Oster-Seminar-Kongress 2010 Entwicklung sozialer Kognition in der frühen Kindheit LMU München # 1
Intuitiv psychologisches Verständnis - Theory of Mind Die grundlegende Fähigkeit des Menschen, sich selbst und anderen mentale Zustände zuzuschreiben, und diese Attributionen zur Verhaltenserklärung und vorhersage zu nutzen. Zuschreibung von Wünschen und Überzeugungen. Unterscheidung von Überzeugung und Realität. # 2
Verständnis falscher Überzeugung Die Schokoladengeschichte Nach Wimmer & Perner, Cognition,1983 Maxi legt die Schokolade in den grünen Schrank Maxi geht zum Spielplatz Die Mutter legt die Schokolade vom grünen in den blauen Schrank Die Mutter verlässt den Raum Maxi kommt vom Spielplatz und sucht die Schokolade Testfrage: Wo wird Maxi die Schokolade suchen? # 3
A False-Belief Problem: The Smarties Task # 4
Beispielaufgabe ToM-Skala: # 5
Theory of Mind Entwicklung 2-stufige Entwicklungssequenz Verständnis von Wünschen mit 2-3Jahren. Verständnis falscher Überzeugung mit etwa 4-5Jahren. Robustes Entwicklungsphänomen. Erwerb eines Netzes von miteinander verwandten Begriffen (z.b. Sehen-Wissen, Schein-Sein, Level 2-Perspektivenübernahme, epistemische Emotionsbegriffe). Enger Zusammenhang mit exekutiven Funktionen (Inhibition, Selbstkontrolle). Spezifische kognitive Domäne. # 6
MFC and Belief Attribution Overview Neuroimaging Fletcher et al. (1995): ToM stories vs. physical stories Gallagher et al. (2000): ToM cartoons vs. non-tom cartoons ToM vs. non-tom stories Vogeley et al. (2001): ToM relative to Self Saxe & Kanwisher (Exp.2, 2003): False belief stories vs. false photograph Grèzes et al. (2004): Inferring false belief vs. true belief Perner et al. (2006): False belief vs. false photo # 7
TPJ / STS and Belief Attribution Overview Neuroimaging Fletcher et al. (1995): ToM stories vs. physical stories Gallagher et al. (2000): ToM cartoons vs. non-tom cartoons ToM vs. non-tom stories Saxe & Kanwisher (Exp.2, 2003): False belief stories vs. false photograph Grèzes et al. (2004): Inferring false belief vs. true belief Perner et al. (2006): False belief vs. false photo # 8
Wie kommt das Kind zur Theory of Mind? # 9
# 10
Babys (ab 5 Monaten) verstehen menschliches Handeln als zielgerichtet (Woodward, 1998) # 11
Erwartungen über die Rationalität der Zielerreichung (Gergely et al., 1995) # 12
Gergely et al., 1995 # 13
# 14
Level-One Perspective Study (Sodian, Thoermer, & Metz, 2007, Developmental Science) Level-1-Perspective-Study: Opaque screen Hi! Where is my toy? Here! Familiarization: Goal-object A (duck) Test: rational (only fish visible) Test: irrational (both toys visible) # 15
Handlungserwartung aufgrund der Perspektive Mean looking times of 12- and 14-month-olds by screen condition 18 16 rational irrational 14 12 10 sec 8 6 4 2 0 12mts opaque 12mts transparent 14mts opaque 14mts transparent group # 16
Verständnis sozialer Interaktion im ersten Lebensjahr Habituation Reversal of direction Role reversal # 17
ACTION-ROLE ENCODING IN THE FIRST YEAR OF LIFE (Schöppner, Sodian, & Pauen, 2006, Infancy) Mean looking times at habituation, role reversal and reversal of direction 12 months, N=24 25 Mean looking time (sec) 20 15 10 5 0 Habituation role reversal reversal of direction -> sign. dishabituation to role-reversals and sign. differentiation between role-reversal and reversal of direction with 12 and 10-11, but not 9 months # 18
Erste Längsschnittstudien Soziale Informationsverarbeitung in früher Kindheit sagt Theory of Mind-Kompetenz mit vier Jahren vorher. # 19
ToM5 4,00 3,00 2,00 1,00 Mit 14 Monaten bei 12 von 30 Kindern Blickzeitdifferenzierung N = 18 mit 4 Jahren ToM Test (hiervon 6 mit Blickzeitdifferenzierung) Signifikante Korrelation von Blickzeitdifferenz und 5-Item- ToM-Score (r (18) =.561, p =.015); unabhängig von Sprache 0,00 Thoermer, Sodian & Nickelt, submitted -4,00-2,00 0,00 2,00 Dif_Test # 20
Längsschnittstudie TOMII N=96 Kinder im Alter von 7,9,12,15,18,24,30,36 => Monaten Blickzeitaufgaben (Handlungsverstehen) Interaktionsaufgaben Verstehen intentionaler Zustände Theory of Mind # 21
Joint Attention Kommunikative Gesten 2 Arten von Zeigegesten ( z.b. Bates, 1976; Marcos, 1998) Proto-imperativ: Person zeigt auf attraktives Objekt, das sich außerhalb ihrer Reichweite befindet. Geste ist als Aufforderung zu verstehen. Menschenaffen verfügen über die imperative Zeigeste (vgl. Tomasello, 2008), widersprüchliche Befunde zu deklarativem Zeigen bei Menschenaffen (vgl. Leavens et al., 1996; Tomasello, 2008) Proto-deklarativ: Person zeigt auf ein interessantes Objekt oder Ereignis, um dieses mit einer anderen Person zu teilen. Geste ist als Teilen von Aufmerksamkeit zu verstehen. # 22
Zeigegesten Aufgaben Deklaratives Verstehen: VL deutet auf proximale und distale Stimuli (außer Sichtweite des Kindes) Deklarative Produktion: VL 2 bewegt Objekt hinter Rücken von VL 1 (in Sichtfeld des Kindes) # 23
Zeigegesten Aufgabe Imperatives Verstehen: VL deutet auf Spielzeug, mit dem das Kind gerade spielt Imperative Produktion: VL präsentiert Kind ein attraktives Spielzeug, das sich außerhalb seiner Reichweite befindet # 24
Design der Studie Alter in Monaten 7 9 12 15 18 Modalität Intention Verstehen Deklarativ + + + + Imperativ + + Produktion Deklarativ + + + Imperativ + Intentionsbasierte Imitation + + + # 25
Intentionsbasierte Imitation Meltzoff (1995): Intentionsbasierte Imitation Kindern werden fünf Objektpaare präsentiert, die aus mindestens zwei aufeinander bezogenen Teilen bestehen Versuchsleiter (VL) führt Kind mehrmals Handlungsversuch vor ( z.b. versucht Hantel auseinanderzuziehen, rutscht aber an einem Ende des Griffes ab ) Gibt Objekt an Kind weiter Führt Kind die Handlung zu Ende, kann man darauf schließen, dass es aus dem sichtbaren Verhalten des VL (erfolgloser Versuch) die zugrundeliegende Handlungsintention abgeleitet hat Hinweis auf Intentionsverstehen des Kindes # 26
Intentionsbasierte Imitation Objekte VL versucht vergeblich Hantel auseinanderzuziehen VL versucht Kette vergeblich in Becher zu legen VL versucht vergeblich Ring über Haken zu ziehen VL versucht vergeblich Summer mit Stab zu aktivieren VL versucht vergeblich Platte über Holzstift zu ziehen # 27
Zeigegesten und Intentionsverstehen Folgen der deklarativen Zeigegeste mit 9 Monaten ρ =.31 p =.022 N = 56 ß =.35 t = 2.09 p =.044 Intentionsbasierte Imitation mit 15 Monaten Produktion der deklarativen Zeigegeste mit 15 Monaten ß =.03 t =.203 p =.840 Regressionsanalyse: Folgen der deklarativen Zeigegeste erweist sich als wichtigste Vorläuferfertigkeit für Intentionsverstehen mit 15 Monaten Nicht smart is smart : Zusammenhang ist unabhängig von allgemeinen, kognitiven Kompetenzen (Arbeitsgedächtnisleistung) # 28
Zeigegesten und mentale Sprache (MSL) Unabhängig von den allgemeinen, sprachlichen Fertigkeiten der Kinder ergeben sich signifikante Zusammenhänge zwischen Blick- und Zeigefolgen mit 9 Monaten und mentaler Sprache (MSL) mit 24 Monaten Der Produktion der deklarativen Zeigegeste mit 12 und 15 Monaten und MSL mit 24 Monaten Der Produktion und dem Verstehen der imperativen Zeigegeste mit 12 Monaten und MSL mit 24 Monaten # 29
Längsschnittlicher Zusammenhang zwischen mütterlicher mindmindedness und Empathie des Kindes gegenüber der Mutter # 30
Was ist mütterliche Mind- Mindedness? Tendenz der Mutter, ihrem Baby (Tomii-Studie: 7 Monate) mentale Zustände (Wünsche, Absichten, Überzeugungen) zuzuschreiben Kodierschema: 10 minütige Spielinteraktion (Meins & Fernyhough, 2001): Mentale Begriffe (angemessen/unangemessen) Wünsche (Du willst das!) Kognitionen (Du denkst das ist eine Blume, oder?) Emotionen (Du bist ganz fröhlich!) Epistemische Zustände (Du beobachtest den Clown, oder?) In Rolle des Kindes sprechen (Ja, den will ich haben, liebe Mama, der ist toll!) Angemessen Unangemessen Mutter: Dir gefällt das! Kind spielt tatsächlich mit Spielzeug Mutter: Dir gefällt das! Kind ignoriert Spielzeug Begriffe, die als nicht mental eingestuft werden Gewichtet an Zahl der Wörter, die Mutter allgemein spricht Perzeptionen (Du siehst das!) Physiologische Zustände (Du hast Hunger!) Objective # 31
Zusammenhänge mit Empathie Mind-Mindedness hängt zusammen mit: Empathie des Kindes gegenüber der Mutter mit 24 Monaten Mutter gibt vor sich am Finger zu verletzen, kodiert wird Reaktion des Kindes (Hilfeverhalten, Gesichtsausdruck, Stressreaktionen (Weinen etc.)) Je weniger unangemessene Interpretationen die Mütter bezüglich der mentalen Zustände ihrer 7 Monate alten Kinder machen, desto mehr Besorgnis und prosoziales Verhalten zeigen die Kinder mit 2 Jahren, wenn sich die Mutter (scheinbar) verletzt. Dieser Zusammenhang besteht unabhängig von der Sprache und dem Temperament des Kindes Es zeigt sich außerdem, dass Mütter, die besser darin sind, Emotionen zu dekodieren (Reading the Mind in the Eyes- Test, Baron-Cohen et al., 2001), ihre Kinder weniger unangemessen interpretieren Objective # 32
Zusammenhänge zwischen der Verwendung mentaler Begriffe durch die Mutter in einer Bilderbuchsituation mit der kindlichen, mentalen Sprache (Alter der Kinder: 24 Monate) # 33
Ausblick Längsschnittliche Vorhersage von sozialen und kognitiven Kompetenzen aus Maßen der frühen Kindheit => Ansatzpunkte für frühe Diagnostik und Intervention. - Bei gravierenden Entwicklungsrückständen. - Kindbezogen. - Elternbezogen. # 34
Mitarbeiterinnen Dr. Claudia Thoermer Dr. Hannah Eisenbeis Dipl.-Psych. Susanne Kristen Dipl.-Psych. Maria Vuori Dipl.-Psych. Sabrina Krimmel # 35