Was wissen wir (nicht) zu Umfang und Einsatz von Must-run- Kraftwerken?

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Transkript:

Was wissen wir (nicht) zu Umfang und Einsatz von Must-run- Kraftwerken? SUER-Fachgespräch zu Must-Run und Einspeisemanagement Christoph Maurer 21. September 2017 0 21.09.2017

Must-Run-Erzeugung konventioneller Kraftwerke Erkenntnis-Grundlage Kraftwerksplandaten im Energieinformationsnetz > BNetzA-Beschluss BK6-13-200 verpflichtet Betreiber von Kraftwerken» ab 10 MW Nennleistung» mit Anschlussspannungsebene von 110 kv und höher zur fortlaufenden Übermittlung von Kraftwerksplandaten an ÜNB > Nutzung für Netzbetriebsplanung, insb. Redispatch > Nicht nur geplante Betriebspunkte, sondern auch deren Aufschlüsselung auf unterschiedliche Ursachen (Mindestleistung, Besicherung, Reservevorhaltung, freie Leistung) Aggregation über alle KW erlaubt Aussage aus Systemperspektive insb. zu Must-Run z. B. in Situationen mit neg. Preisen (Beispiel: 30.03.2015) 60 GW 50 40 30 20 10 0 Zeitraum mit neg. Börsenpreisen 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 Marktbasierter Einsatz RD auf Anweisung ÜNB Regel neg BES neg PROD_min Quelle: Consentec auf Basis von ÜNB-Daten 1 21.09.2017

Must-Run-Erzeugung konventioneller Kraftwerke Stand der empirischen Erkenntnis (1/2) Geplante Produktion konv. KW sinkt auch bei negativen Preisen nicht unter best. Niveau > Bei heute beobachteten leicht negativen Preisen verbleiben typischerweise bis zu 25 GW konventionelle Kraftwerke am Netz > Preiselastiziät dieser Einspeisung sehr gering > Mitnahme negativer Preise aus Betreibersicht offensichtlich bevorzugt ggü. Abfahrt und Wiederanfahrt Consentec (2016): Konventionelle Mindesterzeugung Einordnung, aktueller Stand und perspektivische Behandlung Systemtechnisch bedingte Mindesterzeugung (Must Run Erzeugung im engeren Sinne) spielt dabei nur eine geringe Rolle > Bereitstellung von Blindleistung, Kurzschlussströmen und Momentanreserve heute nicht relevant für Must-Run- Erzeugung» schließt nicht aus, dass das in Zukunft Thema wird! > Direkt Systemanforderungen zuordenbare Must-Run- Erzeugung vor allem für» positiven Redispatch» neg. Regelreserve (PRL/SRL/MRL) Einspeisereduktion erfordert vorherige Einspeisung > Besicherung von neg. Reservevorhaltung bereits nur eingeschränkt zuordenbar (Portfolioeffekte, Sicherheitsniveau) > Niveau liegt im Bereich niedriger einstelliger GW-Zahlen» BNetzA: 3,2 GW bis 4,6 GW je nach Situation BNetzA (2017): Bericht über die Mindesterzeugung 2 21.09.2017

Must-Run-Erzeugung konventioneller Kraftwerke Stand der empirischen Erkenntnis (2/2) Erheblicher Anteil der über die Mindesterzeugung hinausgehenden Einspeisung mit unterer Leistungsgrenze begründet > Untere Leistungsgrenze (PROD_min): minimal elektrisch stabil erzeugbare Leistung > Mindestleistung für den betrachteten Zeitraum > Systemweit über untere Leistungsgrenze begründete Einspeisung auch in Überschusssituationen ca. 16 bis 20 GW > Mindesteinspeisung der Kraftwerke am Netz, aber nicht mindestens am Netz notwendige Kraftwerksleistung > Im Redispatch erfolgt durch ÜNB Absenkung bis auf PROD_min + netztechnisch bedingte Mindesterzeugung 25000 MW 20000 15000 Zusammensetzung PROD_min Sockel nach 10000 KW-Technologien 5000 ca. 75 % KKW und 0 Braunkohle 02.01.2015 30.03.2015 12.04.2015 Kernenergie Braunkohle Steinkohle Erdgas Öl Abfall Wasser Pumpspeicher Speicher Sonstige Quelle: Consentec auf Basis von ÜNB-Daten 3 21.09.2017

Offene Fragen im Zusammenhang mit Must-Run und Einspeisemanagement Bedeutung der unteren Leistungsgrenze (PROD_min) für Mindesterz. Ist ein Teil von PROD_min systemtechnisch bedingte Mindesterzeugung? > Insbesondere im Zusammenhang mit Vorhaltung von Regelleistung (RL) relevant > Angebot von RL (pos. und neg.) erfordert, dass KW im regelfähigen Betrieb ist nur dann sind schnelle Leistungsänderungen möglich > regelfähiger Betrieb P ein > PROD_min > PROD_min von KW mit RL-Vorhaltung könnte als sys.- technisch bed. Mindesterzeugung eingestuft werden Was ist Ursache? Was ist Wirkung? > Allokation von RL auf KW ist Betreibersache, insb. bei RL-Pools > Keine Verpflichtung der KW-Betreiber, die PROD_minminimale Allokation zu wählen» insb. Aufteilung der Vorhaltung auf viele KW denkbar» systemtechnisch bed. Mindesterzeugung dann von Betreiberentscheidungen abhängig? > Unterschiedliche Argumentationen denkbar:» RL-Vorhaltung schützt vor Abfahrt durch Redispatch» aber auch: RL-Vorhaltung in KW, die aus technischen Gründen ohnehin laufen, ist effizient > Auch andere Vermarktungen (Wärme, Besicherung) erfordern Betrieb mit P ein > PROD_min keine eindeutige Zuordnung zu Verursachung möglich Überschneidung von systembed. Mindesterzeugung mit techn-wirtsch. Kalkül der KW- Betreiber 4 21.09.2017

Offene Fragen im Zusammenhang mit Must-Run und Einspeisemanagement Technische vs. ökonomische Begründung für PROD_min Befragung KW Betreiber durch ÜNB/BNetzA > Untere Leistungsgrenze wird i. W. technisch begründet > Ergänzend werden aber auch ökonomische und sonstige Gründe genannt Abgrenzung von technischen und ökonomischen Gründen kaum sinnvoll möglich > Rein technische Begründung der unteren Leistungsgrenze nur, wenn Einsatzentscheidung bereits gefallen ist extrem kurzfristig > Scheinbar technische Begründungen sind häufig (auch) ökonomisch bedingt» Mindestbetriebs/-stillstandszeiten: Abfahrt eines KW würde Vermarktungsmöglichkeiten in nächsten Stunden einschränken untere Leistungsgrenze kurzfristig relaxierbar, aber Opportunitätskosten» Wärmelieferverpflichtung: Abfahrt KW würde Nutzung/Erschließung alternativer Wärmequellen erfordern untere Leistungsgrenze kurz- bis mittelfristig relaxierbar, aber Kosten» Leistungsgrenze stabiler Betrieb: Flexibilisierung über Retrofit vielfach möglich untere Leistungsgrenze mittel- bis langfristig relaxierbar, aber Kosten > untere Leistungsgrenze ist Ergebnis individueller technisch-wirtschaftlicher Abwägung unter Unsicherheit kein zentrales Wissen über Abwägungsgründe 5 21.09.2017

Offene Fragen im Zusammenhang mit Must-Run und Einspeisemanagement Wie könnte es weitergehen? Klärung juristischer Fragen Verbesserung des Erkenntnis-Stands > Verhältnis der gesetzlichen Anforderungen (insbesondere netztechnisch erforderliches Minimum i. S. d. 13 Abs. (3) EnWG) zu Redispatchpraxis und Meldung von KW- Plandaten nach BK6-13-200 > Umgang mit o. g. technisch-wirtsch. Abwägung > Inwiefern müssen ÜNB KW-Plandaten plausibilisieren und/oder validieren? > Praktikabilität beachten! > z. B. im Rahmen des nächsten BNetzA-Berichts > Informationsinteresse v. a. zu PROD_min-Sockel» Rolle von RL-Vorhaltung» Rolle von KWK» Kosten der Absenkung (kurz-/mittelfristig) > Müssen KW-Betreiber informieren? Angemessenheit? Welche Aussagekraft ist zu erwarten? Handlungsbedarf und Instrumente > Besteht Handlungsbedarf, insb. vor dem Hintergrund absehbarer Veränderungen im KW-Park? > Was sind geeignete Instrumente?» Transparenz und Überwachung?» zusätzliche ökonomische Anreize?» zusätzliche ordnungsrechtliche Vorgaben? 6 21.09.2017

Consentec GmbH Grüner Weg 1 52070 Aachen Deutschland Tel. +49. 241. 93836-0 Fax +49. 241. 93836-15 info@consentec.de www.consentec.de 7 21.09.2017