsse (nach Nährstoffvergleich) festzustellen. P im Wirtschaftsdünger wird offensichtlich von vielen Betrieben unzureichend in ihrer Düngungsplanung berücksichtigt (hoher P-Zukauf mit Mineraldünger). Der Grenzwert von 20 kg P 2 O 5 P-Überschuss nach Düngeverordnung wird voraussichtlich von vielen viehhaltenden Betrieben nicht eingehalten. Zum Teil liefern die Daten bzw. Ergebnisse aus Nährstoffvergleichen nach Düngeverordnung nicht plausible Ergebnisse. Unter Berücksichtigung des Eutrophierungspotentials verschiedener P-Eintragsformen in die Gewässer kann festgehalten werden: Je nach Berechnungsansatz werden die diffusen P-Einträge aus verschiedenen Quellen in die Gewässer sehr unterschiedlich bewertet. Die unterschiedliche trophische Wirkung von P-Einträgen wird momentan noch nicht berücksichtigt. Bei einer Berücksichtigung der unterschiedlichen trophischen Wirkung würde den diffusen Quellen (i.e. "der Landwirtschaft") eine deutlich geringere Belastung zukommen.
4. Zusammenfassende Literatur Bach M., 2008. Nährstoffüberschüsse in der Landwirtschaft - Ergebnisse und methodische Aspekte. In: S. Fuchs, S. Fach, H.H. Hahn (Eds.); Stoffströme in Flussgebieten Von der Bilanzierung zur Bewirtschaftung. Schriftenreihe SSW, Siedlungswasserwirtschaft Karlsruhe, Bd. 128, 65-86. Gerdes, P., Kunst, S., 1997. Untersuchungen zur ökologischen Wirksamkeit von Nährstoffeinträgen in Fliessgewässer Methoden und Ergebnisse. Teilbericht zum Vorhaben Ökologische Effektivitätskontrolle von Gewässerschutzmaßnahmen in der EU. Institut f. Siedlungswasserwirtschaft u. Abfalltechnik, Univ. Hannover Tetzlaff, B., 2006. Die Phosphatbelastung großer Flusseinzugsgebiete aus diffusen und punktuellen Quellen. Forschungszentrum Jülich, Reihe Umwelt/Environment, Bd. 65, Jülich, 287 S. Tetzlaff, B., Schreiner, H., Vereecken, H., Wendland, F., 2009. Modellgestützte Analyse signifikanter Phosphorbelastungen in hessischen Oberflächengewässern aus diffusen und punktuellen Quellen. Abschlussbericht. FZ Jülich, Schriften des Forschungszentrums Jülich, Reihe Energie & Umwelt, Band 29, 157 S. Kontakt: Prof. Dr. Hans-Georg Frede Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement Universität Giessen Heinrich-Buff-Ring 26-32 35392 Giessen hans-georg.frerde@agrar.uni-giessen.de http://www.uni-giessen.de/ilr/frede/index.html