Mächtige Mitspieler. Geld+Börse. Technische Probleme oder Absicht?



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Transkript:

Technische Probleme oder Absicht? Wenn es an der Börse hektisch wird, fallen die Systeme der Banken im Zertifikatehandel oft aus. Zuviele Emittenten gebenscheine aus, deren Handelbarkeit sie imernstfall nicht sicherstellen können. Mächtige Mitspieler F ünfwochen noch, dann beginnt für Zertifikateanleger in Deutschland ein neues Zeitalter. Am28. April wird der Kauf undverkauf vonzertifikaten auf die elektronische Handelsplattform Xetra verlegt. Bei Aktien hat sich das System bewährt, nun soll hier auch der Handel mit mittlerweile mehr als 300 000 verschiedenen Zertifikaten und Optionsscheinen ablaufen. In Deutschland werden 150 Banken und andere professionelle Teilnehmer direkt angeschlossen sein; weitere 100 kommen in Europa hinzu. 2009 wird der Schweizer Markt dazustoßen. Die ganze Kette des Handels mit Zertifikaten wird dann schneller und sicherer, verspricht Marc Zahn, Chef der Derivatebörse Scoach in Frankfurt. Schneller und sicherer wohl. Dass Xetra wirklichauch am Grundproblemdes Derivatehandels etwas ändert, ist eher unwahrscheinlich. Noch funktioniert derhandel mit Zertifikatenlängst nicht so reibungslos, wie sich das Privatanleger wünschen. Vor allem, wenn es brenzlig anden Börsen wird und es darum geht,durch rechtzeitige Verkäufe sein Geld in Sicherheit zu bringen, kommt es immer wieder zu bösen Überraschungen. Banken sind nicht in der Lage, Kurse zu stellen und Gegenpositionen zu denen der Anlegern anden Börsen abzusichern. Also fallen die Systeme aus und die Banken tun noch zu wenig dagegen. Im Januar-Crash bekamen Privatanleger das hautnah zu spüren. Die Handelsüberwachungsstelle in Frankfurt meldete im Zertifikatehandel starkeeinschränkungen in der Orderausführung bei diversen Emittenten. Auf der Homepage der Stuttgarter Derivatebörse Euwax war zu lesen, dass aufgrund technischer Probleme derzeit nurein eingeschränkterhandel möglich sei.als der Dax am Crash-Montag 21. Januar in den Keller krachte,gingen an der Stuttgarter Börse 18 Meldungen von» Handelsraum in Frankfurt Banken und Börsen müssen im Geschäft mit Zertifikaten noch kräftig nachbessern Um 1000 Prozent zugelegt Umsatzentwicklung von Zertifikaten und Optionsscheinen in Deutschland (in Milliarden Euro) 63,6 60,2 103,8 77,6 111,6 154,8 187,0 260,9 461,5 641,9 700,0 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008* * Prognose Quelle: Banken, eigene Recherche 104 Handelsprobleme Der Massenmarkt der Zertifikate stößt an seine Grenzen 114 Zertifikatetypen Was Discount, Bonus und Express in Börsenkrisen taugen 118 Agrarrohstoffe Kursrisiken und Produktfallen für Zertifikateanleger 122 Abgeltungsteuer Wer jetzt einsteigt, kommt noch am Fiskus vorbei 126 Vertrieb Verkäufer bestimmen, welche Zertifikate auf den Markt kommen 104 WirtschaftsWoche I 22.3.2008 I Nr. 13 Nr. 13 I 22.3.2008 I WirtschaftsWoche 105 FOTO: BERT BOSTELMANN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE

Emittenten, das sind die Herausgeber der Papiere, zu Handelseinschränkungen ihrer Zertifikate ein. Das heißt: Wer die entsprechenden Papiere hatte, konnte nicht aussteigen und musste zusehen, wie sich Euro für EuroinLuft auflöste. Am Dienstag dem 22. Januar, folgten dann sogar 25 Störungsmeldungen. Während etwa diedzbank um 9Uhr Handelsprobleme mit Zertifikaten auf Weizen, Mais und Sojabohnen bekanntgab, strichen einige Emittenten von Zertifikaten komplett die Segel: Bei HSBC Trinkaus, der LBBW, Sal. Oppenheim, JP Morgan, Merrill Lynch, BNP Paribas, BHF Bank, der Raiffeisen Centro Bank und der Bayerischen Hypound Vereinsbank waren am 22. Januarvorübergehend alle Produkte aufgrund von technischen Problemen so der offizielle Wortlaut nicht handelbar. 366 Aussetzer in drei Monaten Neu ist das Problem für die Banken nicht, es spitzte sich nur im Januar-Crash besonders zu. Seit Dezember 2007 kam es im Zertifikatehandel zu 366 Handelsausfällen, beidenen dieemittenten eine entsprechende Meldung an die Stuttgarter Derivatebörse Euwax senden mussten. Die Tabelle auf dieser Seite zeigt,welche Emittenten besonders große Handelsprobleme haben und bei welchen Emittenten der Handelbesser läuft. Lassen sich Zertifikate in hektischen Zeiten nicht kaufen oder verkaufen, hat das ganz unterschiedliche Folgen. Besonders empfindlich trifft es zunächst sogenannte Long- oder Short-Zertifikate. Diese spekulativen Papiere ermöglichen mit kleinem Einsatz den Dreh an einem großen Rad. Daswird möglich, in dem hierdas Geld für Bei welchen Banken und wie oft konnten Anleger ihre Papiere nicht handeln? Emittent Zahl der insgesamt ausgegebenen Zertifikate und Optionsscheine Zahl der Handelseinschränkungen 1 JP Morgan 463 17 367,2 Merrill Lynch 911 22 241,5 Bear Stearns 337 3 89,0 Österreichische Volksbanken 132 1 75,8 Landesbank Berlin 356 2 56,2 Landesbank Baden-Württemberg 2270 11 48,5 Morgan Stanley 436 2 45,9 BHF BANK 2584 11 42,6 Erste Bank 1428 6 42,0 Société Générale 14 237 58 40,7 DZ BANK 7321 29 39,6 Goldman Sachs 17 581 60 34,1 BayernLB 331 1 30,2 HypoVereinsbank 741 2 27,0 WestLB 1185 3 25,3 Raiffeisen Centrobank 1870 4 21,4 UBS 17 005 29 17,1 Vontobel 1629 2 12,3 Citigroup 19 958 19 9,5 HSBC Trinkaus &Burkhardt 19 673 15 7,6 Lang &Schwarz 1415 1 7,1 ABN Amro 16 268 11 6,8 Deutsche Bank 35 572 20 5,6 Commerzbank 58 039 24 4,1 Sal. Oppenheim 26 852 9 3,4 Dresdner Bank 24 528 2 0,8 BNP Paribas 40 504 2 0,5 WGZ BANK 722 0 0,0 Handelseinschränkungen im Vergleich zur Zahl der ausgegebenen Zertifikate und Optionsscheine² 1 Meldungen über Handelseinschränkungen an die Stuttgarter Derivatebörse Euwax in den vergangenen drei Monaten (vom 11.12.2007 bis 10.3.2008). Nicht gezählt sind Meldungen, wenn im Basiswert (Aktie, Index) selbst kein Handel stattfand, etwa wegen eines Feiertags; ²Zahl der Meldungen je 10 000 ausgegebener Papiere; Quelle: Stuttgarter Börse Euwax, Banken, eigene Berechnungen den eigentliche Basiswert (Aktie, Index) nurzu einem kleinenteil aufgewendet werden muss. Hat etwa ein Long-Zertifikat auf die Siemens-Aktie eine Basis von 85 Euro, beginnt erst ab dieser Grenze der Wertzuwachs. Steht die Aktie bei 90 Euro, notiert das Zertifikat bei 5 Euro. Steigt Siemens auf95euro, sind es schon 10 Euroim Zertifikat. Während die Siemens-Aktie in diesem Fall nur gut 5 Prozent zulegt, sind im Zertifikat100 Prozent drin. Doch dieser Hebel funktioniert auch in die andere Richtung.Sinkt Siemens,wie im Januar-Crash, unter 85 Euro, löst sich der Wert des Long-Zertifikats in Luft auf. Bei Tagesschwankungen von mehreren Hundert Punkten im Dax werden Besitzer solcher Spekulationszertifikate reihenweise abrasiert, wenn sie nicht noch schnell vorher die Notbremse ziehen können. Doch dasist ihnen zu oft nicht möglich. Wer mit Hebelpapieren dieser Art spekuliert, kennt in der Regel das hohe Risiko, das er eingeht. Doch an besonders hektischen Tagen trifft es auch Besitzer ganz normaler Anlagezertifikate. Vor allem sogenannte Bonuszertifikaten zeigen dann ihre Kehrseite: Diese Papiere versprechen eine feste Rendite,wenn die Aktien in einer bestimmten Bandbreite bleiben. Rutschen die Kurse aber aus diesem vorher definierten Kursband, geht das Renditeversprechen verloren und es drohen empfindliche Verluste. Nach den Berechnungen der Zertifikateanalysten von Scope haben im Januar mehr als zehn Prozent dieser Zertifikate ihren Bonus verloren.» Im Handel mit Zertifikaten und Optionsscheinen kam esandeutschen Börsen inden vergangenen drei Monaten zuerheblichen Ausfällen. In der Tabelle sind die Handelseinschränkungen aller wichtigen Zertifikatebanken (ab 100 herausgegeben Papiere) erfasst. Insgesamt haben die Banken 314 000 verschiedene Papiere auf dem Markt.Vom 11. Dezember bis 10. März kam es zu 366 Handelsstörungen, die von den Emittenten an die Stuttgarter Derivatebörse Euwax gemeldet wurden. Die Banken sind zu den Pannen-Meldungen verpflichtet und haben auch ein Interesse daran, weil sie sich bei Nachfragen oder Schadenersatzforderungen von Anlegern, die während eines Ausfalls nicht handeln konnten, auf diese Meldungen berufen. Die Reihenfolge der Banken ergibt sich aus der Zahl der Handelsstörungen geteilt durch die Zahl der ausgegebenen Derivate.Auch wenn die Meldungen unterschiedlich umfangreich sind, so geben sie Hinweise darauf, obdie Emittenten inder Lage sind, das Volumen der angebotenen Papiere angemessen zu handeln. Oben stehen die Banken mit vergleichsweise vielenausfällen, unten die mit vergleichsweise wenigen. 106 WirtschaftsWoche I 22.3.2008 I Nr. 13

Geld+Börse Anleger gibt Order auf Im Mittelpunkt stehen die Emissions-Banken. Sie müssen ständig aktuelle Preise berechnen, diese Quotes den Börsen und Online-Banken zur Verfügung stellen und zugleich Zertifikate an- und verkaufen. Anleger Milliardengeschäft Datenströme, die zwischen Anlegern, Banken und Börsen beim Kauf und Verkauf von Zertifikaten ablaufen Bank bestätigt ausgeführte Order Bank leitet Order an die Börse Emittent führt Order aus und gibt Bestätigung Börse Berechnung von Zertifikatekursen Emittent Online-Bank Börse führt Order aus und Bestätigt an die Bank Bank leitet Order direkt an den Emittenten Handel von Zertifikaten Berechnung von Zertifikatekursen Handel von Zertifikaten Emittent führt Order aus und gibt Bestätigung Börse gleicht Angebot und Nachfrage aus oder leitet Order notfalls an Emittenten weiter Arbitrageure Eurex liefert Preisdaten für Basiswerte wie Dax-Future und Bund-Future Börse übermittelt Kurse der gehandelten Zertifikate Kursversorger liefert Preise für Basiswerte wie Dollar, Aktien, Gold Arbitrageure nutzen Kursabweichungen bei Zertifikaten für sekundenschnelle Geschäfte aus. Kursversorger/ Informationsportale Dass auf den ersten Blick harmlose Anlagepapiere wie Bonuszertifikate Risiken dieserart bergen, ist ein Manko des mittlerweile 140 Milliarden Euro schweren Zertifikatemarkts. Gerade weil Zertifikate als Rundumversorgung in allen Börsenlagen angepriesen werden, ist die Enttäuschung vieler Anleger groß, wenn es im Ernstfall dann doch zu erheblichen Verlusten kommt und man womöglich nicht einmal aussteigen kann, kritisiert Ulrich Hocker, Chef der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Sogar zur Altersvorsorge werden Zertifikate angepriesen. So bietet etwa Inora Life, die Versicherungstochter der französischen Société Générale, eine Rürup-Rente auf Zertifikatebasis an. Sechs Spieler sind es zunächst, die am Handel mit Zertifikaten teilnehmen und von denen der reibungslose Ablauf in diesem System abhängt: Privatanleger, Hausoder Online-Banken, Börsen, Emittenten, Datenlieferanten und die Terminbörse Eurex. Die große Grafik oben zeigt, wie die einzelnen Teilnehmer miteinander verbun- 108 WirtschaftsWoche I 22.3.2008 I Nr. 13 den sind und welche Datenströme zwischen ihnen ablaufen. Herzstück im System des Zertifikatehandels sind die Emittenten, also Banken und andere Institute, die Zertifikate herausgeben. Sie berechnen ständig intern die aktuellen Kurse für ihre Zertifikate. Diese Preisdaten (Quotes) stellen sie den Börsen und Online-Banken zur Verfügung. Auf Basis dieser Kurse müssen sie einen durchgehenden Handel mit Zertifikaten aufrecht- Wird es richtig hektisch, kommen die Computer nicht hinterher Eurex Terminbörse erhalten, das sogenannte Market Making egal, ob die Aufträge zum Verkauf oder Kauf von Papieren direkt von einer OnlineBank hereinkommen oder von der Börse. Schon das Ausrechnen des richtigen Zertifikatekurses ist ein komplizierter Vorgang. So fließen etwa in die Preisberechnung eines ganz normalen Bonuspapiers mehrere Stellgrößen ein, die sich laufend verändern: Der Kurs der Basis-Aktie, geschätzte Dividenden der Unternehmen, erwartete Kursschwankungen an den Börsen oder die Höhe der Zinsen. Je hektischer es nun an den Börsen zugeht, desto schwieriger wird die Beschaffung dieser Basis-Daten. Wenn der DaxFuture an der Eurex in wenigen Minuten um mehr als 100 Punkte steigt oder fällt, ist es kein Wunder, wenn die Computer bei der Preisberechnung nicht mehr hinterherkommen, sagt Roland Lang, ZertifikateChef des Emittenten Morgan Stanley. Bei manchen großen Banken fielen in den Januar-Turbulenzen etwa Datenbanken zu den erwarteten Dividenden deraktien aus. Als Folge solcher und ähnlicher Aus-»

fälle schicken Emittenten dann die Standardmitteilungandie Börsen,dass der Handel mit Zertifikaten aufgrund technischer Probleme zurzeit nicht möglich sei. Spitzenreiter am 21. und 22. Januar mit insgesamt sieben solcher Meldungen an die Stuttgarter Euwax war der Zertifikate- Emittent Citigroup. Nicht nur die Zertifikatebanken habeninturbulenten Zeiten Probleme, sagen die Banken und schieben einen Teil der Schuld auf die Datenlieferanten wie die Börsen oder spezialisierte Dienstleister, von denen sie ihre Kurse bekommen. Wenn die Emittenten von den Datenlieferanten die Kurse ihrer Basiswerte nur mit Verzögerung bekommen, ist eine aktuelle Preisstellungbei den Zertifikaten nicht möglich, sagt Heiko Weyand, Zertifikatespezialist bei HSBC Trinkaus. Und dabeimüssen gerade bei schnellenkursänderungen die Preise für Zertifikate im Sekundentakt aktualisiert werden. Das ist nicht nurwichtig, damit Kunden sofort handeln können; es ist auch lebenswichtig für die Bank selbst. Denn für jedes Zertifikat, das die Emittenten verkaufen, müssen sie zur Absicherung ein Gegengeschäft eingehen. Wenn sie das nicht tun und der Markt läuft gegen sie,drohen empfindliche Verluste. Wie hoch die Absicherung letztlich sein muss,steht erst mit dem Preis der Zertifikate fest. An Tagen wie dem 22. Januar eine solche Absicherung (Hedge) zeitgleich aufzubauen, ist alles andereals einkinderspiel. Mächtige Mitspieler i mhintergrundfunken zudem dazwischen, schneiden sich bei demganzenzertifikatekarussell einedicke Scheibe abund verschärfen die Probleme mit dem Handelvon Zertifikaten. Das bekommen fast alle Emittenten zu spüren, besonders Massenanbieter wie die Deutsche Bank, die Commerzbank oder Sal. Oppenheim. Immer dann, wenn Zertifikatekurse von ihrem theoretisch errechneten Wert abweichen das ist je nach Marktphase bei ein bis fünf Prozent der Derivate der Fall,treten sogenannte Arbitrageure auf den Plan. Das sind hochprofessionelle Wertpapierhändler und Tüftler, die den Derivatebörse Euwax in Stuttgart Handelsausfälle von Zertifikateemittenten werden auf die Minute genau dokumentiert ganzen Tag nichts anderes machen, als Kursungleichgewichte auszunutzen. Wenn ein Zertifikat bei einem Emittenten auch nur ein oder zwei Centvom theoretischen Computer-Preis abweicht, schlagen die Software-Maschinen der Arbitrageure zu: Sie kaufen, was zu billig ist undverkaufen oft Millisekunden später für einen Cent mehr. Der professionellste unter ihnen, und zugleich der bei den Emittenten am meistengefürchtete,ist die amerikanischeinteractive Brokers Group.Sie wickelt in über 50 Ländern Finanzgeschäfte ab und gilt unter Terminmarkt-Spezialisten als eine der besten Trading-Plattformen der Welt. In Europa tritt sie unter ihrem alten Namen Timber Hill auf ein Reizwort für Emittenten und Börsen, sagt ein Zertifikatemann aus Lassen wir Preise sieben Sekunden gelten, verlieren wir Millionen Stuttgart. Als Timber Hill zum ersten Mal bei uns ander Euwax auftauchte,gab es einen harten Sommer. Interactive Brokers ist offiziell zugelassener Teilnehmer an der Deutschen Börse, kann sich direkt in die Handelssysteme einklinken und ist seit mehr als 25 Jahren auf die Identifizierung von Preisungleichgewichten spezialisiert, so die hauseigene Mission. Wie so etwas läuft, bekam nach Angaben von Marktteilnehmern zuletzt die Deutsche Bank zu spüren. Ende Januar drückte ihr ein Arbitrageur mehrere 10000 Aufträge ins System. Dass Arbitrageure wie Timber Hill mit solchen Massen-Orders den Markt blockieren, ist nichts Ungewöhnliches, sagt der Zertifikatespezialist eines angelsächsischen Emittenten. Wenn wir in solchen Phasen den Preis eineszertifikats auch nur für sieben Sekunden gelten lassen, verlieren wir an einem Tageine MillionEuro. Arbitrageure wie Timber Hill tragen dazu bei, dass Preise stets aktuell sind schließlich ist bei theoretisch richtigen Preisen keine Arbitrage möglich. In diesem Sinne hat diedeutsche Börse auch kein Problem mit Timber Hill & Co. Arbitrageure bringenvor allem involatilen Phasen Liquidität in den Derivate-Markt, sagt Scoach-Chef Marc Zahn. Das kann bei schnellen, oft nur eine Sekunde dauernden Geschäften für die Emittenten mühsam werden; die Daten- und Handelssysteme der Börse werden dadurch aber nicht verstopft, der normale Privatkunde hat dadurch keine Nachteile. Allenfalls kann es passieren, dass ein blitzschneller Arbitrageur einem Privatanleger,der ein Limit zum Kaufvon Zertifikaten aufgegeben hat, ein besonders gutes Angebot vor der Nase wegschnappt. Der Zertifikatemarkt ist eigentlich für den privaten Anleger und Sparer da. Mit diesem ursprünglichen Zweck haben solche Geschäfte aber nun gar nichts mehr zu tun, kritisiert Stefan Armbruster, Zertifikate-Chefder Deutschen Bank. Große Arbitrageure machen ihren Schnitt an den Börsen schließlich können sie nur auf eine im Handelssystem sichtbare Kursangabe zugreifen. Doch auch im Direkthandel zwischen Online-Bank und Emittent wächst die Zahl der Sekundenhändler. Vor allem von Brokern wie Sino oder Fimatex drängen immer mehr semiprofessionelle Kunden in den Derivatehandel. Im Branchenjargonist vonskalpierern die Rede: Diese Trader schaden dem Markt für verbriefte Derivate, sagt Ralph Stemper, Zertifikate-Experte der Com-» 110 WirtschaftsWoche I 22.3.2008 I Nr. 13

merzbank. Sie nutzten eszum Beispiel aus, wenn Emittenten verzögert Preise stellten und zwingen die Emittenten so zum eigenen Schutz die Spanne zwischen Kauf- und und Verkaufspreis auszuweiten oder geringere Stückzahlen zu handeln. Andererseits: Wenn Emittenten immer rechtzeitig Preise stellenwürden, hätten auch die Skalpierer keine Chance. Zugegeben: Die extremen Tage vom 21. bis 23.Januar sind nicht der Normalfall für den Zertifikatehandel in Deutschland. Im Vergleich zu herkömmlichen Tagen hatte sich hier die Zahl der Transaktionen mit Zertifikaten vervielfacht, sagt Christian Grabbe, Chefhändler für verbriefte Derivate bei der Baader Bank. Bis zu 600 Millionen Preisfeststellungen (Quotes) schicken die Emittenten an einem solchen Tag in das Handelssystem für Zertifikate. Die derzeitigen Systemesind an ihreleistungsgrenze gekommen,sagt Scoach-ChefZahn. Den Emittenten ist bewusst, dass sie technisch aufrüsten müssen. Damit der Markt weiter wachsen kann, müssen Anlageprodukte auch in solchen Phasen durchquotiert werden, sagt Roland Lang, Zertifikate-Chef von Morgan Stanley. Hartmut Knüppel, Vorstand des neuen Derivate- Verbands DDV, fordert, dass die Systeme auch in Extremsituationen bei einem Vielfachen des durchschnittlichen Handelsvolumensfunktionieren. Als direkte Möglichkeit, den Handel auch in hektischen Zeiten sicherzustellen, wird über eine Ausweitung des Spreads diskutiert, also über eine höhere Spanne zwischen Ankauf und Verkauf von Zertifikaten. Wie bei Aktien müssten Käufer, die in turbulenten Zeiten einsteigen wollen, dann mehr bezahlen, so Zertifikateexperte Lang. Zum Teil gingen die Emittenten im Januar- Crash schon so vor. Die Ratingagentur Scope stellte für den 21.Januar Spreads fest, die um 15,9 Prozent über denen des vorangegangenen Freitag lagen. Optimal für Anleger ist auch das nicht.weitere Spreads bedeuten faktisch, dass der Anleger bei Käufen mehr zahlt und bei Verkäufen weniger bekommt alsbei engeren Spannen. Wie weit dürfen Emittenten diesen Spread ausdehnen? Und ab wann dürfen sie den Handel dann doch einstellen, wenn sie etwa mit ihren Preisberechnungen nicht hinterherkommen? Eine klare gesetzliche Regelung dazu fehlt bisher. Deshalb kann auch keine Aufsicht an diesem Missstand etwas ändern, kritisiert Gerhard Schick, Bundestagsabge- Server-Raum des Derivatemaklers Baader Bank An hektischen Tagen fließen 600 Millionen Kurse durch das System ordneter der Grünen, der sich seit mehr als einem Jahr für eine gesetzliche Kontrolle des Zertifikatemarkts starkmacht. Diese Kontrolle soll auch in turbulenten Zeiten wie dem Januar-Crash greifen, fordert Schick: Zentrale Punkte sind die Festlegung auf maximal erlaubt Spreads,minimal zu handelnde Stückzahlen pro Zeitraum sowie ernst zu nehmende Sanktionen bei Nichterfüllung derverpflichtungen. Diese Sanktionen aber gibt es nicht.die Deutsche Börse, immerhin, will sich dem Thema langsam annähern. Legitim wäre es, soscoach-chefzahn, involatilen Phasen, also Phasen starker Marktschwankungen, den Spread auszudehnen unddie Auftragsgröße zu begrenzen, etwa auf 10000 Wer in Xetra keinekurse stellt,kann ausgeschlossen werden Stück. Dem normalen Zertifikateanleger wäre damit voll undganz gedient. Börsen wie die FrankfurterScoach oder die Stuttgarter Euwax sind Marktplätze,die sich an private Anleger wenden, die für ein paar Tausend Euro mit Zertifikaten handeln. Dass professionelle Arbitrageure, Tick-Trader und Skalpierer in hitzigen Marktphasen nicht jederzeit jede beliebige Menge an Papieren handeln können, wäre für Privatanlegerzuverschmerzen solange die ungestört mit dem Emittenten ihrer Papiere über diebörse handeln können. Xetra soll künftig dazu beitragen. Wie seitjahren bei Aktien soll es mit Xetra auch eine Verpflichtung der Emittenten zum Market Making geben. Die Zertifikatebankenmüsstenalsoden Handelmit ihren Papieren unter allen Umständen gewährleisten. Wer sich dann daran nicht hält, kann im Extremfall wie jetzt schon in der Schweiz vom Handel ausgeschlossenwerden, droht Zahn. Im Aktienhandel erstellt die Börse für die den Market Makern bei Zertifikaten vergleichbaren Aktien-Betreuer (Designated Sponsors) ein Rating. Wer dort schlecht abschneidet, weil er die Spreads zu weit gemacht oder zu wenig Kauf- und Verkaufsangebote ins System eingespeist hat,zahlthöhere Gebühren. Mit Xetra hätte diebörse die Chance,Anteile am Zertifikatemarkt zurückzuerobern. Derzeit läuft noch etwa ein Viertel des Handels von Zertifikaten über die Börsen, drei Viertel werden zwischen der Bank des Anlegersund dem Emittenten abgewickelt. Wenn Xetra auch in turbulenten Zeiten stabil bleibt und Market Maker hier wirklich auch an Crash-Tagen handelbare Kurse anbieten, könnte das System wieder mehranleger für den Handelüber die Börse gewinnen. Zudem dürfte das auch Rückwirkungen auf den Direkthandel haben: Denn funktioniert Kaufen und Verkaufen ander Börse auch in heißenzeiten, geben sich die Emittenten bestimmt nicht die Blöße, im Direkthandelkeine Kurse zu stellen. Noch sind diese Verbesserungen nicht Realität. Auch wenn der Handel mit Zertifikaten dank technischer Verbesserungen schneller gehen sollte, sagt Michael Hinz, Vorstand der Vermögensverwaltung Pintarelli auswuppertal, so kalkulieren wirzur Sicherheit bei extremen Marktschwankungen Wartezeiten von bis zu einer Viertelstunde ein. An Crash-Tagen kann diese Viertelstunde verdammt viel Geld kosten. Emittenten und Börsen haben da noch eine Menge an sich zu arbeiten. anton.riedl@wiwo.de 112 WirtschaftsWoche I 22.3.2008 I Nr. 13