Roy nur Haare, lange braune Haare mit von Seewasser und Sonne ausgebleichten Strähnen. Als sich der Mann umdrehte, blickte der Junge in stechend blaue Augen. He! Suchste nen Lift in die Westindies? Roy fuhr zusammen. Er hatte nicht damit gerechnet, angesprochen zu werden. Seltsames Deutsch, diese Seglersprache. Wollt eigentlich nur mal sehen Kannste nicht, oder trauste dich nicht? Trauen, ha! Roy fühlte sich beleidigt. Im letzten Sommer hab ich Segelurlaub gemacht. Vierzehn Tage. Wenden, Halsen, Rudergehen. Sogar Spleißen hab ich gelernt. Junge, Junge! Dann hast du ja Erfahrung. Könnte schon jemand wie dich an Bord gebrauchen. Hm, ich würde ja gern, sagte er halbwegs versöhnt. Bin aber nur vierzehn Tage hier. Und Sie wollen doch nach Westindien.
Schön wär s. Der Mann lachte dröhnend. War ein Scherz, das mit der Karibik. Ich mach nur nen Törn zwischen den Inseln. Also, wenn du Lust hast. In ein paar Tagen geht s los. Ich weiß nicht. In dem Moment erschien neben den Zotteln des Seebären ein blasses Gesicht. Die braunen Augen wurden zum Teil von schwarzen Ponyfransen verdeckt. Das Mädchen trug ein T-Shirt mit dem Namen des Schiffes: Garrufa. Und darunter erkannte Roy die Ansätze zu niedlichen Brüsten. Er blickte zur Seite und sagte: Kann ich es mir noch überlegen? Schnell fügte er hinzu: Ich komme auf jeden Fall vorbei. Bescheid sagen. Roy schlenderte so lässig wie möglich weiter. Fast knickten ihm vor Anstrengung die Fersen um. Nach einigen Schritten schaute er
sich verstohlen um, ob ihn der Kerl nicht auslachte. Doch der war schon wieder im Schiffsbauch verschwunden. Was für ein Boot! Er träumte doch nicht? Der Mann hatte ihm tatsächlich einen Segeltörn zwischen den Inseln angeboten. Einerseits kam ihm das Angebot unwahrscheinlich vor. Aber hatte er nicht andererseits schon oft tolles Glück gehabt? Heute war anscheinend wieder so ein Glückstag. Wie gerne würde er jetzt die Sache mit einem Freund beratschlagen. Der einzige Mensch, den er hier kannte, war seine Mutter. Und die fiel als Ratgeber natürlich aus. Sie würde sicher sagen: Sei vorsichtig, das ist ein schlechter Mensch, einer, der sich an kleine Jungen ranmacht. Er musste es allein überdenken. Dazu wollte er sich in den Liegestuhl legen und seine Lieblingskassetten hören. Vielleicht,
wenn seine Mutter nicht im Hause war, konnte er gemütlich eine Zigarette schmauchen. 2) Seine Mutter war nicht im Haus. Er machte einen Zug. Das tat gut. Es tat so gut, dass ihm regelrecht schwindelig wurde. Er schloss die Augen. the times they are a-changin, hörte er im Halbschlaf eine Stimme, die abgesehen vom rollenden "R" ziemlich nahe an das Näseln Bob Dylans herankam. Roy blinzelte ins Sonnenlicht. Wenige Meter vor ihm schnippelte ein ungemein dicker Junge von schätzungsweise siebzehn Jahren an den Büschen. Roy hörte noch eine Weile zu. Nicht schlecht. Wenn das ein berufsmäßiger Gärtner war, dann war Mick Jagger auch einer. Trotzdem war es ratsam ihn zu unterbrechen, bevor er die restlichen Bougainvilleen abgeschnitten hatte.
Do you speak English? Spanisch wäre auf den Kanarischen Inseln angebrachter, aber immerhin bediente er sich einer Fremdsprache. Der Bob-Dylan-Imitator schloss seine Darbietung mit einem lauten Tamtaramtadam und dem zweimaligen, klassischen Tamtam seiner Gartenschere. Er drehte sich langsam um, grinste und sagte: Yes Sir, French, Swedish and German too. Alles klar? Du wohnst hier? Ja, ich mach hier Ferien. Klar, Ferien. Mit deiner Mutter. Versteck lieber die Kippe. Sie kommt gleich zurück. Sie wollte nur was einkaufen gehen. Der dicke Gärtner war nicht nur begabt wie ein Bühnenstar, er war auch so selbstsicher und anmaßend, stellte Roy fest. Und du? Du arbeitest hier? Yes Sir, tagsüber. Kleine Kunstpause.