7.9 Beschreibung der Sanierung einer Schule in Berlin- Steglitz

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Auszug aus PCB-Belastung in Gebäuden,.Erkennen Bewerten Sanieren Hrsg.: Katalyse e.v. Institut für angewandte Umweltforschung Wiesbaden; Berlin: Bauverlag 1995 7.9 Beschreibung der Sanierung einer Schule in Berlin- Steglitz Der PCB-belastete Gebäudeteil einer Grundschule in Berlin-Steglitz, von dem im folgenden beispielhaft für die PCB-Sanierungen berichtet wird, wurde 1972/73 an ein bestehendes Schulgebäude angebaut. Die Erstellung erfolgte in Betonskelettbauweise mit Fertigbetonplatten. Die Verbindungen zwischen dem Bauskelett und den Betonplatten sowie den Betonplatten untereinander wurden mit PCB-haltiger Fugenmasse (Thiokol ) abgedichtet. Der Anbau ist zweistöckig, es gibt acht Klassen- und vier Gruppenräume, insgesamt umfasst der Anbau rund 3 000 Kubikmeter umbauten Raum. Die quantitativen Bestimmungen der PCB-Konzentrationen in den Abdichtungsmassen ergeben sehr stark differierende Ergebnisse (s. Tab. 13). Dies erklärt sich dadurch, dass auf der Baustelle noch PCB unter die Dichtungsfugenmasse gemischt wurden. Es ist bekannt, dass auch völlig willkürlich PCB-haltige Fugendichtungsmassen z. B. für die Einfassung von Fensterrahmen, Türrahmen etc. verwendet wurden. Von daher liefern die Materialergebnisse immer nur einen punktuellen Überblick über die Primärquellen. Ausgehend von den eigenen Erfahrungen über»vergessene PCB-haltige Fugendichtungsmassen«ist es erforderlich, sich im Rahmen der Sanierungsvorbereitung einen umfassenden Überblick über vorhandene Primärquellen in den Gebäuden zu verschaffen, damit eine vollständige Entfernung sichergestellt werden kann. Raum Datum Gehalt (ng/m³, n. BGA) D2 D3 D9 D9 24.01.91 30.04.91 02.05.91 12.07.91 1.590 1.210 1.020 2.570 Tab. 14: Orientierende Innenraumluftmessungen Die Belastungen der sekundär kontaminierten Materialien liegen im gleichen Bereich, wie sie auch in dem ersten schon 1990 durchgeführten PCB-Pilotsanierungsprojekt in Köln- Rodenkirchen gefunden wurden 1. Die orientierenden Luftmessungen (vgl. Tab. 14) zur Erfassung der durchschnittlichen Raumluftbelastung von PCB in der Schule erfolgten von Januar bis Juli 1991. In dieser Zeit wurde die Schule weiterhin wie üblich genutzt, jedoch wurde zur Reduzierung der Innenraumluftbelastung die Auflage erteilt, besondere Lüftungsmaßnahmen (Querlüftung) sowohl vor Schulbeginn als auch in den Pausen durchzuführen. Weiterhin wurde ein spezielles Reinigungsprogramm der Räume durchgeführt (tägliches Nasswischen). Die dann bis zum Juli 1991 durchgeführten Kontrollmessungen zeigten keinen erkennbaren Erfolg. Mit ansteigenden 1 Burkhard et al. 1992. Seite 1

Temperaturen im Sommer waren dann trotz der Lüftungs- und Reinigungsmaßnahmen wesentlich höhere Werte - zum Teil deutlich über 3 000 ng/m³ - zu verzeichnen. 7.9.1 Primärquellensanierung des gesamten Gebäudetraktes Die Primärsanierung wurde von Juli 1991 bis Januar 1992 durchgeführt. Zuerst erfolgte eine Pilotsanierung in den Räumen D7 und D9, um ausreichend Erfahrung mit den Sanierungsmethoden zu gewinnen. Die vorhandenen PCB-haltigen Akustikdecken einschließlich des Dämmmaterials wurden entfernt. Die PCB-haltigen Fugendichtungsmassen wurden im vorgefundenen Zustand herausgeschnitten bzw. herausgekratzt. Nach mechanischer Säuberung wurden die inneren Fugenflanken mit Epoxidharz überstrichen und mit einer Fugendichtungsmasse neu verfüllt. Die Räume wurden danach mit einer Latexfarbe gestrichen. Nach Montierung der neuen Deckenplatten sowie gründlicher Reinigung der Räume wurden Kontrollmessungen durchgeführt. Die Ergebnisse im Raum D7 und D9 waren sehr gut. Bis zum Januar 1992 wurden alle übrigen Räume nach der gleichen Methode behandelt. Aufgrund der geringen Sekundärbelastung der Decken sowie des Dämmmaterials (Materialproben unterhalb 1 mg/kg, vgl. Tab. 13) wurden die Akustikdecken belassen und nur neu überstrichen. Tab. 15: Kontrollmessungen nach Entfernung der Primärquelle und Anbringung eines Latexanstrichs Datum Gehalte (ng/m³) Raum D2 Raum D3 Raum D9 14./16. 02. 92 112 226 344 24. 03. 92 166 297 3. 06. 93 692 429 Aufgrund des Sanierungsergebnisses (s. Tab. 15; Werte bis 24. 3. 92) wurde die Schule wieder geöffnet. In Briefen an die Eltern und Lehrer kündigte das Umweltamt weitere Überprüfungsmaßnahmen an. Mit ansteigenden Temperaturen im Juni und Juli erfolgte nahezu eine Verdoppelung der PCB-Innenraumluftwerte. Da mit der bisher durchgeführten Sanierung somit das selbstgesetzte Sanierungsziel, nämlich Einhaltung des Vorsorgewertes von 300 ng/m³, nicht erreicht war, wurde die Schule wieder geschlossen, und in drei»pilot-räumen«wurden zusätzliche Absperrmaßnahmen erprobt. Die kurzfristige Öffnung und erneute Schließung der Schule führten zu einer enormen Verunsicherung der Betroffenen und belastete die weitere Zusammenarbeit. 7.9.2 Abdichtungsschritte zur Behandlung von Sekundärquellen Angesichts der Kosten und des zusätzlichen Entsorgungsproblems wurden die PVC- Fußböden nicht entfernt. Aus diesem Grunde muss ein Teil der verbliebenen Raumluftbelastung auf die sekundär kontaminierten PVC-Böden zurückgeführt werden. Eine brauchbare Abdichtung der Sekundärquelle»PVC-Boden«ist bisher noch nicht praktisch erprobt worden. Aufgrund positiver Erfahrungen in Köln-Rodenkirchen wurde der Raum D9 mit einer Glasfasertapete beklebt und mit einem Latexfarbanstrich überstrichen. Parallel dazu wurde aus Kosten-/Wirksamkeitsvergleichsgründen der Latexfarbanstrich im Raum D7 wiederholt. Im Raum D3 wurde ebenfalls eine Glasfasertapete aufgebracht und mit einer wasserlöslichen Acrylfarbe überstrichen. Seite 2

Tab. 16: Kontrollmessungen nach zusätzlichen Absperrmaßnahmen in den Piloträumen Datum Gehalte (ng/m³) Raum D3 Raum D7 Raum D9 Tapete und Acryl nur Latex Tapete und Latex 01. 09. 92 169 230 193 07. 10. 92 196 254 207 06. 11. 92 118 208 156 02. 12. 92 148 269 211 Insbesondere die Ergebnisse aus den Räumen mit einer Tapete plus einem Absperranstrich ergaben eine Absenkung der Innenraumluftwerte auf eine Belastung unterhalb des Vorsorgewertes von 300 ng/m³ (s. Tab. 16). Das gewählte Verfahren wurde nun auf die gesamte Schule ausgedehnt. Nach Auswertung von Dichtigkeitsprüfungen unterschiedlicher Farbanstriche gegenüber PCB, die im Auftrag der Telekom durchgeführt wurden 2, wurde eine hochwertige copolymere Acrylfassadenfarbe (Funkosil) eingesetzt. Dieser Farbanstrich hat unter Laborbedingungen eine bessere Absperrwirkung gegenüber PCB als handelsübliche Latex- oder Acrylfarben, ist aber noch ausreichend wasserdampfdurchlässig, was eine geringere Beeinflussung des Raumklimas erwarten lässt. Zur Kontrolle dieses Sanierungsschrittes wurde der Raum D12 nicht weiter mit Tapete plus Farbanstrich behandelt, um jeweils im Vergleich zu diesem»referenzraum«die langfristige Wirkung der zusätzlichen Abdichtungsmaßnahmen beurteilen zu können. Im Raum D12 waren bislang eine Primärsanierung und ein einfacher Latexanstrich auf dem Beton erfolgt. Tab. 17: Kontrollmessungen nach Abschluss aller Sanierungsarbeiten Datum Gehalte (ng/m³) in Raum Nr. 1993 D3 D7 D9 D10 D11 D12 Tapete und Tapete und Tapete und Tapete und Tapete und nur Latex Acryl Funcosil Latex Funkosil Funkosil 01.04. - 115 128 110 148 235 21.04. 131 212 252 211 304 496 Die Schule wurde am 01.05.1993 wieder geöffnet. Aus dem Messverlauf aller bisherigen Untersuchungen ist erkennbar, dass mit der gewählten Sanierungsmethode im Jahresdurchschnitt der Vorsorgewert von 300 ng/m³ unterschritten wird. Um den Langzeiteffekt beurteilen zu können, wird die Schule noch ein weiteres Jahr in 2 bis 3 Monatsabständen beprobt. Der gesamte Verlauf der Innenraumluftwerte während der Sanierungsphase kann anhand der Abb. 27 und 28 zu den Räumen D9 und D3 nachvollzogen werden. 2 C.A.U. 1993. Seite 3

Abb. 27: PCB-Innenraumluftmeßwerte (vom 24.01.91-18.08.94), Berlin Steglitz, Raum D3 Abb. 28: PCB-Innenraumluftmeßwerte (vom 02.05.91-12.08.94), Berlin Steglitz, Raum D9 Seite 4

7.9.3 Auswirkungen der durchgeführten Sanierungsmaßnahmen auf die PCB-Belastung der Raumluft Die im folgenden referierten Ergebnisse beziehen sich nicht auf Laborversuche, sondern sind Auswertungen des umfangreichen Messprogramms innerhalb eines Zeitraumes von zweieinhalb Jahren. Auf die Innenraumluftmesswerte wirken eine Reihe unterschiedlicher Faktoren ein (s. Kap. 6.2 und 5.1.1), die nur im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit im Laborversuch genau abgegrenzt werden können. Solche Möglichkeiten standen bei der Durchführung der Sanierung an der Grundschule nicht zur Verfügung. Trotzdem ist es möglich, einige Fragen zu beantworten, die bisher bei den laufenden PCB- Sanierungsmaßnahmen noch offen geblieben sind. 7.9.4 Verringerung der Innenraumluftbelastung durch die Entfernung der Primärquellen und Anbringung eines Deckanstrichs mit handelsüblicher Latexfarbe Um diese Frage beantworten zu können, wurde der Durchschnitt aller Innenraumluftmessungen vor Sanierungsbeginn im Zeitraum Januar bis Juli 1991 ermittelt. Dieser Wert konnte dem durchschnittlichen Wert aller Messungen nach Abschluss der Entfernung der Primärquellen im Zeitraum Februar bis Juli 1992 gegenübergestellt werden. Da im Jahresgang dabei die gleichen Zeiträume abgegriffen werden, ist der Witterungseinfluss in beiden Zeiträumen vergleichbar. Der durchschnittliche Wert aller Messungen vor Sanierungsbeginn (24.01.1991 bis 12.07.1991) betrug 1468 ng/m³. Der durchschnittliche Wert aller Messungen nach Entfernung der Primärquellen incl. eines Latexfarbanstriches (16.02.1992 bis 23.07.1992) betrug 340 ng/m³. Somit ergaben die Entfernung der Primärquellen und die Anbringung eines Sperranstriches eine Absenkung um 75 %. 7.9.5 Maßnahmen gegen die nach Entfernung der Primärquellen noch vorhandenen Sekundärquellen von PCB 7.9.5.1 Effekt von Absperrmaßnahmen mit Tapete plus Farbanstrich auf die Innenraumluft Aufgrund der Temperaturunterschiede während der verschiedenen Messungen kann die Absperrwirkung der zusätzlichen Sanierungsmaßnahmen nicht mit den vorherigen Messwerten aus den gleichen Räumen verglichen werden. Als Vergleich wird daher der nicht weiter sanierte Raum D12 genommen. Seite 5

Abb.29: Vergleich der Messwerte von PCB nach Entfernung der Primärquellen in zwei Räumen mit zusätzlichen Absperrmaßnahmen und in einem Raum ohne weitere Maßnahmen 1992-1994 Aus dem Verlauf der Messwerte (s. Abb. 29) kann man erkennen, dass in den Räumen D9 und D3 eine Verringerung der Innenraumluftbelastung beobachtbar ist, die sich deutlich vom Verlauf der Innenraumluftwerte von D 12 abhebt. Beurteilt man den Effekt der zusätzlich durchgeführten Maßnahmen, so ergibt sich folgendes Ergebnis: Die Innenraumluftwerte in den Räumen D9 und D3 sinken gegenüber dem nicht weiter sanierten Raum D12 um mehr als 40 %. Über den Beobachtungszeitraum von 12 Monaten ist der Absperreffekt stabil. Die Absperrwirkung von Acrylfarbe gegenüber Latexfarbe kann als günstiger eingeschätzt werden. Die Absperrwirkung der Kombination einer Glasfasertapete mit einem Farbabstrich ist auf Dauer günstiger als ein alleiniger Farbanstrich. Dieses etwas überraschende Ergebnis wird auch durch verschiedene Dichtigkeitsprüfungen unter Laborbedingungen bestätigt, die im Auftrag des Bezirksamtes Steglitz von der Bundesanstalt für Materialprüfung durchgeführt wurden. 3 Bei PCB-Sanierungsmaßnahmen kann auf eine zusätzliche Abdichtung gegenüber sekundär belasteten Oberflächen nicht verzichtet werden. Das Beispiel des Raumes D12 zeigt dies deutlich. Mit der folgenden einfachen Modellrechnung soll ergänzend aufgezeigt werden, in welcher Dimension sich das Potential (mengenmäßig, zeitmäßig) der sekundärbelasteten Wandmaterialien bewegt. Eine Auslüftung unter guten Lüftungsbedingungen würde unter der vereinfachten Annahme einer gleichbleibenden Abnahme etwa 30 Jahre dauern, wenn alle Oberflächen mit 50 mg/kg PCB belastet wären. Modellrechnung der PCB-Sekundäremission eines Raumes: Raumgröße: 250 bis 300 m³ Kontamination: 50 mg/kg, Tiefe: 3 mm Luftwechsel: 1/h Luftbelastung: 1.000 ng/m³ Dichte des kontaminierten Materials: 1,5 g/cm Gesamte PCB-Menge: ca. 70 g Dauer der Auslüftung: ca. 30 Jahre 3 BAM 1993 Seite 6

7.9.5.2 Einfluss von Lüftungsmaßnahmen auf die Innenraumluftbelastung Die Empfehlungen von Lüftungsmaßnahmen bei PCB-Innenraumluftbelastungen gehen von der zunächst einleuchtenden Vorstellung aus, dass die vorhandene Konzentration von PCB in der Innenraumluft durch forcierte Lüftungsmaßnahmen stark verringert oder bis auf Aussenluftwerte reduziert werden kann. Zur Abschätzung der tatsächlichen Auswirkung solcher Lüftungsmaßnahmen wurden an fünf Tagen nacheinander zwei unterschiedliche Probenahmebedingungen gewählt (Ergebnisse in Tab. 18): 1. simulierte Nutzungsbedingungen, Lüftung im Pausenrhythmus, 2. Worst-case-Bedingungen, ohne Lüftung. Tab. 18: Prozentuale Absenkung der PCB-Innenraumluftwerte durch Lüftungsmaßnahmen (Bauzustand nach Entfernung der Primärquellen) Messzeitpunkte 24.03. 03.06. 21.07. 01.09. 07.10. Raum D1 87 92 Absenkung auf Prozentanteile Raum D3 91 55 89. 83 67 Raum D7 87 87 63 97 72 Raum D9 81 85 66 96 77 Raum D12 96 68 Durchschnitt 79 86 72 93 71 Die maximale Wirkung der Lüftungsmaßnahmen liegt bei etwa 30 % Absenkung gegenüber den nicht gelüfteten Räumen. Die Streuung der Werte zwischen 93 und 71 % vermittelt einen Eindruck davon, wie unterschiedlich Lüftungsmaßnahmen wirken können. Wir gehen aufgrund von weiteren Erfahrungen davon aus, dass unter normalen Nutzungsbedingungen, d. h. bei realistischem und auf Dauer erreichbarem Lüftungsverhalten, der Auslüftungseffekt etwa zwischen 10 und 20 % anzusetzen ist. 7.9.5.3 Anstiegsgeschwindigkeit der PCB-Konzentration in der Raumluft In zwei weiteren Testserien (in einem anderen Gebäude) wurde untersucht, in welchem Zeitraum die PCB-Innenraumluftbelastung ihr Maximum erreicht. Die Messanordnung sah folgendes vor: - gründliche Querlüftung vor Messbeginn über mindestens eine Stunde, - Messungen innerhalb der ersten zwei bzw. drei Stunden bei weiterhin folgender Querlüftung, um den Ausgangspunkt der Messung ermitteln zu können, - Schließen der Fenster und Messungen im Zwei- oder Dreistundenrhythmus bis zum Gleichgewichtszustand. Die Abb. 30 zeigt den schnellen Anstieg von PCB in der Innenraumluft. Seite 7

Abb.30: Anstiegsgeschwindigkeit von PCB in der Raumluft nach Entfernung der Primärquellen Abb.3l: PCB-Kongenermuster in den Materialien (primär: Fugendichtung / sekundär: PVC-Fußboden, Wandfarbe) Schon drei bis vier Stunden nach Schließung der Fenster erreichten die Messwerte nahezu ihr höchstes Niveau. Die unterschiedliche Höhe der Kurven zeigt eindrucksvoll die Temperaturabhängigkeit. Von 18 C bis 25 C erfolgt fast eine Verdoppelung der Innenraumluftwerte. Der schnelle Anstieg hängt insbesondere mit der großen Oberfläche der sekundärkontaminierten Materialien gegenüber dem Innenraumluftvolumen zusammen. Die Ergebnisse zeigen somit, dass Lüftungsmaßnahmen nur einen sehr begrenzten Effekt haben können. Seite 8

7.9.5.4 Kongenermusterverschiebung von der Primär- zur Sekundärquelle und zur Innenraumluft Die in Abbildungen 31 und 32 veranschaulichte Kongenerverteilung der Primär- und Sekundärquellen (Dichtungsmassen, Wandfarbe, PVC-Fußboden) sowie der Innenraumluft (vor und nach Sanierung) verdeutlicht die Verschiebung der höher- zu den niederchlorierten Anteilen von PCB und damit die Verschiebung von den schwerer- zu den leichtflüchtigen Kongeneren bei der Emission. Dabei gleichen sich die Raumluft und die sekundär belasteten Materialien in den prozentualen Anteilen der jeweiligen Kongenere am Gesamtgehalt. Findet sich in den oberflächlichen Materialien wie Wandfarben, Tapeten und Fußbodenbelägen eine Kongenerverteilung mit einem hohen Prozentsatz an höherchlorierten Kongeneren, dann liegt in der Regel eine Primärquelle (Brandschutzfarbe etc.) vor. Abb. 32: PCB-Kongenermuster in der Innenraumluft Gehalt der Kongenere - vor und nach der Sanierung 7.9.5.5 Luftbelastung durch das Schulmobiliar Wie alle anderen Oberflächen in PCB-belasteten Gebäuden sind auch die Oberflächen von Schulmöbeln sekundär kontaminiert. Erfahrungen in Hessen haben gezeigt, dass die Weiterverwendung von belasteten Schulmöbeln auf Akzeptanzprobleme stößt, vor allen Dingen dann, wenn keine Aufklärung erfolgte und die Möbel als»unbelastet«deklariert wurden. Nach diesem Pressebericht sollen in der betroffenen Schule allein durch die Verwendung von PCB-belasteten Schulmöbeln ein Anstieg der Innenraumluftbelastung bis zu 450 ng/m³ in vorher PCB-freien Räumen aufgetreten sein" 4. Nach unseren Überprüfungen kann ein solcher PCB-Eintrag allein über die Möbel der Schule nicht bestätigt werden. Zur Abklärung dieser Frage wurde ein kompletter Satz von Schulmöbeln (11 Holztische mit Farbanstrich und 22 Holzstühle mit Klarlackanstrich) nach gründlicher Reinigung in einen PCB-freien Raum gebracht, der etwa die halbe Schulraumgröße besitzt. Nach vier Wochen ohne Lüf- 4 Frankfurter Rundschau 11. 12. 92. Seite 9

tung betrug die Belastung 48 ng/m³, so dass die Schulmöbel zur weiteren Nutzung freigegeben wurden. 7.9.5.6 Bauschutt aus PCB-belasteten Gebäuden Ein großes Problem der PCB-Sanierung ist der Anfall von Sondermüll. Nach den Berliner Richtlinien muss PCB-haltiger Bauschutt ab einer Belastung von 1 mg/kg PCB (Berechnung als Summe der sechs Einzelisomere) als Sondermüll entsorgt werden. Dieser»Grenzwert«wird in der Regel bei einem hohen Anteil des Bauschutts aus PCB-Gebäuden, insbesondere wenn Bauteile mit Farbanstrichen oder PVC-Fußbodenbelägen ausgebaut werden, überschritten. Wird eine Sanierungsstrategie des Rückbaus bis zum Rohbauzustand eingeschlagen, so können erhebliche Mengen an kontaminiertem Bauschutt anfallen, die ein großes Entsorgungsproblem darstellen. Auch im Rohbauzustand sind solche Gebäude aber nicht PCB-frei. Aus diesem Grunde ist es überlegenswert, eine Sanierungsstrategie einzuschlagen, die zur Unterschreitung des Sanierungszieles von 300 ng/m³ die Sekundärquellen gegenüber der Innenraumluft abdichtet. 7.9.6 Kostenkalkulation einer PCB-Sanierung Über Kosten von PCB-Sanierungsverfahren gibt es wenig Informationen. Die Unsicherheit der Behörden über erfolgversprechende Sanierungsmethoden oder über den erforderlichen Standard des Arbeitsschutzes, etwa vergleichbar den Asbestsanierungserfordernissen, führen zu den unterschiedlichsten PCB-Sanierungsverfahren. Dementsprechend liegen auch die Kosten extrem weit auseinander. Aufgrund dieser Unsicherheit wird dann unter dem Druck der Betroffenen, dass endlich was geschehen muss, oftmals nach der Devise,»was teuer angeboten wird, muss auch gut sein«, entschieden. Die Ergebnisse der Sanierungserfahrungen aus Steglitz zeigen, dass bei PCB-Sanierungen keine besondere Schleusentechnik, kein Unterdruck und keine über das normale Maß hinausgehenden Arbeitsschutzmaßnahmen notwendig sind. Die Primärquellen können mit einfachen handwerklichen Verfahren aus den Gebäuden entfernt werden. Spezielle Vereisungstechniken der Fugen halten wir für überflüssig und ohne erkennbaren positiven Effekt auf das Endergebnis der Sanierung. Die Gesamtkosten der Schulsanierung in Berlin-Steglitz liegen bei rund 300.000 DM. Dies ergibt bei einer Schulgröße von 3.000 m³ Sanierungskosten von 100 DM pro m³ umbauten Raum. Seite 10

Literaturverzeichnis: BAM 1993 Bundesanstalt für Materialforschung und Prüfung: unveröffentlichter Zwischenbericht eines Gutachtens im Auftrag des Umweltamtes Steglitz über Permeabilität unterschiedlicher Materialien gegenüber PCB C.A.U. 1993 Gesellschaft für Consulting und Analytik im Umweltbereich: unveröffentlichte Berichte für das Bundesamt für Post und Telekommunikation (BAPT) über Untersuchung von verschiedenen Materialien zur Eignung als PCB-Sperrschicht bzw. als PCB- Diffusionsbremse (12/1992 sowie 3/1993) Burkhard et al. 1992 Burkhart, U., M. Bork, E. Balfanz, J. Leidel 1992: Innenraumbelastung durch Polychlorierte Biphenyle (PCB) in Dauerelastischen Dichtungsmassen; Öff. Gesundheitswesen 52, 567-574 Seite 11