Nachdenken über Heterogenität im Schulsport. 13. Wuppertaler Schulsportsymposion Prof. Dr. Judith Frohn Nachdenken über Heterogenität im Schulsport

Ähnliche Dokumente
Aufbau und Inhalte der Diversity-Multiplikator_innen-Ausbildung

Übergänge und Bildungsambitionen sozial benachteiligter Jugendlicher

Schulstruktur und Bildungschancen

Sibylle Rahm Auf dem Weg zu einer innovativen Beurteilungskultur Chancen heterogener Ausgangsbedingungen in Schule und Unterricht

Zur Interkulturellen Kompetenz von Lehrkräften: Vortrag für das Themenatelier Ganztagsschule der Vielfalt, Berlin,

Interkulturelle Kompetenz in der Ausbildung von ErzieherInnen und Erziehern.

Sportbezogene Sozialisation von Mädchen

Bildung vielfältig gestalten, Elternkompetenzen stärken!

Schulsozialarbeit in der Schweiz Grundlagen und Herausforderungen

Psychologie in der Schule - Psychologie für die Schule

Inklusion in der Lehrerausbildung Aktivitäten der KMK zur Fortentwicklung der Lehramtsstudiengänge

Handlungsfeld 1: Unterricht gestalten und Lernprozesse nachhaltig anlegen

Perspektiven der Lehrerbildung

Angebots-Nutzungs-Modell unterrichtlicher Wirkung von Helmke. Dr. Frank Morherr

Mehr als diversity management Migration und berufliche Bildung Uwe Fasshauer

Professionelles Handeln im Kontext Migration Herausforderungen für Aus- und Weiterbildung

Antidiskriminierung und Chancengleicheit

1 Aufgaben und Ziele des Faches

SCHULISCHE INKLUSION IN SPANIEN. KÖNNEN WIR VON ANDEREN LÄNDERN LERNEN?

Welcher Unterschied macht einen Unterschied? Lernen in und von der Vielfalt.

PISA-E 2000: Lesekompetenz im nationalen Vergleich der Bundesländer

Interkulturelles Management als Aufgabe der Altenpflege. Interkulturelles Pflegemanagement

Einige ganz besondere Lehrveranstaltungen im Wintersemester 2015/16 für Studierende des Lehramts

Die sechsjährige Grundschule in der Bildungslandschaft der Bundesrepublik Deutschland

Managing Diversity Hochschule Ludwigshafen am Rhein

Markus Gottwald M.A., Dr. Christine Wimbauer und Katja Müller

Statistisches Bundesamt (Hrsg.)

Gender & Diversity Praxiskonzepte in Lehre und Studium. Beispiele aus dem Medienlabor der FH-OS. Prof. Michaela Ramm Fachhochschule Osnabrück 1

COOL PLUS SELBSTDIFFERENZIERUNG IM WIRTSCHAFTS- PÄDAGOGISCHEN UNTERRICHT

Ergänzende Hinweise zum Vortrag Interkulturelle Kompetenzen

-V- Inhaltsverzeichnis

Zwischen Aufnahme- und Herkunftsland

Bildung und Sport. Stefan Valkanover, Fachdidaktikzentrum Sport

Eröffnung. Axel Viereck, Gerlinde Schreiber, HS Bremen. Einleitung. Erste Behauptung: IFI ist erfolgreich

Zusammenfassung Kapitel 1 Was ist Diversität?

Der psychologische Vertrag im transformationalen Wandel

Elke Grimminger Die Förderung interkultureller Kompetenz von Sportlehrkräften

CSR - Corporate Social Responsibility Ein Gewinn für alle

Aktuell zu vergebende Themen für Abschlussarbeiten (Bachelor, Master und Diplom)

Trinken im Unterricht, kognitive Leistungsfähigkeit und Wohlbefinden: Eine randomisierte kontrollierte Interventionsstudie

Theorien für den Unterricht

Die Bedeutung der UN-BRK für die Reha-Praxis am Beispiel des Aktionsplans

Gender and orientations toward the future: links to motivation

Erziehungsdirektion des Kantons Bern Lehrplan für die Volksschule des Kantons Bern Änderungen ab 1. August 2012

Coaching im Kontext der Führungskraft Durch eine Reflexion der eigenen Motivation zu mehr Spaß und Effizienz im Führungsalltag Referentin: Julia

Bewerbung um ein Förderprogramm der Dr. Hermann Röver-Stiftung in Hamburg

Kapitel I Statistische Daten

Bildungsberichterstattung für das Land Bremen. Band 1: Bildung Migration soziale Lage. Voneinander und miteinander lernen

M7/B3 Studienbegleitetes Blockpraktikum (13 Wochen) 0,5. M6/B3+B4 Pauschalanrechnung Praxis insgesamt 20 SWS. 1. Semester SWS Credits MP

FACHTAGUNG DER SPORTMINISTERKONFERENZ SPORT UND GANZTAGSSCHULEN

Koedukativer Sportunterricht

Begleiten, beteiligen, begeistern

MSO Migrantenselbstorganisationen in Ludwigshafen

Sprachförderung für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache Was wir wissen und was wir erhoffen können

Informationsabend. Übergang zur Sekundarstufe I

Staatsbürgerschaft oder Geburtsland?

Kinder und Jugendliche in ihrer Vielfalt fördern Unterricht fokussiert auf individuelle Förderung weiterentwickeln

Schwimmen im Kontext von Schulsport

(Beschluss der Kultusministerkonferenz vom in der Fassung vom ) Präambel

di Select Demographie Wieden Stand: Dezember 2011 Database Marketing CRM Micro Targeting Geo Marketing Data Enrichment Data Mining

Interkulturelle Kompetenz für Bildungspatenschaften Christa Müller-Neumann und Mousa Othman

Diversity und Diversity Management in Berliner Unternehmen Im Fokus: Personen mit Migrationshintergrund

Pädagogik (3. Säule) Information für Studierende (2014) Institut für Erziehungswissenschaft Abteilung Schulpädagogik

Die Konstruktion von Diversity aus Sicht verschiedener Forschungsperspektiven Anja Lindau

Landestagung Zukunftsschulen NRW Potenziale entdecken- Diagnostik

Krankenstand und Präsentismus im Kontext von Unternehmenskultur in Österreich

Jenaer Sportmanagement Survey

Erziehungswissenschaften: 35 LP

Und schon gar nicht Tränen einsetzen Gender, Emotionsarbeit und Mikropolitik im Management

Einwanderung die letzten 50 Jahre & die nächsten

Erschwerte Bedingungen für das Lernen, angemessene Verhalten und die Entwicklung von Sprache

Ansätze der transkulturellen Suchtprävention in der Schweiz

"Perspektiven der Bremer Erwachsenenschule" (Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen vom )

Kultur des Behaltens. was heißt das konkret für die Gymnasien? Prof. Dr. Olga Graumann, Universität Hildesheim

Bewegungsfördernde Schule Informationen Angebote Kooperationspartner

Interkulturelle Kompetenz Von kulturalistischen Ansätzen zu reflexiven Perspektiven

Diversity-Infothek. Coachs brauchen die Diversity-Brille. Über den Umgang mit Vielfältigkeit 1

Auswertung qualitativer Interviews

Partnerwahl und Partnerschaft

Studium mit Migrationshintergrund: Voraussetzungen, Motivation und Verlauf

Modulbeschreibungen für den Studiengang Master of Education im Fach Sportwissenschaft

Wissen ist Macht? Wissensmanagement wird in den Köpfen entschieden.

Hausinternes Curriculum Sek. II für das Zentralabitur

Gelingendes Leben im Alter: Selbst gewählt und selbstbestimmt?

Lerntransfer im Fach Rechnungswesen

Schülerleistungen und soziale Herkunft NRW-Befunde aus PISA 2006

Statistische Auswertungen zu dass einer fidelt. Klassenmusizieren als Motivationsgarant? Ergebnisse der Studie Musikunterricht aus Schülersicht 11

Schülerschaft im Wandel Elternschaft im Wandel

Bern, St.Gallen, Zürich: Für das Leben gerüstet?

Zusammenhang von sozialer Lage und Teilnahme an Kultur-, Bildungs- und Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Erziehungswissenschaftliches Institut Prof. Dr. Barz

XV. Zum Unterricht in der Muttersprache im Alter von 15/16 Jahren

Auszubildende mit Migrationshintergrund

Verständliche Erklärungen in der Wirtschaftsdidaktik eine Heuristik

Aus dem Bericht zur Qualitätsanalyse:

Informationen für Sekundarschüler und -schülerinnen.

"Kunden begeistern durch professionelles Angebotsmanagement

Transkript:

Nachdenken über Heterogenität im Schulsport

0. Einleitung Heterogenität als aktuelles Thema historische Vorläufer PISA als Gründungsnarrativ Publikationsboom seit 2000 Schub durch Inklusion

Gliederung 1. Zum Begriff 2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler 3. Homogenisierende Strukturen in Schule und Sport 4. Konsequenzen für den Umgang mit Heterogenität

Gliederung 1. Zum Begriff 2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler 3. Homogenisierende Strukturen in Schule und Sport 4. Konsequenzen für den Umgang mit Heterogenität

1. Zum Begriff Heterogenität als Schlagwort Verschiedenheit Diversität Diversity Unterschiede Differenz Vielfalt Es ist normal, verschieden zu sein!

1. Zum Begriff Heterogenität als Konstrukt ist zugeschrieben ist relational wird in Bezug auf Normen bewertet Heterogenität ist zeitlich begrenzt gültig verweist auf Homogenität (vgl. Koller, 2014, Wenning, 2007, S. 23)

1. Zum Begriff Heterogenität und Homogenität entstehen in Prozessen des Wahrnehmens und Vergleichens in Bezug auf implizite oder explizite Maßstäbe kein individuelles Merkmal kein außerschulisch zu verortender Tatbestand: Schule ist durch ihre Strukturen, Prozesse und Interaktionen an der Herstellung von Heterogenität beteiligt (vgl. Wansing & Westphal, 2014, S. 37) Bsp.: Durch gleiche Anforderungen an Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen wird Heterogenität erzeugt und festgeschrieben (vgl. Koller, 2014, S. 11f.; Mecheril & Plößer, 2009, S. 197)

Gliederung 1. Zum Begriff 2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler 3. Homogenisierende Strukturen in Schule und Sport 4. Konsequenzen für den Umgang mit Heterogenität

2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich bzgl. Geschlecht Körperpraxen Alter (Schul)Leistung Entwicklungs -stand Gesundheit/ Behinderung Interessen Motivation Vorerfahrungen Migrationsstatus Konfession körperliche Voraussetzungen soziale Herkunft Sprache

2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler Relevanz für schulische Bildungsprozesse bzw. ungleiche Bildungschancen Lehr-/Lernforschung Fokus Leistung individuelle Merkmale (zusf. Vorwissen, Intelligenz, Motivation, Meta-Kognitionen) statistische Korrelationen zwischen Herkunft und schulischer Leistung gesellschaftskritische Ansätze gesellschaftliche Ungleichheit als Ausgangspunkt Produktion von Ungleichheit auch innerhalb von Schule Kategorien als soziale Konstruktionen (Migration, Geschlecht, soziale Lage, Behinderung) (vgl. Budde, 2012; Emmerich & Hormel, 2013; Trautmann & Wischer, 2011; Walgenbach, 2014)

2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler Sportvereinsmitgliedschaft, Bildungsniveau und Geschlecht 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Gesamt HS Ges RS Gym Mädchen Jungen (Schmidt, 2006) gesellschaftskritische Ansätze gesellschaftliche Ungleichheit als Ausgangspunkt Produktion von Ungleichheit auch innerhalb von Schule Kategorien als soziale Konstruktionen (Migration, Geschlecht, soziale Lage, Behinderung)

2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler Sportvereinsmitgliedschaft, Migrationshintergrund, Geschlecht 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Gesamt mit Mh ohne Mh Mädchen Jungen (Schmidt, 2006) gesellschaftskritische Ansätze gesellschaftliche Ungleichheit als Ausgangspunkt Produktion von Ungleichheit auch innerhalb von Schule Kategorien als soziale Konstruktionen (Migration, Geschlecht, soziale Lage, Behinderung)

2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler (Gegen-)Beispiel aus dem außerunterrichtlichen Schulsport Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Sport-AGs Sport-AGs als sozial und kulturell offener Kontext (Mutz & Burrmann, 2010, S. 114) kein Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Beteiligung an AG kein Zusammenhang zwischen sozio-ökonomischen Lebensverhältnissen und Beteiligung an AG bildungsbenachteiligte SuS treiben überproportional häufig Sport in einer AG keine Unterrepräsentanz von Mädchen mit türkischem Migrationshintergrund (Mutz & Burrmann, 2010, S. 109) Differenzen generieren nicht per se Ungleichheit, sondern aktualisieren sich in konkreten sozialen Kontexten (vgl. Wansing & Westphal, 2014)

2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler Schüler(innen)typen bzgl. der Wahrnehmung des Sportunterrichts Hoch Engagierte (28 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft Wichtigkeit des Sp.U. hoch eher indiv. BNO der Lk Durchschnittliche (29 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft Wichtigkeit des Sp.U. durchschnittlich eher indiv. BNO der Lk Unzufriedene (15 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft durchschnittlich sportvereinsorientiert indiv. BNO der Lk negativ Unmotivierte (18 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft Wichtigkeit des Sp.U. gering eher soziale BNO der Lk Negativ Eingestellte (10 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft Wichtigkeit des Sp.U. sehr gering eher soziale BNO der Lk (vgl. Burrmann, 2015)

2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler Schüler(innen)typen bzgl. der Wahrnehmung des Sportunterrichts Hoch Engagierte (28 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft Wichtigkeit des Sp.U. hoch eher indiv. BNO der Lk Durchschnittliche (29 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft Wichtigkeit des Sp.U. durchschnittlich eher indiv. BNO der Lk Unzufriedene (15 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft durchschnittlich sportvereinsorientiert indiv. BNO der Lk negativ Unmotivierte (18 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft Wichtigkeit des Sp.U. 1/3 gering Vereinsmitglieder eher soziale BNO der Lk Negativ Eingestellte (10 %) Interesse am Fach Wohlbefinden Anstrengungsbereitschaft Wichtigkeit des Sp.U. sehr gering eher soziale BNO der Lk (vgl. Burrmann, 2015)

Gliederung 1. Zum Begriff 2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler 3. Homogenisierende Strukturen in Schule und Sport 4. Konsequenzen für den Umgang mit Heterogenität

3. Homogenisierende Strukturen in Schule und Sport Schule Jahrgangsklassen Schuleingangsuntersuchungen /Rückstellungen Sitzenbleiben mehrgliedriges Schulsystem Lehrkräfte Homogenitätsmentalität (Miller, 2013, S. 238) (Wettkampf)Sport Geschlecht Alter Leistung Gewicht Nationalität (internationale Wettkämpfe) Beeinträchtigung (Klassifizierung Paralympics, Deaflympics, Special Olympics)

Gliederung 1. Zum Begriff 2. Heterogene Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler 3. Homogenisierende Strukturen in Schule und Sport 4. Konsequenzen für den Umgang mit Heterogenität

4. Konsequenzen VORBEMERKUNG: Gleichheit und Differenz im Bildungswesen Gleichheit als zentrale Idee moderner Gesellschaften unaufhebbare Dialektik von Gleichheit und Differenz in demokratischen Gesellschaften gleiche Bildungschancen für alle (Schulpflicht) formale Gleichbehandlung produziert Ungleichheit Recht des Kindes auf Anerkennung der Individualität (Recht auf Differenz) Gleichberechtigung (Recht auf Gleichheit)

4. Konsequenzen Gleichheit Differenz Ignoranz der Differenzen (Re-)Produktion von Benachteiligung Betonung der Unterschiede Verstärkung von Stereotypen

4. Konsequenzen Gleichheit Differenz Balance zwischen Universalismus und Partikularismus (Terhart, 2015) Lernen am gemeinsamen Gegenstand (Feuser, 1989) Verknüpfung individualisierenden Lernens mit sozialer Eingebundenheit (Seitz, 2015) Entwicklung eines individuellen Bewegungskönnens im Rahmen gleicher Bedingungen zur Thematisierung einer Sache (Laging, 2004, S. 9)

4. Konsequenzen Balance zwischen individualisierenden und gemeinsamen Lernsituationen Vielfalt der Sportarten und Bewegungsfelder Mehrperspektivität Verständigung und Partizipation wertschätzendes Lernklima

4. Konsequenzen 4 Empfehlungen Seien Sie aufmerksam für Differenzkonstruktionen! Gehen Sie kritisch und reflektiv mit Differenzen um! Nehmen Sie Differenzen und Gemeinsamkeiten in den Blick! Beachten Sie den spezifischen Kontext!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!