Gesundheitliche Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder Impulsvortrag

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Transkript:

Gesundheitliche Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder Impulsvortrag Dr. Anne Dehos Bundesamt für Strahlenschutz Fachbereich Strahlenschutz und Gesundheit 1

Elektromagnetisches Frequenzspektrum 50 Hz: Niederfrequente Felder der Strom-Versorgung 16 2/3 Hz: Bahnstrom 0 Hz: HGÜ 2

Gesundheitliche Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder Inhalt Eigenschaften elektrischer und magnetischer Felder Nachgewiesene Wirkungen Rechtliche Regelung Exposition Freileitung Erdkabel Hochspannungs-Gleichstom-Übertragung (HGÜ) Wissenschaftlich diskutierte Wirkungen Leukämie im Kindesalter Neurodegenerative Erkrankungen Krebs Elektrosensibilität Vorsorge 3

Eigenschaften elektrischer und magnetischer Felder Elektrische Felder (E-Felder): Feldkräfte wirken auf elektrisch leitende Materialien ein Ladungsverschiebungen an der Körperoberfläche (Influenz) Körperoberfläche wird aufgeladen, Ausgleichsströme (= Körperströme) im Körperinneren leicht durch leitfähige Materialen abzuschirmen. Magnetfelder (H-Felder): bilden sich um stromdurchflossene Leiter ändert der Strom die Richtung, wird das Magnetfeld im gleichen Rhythmus umgepolt Magnetische Wechselfelder verursachen (induzieren) Wirbelströme in leitfähigen Körpern können nur mit speziellen Materialien und erheblichem Aufwand abgeschirmt werden. 4

Nachgewiesene Wirkungen niederfrequenter Felder Niederfrequente elektrische und magnetische Felder verursachen im Körper zusätzliche Ströme Magnetische Felder dringen in den Körper ein, elektrische kaum Oberflächliche Ladungseffekte (wahrnehmbar bis belästigend) durch elektrisches Feld Stimulation zentraler und peripherer Nerven, Auslösen von Nervenimpulsen und Muskelkontraktionen Auslösen vorübergehender Lichterscheinungen (Phosphene) an der Retina. 5

Rechtliche Regelung Sechsundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV vom 16. Dezember 1996 Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSG) vom 29.Juli 2009 Regelung für ortsfeste Anlagen der Stromversorgung 26. BImSchV enthält u.a. Grenzwerte für niederfrequente elektrische und magnetische Felder 6

Rechtliche Regelung Nachgewiesene Wirkungen bilden die Grundlage der Grenzwerte Basisgröße: induzierte Körperstromdichte [ma/m 2 ] Begrenzung auf 2 ma/m 2 Natürliche Körperstromdichte: zwischen 1 und 10 ma/m 2 Daraus abgeleitete leichter zu messende Referenzwerte als Grenzwerte in 26. BImSchV enthalten elektr. Feldstärke magnetische Flussdichte 50 Hz 5 kv/m 100 µt 16 2/3 Hz 10 kv/m 300 µt 7

Grenzwerte und Empfehlungen Basiswerte und eigentliche Grenzwerte beruhen auf Empfehlungen der Internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP). Diese wurden von der deutschen Strahlenschutzkommisssion (SSK) übernommen und vom Bundesrat in der 26. BImschV umgesetzt. Sind auch in der EU-Ratsempfehlung 1999/519/EG enthalten Neue ICNIRP-Empfehlung: im Körper verursachte elektrische Feldstärke als Basisgröße (max 0,02 V/m im Gehirn, max 0,4 V/m in allen anderen Bereichen des Körpers), da enger mit biologischen Effekten verknüpft Neue Referenzwerte mit realistischeren anatomischen Modellen Gleichspannung: kein Grenzwert, empfohlener Höchstwert laut EU-Ratsempfehlung: 40 mt 8

Exposition Wechselstrom : Freileitung (FL) Erdkabel (EK) Quelle: Neitzke, H.-P. et al. (2010) Abschlussbericht; http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0221-201011153619 Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ): keine Messwerte bekannt 9

Wissenschaftlich diskutierte Wirkungen Langfristige Wirkungen von niederfrequenten Feldern unterhalb der Grenzwerte? Leukämie im Kindesalter Neurodegenerative Erkrankungen Nervensystem und Verhalten neuroendokrines System kardiovaskuläres System Immunsystem und Blutbild Fortpflanzung und Entwicklung Krebs Elektrosensibilität 10

Leukämie im Kindesalter Konsistente Hinweise aus epidemiologischen Fall-Kontroll- Studien: etwa 2-fache Risikoerhöhung für Akute Lymphatische Leukämie bei zeitlich gemittelter Magnetfeldexposition ab ca. 0,3-0,4 µt häusliche Magnetfeldexposition. Summe aus externen und internen Quellen. Problem: retrospektive Expositionsabschätzung Selection Bias? Confounder? Seltene Erkrankung, geringe Fallzahlen Epidemiologische Studien durch experimentelle Studien bisher nicht gestützt. Wirkmechanismus? nur wenige Kinder über 0,2 µt exponiert nur geringer Anteil der Leukämiefälle bei Kindern erklärbar (ca. 1% in Europa, ca. 3% in Nordamerika) IARC (International Agency for Research on Cancer) stufte 2002 niederfrequente Felder in Gruppe 2b ein: möglicherweise krebserregend Forschungsprogramme national und international 11

Neurodegenerative Erkrankungen Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Alzheimer Erkrankung: Hinweise auf erhöhtes Risiko v.a. für beruflich exponierte Personen - Meta-Analyse zu Alzheimer: Garcia et al. 2008; - Meta-Analyse zu ALS: Kheifets et al. 2009), - 1 Untersuchung zu Hochspannungsleitungen (Huss et al. 2008) Schwerer zu untersuchen als Krebs, da nicht in Registern erfasst, ggf. Diagnose schwierig, z.b. Alzheimer, Expositionsabschätzung z.b. über Job Title, geringe Fallzahlen, evtl. Confounder) Forschung: laufende tierexperimentelle Studie zu Alzheimer und ALS, Literaturstudie: http://doris.bfs.de/jspui/handle/urn:nbn:de:0221-201004201532 12

Weitere diskutierte Wirkungen Nervensystem und Verhalten neuroendokrines System kardiovaskuläres System Immunsystem und Blutbild Fortpflanzung und Entwicklung Krebs Bisher nur einzelne Hinweise Ergebnisse sind heterogen, insgesamt nur geringe Evidenz für Zusammenhänge Probleme: Expositionserfassung, andere Risikofaktoren, biologischer Wirkmechanismus 13

Elektrosensibilität ca. 2% der Bevölkerung in Deutschland bezeichnen sich als elektrosensibel; ca. 10% führen gesundheitliche Beschwerden auf elektromagnetische Felder (niederfrequente und/ oder hochfrequente) zurück, ohne sich als elektrosensibel zu bezeichnen. Vielzahl von Symptomen, Symptome / Symptomkombinationen individuell unterschiedlich. Zahlreiche Studien, vorwiegend Provokationsstudien (Zusammenfassung z.b. in Rubin et al, 2005, update 2009; Kwon et al. 2010) Fazit: Keine Objektivierung; kein Nachweis ursächlicher Zusammenhänge zwischen elektromagnetischen Feldern und Symptomen/ Beschwerden Hinweise auf Nocebo-Effekte WHO, Fact sheet 2005: EHS hat keine klaren diagnostischen Kriterien und es gibt keine wissenschaftliche Basis, um EHS- Symptome mit EMF-Exposition zu verbinden. 14

Vorsorge Wegen der wissenschaftlichen Unsicherheiten hinsichtlich möglicher gesundheitlicher Risiken rät das BfS zu Vorsorgemaßnahmen beim Ausbau der Stromnetze: Forschung zur Klärung der offenen Fragen Information der Bevölkerung, Transparenz Vorsorgliche Minimierung der Exposition

Vorsorge Vorsorgliche Minimierung der Exposition: Entsprechende Abstände der Trassen von den Wohngebäuden. Neue Trassen sollten möglichst nicht durch Wohngebiete führen. Ausschöpfen der technischen Möglichkeiten zur Expositionsminimierung (Höhe der Masten, Abstände der Leiterseile, Phasenbelegung etc). Erdkabel oder Gleichstromübertragung Niederfrequente elektrische und magnetische Felder bestehen überall, wo eine elektrische Wechselspannung besteht, bzw. elektrischer Wechselstrom fließt. Das BfS rät zu entsprechenden Vorsorgemaßnahmen. 16

Weitere Informationen unter: www.bfs.de Vielen Dank 17