Beifang von Meeressäugern und Seevögeln aus der Perspektive Fischerei und Naturschutz

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Transkript:

Dipl. Biol. Sven Koschinski, Nehmten Workshop: Alternative Fangtechniken und Zertifizierung Hohenfelde 28. September 2011 Fotos: Florian Graner; schleswig-holstein.nabu.de

1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Totfunde an der deutschen Ostsee Beifang von Meeressäugern und Seevögeln 180 160 140 120 100 80 60 40 20 Situation des Schweinswals Anteil beigefangener Tiere an den Strandfunden vermutlich > 50% Herr et al. 2009, Koschinski & Pfander 2009 0 Jahr

Beifang v. a. in Grundstellnetzen und Semi-Treibnetzen Östliche Population: 600 Tiere (Hiby & Lovell 1995) Westliche Population (Kattegat, Belte und westliche Ostsee): 1994 27.767 Tiere 2005 10.865 Tiere (Sveegard 2011) Beifang derzeit >> 1% bzw. >> 1,7% der Populationen (IWC und ASCOBANS) Schutz durch Jastarnia-Plan (2002) Treibnetz-Verbot 2008 Pingereinsatz (nur vorübergehend!) Alternative Fanggeräte Situation des Schweinswals

Situation der Seevögel Über 100.000 Beifänge pro Jahr in Stellnetzen und Reusen Risiko für Fisch fressende Arten am höchsten Risiko für Tauchenten und Meeresenten sehr hoch an der südlichen Ostseeküste vor allem Eisenten, Samtenten, Trauerenten in der Beltsee mehr Eiderenten und Bergenten südliche und westliche Ostsee: neben Enten vor allem Seetaucher je nach Art und Intensität der Fischerei erheblicher Beifang: 10-30% der lokalen Bestandsmaxima überwinternder Vögel Trottellumme: bis 50 % der durch Ringfunde belegten Sterblichkeit durch Fischerei

Zeitlicher und räumlicher Konflikt

Alternative Fangmethoden: 1. Fischfallen Vorteile: Kein Beifang von Meeressäugern und Vögeln variable Maschenweite erhöht Größenselektivität und Fängigkeit Sehr hohe Fischqualität kann höhere Preise erzielen (besonders in Verbindung mit Nachhaltigkeitszertifikat) Ljungberg 2007, Ovegaard et al. 2011, Karl Lundström, Swedish Board of Fisheries, pers. comm.

Alternative Fangmethoden: 1. Fischfallen Nachteile: Fangertrag in Schweden 25 % geringer als bei Stellnetzen bezogen auf die Handhabungszeit Fluktuierender Fangertrag im Jahresverlauf Fangertrag in Deutschland unklar Fang untermaßiger Dorsche Anfällig für Grundschleppnetze Verlust von Ködern durch Krebstiere Ljungberg 2007, Karl Lundström, Swedish Board of Fisheries, pers. comm., Lorenz & Schulz 2009, Danmarks Fiskeriforeningen 1998 aber: Handhabungszeit kann reduziert werden Optimierungsmöglichkeiten (Größe, Maschenweiten, Fangzeit und dauer, Köder, Decksausrüstung Köderbeutel

Alternative Fangmethoden: 2. Langleinen Vorteile: Beifangreduktion in der Ostsee möglich (nicht generell) Gute Größenselektivität Geringer Treibstoffverbrauch Hohe Fischqualität In der Ostsee erprobte Methode Wird bereits profitabel durchgeführt Schulz & Dolk 2007

Alternative Fangmethoden: 2. Langleinen Nachteile: Kistensysteme sind arbeitsaufwändig Automatische Beköderungs-, Hol- und Hakensepariersysteme wiegen 1 t nur für große Kutter geeignet Erfordert hohes Investment Nicht für Flachwasser geeignet (zugänglich für Tauchvögel) Förderung durch Europäischen Fischereifonds möglich? Schulz & Dolk 2007, www.mustad-autoline.com automatische Systeme

Schulz & Dolk 2007, www.dng.is Alternative Fangmethoden: 3. Jiggermaschinen Vorteile: Kein Beifang von Meeressäugern und Vögeln (manuelles) Pilken ist eine effektive Fangmethode: Sportangler fangen bis zu 40 % der kommerziellen Dorschanlandemenge Gute Größenselektivität geringer Treibstoffverbrauch Sehr hohe Fischqualität 1 Person kann bis zu 4 Systeme mit 3 bis 6 Haken bedienen Für kleine Kutter geeignet Geringe Investitionssumme (2500 pro System)

Alternative Fangmethoden: 3. Jiggermaschinen Nachteile: In der Ostsee nicht erprobt Beschränkt auf größere Wassertiefe? Bislang ungewisse Profitabilität Testfischerei kann aus dem Europäischen Fischereifonds gefördert werden Schulz & Dolk 2007, www.mustad-autoline.com

Empfehlungen Testfischerei mit Fischfallen, ggf. mit schwedischer Beteiligung Testfischerei mit Jiggermaschinen, ggf. nach Anpassung der Methode an Verhältnisse in der Ostsee Weiterentwicklung von Langleinensystemen für kleine Kutter Anreize zur Verwendung alternativer Methoden (exklusiver Zugang zu Natura 2000 Gebieten, Sonderquoten?)

Gemeinsames Handeln...... hilft Mensch und Meer! Photo credit: Florian Graner, http://www.baronbob.com/happysqueakyduck.htm, Fiskeri - og Søfartsmuseet Esbjerg DK

Ausgewählte Literatur Danmarks Fiskeriforeningen. 1998. Forsøgsfiskeri efter konsumfisk med tejner. Danmarks Fiskeriforeningen, Fredericia, DK. 8 pp. Erdmann et al. 2005. Verluste von See- und Wasservögeln durch die Fischerei unter besonderer Berücksichtigung der international bedeutsamen Rast-, Mauser- und Überwinterungsgebiete in den Küstengewässern Mecklenburg- Vorpommerns. LUNG Güstrow, 129pp. Herr, H., U. Siebert, & H. Benke. 2009. Stranding numbers and bycatch implications of harbour porpoises along the German Baltic Sea coast. 16th ASCOBANS Advisory Committee Meeting, Brugge, Belgium, 20-24 April 2009. Document AC16/Doc.62 (P). ASCOBANS. Bonn, Germany. 3 pp. Hiby, L. & Lovell, P. 1995. 1995 Baltic/North Sea aerial surveys - final report. Conservation research Ltd. 11 pp. Koschinski, S. & A. Pfander. 2009. By-catch of harbour porpoises (Phocoena phocoena) in the Baltic coastal waters of Angeln and Schwansen (Schleswig-Holstein, Germany). 16th ASCOBANS Advisory Committee Meeting, Brugge, Belgium, 20-24 April 2009. Document AC16/Doc.60 (P). ASCOBANS. Bonn, Germany. 5 pp. Ljungberg, P. 2007. Evaluation of baited pots in the fishery for cod (Gadus morhua) within the southeast Baltic. MSc. Department of Biology, Lund University, Sweden.24 pp. Lorenz, T. & N. Schulz. 2009. Bericht über ergänzende Untersuchungen zum Projekt: "Einsatz von Fischfallen als alternative, ökosystemgerechte Fischerei- und Fangmethoden in der Ostseefischerei". Bericht Fisch und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern e.v., Rostock, Germany. Bundesamt für Naturschutz. Bonn, Germany. 5 pp. Ovegaard,M., Königson,S., Persson,A., Lunneryd,S.G., 2011. Size selective capture of Atlantic cod (Gadus morhua) in floating pots. Fisheries Research 107, 239-244 Schulz, N. & B. Dolk. 2007. Bewertung und Einsatzmöglichkeiten alternativer, ökosystemgerechter Fangmethoden in der Meeresfischerei - Ostsee. Abschlussbericht Fisch und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern e.v., Rostock, Germany. Bundesamt für Naturschutz. Bonn, Germany. 58 pp. Svegaard, S. 2011. Spatial and temporal distribution of harbour porpoises in relation to their prey. PhD Thesis Aarhus Universitet. 128 pp.