Herr Botschafter, der Druck auf Ungarn ist momentan relativ hoch. Welcher Druck ist höher, der wirtschaftlich-finanzielle oder der politische?



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Transkript:

Teil 1 Herr Botschafter, der Druck auf Ungarn ist momentan relativ hoch. Welcher Druck ist höher, der wirtschaftlich-finanzielle oder der politische? Es gibt Vorwürfe, die wir entschieden zurückweisen, was unsere Demokratie betrifft, daran lassen wir nicht zweifeln. Es gibt auch keinen Grund dafür. Das ist der sehr große politische Druck. Und es gibt auch einen großen wirtschaftlichen Druck auf Ungarn, auch der kommt von außen. Auf Grund der Tatsache, dass wir gerade in Krisenzeiten eine Absicherung auf den internationalen Märkten brauchen, ist der Druck groß, dass wir eine Übereinstimmung mit dem IWF und mit der EU erreichen. Wir sind noch am Anfang dieser Gespräche. Wir haben gesagt, wir nehmen die konstruktive Kritik an. Wir sind auch bereit, zu ändern dort, wo es dafür gute Gründe gibt oder wo es für uns die Beibehaltung nicht so wichtig ist. Das heißt auch an den umstrittenen Gesetzen, in denen es um die ungarische Notenbank geht? Sicher. Wenn wir sinnvolle Änderungsvorschläge bekommen bzw. wenn wir in Gesprächen sind, in denen wir Kompromisse schließen können, dann wird auch da geändert. Sie haben gesagt, dass der Druck sehr stark von außen kommt. Sowohl wirtschaftlich als auch politisch und medial Wie ist denn die Stimmung in Ungarn selbst. Es wird berichtet, es gibt Demonstrationen gegen die Regierung. Die Demonstrationen gegen die Regierung waren etwas überbewertet. Die Demonstrationen vor der Oper zum Beispiel bei den Feierlichkeiten zur neuen Verfassung, da waren einige tausend Menschen, nicht mehr. Natürlich gibt es politischen Druck von innen, ich bezweifle das nicht. Aber die Gegner der Regierung sind in Ungarn nicht besonders stark. Erstens hat die sozialistische Partei eine Spaltung erlebt. Zweitens tritt gerade der Fraktionsvorsitzende der Grünen zurück. Auf der anderen Seite steht deutlich rechts von der Regierungspartei Fidesz die Partei Jobbik. Deren Unterstützung wächst in manchen Gebieten des Landes. Und man muss auch sagen, dass wenn sich die unbegründeten Attacken weiter verschärfen, so erhöht sich auch möglicherweise die Unterstützung für diejenigen, die sagen, dass das so 1

nicht weitergehen kann. Und dann ist es auch vorstellbar, dass die Unterstützung der Jobbik größer wird. Die Frage ist: Was ist die Alternative? Sicher nicht das, was die Menschen, die uns von außen kritisieren, sehen wollen. Wenn wir schon bei den Demonstrationen und beim Rückhalt der Regierung in der Bevölkerung sind: am 21.01.2012 fand in Budapest eine Großkundgebung statt, die die Regierung unterstützt hat die Zahl der Teilnehmer war um die 500.000. Also ist es so, dass durch den politischen Druck von außen eine Solidarisierung mit Orbán stattfindet und die Jobbik gestärkt wird, aber nicht die einen Höhenflug erleben, die solidarisch mit den ausländischen Kritikern sind. Ich sage nur, dass die linke Opposition zersplittert ist und ihre Unterstützung sich nicht erhöht. Die Unterstützung der Jobbik wurde mit der Zeit etwas stärker, aber die Regierung würde weiterhin haushoch gewinnen. Vor einigen Wochen gab es eine Wahl im 2. Bezirk von Budapest, ein bürgerlicher Bezirk, in dem hat Fidesz 58 Prozent geholt, noch mehr als im Durchschnitt vor eineinhalb Jahren. Natürlich kehren auch viele Wähler Fidesz den Rücken, das ist keine Frage. Diese Wähler gehen aber eher in das Lager der Nichtwähler. Und es gibt kleine Bewegungen auf die radikale Seite, über die wir uns nicht freuen. Das heißt es ist nicht denkbar, dass die Regierung Orbán in absehbarer Zeit fällt. Haben Sie den Eindruck, dass der parallel laufende wirtschaftliche Druck die internationale Ausweichstrategie ist, um ihn doch zu stürzen? Die ungarische Bevölkerung hat Viktor Orbán auf völlig transparente und demokratische Weise eine eindeutige Position zugesprochen, nämlich eine Zweidrittelmehrheit. Fidesz hat von allen Wahlkreisen nur drei im Land verloren, also 173 gewonnen. Wenn wir nach dem britischen Muster gewählt hätten, hätte das ungarische Parlament gerade einmal 3 Abgeordnete von der Opposition, zwei Sozialisten und einen Jobbik-Mandatar. Also hat Viktor Orbán einen sehr eindeutigen Wählerauftrag, und daran sollte von außen nicht gerüttelt werden. Die Wähler haben ihm ihr Vertrauen geschenkt und nicht irgendeinem anderen, der dann kommen sollte. 2

Teil 2 Es stehen einige Gesetze sehr stark in Diskussion auf europäischer Ebene. Es wird drei Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn, geben. Sehen Sie die Gefahr, dass über diese Schiene Ungarn gezwungen wird, wieder Vieles zu revidieren? Das ist noch schwierig zu sagen. Aber fest steht, dass in Europa momentan mehrere hundert Vertragsverletzungsverfahren laufen. Bei uns geht es um das Notenbankgesetz, um das Gesetz über die Pensionierung der Richter und um den Ombudsmann für Datenschutz, dessen Leiter von der Regierung nominiert werden soll, was im Übrigen in Österreich auch der Fall ist und weswegen Österreich seit mehreren Jahren unter Vertragsverletzungsverfahren steht. Wenn es, wie Sie sagen, hunderte Vertragsverletzungsverfahren in der EU gibt, ist es dann Teil einer Medienkampagne, dass die Zeitungen in ganz Europa über die drei Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn berichten? Man kann sich darüber fast freuen, dass unsere Gesetze allmählich zu Bestsellern in Europa werden. Das bedeutet, sie sind wirklich gut. Aber Spaß beiseite, es gibt tatsächlich eine sehr konkrete und sehr harte Medienkampagne gegen Ungarn. Diese wird ohne Fakten geführt, eine nicht so sehr überraschende Tatsache, die kennen wir aus der Geschichte Österreichs und der Europäischen Union, wo man auch eine Medienkampagne aufgezogen hat im Jahr 2000, auch ohne Fakten, ohne Begründung. Österreich wurde schließlich Recht gegeben. Ich sage auch immer in der letzten Zeit in den Gesprächen, zu denen ich gebeten werde, dass wir damals volle Solidarität gezeigt haben. Wir haben sogar den Bundeskanzler nach Ungarn eingeladen. Das Volk hat entschieden, in Ungarn wie in Österreich, als damals eine neue Regierung kam. Daran kann man nicht von außen rütteln, wenn man das Prinzip der Volksentscheidung ernst nimmt. Das ist die eine Sache und die andere ist, dass man nur an den geleisteten Taten gemessen werden darf. Das ist alles richtig was Sie sagen, aber muss man nicht der ungarischen Regierung zumindest den Vorwurf machen, dass sie taktisch nicht sehr clever war. Sie hat sich zwei große Gegner gemacht: mit dem Mediengesetz die Journalisten und mit der Entscheidung über die Umwechslung der Fremdwährungskredite die Banken, die auf europäischer Ebene auch nicht ganz einflusslos sind. In Österreich besitzen ja sogar die Banken die Medien 3

richtig, in Ungarn eine relativ unvorstellbare Sache! Waren das taktische Fehler? Uns wurden mehrere taktische Fehler vorgehalten. Der erste war angeblich das Gesetz über die Erlangung der doppelten Staatsbürgerschaft für die Auslandsungarn. Wenn die Regierung das nicht ins Parlament gebracht hätte, dann wäre das Gesetz von Jobbik gekommen und die Hysterie hätte kein Ende. Mehrere Länder haben ein solches Gesetz, wieso dürfen wir das nicht auch haben? Im Dezember haben wir das Mediengesetz passieren lassen, nach wirklich langwierigen Verhandlungen im Parlament, über 6 Monate haben wir alles ausdiskutiert. Dieses Mediengesetz spart dem Staat viel Geld mit neuen Strukturen, die zusammengelegt werden. Ob das eine gute Idee war, das noch vor der Europäischen Präsidentschaft zu verabschieden, weiß ich nicht, aber stellen Sie sich vor, wir hätten keine Präsidentschaft in der ersten Hälfte des vorigen Jahres gehabt, dann hätten wir das gleiche, nein ein dreimal so großes Theater gehabt. Der Leiter der Medienbehörde ist eine Vertrauensposition, jede Regierung hat das Recht, diesen Leiter zu ernennen, so geschieht das auch in Frankreich und in anderen Ländern. Die Pressefreiheit, das haben wir zigmal bewiesen, wird nicht verletzt. Es gibt kein Beispiel für die Verletzung der Pressefreiheit. Alle politischen Meldungen sind erlaubt. Der Herr Ministerpräsident selbst hat dazu mehrmals gesagt, dass was hier im Westen in den Medien läuft ein Kindergartentheater ist im Vergleich zu dem, was sich in den ungarischen Medien gegen die Regierung abspielt. Das sehe ich zwar ein bisschen anders, trotzdem ist in Ungarn auch medial gesehen die Hölle los. Aber da gibt es zumindest einige Medien, die eine andere Meinung zu Tage fördern können. Im Westen gibt es wenige Beispiele. Wir haben möglicherweise, um auf die Frage zurückzukommen, hie und da zeitlich gesehen taktische Fehler gemacht. Das bezweifelt keiner. Wenn man, so wie in den vergangenen anderthalb Jahren, 365 Gesetze im Parlament verabschiedet, kann man Fehler machen. Der Druck, der auf uns lastet, ist demgegenüber völlig unverhältnismäßig. Und wie gesagt, es läuft eine Kampagne gegen uns, in der die Fakten fehlen. Dafür hat man Sanktionen gegen Ungarn verlangt. Die hat es ja damals auch gegen Österreich gegeben. Spüren sie bereits soziale Spannungen in Ihrem diplomatischen Leben? Gibt es Diplomaten, die Sie meiden? Nein, eindeutig nicht. Bisher wurden wir von den Regierungsstellen immer sehr offen aufgenommen und können alles besprechen, wie das auch früher war. Die österreichische 4

Politik sendet ja auch keine falschen Signale in die Welt und dafür bin ich dankbar. Wir spüren von einer Seite ganz gewaltigen Druck hier, das sind die Medien, mit denen wir auch sehr offen sprechen. Aber da gibt es leider ein ungleiches Verhältnis. Und wir spüren ein bisschen mehr Druck von der Wirtschaft, die ich gut verstehen kann. Ich spreche mit den Vorständen von Banken und versuche, ihre Meinungen, ihre Ängste auch weiterzuleiten. Wir wollen hier nicht die Konflikte verstärken, sondern wir wollen, dass die bereits bestehenden Meinungsverschiedenheiten irgendwie zur Ruhe kommen. 5

Teil 3 Thema Wirtschaft. Wie schlimm ist die Lage jetzt? Der Schriftsteller György Konrád hat gesagt, Ungarn ist eine Ramschladen mit einer Ramschregierung, Staatsbankrott- Befürchtungen werden geäußert. Wie groß ist die Bedrohung, dass Ungarn in ein ähnliches Krisenszenario abgleitet wie Griechenland? Es gibt keine Gefahr eines Staatsbankrotts, das ist ganz eindeutig. Die ungarische Wirtschaft steht gut da. Das wurde von den europäischen Institutionen auch anerkannt. Wir haben einen Handelsbilanzüberschuss, die Industrieproduktion ist gewachsen. Der Forint-Kurs pendelt hie und da, und dafür brauchen wir eine gewisse Absicherung von den Märkten, damit wir nicht unter Beschuss geraten. Ansonsten ist die Wirtschaft fast gesünder als bei manchen Nachbarstaaten. In den österreichischen Medien entstand in den ersten Stunden nach der Aberkennung des AAA-Ratings der Eindruck, dass wir und Italien dafür die Verantwortung tragen sollten. Das muss ich entschieden zurückweisen. Die ungarische Regierung ist nicht verantwortlich für Geschäftsentscheidungen von unabhängigen Wirtschaftsakteuren, die in den letzten zehn bis zwanzig Jahren getroffen worden sind. Wir wollen einen Weg und einen Konsens mit den internationalen Institutionen finden. Wir würden uns aber auch natürlich jetzt gerade im Vorfeld diese wichtigen Gespräche mehr Vertrauen wünschen, Vertrauen in die Fähigkeit der ungarischen Wirtschaft, die Probleme zu lösen. Gerade wie das Ewald Nowotny gesagt hat. Er hat gemeint, dass er Vertrauen in die ungarische Politik und Wirtschaft hat. Die ungarische Wirtschaft wird vor allem von den Banken totgesagt, die in Ungarn massive Verluste mache die machen keine massiven Verluste! Doch manche schon. Es geht um Kreditausfälle und das wird dann natürlich verkürzt kommuniziert. Von Banken hört man in Österreich jedenfalls immer nur, Ungarn ist als Markt kaputt. Weder die österreichischen noch die ungarischen Banken sind kaputt und Ungarn schon gar 6

nicht. Das ist eine vollkommene Krisenkommunikation. Es macht wirklich keinen Sinn, eine noch größere Krise herbeizureden. Ohne den ungarischen Markt wäre die Situation der österreichischen Banken viel schwieriger, sie haben bei uns gute Zahlen gebracht. Aber der ungarische Bankkunde steht bei uns in den Medien dar als notorisch Pleite, weil er viel zu hohe Kredite aufgenommen hat, meistens auch noch in Fremdwährung, die er jetzt nicht zurückzahlen kann. Und darum fallen dort viele Kredite aus. Gibt es dieses Verschuldungsproblem der Menschen in Ungarn? Nein, das ist eine falsche Auslegung der Medien, nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Staaten. Auch bei uns. Die Regierung hat den Banken und den Bürgern eine Art Risikogemeinschaft angeboten, eine Art Lastenteilung, ein Drittel Staat, ein Drittel Bürger und ein Drittel Bank. Diese Lastenteilung bewahrt gerade die Banken vor größeren Ausfällen. Schauen Sie sich Griechenland an, wo die Banken einen Schuldenerlass von 50 Prozent hinnehmen müssen. Die ungarische Lösung ist natürlich auch nicht ohne Schmerzen für die Banken, aber sicherlich auch eine Möglichkeit, zumindest an größere Teile des vergebenen Kredites wieder heranzukommen. Dies ist aber nur eins von mehreren Lösungen, die der Staat anbietet und mit dem Bankenverband vereinbart hat. Hinzu kommt, dass diese sog. Endtilgung gerade jetzt ausgelaufen ist, kann also keine Verluste mehr für die Banken bringen. Die Verluste können hingegen zu 30% von der Bankensteuer abgesetzt werden, das ist eine gute Nachricht für die Banken. Genauso wichtig ist, dass die sog. Krisensteuer mit dem 01.01.2013 ausgeführt bzw. die Bankensteuer halbiert wird. Gibt es Zahlen, wie viele Menschen dieses Angebot der begünstigten Umwechslung von Fremdwährungskrediten annehmen konnten? Das war ja meistens mit einer Umschuldung verbunden. Die Aktion lief bis zum Ende des Jahres. 90.000 Kunden haben die Rückzahlung der Fremdwährungskredite schon abgeschlossen, 200.000 weitere haben sich angemeldet, aber noch nicht realisiert von insgesamt rund einer Million Kreditnehmern. 7