Pädiatrie à la carte 2016 Universität Witten-Herdecke Die neue Kinder-Richtlinie - was ändert sich für unsere Praxen bei der Durchführung der Regelvorsorgen? Dr. med. Burkhard Lawrenz Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Neonatologe Landesverbandsvorsitzender Westfalen-Lippe im BVKJ Sprecher im Ausschuss Prävention und Frühtherapie des BVKJ Mitglied der Leitlinien- und der Screening-Kommission der DGKJ
Interessenkonflikte Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten für den BVKJ Vortragshonorare vom BVKJ, von der BVKJ-Service GmbH, der KVWL Consult GmbH sowie von Astra Zeneca, GSK, MEDICE, MSD, Novartis, SPMSD und Wyeth Honorare für Advisory Boards und Expertenforen von Astra Zeneca, GSK, Novartis und SPMSD Kongress- und Reisekosten von Pfizer, SPMSD und Wyeth 2
Kinder-Richtlinien Richtlinien über die Früherkennung von Krankheiten bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres (Screening zur sekundären Prävention) geregelt in 26 SGB V Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 26.4.1976, zuletzt geändert am 16.12.2010 3
Kinder-Untersuchungsheft des G-BA ( Gelbes Heft ) verbindlich für die Dokumentation definiert die Standards der Untersuchungen A: Erfragte Befunde B: Erhobene Befunde C: Ergänzende Angaben manchmal zu wenig konkret (z. B. Hörtest ) 4
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Bisheriges Gelbes Heft linke Seite definiert, was Sie erfragen oder untersuchen müssen; rechte Seite: Dokumentation einzelne Entwicklungsitems werden als Screening erfragt oder untersucht z.b. U8 - erfragt: Sprechen in Ich-Form, Aussprachestörungen (z.b. Stammelfehler), Verhaltensauffälligkeiten, motorische Ungeschicklichkeit - erhoben: Gangbild, Romberg 10s, Einbeinstand 3s 6
Neue Kinder-Richtlinie Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 18. Juni 2015 G-BA: juristische Person des öffentlichen Rechts nach 91 SGB V, gebildet von - Deutsche Krankenhausgesellschaft - GKV-Spitzenverband - KBV, KZBV - Patientenvertretung 7
Kinder-Untersuchungsheft des G-BA ( Gelbes Heft ) Überarbeitung notwendig zur Umsetzung der neuen Kinder-Richtlinie Beschlussentwurf des G-BA vom 28.1.2016: Maßnahmen der Qualitätssicherung sowie Anforderungen an die Dokumentation und Evaluation sowie Anlage 1 Untersuchungsheft für Kinder 8
Kinder-Untersuchungsheft des G-BA ( Gelbes Heft ) Schriftliche Stellungnahmen bis 26.2.2016 Mündliche Anhörung 14.4.2016 Stellungnahmeberechtigt sind ausgewählte ( einschlägige ) Fachgesellschaften der AWMF: DEGAM, DGGG, DGHWi, DGKJ, DGKJP, DGKED, DG Kinderzahnheilkunde, DGSPJ, DGZMK, GNP 9
Kinder-Untersuchungsheft des G-BA ( Gelbes Heft ) Was ändert sich? Wie ist das neue Heft aufgebaut? Was fällt weg, was kommt hinzu? 10
Kinder-Untersuchungsheft des G-BA ( Gelbes Heft ) Bisher: Vorlage des gelben Heftes wurde von vielen Stellen erbeten Datenschutzrechtliche Bedenken der Patientenvertreter im G-BA Teilnahmekarte im neuen Heft geplant Vorbemerkungen für Eltern 11
Neues Gelbes Heft : U1 1. Seite: Elterninformation 2. Seite: Anamnese 3. Seite: Untersuchung 4. und 5. Seite: Spezielle Untersuchungen (Stoffwechselscreening, Mukoviszidose-Screening, Hörscreening) 12
Screening auf Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF-Screening) aus Filterkarte für Stoffwechselscreening möglich extra Aufklärung und Elterneinverständnis nötig! Aufklärung muss vor Blutentnahme durch Arzt erfolgen! Sonst 2. Blutentnahme nötig (GenDG) Qualifikation zur fachgebundene genetischen Beratung nicht nötig, jeder Arzt kann aufklären (Gyn / Pädiater) Hebamme darf nicht aufklären! 13
CF-Screening: dreistufig 1. IRT (immunreaktives Trypsinogen) 2. IRT >P99, <P99.9: PAP (Pankreatitis-assoziiertes Protein) 3. PAP >P87.5: DNA-Analyse (auf 31 CFTR-Mutationen) Safety-Net : IRT >P99.9: 2. und 3. entfallen, Screening positiv! Konfirmationsdiagnostik: Chloridmessung im Schweiß 14
Kommunikationswege bei positivem CF-Screening 15
Neues Gelbes Heft : ab U2 1. Seite: Elterninformation über die jeweilige U 2. Seite: Anamnese, Untersuchung (detaillierter) 3. Seite: Beratung 4. Seite: Ergebnisse 16
U2 bis U4: Stuhlfarbe mit Farbtafel! 17
Untersuchung von U2 - U6 Inspektion des ganzen Körpers in Rücken- und Bauchlage und aufrecht gehalten (das Letztere ist zumindest bei U2 sicher schwierig!) Passive Beweglichkeit der großen Gelenke (nicht nur Hüften) Moro- und Galant-Reflex, Schreitautomatismus Klinische Frakturzeichen 18
Augenuntersuchung bei U2 + U3 Inspektion: - morphologische Auffälligkeiten (z.b. Ptosis, Leukokorie, Bulbusgrößenauffälligkeiten, Kolobom - Nystagmus Prüfung im durchfallenden Licht: - Transilluminationsauffälligkeiten bei Trübung der brechenden Medien = Brückner-Test aus 10-30cm! 19
Brückner-Test Unverzichtbar bei U2 zur Katarakt-Detektion! (nur aus 10-30cm, einzige diagnost. Methode, OP bis 8. Woche nötig) Bei allen anderen Kinder-Früherkennungsuntersuchungen so lange, bis zuverlässige monokulare Sehtests und Stereotests möglich sind (meist ab U7a) Sensitivität + Spezifität 80-90% 20
Brückner-Test Der Raum muss nur abgedunkelt werden, nicht vollständig verdunkelt! Man braucht ein lichtstarkes Ophthalmoskop Die Untersuchung beginnt aus der dunkelsten Ecke des Raums in 3 bis 4m Entfernung vom Kind Man lenkt die Aufmerksamkeit des Kindes auf sich, lässt es aber nicht genau das Ophthalmoskop fixieren (z.b. Teddy in der anderen Hand) 21
Brückner-Test Normalbefund Katarakt rechts (0,5m) Starke Hyperopie links (4m) 22
Kernbotschaften zur primären Prävention Eigentlich für Paed.Plus gedacht Kurze einfache Botschaften zu jeder U von U2 bis J2 knappe Erläuterungen gemeinsam mit dem Netzwerk Junge Familie und dem Ausschuss Jugendmedizin erarbeitet 23
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Neues Gelbes Heft : ab U3 Orientierende Beurteilung der Entwicklung (bis U9) - neue Grenzsteine Beobachtung der Interaktion (bis U6) - wenig differenziert zwischen U3 bis U6, daher teils unsinnige Anforderungen 25
Hüftsonographie bei U3 Dokumentation soll unverändert bleiben Also bleibt die Untersuchung auf Instabilität des Hüftgelenks mittels Ortolani obwohl diese wegen des Risikos der Hüftkopfnekrose inzwischen als obsolet gilt! 26
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Beratung ab U4: zur Förderung von Muttersprache und Gebärdensprache! Beratung ab U5: Sucht (der Eltern?) Verweis zum Zahnarzt (nur bei Auffälligkeiten?) 28
Untersuchung ab U7 Inspektion des ganzen Körpers in Rücken- und Bauchlage im Sitzen, von hinten und von den Seiten Passive Beweglichkeit der großen Gelenke 29
Neu ab U7a: Frage nach Stottern - aber keine Evidenz für Sinn früher Therapie! Obligater Verweis zur zahnärztlichen Vorsorge-U - sinnvoll! Untersuchung auf Kieferanomalien - aber kaum Therapiemöglichkeiten in diesem Alter! 30
Augenuntersuchung bei U7a: obsolete Tests Stereo-Test: Titmus, TNO (nur Lang hat ausreichende Sensitivität) Sehtest: Sheridan-Gardiner (Kinderbilder, sollen nicht mehr verwendet werden) 31
Hörtest nur bei U8! Bei U9 weggefallen! Keine Otoskopie vorgesehen von U4 bis U9! 32
U8 + U9 Keine Urinuntersuchung mehr vorgesehen (Proteinurie und Mikrohämaturie als frühe Zeichen chronischer Nierenkrankheiten) Keine RR-Messung (trotz steigender Prävalenz von arterieller Hypertension auch im Kindesalter) 33
Adipositasprävention bei U9 Zur vorausschauenden Beratung vorgesehen Aber: keine Konzepte mit gesichertem Erfolg verfügbar! Dennoch in unseren Kernbotschaften addressiert 34
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Elterninfo bei U9 (Schlussabsatz): Nächste Vorsorge: J1 U10 und U11 ignoriert! 36
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