Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet.

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Transkript:

Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet.

Von Gott zu den Menschen gesandt Theologisches zu Vision und Leitsätzen Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn wollen eine zukunftsfähige Kirche sein. Wie wird sie das? Nur wenn sie weiss, wer sie ist. Und das heisst: Wenn sie sich bewusst ist, woher sie kommt und wohin sie unterwegs ist. Anders gesagt, die Kirche ist nur zukunftsfähig, wenn sie eine Vision hat. Deshalb haben die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn vor vier Jahren beschlossen, nach einer solchen zu suchen. Die Vision einer christlichen Kirche ergibt sich aus ihrem Fundament: Gott, wie er sich in Jesus Christus gezeigt hat. Nach der Zukunft der Kirche zu fragen, heisst darum immer, nach dem Willen Jesu für die jetzige Zeit zu fragen. Nach dieser Grundlage haben die Menschen in unserer Kirche gemeinsam gesucht. Und so ihre Vision gefunden: Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet. Schnell hat sich gezeigt: Diese Vision hat eine grosse Kraft. Denn die Kirche entdeckt hier neu, dass sie die Kirche Gottes, die Kirche Jesu ist. Sie traut sich, zu ihrer Sache zu stehen. Sie dreht sich nicht verängstigt um sich selbst, sondern schaut zuversichtlich in die Zukunft. Denn diese Zukunft ist Gottes Zukunft. Eine Kirche, die nicht auf sich selbst schauen muss, ist eine Kirche mit Zukunft. Unsere Kirche hat gemeinsam eine Vision gefunden. Nun beginnt ihr Weg damit. Sie vertraut darauf, dass man gemeinsam erkennen wird, was es heisst, visionär Kirche Christi zu sein.

Vision: Von Gott bewegt. Den Menschen verpflichtet. Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie bei ihrer Sache ist: bei Gott, der die Welt erschaffen hat, der in ihr gegenwärtig ist und sie seinem Reich entgegenführt. Die Kirche hat nur einen Auftrag: von diesem Gott zu sprechen. Mit Wort und Tat seine Zeugin zu sein. Nur wo sie dies tut, ist sie Kirche. Wo sie etwas anderes macht, hört sie auf, Kirche zu sein, und wird überflüssig. Eine Kirche, die nicht vom biblischen Gott spricht, braucht es nicht. Die Kirche baut sich nicht selbst. Sie wird begründet, begleitet und erneuert vom dreieinigen Gott. Er ist es, der sie bewegt. Kirche gibt es, weil Gott Menschen dazu bewegt, mit seinem Versprechen und nach seinem Willen zu leben. Wenn Gott Menschen bewegt, befreit er sie. Er löst ihre Verstrickungen in Illusionen und Grenzen und eröffnet neue, reiche Möglichkeiten. Was Gott geschaffen hat, ist ihm nicht gleichgültig, das will er zum Leben und zur Freude führen. Menschen, die Gott bewegt, sind freie, fröhliche Menschen. Wer von Gott bewegt wird, wird offen für die Menschen. Eine von Gott bewegte Kirche kann nur eine «Kirche für die anderen» sein, wie Dietrich Bonhoeffer es ausdrückt. Sie ist den Menschen verpflichtet, weil Gott ein Gott aller Menschen ist. Gottesliebe und Menschenliebe kann man nicht trennen.

Leitsätze: Auf die Bibel hören nach den Menschen fragen. Massgebend für die Kirche ist, was Gott für sie und die Welt will. Die Bibel ist das Zeugnis von Gottes Weg mit der Schöpfung. In ihr zu lesen, wer Gott und wer wir Menschen sind. Will sich die Kirche an Gott orientieren, muss sie immer wieder zu den biblischen Texten zurück. Die Vision bedeutet: Bevor die Kirche redet und handelt, hört sie hin. Sie ist die Gemeinschaft, in der Menschen die Bibel lesen und daran ihr Leben auszurichten versuchen. Wir wollen in der Bibel erfahren, welches der Wille Gottes für die heutige Welt ist. Wir verstehen dies nur, wenn wir die Menschen und ihre Art zu leben kennen. Die Kirche erreicht viele heute nicht mehr. Sie kann Frauen, Männer, Jugendliche und Kinder aber nur ansprechen, wenn sie weiss, welches deren Anliegen, Sorgen, Hoffnungen sind. Die Vision bedeutet: Die Kirche will neu nach den Menschen fragen, ihnen begegnen und sie zu verstehen suchen. Erst dann findet sie eine zeit- und menschengemässe Sprache für das Evangelium. Und erst so kann die Frohe Botschaft ihre kritische und befreiende Kraft entfalten. Vielfältig glauben Profil zeigen. Unsere Kirche ist vielfältig. Unterschiedliche Menschen sind frei, auf ihre Weise den Glauben zu verstehen und zu leben. Denn Menschen sind verschieden, Leben verlaufen anders, wir lesen die Bibel und verstehen die Welt unterschiedlich. An der inneren Vielfalt der Kirche wird deutlich, dass Gott für jeden in seiner Besonderheit da ist. Die Vision bedeutet: Die Vielfalt des Glaubens ist ein Reichtum, dem wir Raum lassen. Und doch steht die Kirche nicht für alles, in ihr gilt nicht «anything goes». Ihre innere Vielfalt muss immer erkennbar sein als eine des christlichen Glaubens. Als die Vielfalt, wie Gott für das Wohl seiner Schöpfung eintritt. Die Vision bedeutet: Kirche muss in all ihrer Pluralität erkennbar werden als die Gemeinschaft derer, die für den Gott der Bibel einstehen.

Offen für alle solidarisch mit den Leidenden. Die innere Vielfalt der Kirche zeigt sich gegen aussen in ihrer Offenheit. Niemand soll ausgeschlossen werden, weil er oder sie zu wenig «religiös» ist oder die falschen kulturellen Vorlieben hat. Die Kirche soll erfahrbar machen, dass die Botschaft der Bibel eine Botschaft für alle ist. Faktisch finden heute viele keinen Zugang zur Kirche nicht, weil sie Religion und christlichen Glauben ablehnen, sondern weil sie durch deren Formen und Sprache nicht erreicht werden. Die Vision bedeutet: Offen zu sein für alle, ist für die Kirche eine grosse Aufgabe, die neu angegangen werden muss. Sprache und kulturelle Formen müssen immer wieder überprüft werden. Trotz ihrer Offenheit hat das Handeln der Kirche einen klaren Schwerpunkt. Gott ist in der Bibel ein Gott derjenigen, die sich selbst nicht zu helfen wissen. Wer sich zu diesem Gott bekennt, ist zuerst zu den Leidenden gerufen: den materiell und seelisch Leidenden, den Leidenden in der Nähe und der Ferne. Die Vision bedeutet: In erster Linie für die Bedürftigen hat sich die Kirche starkzumachen. Auch gegen herrschende Meinungen und Mehrheiten. Auch in finanziell schwierigeren Zeiten. Und selbst wenn sie damit aneckt. Die Einzelnen stärken Gemeinschaft suchen. Gott hat jeden Menschen mit seinen Besonderheiten geschaffen. Obwohl unsere Gesellschaft die Individualität grossschreibt, gibt es einen enormen Druck zur Anpassung und zu Konformität. Alle sollen Einzelne sein, aber alle die gleichen. Die Vision bedeutet: Die Kirche will ein Ort sein, an dem die Menschen wirklich als Individuen willkommen sind und unterstützt werden. Sie ist keine Normkirche für Normchristen und -christinnen. Gott hat die Menschen aber auch zur Gemeinschaft geschaffen. Einzelne können wir nur in einem Geflecht mit anderen Menschen sein. Die Kirche sieht deshalb den Menschen als ein Wesen, das immer auf andere angewiesen, aber auch für andere verantwortlich ist. Und sie will Orte schaffen, wo Gemeinschaft erfahrbar wird. Die Vision bedeutet: In einer Gesellschaft mit immer stärkerem Konkurrenzdruck behandelt die Kirche Menschen nicht nur als isolierte Leistungserbringer und Konsumentinnen.

Bewährtes pflegen Räume öffnen. Gott schafft und erhält die Kirche und belebt sie mit seinem Heiligen Geist. Die Kirche muss sich deshalb nicht neu erfinden. In ihr wird vieles getan, was sich bewährt hat und dies weiter tun wird. Bewährtes zu pflegen, hat aber nichts mit kritikloser Traditionspflege zu tun. Es ist Respekt vor denen, die vor uns gewirkt haben. «Prüft alles, das Beste behaltet» (1. Thessalonicher 5,21), dies muss auch den Umgang mit Bestehendem leiten. Die Vision bedeutet: Gottes Kirche zu sein, heisst, darauf zu vertrauen, dass in ihr viel Gutes getan wird. Dieses gilt es wahrzunehmen, es gilt, sich daran zu freuen und es weiterzuentwickeln. Wer das Gute pflegt, das der Kirche schon gegeben worden ist, ist auch offen für das Gute, das Gott der Kirche neu geben will. Neues gibt es nicht ohne Abschiede. Die Gesellschaft verändert sich stetig, und damit ändern auch die Bedingungen, unter denen die Kirche das Evangelium verkünden muss. Mitgliederzahlen und Finanzen gehen zurück. Hier muss die Kirche über bisher nicht bedachte Wege nachdenken, um die Menschen zu erreichen und finanzielle Ressourcen zu mobilisieren. Die Vision bedeutet: Die Kirche kommt nicht darum herum, Unbekanntes zu wagen. Im Vertrauen auf den Heiligen Geist kann sie solche Veränderungen mutig, aktiv und hoffnungsfroh angehen. «Vertraut den neuen Wegen», heisst es in einem oft gesungenen Kirchenlied (Evangelisch-reformiertes Gesangbuch 843). Vor Ort präsent die Welt im Blick. Unsere Kirche will nahe bei den Menschen sein. Dort, wo sie leben, wo sie arbeiten, wo sie ihre Interessen haben. Sie will mit den Lebensumständen heutiger Männer, Frauen und Kinder vertraut bleiben. Nur so kann sie die Botschaft vom nahen Gott lebensnah verkündigen, wird sie der Verschiedenheit der Menschen in Stadt und Land, in unterschiedlichen Altern und Berufen, in allen möglichen Lebensmilieus gerecht. Die Vision bedeutet: Den Menschen nahe zu sein, erfordert Aufmerksamkeit und räumliche Nähe. Die Kirche ist aber auch weltweite Kirche. Wer an seinem Wohnort zur Kirche gehört, wird mit den Christinnen und Christen auf allen Kontinenten verbunden. Die lokale Kirche ist Teil der globalen Ökumene. Wohlhabende Kirchen im Norden tragen Verantwortung für arme im Süden. Die Liebe zu den Nächsten kennt keine Grenzen. Die Vision bedeutet: Der Gott der Bibel ist ein Gott aller Menschen. Die Kirche hier lebt deshalb ökumenisch verbunden mit der weltweiten Kirche. Solidarisch mit allen, die ihrer Hilfe bedürfen. Und verantwortlich für die ganze Schöpfung.

Die Gegenwart gestalten auf Gottes Zukunft setzen. Wie die Kirche vor Ort präsent sein soll, so auch in ihrer Gegenwart. Sie vertritt nicht eine goldene Vergangenheit oder eine nostalgisch verbrämte Tradition, sondern den Willen Gottes für das Heute. Dieses soll sie aufmerksam wahrnehmen, den Menschen dieser Gegenwart ist sie verpflichtet. Das bedeutet, dass sie sich von der Gegenwart nicht bloss bestimmen lässt. Die Kirche will aktiver Teil dieser Gesellschaft sein, will sie prägen und gestalten. Die Vision bedeutet: Rückzug in eine religiöse Sonderwelt kommt für die Kirche nicht in Frage. Denn die Kirche setzt auf Gottes Zukunft. Sie betet: «Dein Reich komme» und vertraut darauf, dass Gott sein Reich verwirklichen wird. Dass es sich deshalb lohnt, sich schon jetzt für Gottes Gerechtigkeit und seinen Frieden einzusetzen. Resignation und Zynismus sind für die Kirche keine Option. Die Vision bedeutet: Dass die Kirche von Gott bewegt wird, zeigt sich vor allem daran, dass sie eine hoffnungsvolle Kirche ist. Die Gedankenstriche Raum zum Selberdenken Die Leitsätze bestehen jeweils aus zwei Teilen, die durch Gedankenstriche verbunden sind. Diese sind ein entscheidendes Element. Doch was wollen sie sagen? Meinen sie bloss ein Sowohl-als-auch? Wir machen also das eine, aber auch das andere? Kirche lebt immer in Spannungen: zwischen Vielfalt und Profil, Offenheit und Abgrenzung, Teil und Ganzem. Diese Spannungen müssen gelebt und gestaltet werden. Dafür stehen die Gedankenstriche. Die Spannungen, die unsere Kirche ausmachen, sind da und müssen ausgehalten werden. Wie viel Vielfalt ist möglich, wie viel Einheit nötig? Wie viel Individualität und wie viel Gemeinschaft? Was an Bewährtem behalten wir, welche alten Zöpfe müssen weg? Die Kirche muss dynamisch bleiben. Nur wenn sie Spannungen austrägt, bleibt sie lebendig. Die Gedankenstriche sind Raum zum Selberdenken, regen an, die Spannungen konkret zu gestalten.

Ein dreifaches Bekenntnis Mit ihrer Vision sagt unsere Kirche, wie sie sich als Kirche versteht. Und wie sie in Zukunft Kirche sein will. Sie tut dies in einem dreifachen Bekenntnis: Sie will Volkskirche, Kirche der Reformation und Kirche der Bibel sein. Als Volkskirche will sie allen Menschen die befreiende Botschaft der Bibel vermitteln. Dabei ist sie offen für verschiedene Glaubenshaltungen und lässt auch Raum für Zweifel und ungelöste Fragen. So will sie auch künftig Kirche sein. Als Kirche der Reformation vertraut sie darauf, dass Gott in Jesus sein wahres Gesicht gezeigt hat (solus Christus), und weiss, dass uns das Wesentliche im Leben geschenkt wird (sola gratia, sola fide). Sie vertraut darauf, dass sich das Fundament des Glaubens in der Bibel findet (sola scriptura), und traut jedem und jeder zu, in Glaubenssachen Verantwortung zu übernehmen (allgemeines Priestertum). So will sie auch künftig Kirche sein. Vision und Leitsätze sind gesättigt mit biblischen Bezügen. Damit zeigt die Kirche der Bibel, dass sie sich als Gemeinschaft versteht, die sich an den biblischen Versprechen und Geboten orientiert. So will sie auch künftig Kirche sein. Verbindlichkeit Unsere Kirche hat die Vision gemeinsam gefunden: In vielen Konferenzen und online wurden Fragen gesammelt, eine erweiterte Synode suchte nach Antworten, aus diesen entstand der vorliegende Text. Er ist ein Gemeinschaftswerk der ganzen Kirche. Die Reformierten haben kein Lehramt, zum Beispiel einen Papst. Sie entscheiden gemeinsam, was für ihren Glauben Geltung hat. Was aber so beschlossen worden ist, soll auch von allen gehört werden. Deshalb hat die Vision eine hohe Verbindlichkeit. Sie zeigt den einzelnen Mitgliedern, den Kirchgemeinden und den Mitarbeitenden, in welche Richtung der gemeinsame Weg in den kommenden Jahren gehen soll.

Wie kann die Vision im Leben der Kirche umgesetzt werden? Die Vision mit den Leitsätzen ist gefunden. Nun beginnt der Weg mit der Vision, das Leben mit ihr auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens. Was heissen Vision und Leitsätze konkret für die Gemeinden, für die Ämter, für die Synode und die Kirchenleitung? So wie die Vision gemeinsam im Gespräch gefunden wurde, so muss nun auch nach der konkreten Umsetzung gemeinsam gesucht werden. Das ist der reformierte Weg. Die Zukunft ist offen. Aber der Weg ist uns durch die Vision gewiesen: Wir sind von Gott bewegt, den Menschen verpflichtet. Die Vision ist jedoch nicht ein neues Aktionsprogramm. Es kann nicht darum gehen, einen Katalog von Massnahmen abzuarbeiten. So wäre die Kirche nicht visionär. Die Vision will der Kirche helfen, Kirche zu sein und ihren Auftrag neu zu entdecken. Was dies konkret für das kirchliche Leben bedeutet, werden wir herausfinden, wenn wir erfasst haben, was es heisst, Kirche Christi zu sein. Besinnung aufs Zentrum Erneuerung der Kirche beginnt immer mit der Besinnung auf die Mitte. Mit dem Bezug auf das Fundament, auf dem die Kirche steht: Jesus Christus. Man kann es auch so sagen: Erneuerung der Kirche beginnt mit geistlicher Konzentration. Vision und Leitsätze sind das Ergebnis einer starken solchen. Durch sie wird die Kirche an ihren Auftrag in dieser Zeit, in dieser Gesellschaft erinnert. Wo der Auftrag klar ist, kommt die Kirche auf den richtigen Weg. Der Anfang ist gemacht. Nun darf die Kirche zuversichtlich weitergehen.

Herausgeber: Reformierte Kirchen Bern-Jura-Solothurn Text: Matthias Zeindler Bern, September 2017

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