Ausgabe 2 2011 Glocken in der Geschichte und ihr Klang ihre Botschaft und ihre Zier in der Kirche im Kindergottesdienst laden ein
14 Läuteordnungen wann wird welche Glocke geläutet? Klangliche Realität wird ein Geläut einer Kirchengemeinde durch die Benutzung. Schon seit langer Zeit gibt es dafür Läuteordnungen, die sowohl die Zeiten wie auch die zu läutenden Glocken beinhalten. Sie können aber nur jeweils für ein Geläute verbindlich sein, da die Zusammensetzungen der Töne und die Anzahl der Glocken von Kirche zu Kirche sehr verschieden sind. Auch Glocken mit der prinzipiell identischen Tonhöhe können sehr unterschiedlich klingen. Es gibt aber mittlerweile einheitliche Rahmenbedigungen für das Aufstellen von Läuteordnungen. Die Glocke als Ruferin Verbindliche und einzuhaltende Regeln für den Gebrauch der Glocken sind schon alleine deshalb erforderlich, damit die Menschen eines Ortes die gegebenen Zeichen verstehen können. Im Idealfall hat der Klang jeder einzelnen Glocke eine bestimmte Bedeutung, die mit ihrer Inschrift oder Glockenzier in Verbindung steht. Damit wird sie fast zu einer Person, zu einer Ruferin. Einzelne Glocken Das bekannteste und allseits gebräuchliche Glockenzeichen in der evangelischen Kirche ist das Gebetsläuten zum Vater Unser. Es bildet das Geschehen im Gottesdienst für die Gemeindemitglieder ab, die nicht am Gottesdienst teilnehmen können und lädt zum Mitbeten ein. An vielen Orten gibt es auch die Sterbeglocke, die die Aufforderung ist, für ein gerade verstorbenes Gemeindemitglied zu beten. Den Tagesablauf durchbricht das Gebetsläuten morgens, mittags und abends. Die Interpretation der Glockenspiel evangelischen Kirche ist die Bitte um zeitlichen und eschatologischen Frieden, wie sie auf vielen alten Glocken als Inschrift enthalten ist: O rex gloriae, veni cum pace (O König der Erden, komme mit Frieden). Es ist damit ein liturgisches Läuten. Mancherorts wurde das Scheidläuten wiederaufgenommen, das Läuten mit der tiefsten Glocke an jedem Freitag um 15 Uhr im Gedenken an das Sterben Jesu. Zusammenklang mehrerer Glocken Auch das Läuten zu den Gottesdiensten kann musikalisch reich gestaltet sein. Je nach Größe des Geläutes kann unterschieden werden, ob es sich um einen Hauptgottesdienst handelt, ein Morgen-, Mittags- oder Abendgebet, eine Taufe, Trauung oder Beerdigung. Im Laufe des Kirchenjahres kann das Läuten zum Sonntagsgottesdienst differenziert werden nach Bußzeiten, Sonntagen außerhalb der geprägten Zeiten oder hohen Festtagen. Üblicherweise wird der Sonn- oder Feiertag am Vorabend mit der gleichen Glockenzusammensetzung eingeläutet, die auch am Morgen vorgesehen ist. Dabei ist es möglich vor dem Zusammenläuten auch jede Glocke eine Minute einzeln erklingen zu lassen. Werden mehrere Glocken zusammengeläutet, beginnt normalerweise die tonhöchste Glocke, da ihr Klang nicht so sonor ist wie der der tieferen. Das hat auch den Vorteil, dass das Glockentragwerk nicht übermäßig beansprucht wird. Beim Ausläuten verfährt man in umgekehrter Reihenfolge. Bilden die Glocken eines Geläutes jedoch eine Melodie, wie zum Beispiel den Anfang einer gregorianischen Intonation, kann und sollte man an besonderen Anlässen mit der tiefsten Glocke beginnen. Sehr häufig ist von unten begonnen die Intervallfolge kleine Terz große Sekunde vorhanden, der Beginn des Te Deum laudamus. Warum nicht einmal nach altem Brauch, wenn die deutsche Reimfassung Großer Gott, wir loben dich gesungen wird, die Glocken hin zu nehmen? Dazu bietet sich natürlich der Schluss des Gottesdienstes an, so dass die Gemeinde unter Glockengeläut aus der Kirche auszieht. Thomas Wilhelm Orgel- und Glockensachverständiger der EKHN Fotograf: Dieter Schütz / pixelio.de
15 Bruder Jakob Ein bekanntes französisches Lied handelt von Glocken: Frère Jacques, Frère Jacques, dormez-vous, dormez-vous? Sonnez les matines, sonnez le matines, ding ding, dong, ding, ding, dong. Vermutlich ist dieses Lied auf dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela entstanden, der Bruder (oder: Meister) Jakob könnte darauf ein Hinweis sein. In der deutschen Übertragung hat er verschlafen und wird vom Glockenklang geweckt; im französischen Original hat er seine Glöckneraufgaben noch nicht erledigt. Bruder Jakob, Bruder Jakob, schläfst du noch? Schläfst du noch? Hörst du nicht die Glocken, hörst du nicht die Glocken, ding dang dong, ding dang, dong. Dieses Lied wird in vielen Sprachen gesungen. Italienisch: Fra Martino, campanaro, Dormi tu? Dormi tu? Suona le campane! Suona le campane! Din don dan, din don dan. Spanisch: Martinillo, martinillo Dónde está, dónde está? Toca la campana, toca la campana, Din, don, dan, din, don, dan. Englisch: Are you sleeping? Are you sleeping? Brother John, Brother John! Morning bells are ringing, morning bells are ringing, Ding, ding, dong, ding, ding, dong. Niederländisch: Vader Jakob, vader Jakob, Slaapt gij nog, slaapt gij nog? Alle klokken luiden, ale klokken luiden, Bim bam bom, bim bam bom. Die Melodie kann man auch im zwei- oder vierstimmigen Kanon singen. Ein einfaches Fingerspiel unterstreicht den Text: Die Hände werden wie zum Gebet gefaltet. Dann hebt man die Ellenbogen an und zieht die Hände ein wenig auseinander, ohne die gefalteten Finger zu lösen. Die Hände stehen nun fast waagerecht. Nun steckt man die beiden Mittelfinger nach unten durch und lässt sie wie Klöppel aneinanderschlagen. Christa Kirschbaum Landeskirchenmusikdirektorin der EKHN Das Lied von der Glocke Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden, Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden, Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein, Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer, Und ruhet nimmer. Und der Vater mit frohem Blick Von des Hauses weitschauendem Giebel Überzählet sein blühend Glück, Siehet der Pfosten ragende Bäume Und der Scheunen gefüllte Räume Und die Speicher, vom Segen gebogen, Und des Kornes bewegte Wogen, Rühmt sich mit stolzem Mund: Fest, wie der Erde Grund, Gegen des Unglücks Macht Steht mir des Hauses Pracht! Doch mit des Geschickes Mächten Ist kein ewger Bund zu flechten, Und das Unglück schreitet schnell. Wohl! nun kann der Guß beginnen, Schön gezacket ist der Bruch. Doch bevor wir s lassen rinnen, Betet einen frommen Spruch! Stoßt den Zapfen aus! Gott bewahr das Haus! Rauchend in des Henkels Bogen Schießt s mit feuerbraunen Wogen. Wohltätig ist des Feuers Macht, Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht, Und was er bildet, was er schafft, Das dankt er dieser Himmelskraft, Doch furchtbar wird die Himmelskraft, Wenn sie der Fessel sich entrafft, Einhertritt auf der eignen Spur Die freie Tochter der Natur.
2 Inhalt Artikel Glocken Ihre Geschichte und Botschaft von Thomas Wilhelm... 4 Glockenmusik von Thomas Wilhelm... 6 Schönheit und Wahrheit im Verborgenen Ein Plädoyer für die Glockenzier von Markus Zink... 8 Der Glocken Klang von Prof. Dr. Kristian Fechtner... 12 Läuteordnungen von Thomas Wilhelm... 14 Handwerk, Kunst und ein Geheimnis Der Glockenguss von Dr. Volker Dettmar... 16 Glocken laden ein von Dirk Schliephake... 18 Glocken klingen Ein Krabbelgottesdienst von Regine Kobler-Gerhard... 19 Ein Kirchturm lernt lachen von Thomas Diener... 22 Der Klang des Jetzt Glocken im Haus der Stille von Johannes Sell... 24 Der Ton des Sein erklingt ohn Unterlass von Sven-Joachim Haack... 27 Glockenspiel für den Jugendarrest von Doris Joachim-Storch...29 Die Botschaft der Glocken Zum Großen Stadtgeläut in Frankfurt von Werner Schneider-Quindeau... 30 Warum läuten die Glocken um 19 Uhr? von Jeffrey Myers... 32 Kirche macht Musik Musik macht Kirche Das Jahr der Kirchenmusik in der EKHN von Sabine Bäuerle und Ursula Starke... 34 Veranstaltungen Einfach singen... 36 Geld regiert die Welt...37 Die Schätze des Gesangbuchs heben... 37 Erwachsen glauben... 38 Stufen des Lebens... 38 Zeichne einen Engel in bunte Pläne... 40 Pilgern... 40 Einkehr-Wochenende... 42 Aus dem Zentrum Christa Kirschbaum stellt sich vor... 41 Verabschiedungen... 42 Kontakt... 43 TITELBILD Glockenblumen Photo: Jürgen Treiber / pixelio.de Impressum Herausgeber: promissio e. V. in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main Konto: Stadt und Kreissparkasse Darmstadt 5002206, BLZ 508 501 50 Redaktion: Referentenkonferenz des Fachbereiches, Dorothea Hillingshäuser (verantwortlich) Telefon: 069-71379-100 Homepage: www.zentrum-verkuendigung.de E-Mail: willkommen@zentrum-verkuendigung.de Gestaltung: Andreas Pfeifle, 64572 Büttelborn Druck: Lautertal Druck, 64686 Lautertal Wir senden Ihnen den Impuls Gemeinde kostenlos zu. Wenn Sie kein Interesse mehr daran haben, lassen Sie uns bitte eine Nachricht zukommen. Für Spenden sind wir dankbar. Am Anfang des nachfolgenden Jahres wird eine Spendenbescheinigung ausgestellt und zugesandt. Wir haben versucht, alle Autorinnen und Autoren zu Texten ausfindig zu machen. Das ist uns nicht überall gelungen, für entsprechende Hinweise sind wir dankbar.
3 Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Glockentürme von Kirchen sind oft schön gestaltet und weithin sichtbar. Die Glocken, die darin aufgehängt sind, sehen wir viel seltener. Ihnen widmen wir dieses Heft und haben Unterschiedliches zusammen getragen. Wussten Sie, dass es in unserer Landeskirche einen Glockensachverständigen gibt? Die Bedeutung der Glocken spiegelt sich auch in ihrer Gestaltung. Auf vielen Glocken finden sich Bibelzitate. Die meisten Glocken sind aufwändig verziert. In jeder Gemeinde gibt es eine Läuteordnung, vielleicht werden Sie neugierig, was darin steht und welche Aussagen sich dahinter verbergen. Läuten Ihre Glocken zum Kindergottesdienst? Wenn nicht, dann lesen Sie gute Gründe es zukünftig anders zu handhaben. Wer immer mit Glocken zu tun hat, wird auch auf die Glockengießerei Rincker in Sinn (nah bei Herborn) stoßen. Sie haben uns dankenswerter Weise viele Bilder zur Verfügung gestellt. Ein Beitrag beschreibt den ergreifenden Prozess eines Glockengusses, der dort Bim, Bam, Bum Ein Glockenton fliegt durch die Nacht, als hätt er Vogelflügel, er fliegt in römischer Kirchentracht wohl über Tal und Hügel. Er sucht die Glockentönin BIM, die ihm vorausgeflogen; das heißt die Sache ist sehr schlimm, sie hat ihn nämlich betrogen. O komm, so ruft er, komm, dein BAM erwartet dich voll Schmerzen. Komm wieder, BIM, geliebtes Lamm, dein BAM liebt dich von Herzen! Doch BIM, daß ihr s nur alle Wißt, hat sich dem BUM ergeben; der ist zwar auch ein guter Christ, allein das ist es eben. Der BAM fliegt weiter durch die Nacht wohl über Wald und Lichtung. Doch, ach, er fliegt umsonst! Das macht, er fliegt in falscher Richtung. Christian Morgenstern (Galgendichtung 1905) statt gefunden hat. In der Nachbarschaft befindet sich das Deutsche Glockenmuseum auf Burg Greifenstein. Wer immer etwas über Glocken wissen möchte, ist dort an der richtigen Adresse. Vielfältig sind die Wirkungen und Gestaltungen von Glocken, einiges von der Vielfalt haben wir versucht in Worte zu fassen. Auch wenn der Klang selbst natürlich ein eigenes, fast unbeschreibbares Erlebnis bleibt. Mit ein Grund für die Hinwendung zu den Glocken in dieser Ausgabe ist das Jahr der Kirchenmusik, das innerhalb der Reformationsdekade von unserer Landeskirche begangen wird. Die Reformationsdekade dauert von 2007 bis 2017 und nimmt Bezug auf den Thesenanschlag Martin Luthers am 31.10. 1517. In den 10 Jahren werden unterschiedliche Themen in den Blick genommen, Informationen zu den Schwerpunkten finden Sie in Ihren Kirchengemeinden oder unter www. luther2017.de. Das Jahr der Kirchenmusik beginnt am 1. Advent diesen Jahres. Wie es in unserer Landeskirche gestaltet wird, erfahren Sie in einem Beitrag dieser Ausgabe. Ob es wirklich stimmt, dass Süßer die Glocken nie klingen können Sie in der beginnenden Advents- und Weihnachtszeit selbst prüfen. Ich wünsche Ihnen in jedem Fall eine gesegnete Zeit und einen guten Übergang ins Jahr 2012!