Bruchsicheres Fassadendesign

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Transkript:

Bruchsicheres Fassadendesign Rohfassung ohne Abbildungen und Tabellen Veröffentlicht: GFF (03/2010), o. Jg., S. 48-55. Text und Abbildungen: Dipl.-Ing. (FH) - Dipl.-REFA-Ing. Jens Baumgartner (VDI) Der zuletzt vorgestellte Fall einer schadhaften vorgehängten hinterlüfteten Fassade (VHF) an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg (GFF 02/2010) führt zu der Frage, ob Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) für derartige Bekleidungen von Fassaden geeignet ist [1]. Eine nicht repräsentative Auswertung von 29 auf der Homepage des Fachverbandes Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e.v. (FVHF) weist für die letzte Dekade nur 2 Fassadenausführungen mit Glas auf [2]. Folglich scheinen beeindruckende Fassaden mit ESG/-H-Produkten bei Bauwerke neueren Datums nur noch selten hergestellt zu werden. Im Folgenden einige Anmerkungen zu den Stärken und Schwächen von ESG und den alternativ verwendeten Fassadenmaterialien. Stärken und Schwächen des ESG ESG ist ein äußerst schlagfestes Glas, das netzartig bei Überbeanspruchung zerspringt. Es zerfällt in unzählige kleine würfelförmige Stücke, die ungefährlicher sind, als die langen und spitzen Scherben, die beim Bruch üblicher Gläser entstehen. Dieses besondere Bruchbild entsteht, wenn normales Glas, im Floatverfahren hergestellt, erneut in einem Spezialofen auf ca. 650 C erhitzt wird. Durch anschließendes schnelles Abkühlen mit Kaltluftgebläsen entstehen auf der Glasoberfläche Druck- und im Kern der Scheibe Zugspannungen, die im Gleichgewicht stehen. Erfährt diese Balance eine Störung, z.b. durch einen Schlag, entstehen die kleinkrümeligen Scherben [1]. Weitere positive Eigenschaften sind die hohe Biegezugfestigkeit und Temperaturbeständigkeit von ESG. Als Einzelscheibe (Monoglas) ist ESG somit für Einsätze prädestiniert, bei denen Menschen durch Glassplitter zu Schaden kommen könnten, wie z.b. bei außen liegenden Fassadenbekleidungen oder bei Glastrennwänden und Ganzglastüren im Innenbereich. Die Lebensdauer von Glasscheiben hängt von internen und externen Einflüssen auf das Glas ab. Schadensauslöser aufgrund interner Einflüsse, die ohne Einwirkung von außen vom Glas selbst ausgehen, gibt es bei Bauglas nur einen bedeutenden: den Spontanbruch. Ursache dafür ist die Verunreinigung der Glasschmelze durch Nickelsulfid- (NiS) Kristalle, die bis heute technisch nicht verhindert werden kann. Bei einer Erwärmung des verbauten ESG, z.b. durch Sonneneinstrahlung, kommt es zur Volumenvergrößerung der Kristalle um ca. 4 Prozent. Dies führt aufgrund des größeren Temperatur- Ausdehnungskoeffizienten von NiS gegenüber dem Glas zu inneren Spannungen, die bei

Überlagerung mit den eingeprägten Zugspannungen zum Überschreiten der Glasfestigkeit führen. Es erfolgt ein Spontanbruch, der umso heftiger ist, je weiter sich das NiS in der Scheibenmitte befindet. Zu einer Verringerung der Bruchneigung durch NiS-Einschluss trägt eine als Heat-Soak-Test (HST) bezeichnete Heißlagerung des ESG nach Bauregelliste A bei, durch die das Produkt ESG-H entsteht. Externe Einflüsse, die von außen auf die ESG-Scheibe einwirken, sind weitaus häufiger Ursache von Zerstörungen. Generell lassen sie sich in Schäden aufgrund thermischer, mechanischer und chemischer Beanspruchungen einteilen, wobei die überwiegende Anzahl der Schadensfälle in die ersten beiden Gruppen fällt. Insbesondere kurze, heftige Stöße, Schläge oder auch Schüsse, z.b. mit Katapulten, lassen Monoverglasungen aus ESG augenblicklich zerspringen (Nothammer-Prinzip). Ein weiterer Grund kann die Vorschädigung des ESG/-H im Kantenbereich sein. Kritiker weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sie ESG/-H nicht für Sicherheitsgläser im eigentlichen Sinne halten. So zeigen die Scheiben nach ihrer Zerstörung zwar das netzartige und kleinkrümelige Bruchbild, stürzen aber in großen Schollen, z.b. aus einer Fassadenverglasung, ab und gefährden Passanten erheblich. Weiterhin eignet es sich aufgrund des Nothammer-Prinzips nicht als Monoverglasung für die Einbruchsicherung, z.b. bei Eingangstüren. Zudem haben sich die baurechtlichen Rahmen-Bedingungen für den Einsatz von ESG/-H nach den Urteilen des OLG Stuttgart (AZ: 4 U 23/07) und des LG Düsseldorf (AZ: 1 O 472/08) verschärft [1]. Einsatz von ESG/-H in Fassaden Wegen der spezifischen Schwächen des ESG bevorzugen einige Glasbau-Experten für bestimmte Anwendungen Verbundsicherheitsglas (VSG), das mit Verbindungsfolien aus Float, Teilvorgespanntem Glas (TVG) oder auch ESG hergestellt wird. Trotz der Vorzüge des VSG, wie z.b. eine hohe Reststandzeit - das ist die Zeitspanne, die ein Bauteil von der Zerstörung bis zum Kollaps benötigt - durch die Verbindungsfolien, weist ESG/-H neben den bisher genannten noch zwei weitere besondere Eigenschaften auf. So ist es zum einen seit Jahrzehnten als Träger langlebiger Emaille-Farbbeschichtungen bekannt, deren Design wie bei keinem zweiten Fassadenbaustoff variabel ist. Zwar sind auch die Verbindungsfolien von VSG in jedem denkbaren Farbdesign herstellbar, doch fehlt für Anwendungen im Außenbereich die Langzeitstabilität der Farben. Dekorative Folien sind demzufolge bei Fassaden kaum zu finden [3]. Daneben besteht die Möglichkeit, VSG aus ESG mit klarer Verbundfolie und einer Beschichtung z.b. aus Emaille im Gieß-, Walz- oder

Siebdruck-Verfahren auf der zum Gebäude zugewandten Scheibenfläche (Seite 4) herzustellen. Zum anderen schreiben Normen und technische Richtlinien für bestimmte Einsatzgebiete im Hochbau ESG wegen seiner Bruchstruktur vor. Dazu zählen Außenwandbekleidungen in Vertikalverglasungen ohne absturzsichernde Funktion nach DIN 18516-4 [4]. VSG ist hier nur mit einer AbZ oder ZiE zu verwenden! Geklebte Fassaden - Structural Sealand glazing systems (SSGS) - benötigen nach ETAG 002 [5] auf der Außenseite mindestens ESG-H. Punktgelagerte Fassaden sind aus ESG-H gemäß AbZ oder ZiE möglich, die TRPV [6] verlangt VSG aus 2 x ESG oder 2 x TVG. Bei Überkopfverglasungen (> 10 Abweichung zur Vertikalen) muss die obere Scheibe nach TRLV [7] mindestens aus ESG sein. Doppelfassaden, deren äußere Hülle keine absturzsichernde Funktion hat, erfordern mindestens den Einsatz von ESG-H. Weiterhin besteht bei Geländern mit allseits linienförmig gelagerten Glasausfachungen (Kategorie C1 der TRAV [8]), bei Verglasungen unter Querriegeln in allseitig gelagerten Einfach- oder Mehrscheibenisolier-Gläsern (Kategorie C2 der TRAV) und bei Lärmschutzwänden der Einsatz von ESG als Mindestanforderung (Tab. 3) [9]. Fazit: Gerade dort, wo ESG/-H für Anwendungen im Außenbereich wie bei den vertikalen hinterlüfteten Außenwandbekleidungen gute bautechnische und baurechtliche Einsatz- Bedingungen hat, versagt es gemessen an der gesamten verbauten Glasmenge zwar nicht häufig, dafür allerdings spektakulär. In jüngster Vergangenheit hat das zu Gerichtsurteilen geführt, die zukünftig große Auswirkungen auf den Einsatz von ESG-H haben werden. Sicherungsmaßnahmen bei Fassadenbekleidungen werden im Normalfall von Planern und Bauherren nicht gewünscht. Dazu zählen z.b. das Überkleben von ESG- H-Scheiben mit durchsichtigen Folien, die eine Lebensdauer von ca. 15 Jahren aufweisen oder Netzkonstruktionen mit Maschenweiten 40 mm, wie sie z.b. die Verbindungsgänge der neuen Leipziger Messe planmäßig im Überkopfbereich erhalten. Die Ablehnung führt zu einem Trend mit einer verstärkten Nachfrage nach alternativen Fassadenbaustoffen. Glasfassaden und vorgehängte hinterlüftete Fassaden Glasfassaden können in einer Vielzahl von Bauweisen entstehen. Die drei wichtigsten Typen sind die Fenster-, die Pfosten-Riegel- und die Element-Fassade. Die beiden letzteren lassen sich in einschalige oder zweischalige Ausführungen unterteilen. Alle drei Bautypen entstehen in der Praxis überwiegend als einschalige Systeme. Zu diesen zählen

neben den Fensterfassaden auch die seilverspannten Fassaden und Fassaden mit punktgehaltenen Gläsern. Pfosten-Riegel-Fassaden bestehen aus zwischen den Geschossdecken stehenden Pfosten mit eingesetzten Riegeln, die auf der Baustelle montiert werden. Zu den Elementfassaden zählen die heute üblichen Vorhangfassaden (Curtain Walls), deren vollständige Herstellung im Werk erfolgt. Pfosten-Riegel- und Element-Fassaden erhalten in der Regel Mehrscheiben-Isolierverglasungen. Glas- Doppelfassaden (GDF) entstehen, wenn die Elementfassade um eine weitere außen liegende Glasschicht ergänzt wird. Vier Arten sind zurzeit bekannt: Zweite-Haut-, Korridor-, Kastenfenster- und Schacht-Kasten-Fassaden [10]. Die Innenverglasungen bestehen aus Wärmeschutzglas, die der Außenhaut aus Einfachverglasungen mit ESG/-H oder VSG. Vorgehängte hinterlüftete Fassadensysteme kennzeichnen die konsequente Trennung der auf einer Unterkonstruktion angebrachten Bekleidung durch einen hinterlüfteten Bereich vor der Wärmedämmung, die auf der tragenden Innenschale befestigt wird. Durch diese Konstruktionsweise ist der dauerhafte Schutz des Bauwerks gegen Witterungseinflüsse im Allgemeinen und gegen Schlagregen im Besonderen garantiert. Die DIN 4108-3 [11] legt Anforderungen zum Schlagregenschutz fest und schreibt für die Beanspruchungsgruppe III (starke Beanspruchung, > 800 mm Jahresniederschlagsmenge) angemörtelte und angemauerte Bekleidungen mit Unterputz und wasserabweisenden Fugenmörtel oder alternativ dazu zweischalige Außenwand-Konstruktionen mit Hinterlüftung nach DIN 18516 vor. Eine ganz neue Herausforderung für die Planer stellen die Beanspruchungen an die Fassade aufgrund des Klimawandels dar. Eine Sensibilität für die neuen Klimaszenarien ist derzeit weder bei Bauherren noch bei Herstellern stark ausgeprägt, zumal noch nicht abzusehen ist, ob präventive oder reaktive Maßnahmen für die Fassaden kostengünstiger sind. Verschiedene Materialien für Außenwandbekleidungen eröffnen vielfältigste Möglichkeiten zur Gestaltung von Fassaden. Keine andere Bauweise als die der VHF eröffnet eine so große Bandbreite an Möglichkeiten zur Gestaltung durch die Wahl der Farbe, der Oberflächenstruktur oder des Plattenformats. Für vorgehängte hinterlüftete Fassaden kommen verschiedene Produkte aus Glas, Metallblechen, Natursteinplatten, Beton, Ziegel, Holz und Holzwerkstoffplatten, Faserzementplatten, keramische klein- und großformatige Platten und Verbundelemente aus Leichtmetall und Kunststoffen zum Einsatz. Einen Teil dieser Materialien erfasst die DIN 18516-1 [12], Metallbekleidungen in handwerklicher Ausführung sowie Holz- und Faserzement-Bekleidungen z.b. nicht. Diese große Auswahl

an Bekleidungsmaterialen lässt keine abschließende Klärung der Frage zu, ob ESG/-H auf dem Rückzug bei Bekleidungen für Außenwände ist, denn ansprechende Stadträume entstehen auch durch eine abgestimmte Vielfalt bei den verwendeten Baumaterialien. Alternativen zu ESG/-H? Bei Fenstern und Glasfassaden ist ein Rückzug von ESG/-H z.b. bei den Prallscheiben zu beobachten, die durch VSG aus Float oder TVG ersetzt werden. Bei VHF wirken sich dagegen das steigende Konstruktionsgewicht und der höhere Preis negativ auf den Einsatz von VSG aus. Aus dem Industriebau kommend setzt sich seit einigen Jahren die Verwendung der konstruktiv und gestalterisch sehr flexiblen Profilbaugläser zunehmend in Bürofassaden durch. Naturwerksteine für VHF gehören zu den langlebigsten Materialien, die während ihrer Standzeit durch vielfältige Umwelteinflüsse ihre Oberfläche verändern. Aus diesem Grund überrascht der seltene Materialmix aus Naturstein, Metallblech und ESG-H einer Fassade, die zurzeit in Hamburg entsteht. Es stellt sich die Frage, ob eine komplette Ausführung mit gefärbten ESG-H-Elementen nicht kostengünstiger bezüglich Beschaffung, Einbau und Unterhalt wäre. Zusätzlich bleibt vorerst ungeklärt, ob das ungleiche Verhalten bei der Alterung zu einer dauerhaft ansehnlichen Fassade führt. Zur Konkurrenz der Glasmaterialien für VHF zählen die Holzwerkstoff- und Faserzement- Platten. Speziell bei den Holzprodukten ist die Frage von Bedeutung, ob eine Patina zugelassen oder verhindert werden soll. Wird sie zugelassen, können handwerklich bearbeitete Produkte auch roh Verwendung finden. Bei händisch applizierten oder industriell hergestellten Schichtstoff-Platten weisen Oberflächenbeschichtungen eine höhere Stabilität auf. In beiden Fällen haben sich in der Vergangenheit hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Beschichtungen aus verschiedensten Gründen immer wieder Probleme ergeben. Das stärkste Konkurrenzprodukt hinsichtlich der Kosten und Flexibilität erhält ESG/-H durch Bekleidungen aus Metall. Speziell für Metallbleche steht eine breite Farbpalette zur Verfügung und eine Verarbeitung als plattenförmige Bekleidung kann eine Anmutung wie eine Glasfassade z.b. aus ESG/-H erzielen. Metallgitter, die aufgrund ihrer Transluzens ebenfalls den Anschein einer Verglasung erwecken können, eignen sich für leichte, dekorative vorgehängte Bekleidungen.

Zusammenfassung und Ausblick Die positiven spezifischen Eigenschaften von ESG/-H werden von seiner Schwäche zum Spontanbruch überlagert. Immer häufiger - so hat es den Anschein - ersetzen daher u.a. bei den hinterlüfteten Außenwandbekleidungen alternative Fassadenbaustoffe das ESG/- H. Ob die Ausführungen allein der Suche nach einer differenzierteren Ästhetik geschuldet sind oder auf einer Verunsicherung beim Baustoff ESG/-H beruhen, lässt sich aufgrund der vielfältigen Einflüsse aus Architektur, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit letztlich nicht klären. Auch die Fachverbände für Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e.v. (VFHV), Fenster und Fassade e.v. (VFF) und des Bundesverbandes Flachglas e.v. halten keine Statistiken zum Einsatz von ESG/-H bereit. Dennoch hat ESG/-H, das bei hinterlüfteten Fassadenbekleidungen aus Glas als einziger Glasbaustoff genormt und bei der dauerhaften Farbgestaltung jedem andern Baustoff überlegen ist, ein großes Einsatzpotential. Durch angemessene Reaktionen auf die Schadensfälle und die aktuelle Rechtsprechung gilt es für Glashersteller und -verarbeiter, diese Position zu sichern und auszubauen. Literatur: [1] Vgl.: Baumgartner, Jens: Die fragwürdige Sanierung einer ESG-H-Fassade In: GFF - Glas-Fenster-Fassade-Metall (02/2010), S. 42-45. [2] Vgl.: Homepage des Fachverbandes Baustoffe und Bauteile für vorgehängte hinterlüftete Fassaden e.v. (FVHF): www.fvhf.de/projekte, Stand: 10.02.2010. Nach Aussage des Fachverbandes FVHF wird Glas von den Mitgliedsunternehmen kaum verwendet. [3] Vgl.: Baumgartner, Jens: Architektur & Farbe - Kreative Lösungen mit Glas - Teil 3: Aktive oder direkte Farbgestaltung mit Glas. In: GFF - Glas-Fenster-Fassade-Metall (10/2007), S. 52-56. [4] DIN 18516-4 : 1990-02: Außenwandbekleidungen hinterlüftet - Teil 4: Einscheiben- Sicherheitsglas; Anforderungen, Bemessung, Prüfung. [5] ETAG 002-1 : 1998-12-15: Bekanntmachung der Leitlinie für die Europäische Technische Zulassung für geklebte Glaskonstruktionen - (Structural Sealant Glazing Systems - SSGS).

[6] Deutsches Institut für Bautechnik DIBT (Hrsg.): Technische Regeln für die Verwendung von punktförmigen Verglasungen (2006-08). In: Mitteilungen des Deutschen Instituts für Bautechnik, 38. Jg., Nr. 3. [7] Deutsches Institut für Bautechnik DIBT (Hrsg.): Technische Regeln für die Verwendung von linienförmig gelagerten Vertikalverglasungen (2006-08). In: Mitteilungen des Deutschen Instituts für Bautechnik, 38. Jg., Nr. 3. [8] Deutsches Institut für Bautechnik DIBT (Hrsg.): Technische Regeln für die Verwendung von absturzsichernden Verglasungen (2003-01). In: Mitteilungen des Deutschen Instituts für Bautechnik, 34. Jg., Nr. 2. [9] Vgl.: Verband der Fenster- und Fassadenhersteller e.v. (VFF) (Hrsg.): Merkblatt V.05: Einsatzempfehlungen für Sicherheitsgläser im Bauwesen, Frankfurt, 2009. [10] Vgl.: Knack, U.; Klein, T.; Bilow, M.; Auer, T.: Fassaden. Prinzipien der Konstruktion, Basel; Boston; Berlin: Birkhäuser, 2007. [11] DIN 4108-3 : 2001-07: Wärmeschutz und Energieeinsparung in Gebäuden - Teil 3; Klimabedingter Feuchteschutz; Anforderungen, Berechnungsverfahren und Hinweise für Planung und Ausführung. [12] DIN 18516-1 : 1999-12: Außenwandbekleidungen hinterlüftet - Teil 1: Anforderungen, Prüfgrundsätze.