Vortrag von Ebba Schröder (ZBW - Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft) ASpB-Tagung 2013, 11.-13. September in Kiel Ebba Schröder..
EEXCESS ist ein von der EU-Kommission gefördertes, das die ZBW im Februar 2013 gemeinsam mit neun europäischen Partnern ins Leben gerufen hat.
Die ZBW forscht zu Science 2.0 Hintergrund: Als Mitglied der Leibnizgemeinschaft baut die ZBW seit einigen Jahren ihre Forschungsaktivitäten aus. Die stark anwendungsbezogene Forschung der ZBW ist darauf ausgerichtet, (hauseigene) Bibliotheksservices zu verbessern und bestmöglich an den Bedürfnissen der Kunden auszurichten. Ein Thema, dass sich durch alle Forschungsbereiche der ZBW zieht, ist das Phänomen Science 2.0, also die Fragestellung, wie sich die Arbeitsgewohnheiten von Forscherinnen und Forschern durch die Möglichkeiten des Web 2.0 verändern.
Science 2.0 Alle wissenschaftlichen Arbeitsprozesse (Recherche, Austausch, Publikation) finden zunehmend online statt. Forscherinnen und Forscher nutzen soziale Netzwerke wie Twitter, Facebook, Google+ oder auch Mendeley und Researchgate, um aktuelle Forschungstrends zu verfolgen, sich über Probleme auszutauschen und miteinander zu diskutieren. Literatur wird im Web 2.0 gesucht, verwaltet und weiterempfohlen. Wissenschaftliche Publikationen werden zunehmend in Open Access Journals und Repositories veröffentlicht. Zwischenergebnisse aber auch Irrwege werden in Blogs dargestellt (research-in-progress). Kurzum: Das Web 2.0 bietet ganz neue Möglichkeiten, die eigene Arbeit darzustellen, sich mit Kollegen aus aller Welt auszutauschen sowie Informationen zu finden und weiterzuempfehlen.
Bild: Bernd Wannenmacher, Quelle: Homepage der FU Berlin. Wissenschaft ist zunehmend interdiziplinär Hinzu kommt, dass in der Wissenschaft zunehmend fächer- und disziplinübergreifend gearbeitet wird. Vertreter verschiedener Fachrichtungen setzen sich immer häufiger an einen gemeinsamen Tisch. Zahlreiche e und ganze Studiengänge kombinieren Methoden und theoretische Ansätze aus verschiedenen Disziplinen. So gibt es inzwischen immer mehr Studiengänge, die man nicht mehr einem klassischen Fachbereich wie Politikwissenschaften, Jura oder Biologie zuordnen kann; z.b. Cultural Engineering (Verbindung von kulturwissenschaftlichen und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen) oder European Studies (Politik, Geschichte, Rechtswissenschaft etc.).
Quelle: Wikimedia Commons Interdiziplinarität und Spezialbibliotheken Max Planck (Bildmitte) hat über die Wissenschaftsdisziplinen einmal gesagt: Ihre Trennung nach verschiedenen Fächern ist ja nicht in der Natur der Sache begründet, sondern entspringt nur der Begrenztheit des menschlichen Fassungsvermögens, welche zwangsläufig zu einer Arbeitsteilung führt. (Zitat nach: Heinrich Parthey, Institutionalisierung disziplinärer und interdisziplinärer Forschungssituationen) Nicht nur das menschliche Fassungsvermögen ist begrenzt, sondern auch das Fassungsvermögen von Bibliotheken und Datenbanken. Demnach ist es nur logisch und richtig, dass sich mit der Zeit Spezialbibliotheken entwickelt haben, die dem Auftrag nachkommen, eine bestimmte Fachcommunity mit ihrer Fachliteratur zu versorgen. Aber: Das Fassungsvermögen des World Wide Web ist unbegrenzt, weshalb die Nutzer zunehmend die Erwartung haben, alle denkbaren Informationen online finden zu können.
Long-tail content In Wirklichkeit ist es aber gar nicht so leicht, relevante Informationen zu finden. Es gibt viele spannende und wertvolle Inhalte im Netz, die von Nutzern gar nicht gefunden werden, weil diese nicht wissen, wo sie suchen sollen. Wissenschaftliche Publikationen, aber auch kulturelle und pädagogische Inhalte (Liedtexte, historische Landkarten o.ä.) liegen verstreut in zahlreichen, hochspezialisierten Datenbanken und sind nur schwer auffindbar. Beispiel: Eine Suchabfrage bringt 9.200 potenzielle Treffer, diese liegen aber in 40 verschiedenen Datenbanken. Man kommt also nicht an die Inhalte heran, es sei denn, man kennt alle Datenbanken und macht sich die Mühe, in allen zu suchen. Das ist ärgerlich für die Nutzer, aber auch für die Anbieter von Inhalten, die nicht (oder nur selten) entdeckt werden. Um aus diesem Dilemma herauszukommen, will EEXCESS das traditionelle Paradigma der Informationsversorgung umdrehen.
Bild: ZBW Don t take the user to the content Das traditionelle Paradigma von Bibliotheken besteht darin, möglichst viele Anreize zu schaffen, damit die Forschenden für ihre Recherche in die Bibliothek kommen (schöne neue Gebäude, beeindruckende Lesesäle mit tollem Ausblick, etc.). Dieses Paradigma setzt sich bei den Rechercheportalen fort. Durch möglichst attraktive Benutzungsschnittstellen wird versucht, die Kundschaft an das System zu binden, sodass sie immer wieder gerne zur Recherche und Nutzung der Literatur dorthin zurückkehrt. Genau das führt aber zu einer Masse an verschiedenen Datenbanken, die man durchforsten muss, um an relevante Informationen zu kommen.
Bild: ZBW Take the content to the user EEXCESS dreht den Spieß um. Die Möglichkeiten des Web 2.0 sollen genutzt werden, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genau dort mit Literatur zu versorgen, wo sie gerade arbeiten, also beispielsweise in sozialen Netzwerken, Content-Management-Systemen etc. Im Folgenden zeige ich anhand von zwei Beispielen, welche Angebote aus der EEXCESS-Forschung entstehen könnten. Bitte beachten Sie dabei: Das Projekt steht noch am Anfang, daher handelt es sich bei den Beispielen um Ideen und Visionen, noch nicht um fertige Produkte oder Technologien.
Bild: Screenshot EconBiz. Erstes Beispiel: Literatursuche in EconBiz Eine Doktorandin sucht Informationen zum Thema Armut in London im 18. und 19. Jahrhundert. Sie gibt die Stichworte Armut London in das wirtschaftswissenschaftliche Rechercheportal EconBiz ein. Sie bekommt verschiedene Fachpublikationen und Aufsätze vorgeschlagen und ist mit dem Ergebnis zufrieden, schließlich erwartet sie genau diesen Service von einem Portal wie EconBiz. Aber: Möglicherweise (sehr wahrscheinlich sogar) gibt es auch auf anderen Portalen und in anderen Datenbanken spannende Informationen, die unsere Doktorandin nicht finden wird, da sie diese Portale gar nicht kennt bzw. weil sie noch nicht auf die Idee gekommen ist, dort zu suchen. Hier kommt EEXCESS ins Spiel.
Bild: Screenshot EconBiz. Weitere Quellen: Mendeley, Europeana. Literatursuche in EconBiz (mit EEXCESS) EEXCESS-Technologien könnten die Suchanfrage von EconBiz an andere Systeme wie beispielsweise Europeana oder Mendeley weiterleiten. Die Ergebnisse aus diesen Systemen würden dann automatisch in EconBiz integriert. So bekäme unsere Doktorandin ganz neue Einblicke in ihr Thema (Anregungen für weitere Forschungsfragen, Grafiken zur Bebilderung o.ä.), ohne eine Vielzahl von Datenbanken durchsuchen zu müssen.
Bildmontage: ZBW; Text: Global Economic Symposium Zweites Beispiel: Schreiben eines Blog-Beitrags In unserem zweiten Beispiel wird gar nicht aktiv nach Inhalten gesucht, sondern jemand schreibt einen Blog-Beitrag. Thema des Textes ist der Rückgang der Waldbestände in Südostasien.
Bildmontage: ZBW; Text: Global Economic Symposium Schreiben eines Blog-Beitrags (mit EEXCESS) Während der Autor schreibt, erkennt die EEXCESS-Technologie das Thema des Beitrags und schlägt passende Publikationen aus EconBiz und anderen Fachportalen vor. Nicht nur wirtschaftswissenschaftliche Informationen können hier relevant sein, sondern z.b. auch Agrar- und Umweltwissenschaften oder Sozialwissenschaften. Genauso gut könnten natürlich auch Landkarten oder Bilder erscheinen, je nachdem, welche Datenbanken passende Inhalte zur Verfügung stellen. Der Autor des Blog-Posts findet hierdurch zusätzliche Informationen und kann ein paar der Publikationen als Referenzen angeben. Darüber hinaus haben interessierte Leser des Blogs die Möglichkeit, ihr Wissen weiter zu vertiefen.
Die Vision von EEXCESS Ziel des Projekts ist es: a) kulturelle, wissenschaftliche und pädagogische Inhalte miteinander zu verknüpfen und b) diese Inhalte für alle Nutzer leichter auffindbar und verfügbar zu machen. Bibliotheken können davon doppelt profitieren: Ihre Inhalte werden über neue Kanäle viel weiter verbreitet. Außerdem werden ihre eigenen Services durch Inhalte aus anderen Disziplinen bereichert, wodurch ein Mehrwert für die Nutzer entsteht.
Zahlen und Fakten Um so ein großes Ziel erreichen zu können, benötigt man Zeit und Geld. Daher freuen wir uns, dass uns die Förderung durch die Europäische Union beides gewährt. Das Projektvolumen liegt bei circa 6,9 Millionen Euro. Die Laufzeit des Projektes beträgt 42 Monate.
Die Partner Vor allem aber braucht man kompetente und vielseitige Kooperationspartner. Die EEXCESS-Partner kommen aus Österreich, der Schweiz, Frankreich, Großbritannien und Deutschland. Sie alle kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und bringen ihre ganz eigenen Kompetenzen sowie Inhalte in das Projekt ein. So finden sich innerhalb des Forschungskonsortiums Unternehmen und Institutionen aus den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Bildung, sowie zahlreiche Experten aus verschiedenen Gebieten der Angewandten Informatik (z.b. Empfehlungstechnologien, Semantisches Web, Mensch-Computer-Interaktion). Eine ausführliche Darstellung aller Partner finden Sie unter www.eexcess.eu/partners.
Bilder oben: ZBW; Bild unten: Sina Julia Die ZBW und EEXCESS Vonseiten der ZBW sind vor allem die folgenden Abteilungen an dem Projekt beteiligt: Innovative Informationssysteme und Publikationstechnologien, unter der Leitung von Timo Borst (oben links). Das EconBiz-Team und die Abteilung Informationsvermittlung, unter der Leitung von Tamara Pianos (oben rechts). Die Zentralabteilung Marketing und Public Relations, hier vor allem Ebba Schröder (unten rechts). Abteilungsleitung = Doreen Siegfried. Somit ist die ZBW Content Provider, Forschungspartner und PR-Abteilung in einem.
EEXCESS Kontakt Informationen über EEXCESS finden Sie im Internet unter www.eexcess.eu oder auf Twitter. Bei Fragen oder Anmerkungen schicken Sie mir gern eine E-Mail oder wenden Sie sich direkt an die Projektkoordinatoren.