Mitschrift Karin Leukefeld: Haben Demokratie und Menschenrechte in Syrien eine Chance? Was passiert in Syrien? 26. April 2012, Bielefeld

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Transkript:

Beginn: kurzer Einblick in die Geschichte... 2 Syrien heute... 2 Ursachen des Konflikts... 2 Internationale Ursachen des Konflikts... 2 Regionale Ursachen des Konflikts... 3 Nationale Ursachen des Konflikts... 3 Pressetour Ende Januar... 4 Wichtige Oppositionsgruppen und die Zersplitterung der Oppositon... 5 Traditionelle Opposition... 5 Muslimbruderschaft... 5 Kurdische Organisationen... 5 Im Jahr 2011 neu gegründete Parteien... 5 Neu gegründete gewaltfreie Bewegungen und Gruppen... 5 Syrischer Nationalrat (SNR)... 5 Spaltung der syrischen Opposition... 5 Zukunftsaussichten Syriens... 6 Annans 6-Punkte-Plan... 6 Sanktionspolitik... 6 Ergänzende Informationen zum Vortrag... 6 Zur Person... 6 Veranstalter und Ort... 6 Weitere Infos... 6 1

Beginn: kurzer Einblick in die Geschichte - Zur Zeit des Osmanischen Reichs war Groß-Syrien eine Provinz dieses Herrschaftsgebiets. Nach dem 1. Weltkrieg wurde Groß- Syrien jedoch zwischen den Siegermächten Großbritannien und Frankreich aufgeteilt. So entstanden unter anderem die heutigen Nationalgebiete von Syrien und dem Libanon. Laut der Referentin ist diese von externen Mächten oktroyierte Grenzziehungen den Syrern immer im Bewusstsein geblieben. - Während des französischen Mandats kam es zu weiteren Abtrennungen von syrischem Gebiet. - 1946 kam es endlich zum unfreiwilligen Abzug der Besatzungsmacht Frankreich. Die letzten 5 Jahre der Besatzungszeit waren von militärischen Auseinandersetzungen geprägt während dessen Frankreich unter anderem Damaskus bombardierte. - Auch heute noch haben große Teile der Bevölkerung Vorbehalte gegen Frankreich und dessen (Außen- )Politik. - Im sogenannten 6-Tage Krieg im Jahr 1967 besetzte Israel die Golanhöhen. Dieser Landverlust war besonders tragisch für das Land, da es stets ein Agrarstaat war und der Golan sowohl sehr fruchtbar als im Hinblick auf die Wasserversorgung sehr bedeutend ist. Die spätere Annexion der Golanhöhen durch Israel bezeichnete Leukefeld als völkerrechtswidrig. - Insgesamt kann man die Geschichte Syriens der letzten 100 Jahren somit vor allem als Verlustsgeschichte sehen, da das Land viel an Territorium, Einfluss und Bevölkerung verlor. - Jedoch gewann Syrien auf der anderen Seite auch, da es stets Immigrationsgebiet war und eine neue Heimat für viele neue Gruppen, darunter auch Flüchtlinge, darstellte. So finden sich in Syrien vor allem viele Armenier, Palästinenser, Iraker und Sudanesen. Syrien heute URSACHEN DES KONFLIKTS Laut Leukefeld hat der Konflikt drei Ebenen: national (syrische Ursachen, z.t. historisch) regional (Türkei, Iran, Saudi-Arabien: regionale Konflikte über jeweilige Rolle in Region) international (Nachbarschaft Israel, ein Friedensabkommen Gegenpol zu westlichen Interessen, im Kalten Krieg: Lager Sowjetunion) Internationale Ursachen des Konflikts Ziele Syriens und seiner Unterstützer - Syrien galt schon zu Zeiten des Kalten Krieges als Frontstaat gegen westliche Interessen in der Region, da es enge Beziehungen zur UdSSR und DDR pflegte. Durch Studienaufenthalte in Ostblockstaaten, Eheschließungen zwischen Syrern und Angehörigen der ehemaligen Ostblockstaaten sowie durch verbreitete russische Sprachkenntnisse bestand bzw. besteht auch eine gewisse kulturelle Verbundenheit. 2

Die Rolle des heutigen Russlands sei jedoch klar von geostrategischen Interessen in der Region geprägt. Syrien wird von Russland und auch von China heute sowohl als Barriere als auch als Brücke zum Westen und der arabisch-islamischen Welt, vor allem Katar und Saudi-Arabien wahrgenommen. Zudem stellt das Land eine militärstrategische Basis gegen die NATO dar. - Syrien hat eine wirtschaftliche und militärische Allianz mit dem Iran geschlossen, die auch von Russland und China unterstützt wird. - Diese Allianz wird als Achse (auch in Verbindung mit der Hisbollah) des Widerstandes gegen westlichzionistische Interessen wahrgenommen. Ziele des Westens - Ziel des Westens - gemeint sind damit die USA und deren Bündnispartner, die EU, die Golfmonarchien ist es, Syrien aus dieser Allianz, die von den USA als Achse des Bösen bezeichnet wurde, herausbrechen. Die USA setzten dabei vor allem auf Druck, nämlich auf Sanktionen, während die EU eher eine Umarmungsstrategie anwendete, indem sie Syrien beispielsweise in die Mittelmeerunion und den Barcelona-Prozess aufnahm. - Die aktuelle Situation sei vor allem von Drohungen und Sanktionen geprägt, Maßnahmen sind beispielsweise der Abzug der Diplomaten vieler Staaten, sowie das Ende etlicher bilateraler Projekte. Regionale Ursachen des Konflikts - In der Region um Syrien findet ein Kampf um die regionale Vorherrschaft zwischen der Türkei und dem Iran statt. - Syrien hat in den letzten Jahren eine gezielte Regionalstrategie gefahren: Der Staat hat den gemeinsamen Handel sowie die Infrastruktur mit Anrainerstaaten gemeinsam ausgebaut. Zudem stand es mit einigen Nachbarstaaten in Verhandlung über eine gemeinsame Freihandelszone mit dem Ziel somit ein regionales Machtzentrum aufzubauen. Verfolgt wurde eine Fünf-Meeres-Strategie. Dabei wurde eine regionale Kooperation mit gewissen Ähnlichkeiten zur Europäischen Union im Raum der 5 Meere (Schwarzes Meer, Mittelmeer, Kaspisches Meer, Totes Meer und Persischer Golf) angestrebt. - Vor allem mit der Türkei pflegte Syrien in den letzten Jahren enge Beziehungen, es gab vermehrt gegenseitige Investitionen, neue Grenzübergänge und eine gegenseitige Visafreiheit wurden geschaffen. Es gab sogar Verhandlungen über ein gemeinsames Staudammprojekt. - Leukefeld zufolge hat Syrien bis zu den Umbrüchen also eine gute Position in der Region gehabt und stand in gute Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten abgesehen von Israel. Nationale Ursachen des Konflikts - Zunächst ein kurzer politischer Rückblick: Im Jahr 1961 kam die Baath-Partei durch einen Putsch syrischer Offiziere an die Macht. - Hafiz al-assad konnte sich innerhalb der Baath-Partei durchsetzen und baute einen mächtigen Geheimdienstapparat auf, um seine Macht zu erhalten. Nach seinem Tod im Jahr 2000 wurde sein Sohn Baschar al-assad vom Geheimdienst an die Macht gebracht. - Die politischen Vorgänge, die im Januar und Februar 2011 in Tunesien und Ägypten stattgefunden haben, wurden in Syrien zunächst scheinbar ruhig verfolgt. Auf Nachfragen erhielt Leukefeld häufig die Antwort, dass in Syrien alles in Ordnung sei und der junge Präsident große Veränderungen gebracht hätte. 3

- Assad hat seinen Amtsantritt vor etwa 10 Jahren mit einer starken Rede begonnen, in denen er seine Vorstellungen von einem veränderten Syrien darlegte. Zuvor hatte er eine Ausbildung zum Arzt in Großbritannien absolviert. - Laut Leukefeld unterschätzte der junge Präsident die Macht der Geheimdienste, die sein Vater während seiner Herrschaft aufgebaut hatte und die während dieser Zeit die Opposition ausgeschaltet hatten. Die Referentin verglich diese Situation mit der in Ägypten und anderen Diktaturen: Der Kopf kann gehen aber die aufgebaute Struktur bleibt. Der Sicherheitsdienst konterkarierte die demokratischen Reformvorhaben Assads. - In anderer Hinsicht konnte Assad Veränderungen bewirken. Er schaffte die sozialistische Planwirtschaft ab und ersetzte sie durch soziale Marktwirtschaft. Durch die enge historische Verbindung zur ehemaligen Sowjetunion waren sozialistische Ideen im Volk weit verbreitet und Assads Wirtschaftsreformen führten somit zu Unmut in der Bevölkerung. Unterstützung für sein Vorhaben fand der Präsident jedoch bei der EU, den USA, Katar und Saudi-Arabien. Die Folgen seiner neuen ökonomischen Ausrichtung war die Entwicklung einer neuer Mittelschicht, es gab neue Investitionsmöglichkeiten im Land, Privatbanken eröffneten Filialen und es wurde eine freie Kommunikation ermöglicht. So ließ Assad sowohl Internet als auch Satellit und Mobilfunk in Syrien zu. - Jedoch profitierte von diesen Änderungen vor allem die bereits bestehende Elite, allen voran der mächtige Sicherheitsapparat und die Schere zwischen arm und reich ging immer weiter auseinander. - Hinzu kam dass durch eine schlimme Dürre nicht genug Wasser für die Landwirtschaft vorhanden war. In Folge dieser fand eine große Landflucht statt, die wiederum zur Bildung von Armengürtel um die größten Städte herum führte. (v.a. Damaskus und Homs). Diese Satellitenstädte hatten ihre je eigenen Strukturen und der Staat kam hier kaum nach, vernachlässigte diese Siedlungen aber auch bewusst. - Ein weiteres Problem war das enorme Bevölkerungswachstum, das das syrische Volk innerhalb von 20 Jahren von 16 auf 23 Millionen anwachsen ließ. Der Großteil der heutigen Bevölkerung ist somit jünger als 25, laut Leukefeld herrscht bei eben diesen jungen Syrern großer Unmut über die Probleme der Arbeitsund Chancenlosigkeit. - Zudem gab es in Syrien alte, ungelöste Landkonflikte und Vetternwirtschaft. Dies sowie Allmacht der Geheimdienste und die Unanfechtbarkeit der Baath-Partei sorgten für viel Unmut in der Bevölkerung. - Laut Leukefeld war Assad nicht dazu in der Lage gewesen, diese Probleme zu lösen und somit Versöhnung zu schaffen. Weder strengte er weit reichende Reformen an noch wurde die Opposition in die Politik eingebunden. PRESSETOUR ENDE JANUAR Anschließend berichtete die Journalisten von der Pressetour, an der sie Ende Januar zusammen mit anderen interantionalen Journalisten in Begleitung des syrischen Informationsministerium teilgenommen hatte. Sie zeigte Bilder von militärischen Opfern und zitierte einen Überlebenden eines oppositionellen Angriffs: Sagen Sie mir, warum unterstützt der Westen die Opposition? Wir wollen ja Wandel, aber dieser braucht Zeit! Auch die Opposition ist gewalttätig! Leukefeld zufolge kommt in den deutschen Medien die Meinung der syrischen Zivilbevölkerung zu kurz, deshalb legt sie ihren Fokus darauf. Sie betonte, dass die Gewalt von der Regierung sowie von oppositionellen Gruppen ausgehe. 4

Sie berichtete von Homs sowie von einem anderen Ort und davon, dass die ganze Zeit geschossen wurde. Dazu ein Video: Ein Tag im umkämpften Homs; Feb 2012 http://www.youtube.com/watch?v=8umti5fwa7a WICHTIGE OPPOSITIONSGRUPPEN UND DIE ZERSPLITTERUNG DER OPPOSITON Daraufhin stellte sie die ihrer Meinung nach wichtigen Oppositionsgruppen vor. Traditionelle Opposition Zum einen gebe es die traditionelle Opposition, die bereits nach der Unabhängigkeit Syriens von Frankreich bestand. Dieser gehören Intellektuelle, Anwälte, sowie ehemalige Mitglieder der Baath-Parteil an, die sich im Gegensatz zu den Hardlinern als Reformisten verstehen und sich deshalb von der Partei lossagten. Muslimbruderschaft Eine weitere Gruppe und auch einen wesentlichen Teil der Opposition stellt die Muslimbruderschaft dar. Die Muslimbruderschaft wurde zunächst in Ägypten gegründet und richtete sich gegen die britische Kolonialmacht. Später wurde die syrische und jordanische Muslimbruderschaft gegründet. Auch die AKP und die Hamas sind mit diesen Organisationen verwandt. Die Muslimbruderschaft stand von jeher in Konflikt zur syrischen Regierung und wagte 1979 sogar einen bewaffneten Aufstand gegen die Baath-Partei. Die Folge dessen war jedoch ihr Verbot, sodass viele ihrer Anhänger ins Exil gingen. Kurdische Organisationen Auch kurdische Organisationen, die lange verboten waren und erst 2011 wieder legalisiert worden waren, gehört zur Opposition. Im Jahr 2011 neu gegründete Parteien Generell sind in Syrien 2011 einige neue Parteien zugelassen worden, die bislang als illegal galten. Neu gegründete gewaltfreie Bewegungen und Gruppen Wichtig ist auch, dass sich viele neue Bewegungen und Gruppen gründeten, deren Ziel ein friedlicher Wandel ist. Diese Gruppen üben starke Kritik am bewaffnetem Widerstand und fordern ein sofortiges Ende der Gewalt. Sie stehen für einen nationalen Dialog, der den Übergang zu einem neuen politischen System einleitet. Dies solle ohne internationale Einmischung geschehen. Syrischer Nationalrat (SNR) Dieser vom Ausland unterstützte Rat bestehend aus Exilsyrern, der auch den bewaffneten Kampf unterstützt, findet innerhalb Syriens keine Anerkennung. Der SNR wir vom Westen finanziell und militärisch stark untersstützt. Er ist eine Allianz mit der Freien Syrischen Armee (FSA) eingegangen. Spaltung der syrischen Opposition Karin Leukefeld sieht ein Problem in der Spaltung der syrischen Opposition: es gibt den bewaffneten Widerstand, die friedlichen Bewegung und zudem noch den syrischen Nationalrat im Ausland. 5

ZUKUNFTSAUSSICHTEN SYRIENS Karin Leukefeld sprach auch über die Zukuntsaussichten des Landes. Annans 6-Punkte-Plan Annans 6-Punkte-Plan beruht auf Vorschlägen der inneren syrischen Opposition, die diese an die UNO und die arabische Liga herangetragen hatten. Darin wird nicht der Sturz des Regimes gefordert, sondern Verhandlung mit Vertretern des alten Systems, da dieses immer noch Unterstützung bei großen Teilen der Bevölkerung genieße. Das Ziel des Plans ist somit die Beendung des Systems (und des Konflikts) durch Reformierung. Im Westen wird Assads Verhalten als Zeitschinderei angesehen, in Syrien jedoch als richtig und als wichtige Voraussetzung für die Erfüllung der Forderungen und einen Wandel angesehen. Auch die Referentin nahm diese Position ein, da ihrer Meinung nach politische Prozesse und Wandel viel Zeit bräuchten. Sanktionspolitik Wichtig sei es laut Leukefeld auch, einen Blick auf die Sanktionspolitik zu werfen. Innerhalb des letzten Jahres habe die EU 14 Sanktionen gegen Syrien erlassen, die BRD sei hierbei treibende Kraft gewesen. Diese Sanktionen treffen in erster Linie die arme Bevölkerung ohne Rücklagen. Weitgehend trägt die Mittelschicht die Armen mit. Leukefeld stellte sich in eine Linie mit Friedensforschern, die Sanktionen vor allem gegen ein Entwicklungsland - als Wirtschaftskrieg bezeichnen. Die Referentin würde sich wünschen, dass die BRD den Dialog wieder aufnimmt und als ersten Schritte die Botschaft wieder öffnet sowie die Sanktionen beendet. http://www.youtube.com/watch?v=fxql0rkgdga Ergänzende Informationen zum Vortrag ZUR PERSON Die freie Journalistin Karin Leukefeld berichtet seit 12 Jahren aus arabischen Ländern für Printmedien und Hörfunk. Seit 2010 ist sie in Syrien akkreditiert, von wo aus sie die Region bereist. Auch in den letzten Monaten berichtete sie direkt von dort. VERANSTALTER UND ORT Der Vortrag war eine Kooperationsveranstaltung der Attac-Gruppe für Demokratie im arabischen und Mittelmeerraum (DeAM) mit der VHS Bielefeld und dem Asta der Uni Bielefeld. Ort: VHS Bielefeld WEITERE INFOS Anwesende: ca. 30 Personen Diese Notizen zu dem am 26. April 2012 von Karin Leukefeld in Bielefeld in der VHS Bielefeld gehaltenen Vortrag wurden von Saskia Zimmermann und Gabi Bieberstein erstellt. 6