Leitfaden für Berufungskommissionen I. Charakter des Berufungsverfahrens: Rechtlich durch das UG 2002 zwingend vorgegeben Dieser Leitfaden ist eine komprimierte Darstellung der Empfehlungen des Rektorats für die Durchführung von Berufungsverfahren, auf die für weiterführende Fragen verwiesen wird. a. Verpflichtungen der Universität gegenüber der Gesellschaft b. Verpflichtung zur Aufnahme der drei Besten in den Vorschlag c. Gutachtengeleitetes Feststellungsverfahren, keine Wahl d. Begründungspflicht e. nachträglich überprüfbares Ergebnis 1
II. Ablauf des Berufungsverfahrens Konstituierende Sitzung BK: Erstellung - Ausschreibungstext - Kriterienkatalog - Anschreiben Gutachter/innen Stabsstelle: Überprüfung AT, KK, Anschreiben AKG: Genehmigung AT Rektor: Freigabe AT, KK, Anschreiben Stabsstelle/ Dekanat: Ausschreibung 1. Sitzung BK - Erste Sichtung Bewerbungen: Ausschluss offensichtlich Ungeeigneter - Bei sehr vielen Bewerbungen evtl. Shortlist - Aufteilung der Aufgabe der Erstellung von Kurzdarstellungen BK: Erstellung Kurzdarstellungen GA: Erstellung Gutachten 2. Sitzung BK - Vorschlag für Hearings auf Basis Gutachten - Hauptkriterium: wissenschaftliche Exzellenz Stabsstelle: sichtet Vorakt Rektor: gem. 98 (6) UG: Freigabe/Ergänzung Hearingsliste Stabsstelle: endgültige Hearingsliste an BK + AKG Hearings: - BK: Überprüfung Soziale Kompetenz, Lehrkompetenz, Gewinnbarkeit uam. 3. Sitzung BK - Erstellung Besetzungsvorschlag (besondere Begründung bei weniger als drei Gereihten und bei Hausberufungen ) Stabsstelle: sichtet Besetzungsakt Rektor: Einladung zu BV AKG: Zustimmung zu Einladung BV 2
III. Wer stellt die Eignung fest? 1. Die Aufgaben der Handelnden: Kommission, Gutachter/innen, Rektor 98 Abs. 5-7 UG 2002: (5) Die Berufungskommission hat zu überprüfen, ob die vorliegenden Bewerbungen die Ausschreibungskriterien erfüllen und jene Bewerbungen, die die Ausschreibungskriterien offensichtlich nicht erfüllen, auszuscheiden. Die übrigen Bewerbungen sind den Gutachter/innen zu übermitteln, welche die Eignung der Bewerber/innen zu beurteilen haben. (6) der Rektor hat allen geeigneten Kandidat/innen Gelegenheit zu geben, sich in angemessener Weise zumindest dem Fachbereich und dem fachlich nahe stehenden Bereich zu präsentieren. (7) Die Berufungskommission erstellt auf Grund der Gutachten und Stellungnahmen einen begründeten Besetzungsvorschlag,. Das heißt: a. Kommission: Ausscheiden der offensichtlich Ungeeigneten b. Gutachten: Feststellung der Eignung aller übrigen c. Rektor: Einladung aller lt. Gutachten Geeigneten zum Hearing d. Begründeter Besetzungsvorschlag auf Basis der Gutachten Eine nachvollziehbare Begründung fußt auf einem transparenten Entscheidungsprozess. Daher müssen die einzelnen Stadien des Verfahrens sorgfältig protokolliert sein. Offensichtlich Ungeeignete Möglicherweise geeignet Geeignete Hearing Prüfung durch Gutachten Besetzungsvorschlag 3
Zu a. Kommission: Ausscheiden der offensichtlich (formal) Ungeeigneten Eine offensichtliche Nichterfüllung der Ausschreibungskriterien ist nur dann anzunehmen, wenn zentrale (d.h. im Kriterienkatalog hoch gewichtete) Anstellungserfordernisse nicht vorhanden sind. Ein Ausschluss allein mit Argumenten der Facheinschlägigkeit oder mangelnder Gewinnbarkeit ist zu diesem Zeitpunkt nicht zulässig. Oberstes Kriterium ist die fachliche Qualität Zu b. Gutachten: Alle Bewerbungen, welche die Ausschreibungskriterien erfüllen, sind den Gutachter/innen zu übermitteln ( 98 Abs. 5) Die rechtliche Problematik der short list: Das UG sieht keine Möglichkeit vor, dass die Gutachter/innen nur einen Teil der Bewerbungen begutachten. Wie kann dennoch eine Überbelastung der Gutachter/innen vermieden werden? Die Berufungskommission darf zwar (mit Ausnahme der offensichtlich Ungeeigneten) keine weitere Vorauswahl treffen. Es dürfte bei einer großen Zahl von Bewerbungen aber wohl zulässig sein, den Gutachter/innen mitzuteilen, welche Bewerber/innen die Kommission für besonders geeignet hält und sie zu diesen um eine etwas ausführlichere Stellungnahme zu bitten. Alle Gutachten müssen vorliegen Die zum Hearing Einzuladenden können erst dann vorgeschlagen werden, wenn alle Gutachten vorliegen. Kommt eine Gutachterin oder ein Gutachter ihrer oder seiner Aufgabe nicht nach, muss ein Ersatz gefunden werden. 4
IV. Wie wird die Eignung festgestellt? Die Eignung wird auf Basis von objektivierbaren Kriterien unter Wahrung der Gleichbehandlung festgestellt. 1. Wo werden die Kriterien festgelegt? a. Anstellungserfordernisse im Ausschreibungstext Die Anstellungserfordernisse beschreiben jene Qualifikationen (inklusive Potenzial), die die Bewerber/innen mitbringen müssen, um die zukünftigen Aufgaben erfüllen zu können. Die Aufgaben hingegen sind keine Kriterien, sondern auf die Zukunft gerichtet und beschreiben in Kurzform die Erwartungen der Arbeitgeberin Universität an den/die Stelleninhaber/in. Die Aufgaben werden durch das Einfließen in den Arbeitsvertrag verbindlich. b. Kriterienkatalog = Präzisierung der Anstellungserfordernisse Was ist der Kriterienkatalog? Der Kriterienkatalog ist das Qualifikationsprofil der/s idealtypischen Bewerbers/in Warum braucht es ihn zusätzlich zum Ausschreibungstext? i. Er präzisiert die Anstellungserfordernisse, nicht die Aufgaben Er definiert vor allem, was unter wissenschaftlich exzellent zu verstehen ist ii. Er gewichtet die Kriterien als Voraussetzung für die Vergleichbarkeit der Bewerber/innen. Die Gewichtung ist keine mechanische Addition, sondern eine Visualisierung der Prioritäten: Was ist uns wirklich wichtig, was ist nur nice to have? 2. Maßstäbe für gute Kriterien Diese müssen jedenfalls vier Eigenschaften aufweisen a) Überprüfbarkeit Explizitheit b) Sachbezogenheit c) Situationsadäquatheit d) Primat der Qualität vor der Facheinschlägigkeit a. Überprüfbarkeit Kriterien müssen intersubjektiv überprüfbar und damit falsifizierbar sein. 5
Die Qualitätsmerkmale, die der Kommission wichtig sind, müssen explizit formuliert sein. b. Sachbezogenheit, Objektivität des Maßstabes Sachbezogene, nicht personenbezogene Maßstäbe Der Kriterienkatalog wird daher vor der Befassung mit den Bewerbungen erstellt. Eventuelle Naheverhältnisse von Kommissionsmitgliedern oder Gutachter/innen zu Kandidat/innen stellen keinen Hinderungsgrund für die Kommissions- oder Gutachter/innentätigkeit dar, sind aber offen zu legen. c. Gleichbehandlung alters- und situationsadäquate Kriterien Eine gerechte Auswahl erfordert gerade keinen absoluten Maßstab, sondern einen relativen, der die Möglichkeiten der einzelnen Personen(gruppen) und deren besondere Situation berücksichtigt. Die Wertschöpfungsperiode Es wird weniger die absolute oder Gesamtleistung gemessen (hier schneiden Ältere naturgemäß besser ab), sondern vor allem die Leistung pro Zeiteinheit. Altersadäquate Leistung Nun weisen aber Jüngere oft auch pro Zeiteinheit weniger vor als Ältere, weil viele wissenschaftliche Leistungen eine bestimmte Anlaufzeit erfordern, was tendenziell zu ihrer Benachteiligung führen kann. Qualität altersadäquat festlegen: z.b. Was stellt eine gute Leistung 5/ 10 / 15 Jahre usw. nach der Promotion dar? Nachwuchsförderung lässt sich aber nur betreiben, wenn Potential wichtiger ist als Erfahrung. Persönliche Verhältnisse Faktoren, welche sich nachteilig auf die (quantitative) Leistung pro Zeiteinheit ausgewirkt haben, sollten ebenfalls berücksichtigt werden: Z.B. Kindererziehung, Pflege von Angehörigen; Schicksalsschläge wie Krankheit oder Unfall, aber auch schwierige Arbeitsbedingungen u.dgl.m. Wahrscheinlichkeit der Rufannahme Bei der Erstellung des Besetzungsvorschlages wird die Wahrscheinlichkeit der Rufannahme eine wichtige Rolle spielen, wobei diese nur anhand objektivierbarer Indizien beurteilt werden kann wie z.b. der Vergleich der bisherigen persönlichen und institutionellen Ausstattung mit der zu erwartenden in Innsbruck, der Perspektiven in Forschung und Lehre in Innsbruck u.dgl.m. 6
d. Primat der Qualität vor Quantität / Erfahrung i. Wie kann Qualität beschrieben werden? Vorschläge Originalität (Innovation) Fähigkeit, Komplexität so umfassend wie möglich modellhaft zu erfassen Diese wiederum erfordert: o Reflexivität und theoretische Durchdringung des Fachgebietes o Fähigkeit zur Synthese, i. e. die Fähigkeit, disparate Fragestellungen und Theorien in einer übergreifenden Sicht zu bündeln o Methodische Fähigkeiten ii. Die Schwierigkeiten der quantitativen Kriterien - Facheinschlägigkeit Lehrerfahrung Erfahrung lässt Qualität zwar erhoffen, garantiert diese aber nicht. Isolierte Quantitätsaussagen sind inhaltsleer. Eine Aussagekraft erhalten sie erst in Verbindung mit qualitativen Kriterien. Die Zahl der Publikationen oder gehaltenen Lehrveranstaltungen sagt noch nichts über deren Qualität. Facheinschlägigkeit Facheinschlägigkeit = Erfahrung in einem bestimmten Gebiet. Wenn zuerst alle Kandidat/innen ausgeschieden werden, die zu wenig facheinschlägig erscheinen und erst dann die Verbliebenen auf Qualität überprüft werden, besteht regelmäßig die Gefahr, dass zu wenig Qualifizierte übrig bleiben. Daher soll zuerst die Qualität festgestellt werden. Mangelnde Facheinschlägigkeit ist nur dann negativ zu werten, wenn, a. die erforderliche Umstellungszeit zu lange wäre b. keine Bereitschaft zur Umorientierung besteht. Diese Bereitschaft wird im Hearing auszuloten sein. Hier sollte den Bewerber/innen klar vermittelt werden, dass die Bereitschaft zur Umorientierung als Teil des Arbeitsvertrages zu sehen ist. Lehrerfahrung Die Zahl der gehaltenen Lehrveranstaltungen ist für die Beurteilung der didaktischen Fähigkeiten nur sehr begrenzt tauglich und soll durch zusätzliche geeignete Indikatoren wie zb Lehrevaluierungen, wiederholte Lehraufträge an verschiedenen Universitäten, Auszeichnungen für Lehre u.a. ergänzt werden. Ein tragfähiges Urteil über die didaktischen Fähigkeiten ist aber meist erst nach Vortrag und Hearing möglich. 7