Im Atem verbunden Monika Bloch Süss. Programmbereich Gesundheitsberufe

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Transkript:

Im Atem verbunden

Im Atem verbunden Monika Bloch Süss Programmbereich Gesundheitsberufe

Monika Bloch Süss Im Atem verbunden In Erinnerung an Ilse Middendorf Interviews mit Jürg Roffler, San Francisco Erika Kemmann, Berlin Ursula Schwendimann, Männedorf Yvonne Zehnder, Zürich Stefan Bischof, Freiburg im Breisgau Wolfgang Jurgies, San Sebastian Ingrid White, München Mit Fotografien von Jean-Claude Poffet Sponsored by

Monika Bloch Süss Email: bloch.suess@bluewin.ch Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Kopien und Vervielfältigungen zu Lehr- und Unterrichtszwecken, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Anregungen und Zuschriften bitte an: Hogrefe AG Lektorat Gesundheitsberufe z. Hd.: Barbara Müller Länggass-Strasse 76 3000 Bern 9 Schweiz Tel: + 41 31 300 45 00 E-Mail: verlag@hogrefe.ch E-Mail: barbara.mueller@hogrefe.ch Internet: http://www.hogrefe.ch Lektorat: Barbara Müller, Diana Goldschmid Herstellung: Daniel Berger Umschlagabbildung: Silvia Jansen Umschlag: Claude Borer, Riehen Fotos Inhalt: Jean-Claude Poffet/www.poffet-fotografien.ch Satz: Claudia Wild, Konstanz Druck und buchbinderische Verarbeitung: Finidr s. r. o., Český Těšín Printed in Czech Republic 1. Auflage 2017 2017 Hogrefe Verlag, Bern (E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-95651-0) (E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-75651-6) ISBN 978-3-456-85651-3 http://doi.org/10.1024/85651-000

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5 Inhalt Vorwort 7 1. Interview Jürg Roffler 25 2. Interview Erika Kemmann 47 3. Interview Ursula Schwendimann 61 4. Interview Yvonne Zehnder 69 5. Interview Stefan Bischof 85 6. Interview Wolfgang Jurgies 111 7. Interview Ingrid White 125 8. Hommage an Ilse Middendorf 151

Für Hannah und Matthias und natürlich für Yvonne

7 Vorwort Im Rahmen einer Lehrerweiterbildung besuchte ich 1989 einen Wochenendkurs unter dem Titel Atem-Stimme-Bewegung und kam so mit der Arbeit von Ilse Middendorf in Kontakt. Der Kurs war so lustvoll gehalten, die Sequenzen so lebensfroh, die Inhalte derart stimmig, dass ich mich für weitere Kurse innerhalb der Lehrerweiterbildung anmeldete. Wir arbeiteten mit Vokalen, waren in Bewegung, brauchten unsere Stimmen und gingen ganz auf in der Fülle der Anregungen. Irgendwann wurde bekannt, dass eine neue Atem-Gruppe entstehen würde. Ich nahm an diesen Treffen teil und lernte so die Hockerarbeit 1 vertiefter kennen. Einige Zeit später erhielt ich eine Einzelbehandlung von der Kursleiterin geschenkt und spürte, dass ich in diesem Setting weiterarbeiten wollte. Im Rahmen der Geburtsvorbereitung lernte ich neue Aspekte der Atemarbeit kennen und schätzen. Im Laufe der vertieften Auseinandersetzung mit dem Atem verschwanden Ischiasbeschwerden und Rückenschmerzen. Ich konnte über längere Zeit am Atem bleiben und in tiefere Schichten meines Ichs vordringen, ich lernte Empfindung und Gefühl zu unterscheiden und Konzentration von Achtsamkeit. Mit dieser Vertiefung stellten sich aber auch Fragen zur Person von Ilse Middendorf und zu ihrer Arbeit. Die vorhandenen Websiteeinträge waren eher oberflächlich, die echte Fachliteratur für mich als Nicht-Atem-Lehrerin oft schwierig zu verstehen. Einiges konnte ich nachvollziehen, anderes erahnen, vieles blieb aber schwer fassbar. Ich 1 Atemarbeit im Sitzen auf dem Hocker.

8 Vorwort wollte aber mehr: besser verstehen und einen grösseren Rahmen finden um meine vorhandenen Puzzleteilchen einzureihen. Also beschloss ich, bei Menschen, die Ilse Middendorf gut kannten, um ein Interview zu bitten und nachzufragen. Schnell kristallisierten sich die wichtigsten Fragen heraus: Wer war Ilse Middendorf? Welche Lehren, Gedanken, Personen haben diese Form der Atemarbeit beeinflusst? Wie hat Ilse Middendorf ihre Erkenntnisse und ihre Arbeit vermittelt? Welchen Einfluss haben die verschiedenen Berufsverbände auf die Anerkennung und Weiterführung der Arbeit? Mit Hilfe meiner Atemlehrerin suchte ich Namen und Adressen heraus und begann anzufragen. Meist blieben meine ersten Mails unbeantwortet oder die Anfrage wurde abgelehnt. Ich hakte nach, versuchte es nochmals und kam zu meinen ersten Interviews. Dann ergab eines das andere. Innerhalb von eineinhalb Jahren führte ich elf Interviews, sieben davon wurden in diesem Buch zur Veröffentlichung freigegeben. Neben Antworten zu meinen Fragen, wurden mir elf unvergessliche Begegnungen geschenkt und elf Lebensgeschichten erzählt, die mich sehr berührt haben. Allen gemeinsam sind die persönlichen Begegnungen mit Ilse Middendorf und die Verbundenheit in ihrer Arbeit. Für diese einzigartigen Momente danke ich allen meinen Gesprächspartnern und Gesprächspartnerinnen, sie werden für mich unvergesslich bleiben. Wer war Ilse Middendorf? Eine biografische Notiz Ilse Middendorf wurde am 21. September 1910 als Ilse Kullrich in Frankenberg in Mittelsachsen als zweites von drei Kindern geboren. Ihre Eltern besaßen ein Textilwarengeschäft, die Familie lebte zusammen mit den Großeltern mütterlicherseits unter einem Dach. Mit 18 Jahren besuchte

Vorwort 9 sie die Atemschule von Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen 2 und ergänzte ihre Ausbildung 1932 bei Emil Aurelius Baeuerle 3 am Institut für Atem- und Nervenpflege in Baden-Baden. Ihr Interesse für Bewegung und Tanz brachte sie in Kontakt mit einer Gruppe, welche sich Mazdaznan 4 nannte und die Entwicklung eines gesunden Körpers in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellten. Bei Ewe Waren, einer Tänzerin aus diesem Umfeld, lernte Ilse Middendorf Übungen zur Einheit von Bewegung, Atem und Meditation kennen. In der Zusammenarbeit mit Gustav Heyer und Margarethe Mhe erweiterte sie ihre Kenntnisse und setzte sich mit Atemarbeit auf der Grundlage der Psychoanalyse von C. G. Jung auseinander. Ilse Middendorf bewegte sich in allen wichtigen Strömungen ihrer Zeit: Sie lernte die anthroposophische Art der Atemarbeit kennen, nahm an Weiterbildungen an der Günter-Trümpy-Schule für Deutsche Gymnastik teil oder besuchte Sommerkurse der Medau-Schule 5 in Sylt. Dort lernte sie ihren ersten Mann, den musikalischen Leiter der Schule, Jost Langguth, kennen. 1935 eröffnete sie ihre erste Praxis in Berlin-Lichterfelde. Anfang der 1940er Jahre machte eine Kollegin sie auf Cornelis Veening aufmerksam. Der erste Termin wurde zu einer Sternstunde meines 2 Clara Schlaffhorst (1863 1945) und Hedwig Andersen (1866 1957) entwickelten eine ganzheitliche Atem-, Stimm- und Sprachtherapie. Sie ist die älteste in Deutschland entwickelte Methode und eine der umfassendsten Behandlungskonzepte der Atem- und Stimmtherapie. 3 Emil Aurelius Baeuerle (1881-1952) gründete in Baden-Baden ein Institut (Institut für Entspannungshygiene, später Aurelius Institut) und lehrte dort Mazdaznan Körperlehren mit Massage, vegetarischer Ernährung, Atemübungen und Bewegung. 4 Als Mazdaznan wird eine religiöse Lehre bezeichnet, die nach eigenem Verständnis auf einem reformierten Zarathustrismus basiert. Es handelt sich um eine Mischreligion mit zarathustrischen, christlichen und einigen hinduistischen/tantrischen Elementen. Die Anhänger sind Vegetarier, befolgen eine eigene Ernährungslehre und legen großen Wert auf tägliche Atem- und Meditationsübungen. 5 Im Jahre 1929 gründete der Musiker und Lehrer Hinrich Medau in Berlin eine Schule für Gymnastik, um seine eigene, ganzheitliche Lehre zu vermitteln. In Zusammenarbeit mit seiner Frau Senta und hervorragenden Mitarbeitern etablierte sich die Schule in kürzester Zeit. Die Medau-Schule wurde durch ihren eigenen Stil, ihre besonders der Ästhetik, Schönheit, dem Bewegungsfluss, der Ganzheitlichkeit, dem Rhythmus und der Musik verpflichtete Vorführungsgruppe national und international bekannt.

10 Vorwort Lebens. Alles, was ich geahnt und erstrebt hatte, hier wurde es Wahrheit 6. Ilse Middendorf wurde seine Schülerin und er wurde ihr bedeutendster Lehrer. Auf seiner Vorarbeit, dem Konzept Inneres Atmen, entwickelte sie ihre Lehre vom Erfahrbaren Atem. Cornelis Veening verzichtete darauf, sein Konzept zu verschriftlichen, er wollte die Atemarbeit nicht vom Augenblick des Empfindens trennen. Cornelis Veening unterrichtete seine Schülerinnen und Schüler in einem Meisterverhältnis, er galt als exklusiv und teuer und wählte seine Schüler sorgsam aus. 1940 heirateten Ilse Middendorf und Jost Langguth. Er wurde bald da - rauf in den Krieg eingezogen. Als 1941 Berlin bombardiert wurde, ging Ilse Middendorf in ihr Elternhaus nach Frankenberg zurück. 1941 wurde der Sohn Helge geboren. Jost Langguth galt ab Anfang 1945 als vermisst. Im Mai 1945 brachen Ilse Middendorf und ihr Sohn, zusammen mit einer Schwester und einer Freundin, mit vier Kindern nach Berlin auf. Zu Fuß, mit dem Zug oder mit allerhand Fortbewegungsmitteln gelangte die Gruppe im Sommer 1945 nach Berlin. Die alte Wohnung war ausgebombt und ausgeraubt. Ilse Middendorf fand vorerst bei einer Freundin in Lichterfelde Unterschlupf, eröffnete dann bald im amerikanischen Sektor eine eigene Praxis und wurde vom Senat in Berlin als Atem- und Bewegungslehrerin in Kinderhorten und Kindergärten des Bezirks Steglitz angestellt. 1950 erreichte sie die Nachricht vom Tod ihres Gatten. Er fiel in den letzen Tagen des Kriegs in Lettland. Die Umstände über seinen Tod bleiben im Dunkeln. Im gleichen Jahr heiratete sie den Fotografen Erich Middendorf. Zwischen 1950 und 1960 arbeitete Ilse Middendorf im Auftrag der Erziehungsberatung Berlin-Steglitz mit behinderten Kindern. Ab 1955 erteilte sie an den Volkshochschulen von Schöneberg, Kreuzberg und Spandau Kurse für Atem und Bewegung. Im gleichen Zeitraum dozierte sie an der 6 Heinel, Jürgen (1990): Ilse Middendorf: Aus ihrem Leben und Werk. Verlag F. Arbogast: Otterbach/Kaiserslautern.

Vorwort 11 Berliner Hochschule für Musik und Darstellende Kunst und wurde 1971 zur Professorin ernannt. Hier lehrte sie die Grundlagen der Atemarbeit, Vokalraumarbeit und Atem und Körperbildung. 1965 gründete Ilse Middendorf in Berlin unter dem Namen Ilse Middendorf Institut für den Erfahrbaren Atem ein Institut für Atemtherapie und Atemunterricht am Viktoria-Luise-Platz im Stadtteil Schöneberg. Sie erteilte Gruppenunterricht im Erfahrbaren Atem und bot Einzelbehandlungen an. Der Ort wurde zum Zentrum der Atemarbeit in Berlin. Vorträge, literarische Abende und Feste fanden hier statt. Ilse Middendorf strukturierte und systematisierte die Kurse und konzipierte einen Ausbildungslehrgang für künftige Atempädagogen und Atemtherapeuten. Neben der Arbeit am Institut begann eine rege Dozentinnentätigkeit in Deutschland und den umliegenden Ländern. Ilse Middendorf hielt Vorträge, Einstiegs- und Weiterbildungskurse, die sie bald auch in die USA, nach Brasilien und Neuseeland führten. 1971 wurde Middendorf als Professorin an die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Berlin berufen und lehrte dort Atem- und Körperbildung sowie Tonlehre für Schauspieler und Sänger. 1984 erschien im Junfermann Verlag das erste Buch: Der Erfahrbare Atem mit dem Untertitel: Eine Atemlehre. Das Buch führt über die Grundlagen zum Thema Atem hin und bildet alle Übungen für das Bilden und Entstehen des Atemleibs ab. Vervollständigt wird das Buch durch zwei Kassetten mit Übungsbeispielen. Im gleichen Jahr unternahm Ilse Middendorf mit einer Gruppe von Atemlehrern eine Reise nach China, um sich mit chinesischen Atemexperten und Heilern auszutauschen. In einer späteren Reise im gleichen Jahr besuchte sie den Ashram von Sri Aurobindo 7 und der Mutter 8 in Pondicherry. 1986 übergab Ilse 7 Sri Aurobindo (1872 1950) war ein indischer Politiker, Philosoph, Hindu-Mystiker, Yogi und Guru. Seine Briefe, Gedichte und philosophischen Schriften sind mit Sri Aurobindo unterschrieben und unter diesem Namen veröffentlicht. Er verbindet in seiner Person die humanistische Bildung und das Wissen des Westens mit den Weisheitslehren und spirituellen Traditionen Indiens. 8 Mirra (auch Mira) Alfassa, bekannt als The Mother/Die Mutter, (1878 1973) war die spirituelle Partnerin des Philosophen und Yogi Sri Aurobindo. Sie ist die Begründerin

12 Vorwort Middendorf die Ausbildungs-Lehrtätigkeit am Institut in Berlin an Barbara Karst und Erika Kemmann. 1988 legte sie das Institut in Berlin in die Hände ihres Sohnes Helge Langguth. Er leitet seit dieser Zeit beide Institute, Berlin und Beerfelden. Das zweite Buch von Ilse Middendorf Der Erfahrbare Atem in seiner Substanz, erschien im Jahr 2000. Mit diesem Werk drang sie tief in die Tiefen der Atemarbeit vor, ganz an die Wurzel, zur Substanz des Atems. Ilse Middendorf starb 2009 im Alter von 99 Jahren. Sie ist auf dem Parkfriedhof Lichterfelde in Berlin begraben. Grundlagen für die Atemarbeit von Ilse Middendorf Welche Lehren, Gedanken, Personen haben diese Form der Atemarbeit beeinflusst? Die Grundlagen für die Atemarbeit entstanden um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Es entwickelte sich ein Interesse am be - wussten Körpererleben, an sensitiven Bewegungsweisen, an rhythmischer Gymnastik und an Atemerfahrungen. Das Thema Atem im Bereich der Leibesübungen und Körpergestaltung war zentral. Die Einflüsse des Yogas drangen aus der östlichen Welt in die westliche vor und einzelne Körper- und Atemübungen wurden daraus übernommen. Für den nötigen geistigen Überbau sorgten auch neue bzw. neu entworfene religiöse Systeme wie Mazdaznan. Parallel dazu vertieften sich die Strömungen der Naturheilbewegung, welche gute Luft, Atmung, gesunde Ernährung und ausreichend Bewedes Projekts Auroville. Sie wuchs in Frankreich auf. 1914 kam sie zum ersten Mal nach Puducherry, wo sie Aurobindo traf. 1920 ließ sie sich endgültig im Ashram nieder. Nachdem sich Sri Aurobindo am 24. November 1926 gänzlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte, überwachte sie die Organisation des Ashrams und übernahm nach seinem Tod ab 1950 die Führung. Mirra Alfassa war der erste Mensch aus dem Westen, der in Indien als Guru verehrt wurde.

Vorwort 13 gung als Grundlage für ein gesundes Leben definierten. Das hohe Aufkommen von Tuberkulose erforderte neue Therapieansätze und Methoden. Der Atem wurde als ein eigenständiges Phänomen erkannt und er erhielt eine besondere Bedeutung. Vor allem die Vertreter der Lebensphilosophie, der Reformpädagogik und der Körperkulturbewegung thematisierten das Körper-Seele-Phänomen und entwickelten ein Interesse am bewussten Körpererleben und an der Erforschung des Atems. Im Berlin der 1930er-Jahren entstand am Deutschen Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie (auch Berliner Psychoanalytisches Institut, ab 1936 Göring Institut) ein Zentrum für Psychotherapie und Physische Therapie mit einer Unterabteilung Bewegung, Atmung und Ton. Rund um den Münchner Arzt Richard Heyer und dessen Frau Lucie Grote, einer Schülerin von Elsa Grindler 9, wurde an einer psychologisch orientierten Atemarbeit auf der Grundlage von C. G. Jung und Ansätzen aus der Körpertherapie gearbeitet. Diese Arbeit wurde von weiteren Personen, welche mit dem Institut verbunden waren, wie Wilhelm Reich 10 und Cornelis Veening, mitgeprägt. Der Arzt Johannes Ludwig Schmitt (1896 1963) wies auf die Zusammenhänge von alter Weisheit und neuen Forschungsergebnissen im Phänomen der Atmung hin und legte so das Fundament für eine Zu - sammenstellung der speziellen Anatomie und Physiologie der Atembehandlung. 11 Seine 1930 gegründete Privatklinik war sehr erfolgreich. 9 Elsa Gindler (1885 1961) war eine deutsche Gymnastiklehrerin und begründete eine moderne Form der Gymnastik und Bewegungstherapie. Hauptmerkmal dieser Arbeit ist die behutsame Förderung der Selbsterfahrung und der Entfaltung der natürlichen Anlagen. Ihre Ansätze wurden von der Körpertherapie bzw. Körperpsychotherapie aufgenommen. 10 Wilhelm Reich (1897 1957) war ein österreichisch-us-amerikanischer Arzt, Psychiater, Psychoanalytiker, Sexualforscher und Soziologe. Reich fand Zusammenhänge zwischen psychischen und muskulären Panzerungen und entwickelte die Therapiemethode der Psychoanalyse zur Charakteranalyse und diese zur Vegetotherapie weiter. Letztere gilt als Grundlage für verschiedene später begründete Körperpsychotherapien. 11 Publikationen von Johannes Ludwig Schmitt zum Thema Atem: Atem und Charakter, Augsburg 1926; Das Hohelied vom Atem, Augsburg 1927; Atem, Haltung, Bewegung, Augsburg 1927; Atemheilkunst, München 1956.

14 Vorwort Hier behandelte er Menschen aufgrund seines Glaubens an die Einheit von Leib und Seele und die Zusammenhänge zwischen körperlichen und seelischen Vorgängen. Sein Schüler Volkmar Glaser (1912 1997) erforschte die Zusammenhänge von Psyche und Atem und entwickelte die Lehre der Psychotonik (Abhängigkeit von Psyche und Muskeltonus im zwischenmenschlichen Kontaktgeschehen). Ausgehend von der Erfahrung, dass sich seelische Ver änderungen unmittelbar im Atemsystem niederschlagen, erforschte und zeigte Glaser seit den 1930er-Jahren die komplexen Zusammenhänge zwischen Psyche und Atemsystem auf und systematisierte diese. 12 Der Sänger Cornelis Veening (1895 1976), ein Schüler von Clara Schlaffhorst und Hedwig Andersen, entwickelte eine Köpertherapie, welche er Atempsychologische Arbeit nannte. Diese gründete auf tiefenpsychologischen Konzepten, zeitgemässen Erkenntnissen aus der Schulmedizin und der Psychotherapie. Cornelis Veening beschäftigte sich außerdem mit östlichen Meditationsformen. Zentral waren für ihn der Begriff des Geschehenlassens und der Freisetzung des eigenen Atemrhythmus. Die Grundlagen von Cornelis Veening waren für viele seiner Schülerinnen Inspirationsquelle, um eine eigene Form der Atemarbeit zu entwickeln. Cornelis Veenig war mit Richard Heyer und dessen Frau befreundet und bewegte sich im Berliner Kreis um die Dozentinnen und Dozenten des Deutschen Institutes. Ilse Middendorf lebte im Wirbel all dieser Einflüsse und Strömungen. Sie lernte, prüfte, verwarf und in - tegrierte Bestandteile einzelner Richtungen in ihre eigene Arbeit. Bei Cornelis Veenig fand sie einen inspirierenden Lehrer. Von ihm übernahm sie die Arbeitsformen in der Gruppe und die Form der Einzelbehandlungen. 12 Publikationen von Volkmar Glaser: Eutonie / Atemmassage / Psychotonik praktische Arbeit für ein neues Gesundheitsverständnis / Sinnvolles Atmen.