Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT Lehrstellenkonferenz vom 26. Oktober 2009 Zusammenfassung des Massnahmenplans Die Lehrstellenkonferenz 2009 erörterte den Handlungsbedarf in den drei Themenbereichen Fachkräftemangel im Gesundheits- und Sozialwesen, Situation für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger sowie die Lage auf dem Lehrstellenmarkt. Die beschlossenen Massnahmen setzen Bund, Kantone und Organisationen der Arbeitswelt entsprechend den jeweiligen Verantwortlichkeiten gemeinsam um. 1. Massnahmen Gesundheit und Soziales Die Berufsbildung spielt eine Rolle in der Behebung des Fachkräftemangels im Gesundheits- und Sozialwesen. Gegenwärtig deckt die Schweiz ihren Personalbedarf im Pflegebereich zu einem Drittel durch ausländische Arbeitskräfte.. 1.1 Kantone für Pilote der Attestausbildung im Gesundheits-/Sozialbereich gewinnen Diese niederschwellige Ausbildung führt zu zusätzlichen Berufsleuten für den Gesundheits- und Sozialbereich und hat eine Zubringerfunktion für die 3-jährigen Grundbildungen mit eidg. Fähigkeitszeugnis EFZ (Fachfrau/Fachmann Gesundheit und Fachfrau/Fachmann Betreuung), die im Jahr 2005 eingeführt wurden. Um erste Erfahrungen im Hinblick auf die gesamtschweizerische Einführung zu sammeln, werden 2011 Pilotprojekte der zweijährigen Grundbildung im Bereich Gesundheit und Soziales gestartet. Der Kanton AG prüft zudem die Einführung des Pilotprojektes bereits 2010. 1.2. Information und Kommunikation zu den Gesundheitsberufen Eine Informationsoffensive soll Jugendliche für Ausbildungen im Gesundheitsbereich interessieren, insbesondere für die Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann (Tertiärstufe B) und die Ausbildung zur Fachfrau bzw. Fachmann Gesundheit (Sekundarstufe II). Zudem sollen die Betriebe zur Schaffung von Lehrstellen motiviert werden. 1.3. Lehrstellenförderung im Gesundheitsbereich Um das Lehrstellenangebot zu vergrössern, leitet die Branche mit Unterstützung des Bundes gezielte Massnahmen ein, wie zum Beispiel der Einsatz von Lehrstellenförderinnen und Lehrstellenförderern. Diese akquirieren neue Lehrstellen. Zudem soll die Anschubfinanzierung für Lehrbetriebsverbünde auch im Gesundheitswesen ausgebaut werden. 1.4. Ausbildungsangebote für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger Nicht nur Jugendliche, sondern auch erwerbstätige Personen in anderen Berufen sind namentlich für den Beruf Pflegefachfrau/Pflegefachmann zu interessieren. In einigen Kantonen werden Massnahmen erprobt, die einen Quereinstieg fördern. Kantonale Initiativen in diesem Bereich werden intensiviert und erweitert.
2. Massnahmen Übergang Ausbildung-Beruf 2.1. Indikatorensystem Fachkräftemangel für die Branchen Im Hinblick auf die Nachwuchsförderung informieren Wirtschaftsbranchen sich über Entwicklungen der Erwerbstätigkeit in ihrem Bereich. Im Auftrag der Lehrstellenkonferenz 2008 wurde ein Indikatorensystem Fachkräftemangel entwickelt. Dieses Instrument generiert Indizien für Fachkräftemangel. Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT stellt den Branchen das Instrument zur strategischen Planung ihres Arbeitskräftepotenzials zur Verfügung. 2.2. Berufseinstiegsbarometer Die Arbeitslosigkeit der jungen Erwachsenen reagiert stark auf konjunkturelle Schwankungen. Es bestehen Vermutungen, dass junge Erwachsene beim Einstieg ins Berufsleben auf zunehmend höhere Hürden treffen. Um die Situation auf dem Arbeitsmarkt für junge Erwachsene nach Ausbildungsabschluss zu beobachten, entwickelt der Bund ein Einsteigendenbarometer : ein Bericht, der die Veränderungen im Verhältnis von Angebot und Nachfrage nach Stellen für Berufseinsteigende zeigt. Das Instrument untersucht insbesondere welche Kompetenzen die Betriebe von den Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteigern nachfragen. 2.3. Start ins Berufsleben Die Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger 2010 können gesteigert werden durch Vorbereitung auf den Übergang ins Berufsleben im Berufsfachschulunterricht. Die Jugendlichen erlernen die wichtigsten Schritte einer erfolgreichen Bewerbung. Sie setzen sich im Rahmen des lebenslangen Lernens mit der Planung ihrer beruflichen Laufbahn auseinander. Im August 2009 hat das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement den Flyer Der Start ins Berufsleben veröffentlicht, mit Informationen zum Berufseinstieg. Das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT erarbeitet in Absprache mit der Schweizerischen Konferenz der Erziehungsdirektoren EDK bzw. mit der Schweizerischen Berufsbildungsämterkonferenz SBBK die entsprechenden Instrumente, wie Berufsfachschullehrkräfte in diesem Bereich geschult und wie sie die Thematik unterrichten sollen. (z.b. Muster-Lektionen, Unterrichtsmaterialien, E- Learning-Tool (analog My Berufswahl auf www.berufsberatung.ch)). 3. Massnahmen Lehrstellenmarkt 3.1. Bestehende Massnahmen anwenden Die Berufsbildungswelt ist auf Folgen der aktuellen Wirtschaftsentwicklung für die Integration von Jugendlichen in das Berufsleben gut vorbereitet. Zur Bekämpfung der Lehrstellenknappheit wurden in den vergangenen Jahren verschiedene Massnahmen und Instrumente entwickelt. Sie haben sich bewährt und werden auch 2010 eingesetzt, um den Lehrstellenmarkt stabil zu halten. Bei Bedarf können die Massnahmen weiter ausgebaut werden. 3.2. Sensibilisierung für Berufe im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) Ziel ist die bestehenden Aktivitäten zur Sensibilisierung der Jugendlichen im MINT-Bereich besser zu koordinieren und aufeinander abzustimmen. Dazu zählt zum Beispiel die Web-Plattform www.simplyscience.ch. Diese hat zum Ziel, Schülerinnen und Schüler für Naturwissenschaft, Informatik und Technik zu interessieren, im Hinblick auf den Nachwuchs in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen. Bund, Kantone und der Initiator der Web-Plattform, SGCI Chemie Pharma Schweiz, prüfen, ob und wie die Zielgruppe der Plattform auf Jugendliche auf Sekundarstufe II erweitert werden kann. Ziel ist es, Jugendlichen und Berufsfachschulen über die Plattform Instrumente zur Vorbereitung auf eine Laufbahn im naturwissenschaftlichen oder technischen Bereich zur Verfügung zu stellen. 2
Anhang: Ausgangslage A. Entwicklungen auf dem Lehrstellenmarkt Zur Beobachtung des Lehrstellenmarkts erstellt das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT zweimal im Jahr den Lehrstellenbarometer (Stichdaten April und August). Zusätzlich wurden von Januar bis August monatlich Umfragen zur Lehrstellensituation bei den Kantonen durchgeführt. Gemäss der letzten Umfrage im August ist der Wirtschaftsabschwung auf dem Lehrstellenmarkt bislang nicht spürbar. Wie sich die Wirtschaftslage auf den Lehrstellenmarkt 2010 auswirken wird, ist unsicher. Im Allgemeinen reagiert das Lehrstellenangebot mit einer Verzögerung und nicht immer kongruent zum Arbeitsmarkt auf konjunkturelle Entwicklungen. B. Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt für Jugendliche und junge Erwachsene Im vergangenen Jahr hat sich die allgemeine Situation auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert. Während sich die Gesamtarbeitslosenquote von 2.4% im September 2008 auf 3.9% im September 2009 erhöhte, stieg die Arbeitslosigkeit unter den 20- bis 24-Jährigen von 3.5% im gleichen Zeitraum auf 6.4%. Die Arbeitslosenquote der 15- bis 19-Jährigen lag in den letzten zwölf Monaten zumeist unter der Gesamtarbeitslosigkeit. Zwischen September 2008 und September 2009 stieg sie von 2.4% auf 3.9% an. In der Westschweiz liegt die Arbeitslosenquote generell höher als in der Deutschschweiz. Abbildung 1 - Entwicklung Arbeitslosigkeit Januar 2008 - September 2009 Quelle: SECO, 2009 Trotz Zunahme der Arbeitslosigkeit gibt es in verschiedenen Branchen Indizien für einen Fachkräftemangel 1. C. Fachkräfte im Bereich Gesundheit und Soziales C.1. Entwicklungen Berufsbildung Gesundheit und Soziales Bis zum Inkrafttreten des neuen Berufsbildungsgesetzes im Jahr 2004 waren die Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen kantonal geregelt. Mit der Überführung in die Bundeskompetenz wurden die Bildungsangebote neu ausgerichtet. Inzwischen finden sich auf allen Bildungsstufen eidgenössisch geregelte Bildungsangebote oder sie sind in Vorbereitung: 1 Indikatorensystem Fachkräftemangel Schlussbericht, B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung und Forschungsstelle für Arbeitsmarkt- und Industrieökonomik an der Universität Basel, Basel, Juli 2009 3
Die Bildungsverordnung Fachfrau/Fachmann Gesundheit EFZ wurde 2002 in Kraft gesetzt. Die dreijährige berufliche Grundbildung stösst auf eine grosse Nachfrage (2007: insgesamt 5 850 Lehrverhältnisse; 2008: 6 600 Lehrverhältnisse). Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der Abschlüsse seit 2004 für die Deutschschweiz und die Westschweiz. Gemäss dem Lehrstellenbarometer April 2009 2 übersteigt die Nachfrage das Angebot an Lehrstellen in der Branche Gesundheit und Sozialwesen deutlich. Seit 2005 wird die Ausbildung Fachfrau/Fachmann Betreuung EFZ angeboten. Die dreijährige Ausbildung löst drei Ausbildungen ab: Betagtenbetreuerin/ Betagtenbetreuer, Kleinkinderzieherin/ Kleinkinderzieher und Behindertenbetreuerin/Behindertenbetreuer. Drei Jahre nach der Lancierung des neuen Berufs schlossen knapp 500 Lernende ihre Ausbildung Fachfrau/Fachmann Betreuung erfolgreich ab. Das Interesse der Jugendlichen in Bezug auf das Arbeitsfeld Kinderbetreuung ist grösser als die Verfügbarkeit der Lehrstellen. Geringer ist das Interesse für das Arbeitsfeld Betagtenbetreuung. Abbildung 2 - Abschlüsse Fachfrau/Fachmann Gesundheit, 2004-2008 Quelle: Bundesamt für Statistik, 2009 Am 1. Januar 2008 ist ein nationaler Rahmenlehrplan für die höheren Fachschulen Pflege und Gesundheit in Kraft getreten, der bisherige Pflegeausbildungen des Schweizerischen Roten Kreuzes ablöst. Auf der Basis des Rahmenlehrplans entwickeln die Anbieter Bildungsgänge und können sie eidgenössisch anerkennen lassen (2006: 2 300 Abschlüsse; 2007: 2 500 Abschlüsse). In Ergänzung zu den Angeboten der Berufsbildung im Pflegebereich stehen Studiengänge an Fachhochschulen sowie der Studiengang Pflegewissenschaften an der Universität Basel zur Wahl. Für die Fachhochschulausbildungen im Gesundheitsbereich fehlen gesamtschweizerisch einheitliche Abschlusskompetenzen. Deshalb bestehen zwischen der Deutschschweiz und der Westschweiz Unterschiede hinsichtlich des Anspruchsniveaus und der Curricula der Ausbildungen. Ziel ist es, die Abschlusskompetenzen gesamtschweizerisch zu vereinheitlichen und auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes abzustimmen. Die Fachmittelschulen Gesundheit und Soziale Arbeit bieten in einigen Kantonen eine Vertiefung der Allgemeinbildung, als mögliche Vorbildung für Ausbildungen an höheren Fachschulen und Fachhochschulen. Im Bereich der Validierung von Bildungsleistungen sind für Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger im Gesundheitswesen die Grundlagen für eine Verkürzung der beruflichen Grundbildung vorhanden und werden nun in den Kantonen umgesetzt. Eine zweijährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest soll ab dem Jahr 2012 angeboten werden. Dadurch können zum einen zusätzliche Berufsleute für den Gesundheits- und Sozialbereich gewonnen werden. Zum andern erhalten praxisorientierte Jugendliche einen eidgenössisch anerkannten Abschluss. Die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) und die Dachorganisation OdASanté erarbeiten zur Zeit einen nationalen Versorgungsbericht für die Gesundheitsberufe. In Ergänzung dazu ist das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) daran, zusammen mit den zuständigen Stellen einen Bericht über den politischen Steuerungs- und Koordinationsbedarf zur Umsetzung der Bildungssystematik und zur Sicherstellung eines bedarfsorientierten Bildungsangebotes namentlich bei den Pflegeberufen zu erstellen. 2 Lehrstellenbarometer April 2009 Kurzbericht, LINK Institut im Auftrag vom BBT, Luzern, Juni 2009 4
C.2. Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt Gesundheit und Soziales Im Bereich Gesundheit und Soziales spielt der Wirtschaftsabschwung eher eine kleine Rolle. Die Nachfrage nach Personal wird in diesem Bereich in den nächsten Jahren zunehmen. Die Obsan- Studie 3 macht eine Einschätzung der Entwicklung des Bedarfs nach Mitarbeitenden in den Betrieben des Gesundheitswesens bis zum Jahr 2020. Im Jahr 2006 waren in der Pflege und Betreuung rund 155 000 Mitarbeitende tätig und fast 15 000 arbeiteten im medizinisch-technischen und therapeutischen Berufen. In den Jahren 2002-2006 hat der Personalbestand in Gesundheitsberufen in Spitälern um 10% zugenommen. Insgesamt ist rund ein Drittel der Mitarbeitenden in den Spitälern ausländischer Nationalität. Bis zum Jahr 2020 prognostiziert die Obsan-Studie einen zusätzlichen Personalbedarf in den Gesundheitsberufen von zwischen 25 000 bis 48 000 4. 80 bis 90% davon betreffen Mitarbeitende im Bereich Pflege und Betreuung. Um diesen zusätzlichen Personalbedarf decken zu können, muss die Ausbildungskapazität im Pflegebereich gemäss Berechnungen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren und OdA Santé 5 verdoppelt bis verdreifacht werden. 3 Personnel de santé en Suisse Etat des lieux et perspectives jusqu en 2020, Observatoire suisse de la santé, 2009 4 Allfällige künftige Entwicklungen des Beschäftigungsgrads, der Berufsverweildauer, der Produktivität, der Arbeitsorganisation und der Soziodemografie wurden in der Obsan-Studie nicht berücksichtigt und können die Zahlen beeinflussen. 5 Entwurf Nationaler Versorgungsbericht für die Gesundheitsberufe, Juni 2009 5