Geschichte des Salbeis als Heilpflanze Bei den hier beschriebenen Salbeipflanzen handelt es sich vermutlich nicht um den Salvia officinalis, wie wir ihn heute kennen, sondern um einige seiner zahlreichen Sorten. Schon im alten Griechenland waren über 20 Arten der Gattung Salbei bekannt. Um ca. 6000 v. Chr. findet sich in der ägyptischen Bilderschrift das Zeichen einer Pflanze, die Ähnlichkeiten mit dem Salbei aufweist. Sie wurde gegen Asthma, Bauchschmerzen und Zahnschmerzen empfohlen. In chinesischen Heilkundebüchern wird der Salbei schon 3000 Jahre vor Christus erwähnt. In China sagt man»salbei für das Alter«. Ca. 2700 v. Chr. wird in der Materia Medica des Kaisers Shen-Nung, einem umfangreichen Werk über die damals aktuellen Heilpflanzen, die Wurzel des Rotwurzelsalbei (Salvia miltiorrhiza) als erstklassige Medizin gepriesen, die das Blut bewegt und Blutverklumpungen aufbricht. Das aus dem alten Ägypten stammende Papyrus Ebers (1500 v. Chr.), einer der ältesten in der Menschheit bekannten Texte über Krankheiten, Symptome und Diagnosen, verzeichnet Salbei als juckreizstillende Pflanze.
D a s Corpus Hippocraticum, eine Sammlung antiker medizinischer Texte aus der Zeit zwischen 500 und 200 v. Chr., nennt die entzündungshemmenden Eigenschaften des Salbeis bei Verletzungen, seine positive Wirkung auf Gebärmuttererkrankungen und auf Blähungen. Berühmte Hippokratiker wie z. B. Pedanios Dioscurides (1. Jahrhundert, griechischer Arzt und berühmtester Pharmakologe des Altertums), Plinius der Ältere (23 79, römischer Gelehrter) und Galenos von Pergamon (geb. ca. 130 n. Chr., griechischer Arzt und Anatom) rühmen unter anderem die blutstillenden, harntreibenden, stärkenden und menstruationsfördernden Eigenschaften des Salbeis. Plinius führt im 22. Buch seiner Naturalis Historia, der ältesten, vollständig überlieferten systematischen 37- bändigen Enzyklopädie zu den Themen Naturwissenschaft, Medizin, Geografie, Kunst, eine Pflanze auf, die er aufgrund ihrer Heilwirkung und ihrer das Wohlbefinden fördernden Eigenschaften saluia nennt. Möglicherweise ist von diesem Wort der Gattungsname salvia abgeleitet worden. Dieser Pflanze bescheinigt Plinius harntreibende, wehenfördernde und den Blutfluss eindämmende Eigenschaften. Im 26. Buch
d e r Naturalis Historia wird die Pflanze nochmals erwähnt, hier mit den Anwendungsgebieten Husten und Heiserkeit. Kaiser Karl der Große (747 814), zu dessen vielseitigen Interessen auch Gartenbau und Botanik gehörten, schrieb in seiner Landgüterverordnung Capitulare de villis et cortis imperialibus von 812 das Anlegen von Klostergärten und Nutzgärten für Städte vor. Hier finden sich auch detaillierte Beschreibungen zum Anbau von Salbei. Im Lorscher Arzneibuch von 795 n. Chr., der ältesten erhaltenen medizinisch-pharmazeutischen Handschrift deutscher Herkunft, wird ein Heiltrunk für einen leichteren Schlaganfall beschrieben: 1 Unze Myrrhe 1 Unze Ammoniakgummi 1 Unze Weihrauchkörner 2 Unzen Salbei 1 Unze Steckenkrautsaft Man reibt es im Mörser, vermischt es mit 9 Stauf Wein und gibt es neun Mal zu trinken. Es hilft auch gegen einseitige Lähmung, das ist das
schlaffe Herabfallen des Armes oder Beines, und gegen Epilepsie: Man mischt es mit einem Becher Essig und 2 Bechern Wasser und gibt davon während dreier Monde zu trinken: zuerst bei zunehmendem Mond am Donnerstag, Freitag und Samstag, dann ebenso bei abnehmendem Mond und wiederum bei zunehmendem Mond. Der Patient darf 40 Tage lang keinen Wein und kein Fleisch zu sich nehmen und soll in diesem Zeitraum an jedem Tag, an dem er diesen Trank nicht einnimmt, Sonnenwerbel, das ist Wegwarte, mit Wasser und Pfeffer trinken. Walahfrid von der Reichenau (ca. 808 849), genannt Strabo (der Schielende), ein Mönch des Klosters Reichenau im Bodensee, Dichter und Botaniker, verfasste mit dem Liber de Cultura Hortorum (Von der Pflege der Gärten), auch als Hortulus bekannt, eine der bedeutendsten botanischen Schriften des Mittelalters. Hier sind in Versform 23 Heilpflanzen mit ihren Anwendungsmöglichkeiten aufgeführt. Als Erstes der Salbei:»Leuchtend blühet Salbei ganz vorn am Eingang
des Gartens, süss von Geruch, voll wirkender Kräfte und heilsam zu trinken. Manche Gebresten der Menschen zu heilen, erwies sie sich nützlich.«aus der im 9. Jahrhundert gegründeten Schule von Salerno, einer der ersten medizinischen Hochschulen in Europa, stammt folgendes Gedicht über den Salbei:»Der, welcher Salbei hat, mich wundert, dass er stirbt. Doch wisse, dass der Tod ein jedes Kraut verdirbt. Die schwachen Nerven, das Zittern der Händ, das hitzige Fieber wird dadurch auch abgewendt. Salbei, Lavendel samt gerechtem Bibergeil nach Schlüsselblumen und nach Brunnenkresse eil, wenn etwa von dem Schlag die Glieder sein berührt, doch wisse, dass der Preis dem Salbei vor gebührt.«gegen ein schlechtes Gedächtnis empfahlen Ärzte im Mittelalter eine Salbeikur. Für die heilkundige Nonne Hildegard von Bingen (1098 1179) war Salbei ein wahres Allheilmittel. Sie gab Rezepte für die Zubereitung von Gerichten mit Salbei und pries ihn u. a. als Mittel gegen Fieber, Hautausschläge und Schlaflosigkeit an. Hieronymus Bock (1498 1554), deutscher Botaniker, Arzt und Prediger, schrieb 1539 in seinem Kräuterbuch über die entgiftende Wirkung des Salbeis. Er diene allen