Vorwort Dr. Frank Müller

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Transkript:

Vorwort Dr. Frank Müller DR. FRANK MÜLLER Dr. Frank Müller ist Gründer von The Bridge To Luxury eine Beratungsgesellschaft, die sich als erste im deutschsprachigen Raum ausschließlich dem Thema Luxus und seiner professionellen Verankerung in Unternehmen widmet. Zuvor führte er als Geschäftsführer renommierte Marken wie A. Lange & Söhne und Glashütte Original und war Mitglied der erweiterten Konzernleitung der Swatch Group SA in der Schweiz. Frank Müller hat an der Universität Mannheim sowie der ESCP Europe Betriebswirtschaftslehre studiert und wurde an der Hochschule St. Gallen promoviert. Er publiziert regelmäßig über Manufakturen, Lifestyle und Luxus und wirkt als Dozent am European Business College. 8

Wenn jemand eine Reise tut... Unglaublich! Nie hätte ich gedacht, dass die Fertigung einer feinen Uhr so präzise Handarbeit erfordert. Gerade war der Gast der Manufaktur im sächsischen Glashütte Zeuge des manuellen Bläuens einer Schraube geworden, die einmal in einer Uhrwerksplatine goldene, sogenannte Chatons fixieren wird. Beim Prozess des Bläuens legt eine Uhrmacherin hausintern gefertigte Schrauben mit einem Kopfdurchmesser von weniger als einem Millimeter auf einen auf ca. 290 C erhitzten Kolben. Mit ihrer langjährigen Erfahrung muss sie innerhalb weniger Sekunden entscheiden, wann jede einzelne Schraube das berühmte Kornblumenblau Glashüttes angenommen hat, um diese im richtigen Moment mit einer Pinzette zu entfernen. Passiert das zu spät, ist sie verglüht und nicht mehr zu gebrauchen. Ob nun Uhren, Schuhe, Besteck, Pferdesättel, Orgeln, Hemden, Spielzeug, Seidentapeten oder Violinen: Überall in Deutschland befinden sich Orte, an denen in geheimnisvollen Herstellungsprozessen wunderbare Kleinode der traditionellen (und auch modernen) Handwerkskunst entstehen Produktionsstätten, die wir mit dem ehrwürdigen Begriff der Manufakturen umschreiben. Diese zu entdecken, ist ein spannendes und lohnenswertes Erlebnis. Und immer mehr Menschen machen sich buchstäblich auf den Weg zu den verborgenen Ateliers und Werkstätten, in denen schöne Produkte kreiert und mit unendlich viel Liebe und Leidenschaft in Handarbeit hergestellt werden. Manufakturen geben Sicherheit und stiften Identität In einem übertragenden Sinne jedoch begeben sich die Manufakturentdecker auch auf eine Zeitreise in eine vermeintlich untergegangene Welt eine Welt, die sich nicht digital, sondern für den analogen Verstand und das lebendige Herz überraschenderweise noch sehr real präsentiert. Digitalisierung, Globalisierung, Gentechnologie, Demographie, Klimawandel 9

Vorwort Dr. Frank Müller ängstigen die Menschen. Der Philosoph Hermann Lübbe führte bereits in den 1980er-Jahren aus, dass durch die hohe Zivilisationsdynamik die Relevanz der Vergangenheit abnimmt, während gleichzeitig die Sicherheit von Zukunftsprognosen schrumpft und so die Menschen verunsichert. Er wies nach, dass immer mehr Museen entstehen, um als Gegenpol zu den Problemen des Menschen mit dem rasanten, technischen Fortschritt ein Rest an Vertrautheit zu vermitteln. Manufakturen und ihre Artefakte sind bisweilen wie Museen und im Trend gleichfalls in ihrer Anzahl stark wachsend. Sie stiften Identität und erzählen uns, was war und woher wir kommen. So erhalten wir ein Vergleichsmaß und damit eine Orientierung in einer komplexen Umwelt, die durch komplizierte und sich ständig sowie schnell verändernde Bedingungen gekennzeichnet ist. Eine solche Orientierung erlaubt es uns, die Gegenwart zu bewerten und uns darüber hinaus auch Gedanken über eine gewünschte, idealerweise bessere Zukunft zu machen. In der Betrachtung handwerklicher Herstelltechniken, in der Verwendung traditioneller Materialien können wir Werte, Fähigkeiten, Strukturen erkennen, die uns als Beispiel wertvoll genug erscheinen mögen, erhalten oder wiederbelebt zu werden. Diese Besinnung auf eine quasi vorindustrielle Vergangenheit ist ein Prozess, der sich selbst und unabhängig vom angestrebten Ziel einer kostbareren und schöneren Zukunft rechtfertigt. Denn nur wenn wir uns heute mit unserer Vergangenheit beschäftigen, können wir von zukünftigen Generationen erwarten, dass sie es mit ihrer auch tun. In dieser generationsübergreifenden Aufgabe steckt die Hoffnung einer menschlichen und kulturellen Kontinuität. Und so ist der Weg zu einer Manufaktur gleichzeitig auch schon ein Ziel unserer Reise. Ein Reisebegleiter durch die Welt der Manufakturen Es gibt eine Vielzahl an Restaurantführern und eine nicht minder große Menge solcher für Weine, Urlaubsorte oder eben Museen - ein Guide für Manufakturen lag bislang noch nicht vor. Grund genug, diesen weißen Fleck auf der deutschen Landschaft publizistisch zu kartieren. Nachdem der Verlag Deutsche Standards vor zwei Jahren in dem Buch Handgemacht einzelne Unternehmen mit großem Erfolg vorstellte, entstand die Idee, die vielen Hunderte von Manufakturen aus ihren Verstecken zu holen und nun einem neugierigen Publikum umfänglich und strukturiert vorzustellen. Der Deutsche Manufakturenführer 2015 lädt ein zum Entdecken. In ihm werden nahezu 300 Manufakturen beschrieben: Was sie Schönes herstellen und wo sie sich befinden. Er beantwortet die Frage, ob Besuchsmöglichkeiten bestehen, wie gegebenenfalls die Öffnungszeiten sind und eine Manufaktur am einfachsten zu kontaktieren ist. Der Manufakturenführer erlaubt für eine bequeme und optimale Reiseplanung die gezielte Suche nach Produktkategorien, Branchen sowie Regionen. Er informiert, ob vor Ort ein Geschäft zum Werkseinkauf einlädt oder zumindest auch Manufakturen gehen mit der 10

Zeit e-shopping möglich ist. Auch gibt er Auskunft darüber, inwieweit bei der Herstellung von Produkten auf individuelle Kundenwünsche eingegangen wird. Unterstützend dazu enthält der Manufakturenführer auch Kapitel zur Warenkunde, die den Leser in die Welt der einzelnen Häuser einführt. Und schließlich erfährt man auch, ob ein Betrieb ausbildet oder sich in seiner Nähe ein interessantes Museum befindet. Ein Blick hinter die Kulissen Neben der naheliegenden Weitergabe organisatorischer Informationen möchte der Deutsche Manufakturenführer natürlich zusätzlichen Lesernutzen stiften: Sein Anliegen ist es, für diese Unternehmen mit besonderer Prägung und ihre wunderbaren Produkte zu werben. Wie kommt die Mine in den Bleistift, wieso scheint Porzellan so luzid, was unterscheidet den maß- und rahmengenähten Schuh von jenem von der Stange? Wie kann ein Unternehmen mit antiquiert wirkenden Herstellungstechniken über fünf Generationen hinweg bestehen? Wieso drapiert eine deutsche Tapete die jährlichen Oscar-Verleihungen in Hollywood? Warum kostet ein Paar Lautsprecher stolze 50.000 Euro? Zugegebenermaßen kann der Erhalt einer lebendigen Manufakturenszene, wie dies Käufer ihrer Waren wissen, tatsächlich seinen sprichwörtlich hohen Preis haben. Der eigentliche Wert eines besonders anschmiegsamen Dachshaar-Rasierpinsels erschließt sich jedoch erst beim Besuch in der Manufaktur, wo man seine kunstvolle Herstellung erlebt. Er geht weit über die betriebswirtschaftliche Summe von Arbeitsentgelten und Materialkosten hinaus. Sein Wert ist auch und stark ideeller Natur. Nur vor Ort erfährt man, wie aufwendig die Fertigung manuell getriebenen Tafelsilbers ist, welch unendliche Gelassenheit und doch Konzentration die Hand beim Bemalen einer Porzellanvase aufweisen muss oder welches Know-how die Bearbeitung eines Paneels aus Edelhölzern für eine Megajacht beansprucht. Nur wer den Betriebsrundgang wagt, wird die subtilen Gerüche bei der Herstellung von Seifen, die Haptik von verschiedensten Ledertexturen, die quasi endlosen Tonreihen beim Stimmen eines Konzertflügels erfahren und genießen können. Nur wer sich einmal persönlich mit einer Bossiererin, einem Ziseleur oder einem Bogenmacher unterhalten hat, wird die seltenen Einblicke in die Geheimnisse ihrer besonderen Berufe erhalten. Manufakturen sind soziale Orte Manufakturen bringen Menschen zusammen und sind somit soziale Orte. Wer sie besucht, wird in nicht-virtuellen Werkstätten auf sehr lebendige Protagonisten treffen, die mit Händen, Können und Kreativität häufig Kunstwerke erschaffen. Kunstwerke, die wir dort in ihrer Einzigartigkeit, Schönheit, Funktionalität bestaunen dürfen und sollten. Der Deutsche Manufakturenführer möchte die Personen hinter den Gebäudefassaden der Firmen vorstellen. 11

Vorwort Dr. Frank Müller Sie sind Handwerkskünstler und Kunsthandwerker gleichermaßen. Wie schrieb Franz Kafka? Die Kunst hat das Handwerk nötiger als das Handwerk die Kunst. Manufakturbesuche erlauben es, mit Menschen in Kontakt zu treten, die uns täglich begeisternden Gegenstände erschaffen jene innere Freude zum Beispiel einem Geschäftspartner Visitenkarten zu übergeben, die noch im traditionellen Stahlstich-Verfahren gefertigt wurden, ist nicht zu beschreiben. Haben wir vor Ort einmal die Herstellung von Artefakten wie handgeschöpftem Büttenpapier erlebt, dann kennen wir auch die Gesichter der Künstler mit ihren persönlichen und spannenden Geschichten. Echte Menschen. So ist es durchaus möglich, dass Manufakturbesuche Beziehungen begründen und sich der Freund des Hauses bald als Teil einer großen Familie betrachtet viele Liebhaber mit einem intensiven Kontakt zu einem Weingut wissen das Gefühl von Zugehörigkeit zu schätzen, wenn man vom Kellermeister als guter Bekannter beim Vornamen mit einem großen und herzlichen Hallo begrüßt wird. Manufaktur ist nicht gleich Manufaktur Aber was kennzeichnet überhaupt eine Manufaktur? Die Frage ist nicht abschließend zu beantworten. In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine, führte der Philosoph und Ökonom Karl Marx einst aus. Doch so einfach ist die Definition einer Manufaktur nicht. Auch die lateinische Herleitung des Begriffs aus manus (die Hand) und facere (fertigen, bauen, machen) ist wenig hilfreich. Schon die historische Betrachtung zeigt, dass das, was heute landläufig mit einer Manufaktur gemeint ist, eigentlich nur bis zum Ende des mittelalterlichen Zunftwesens existierte: kleine Werkstätten, in denen Handwerker mit einen sehr hohen Maß an manueller Fertigung Einzelstücke oder Kleinstserien produzierten. Die geschichtlichen Manufakturen entstanden zu Zeiten des barocken Absolutismus zuerst im Frankreich Ludwig des XIV, später dann auch in Deutschland und England und stellten bereits eine höhere Form der arbeitsteiligen Herstellung von dann größeren Mengen an in der Regel hochwertigen und für den Export bestimmten Waren dar. Aus beiden Epochen lässt sich jedoch allgemein ableiten: Manufakturen kennzeichnen einen relativ hohen Anteil manueller Wertschöpfung an Produkten, die häufig einen kunsthandwerklichen, traditionellen und auf Grund geringerer Stückzahlen auch exklusiven Charakter aufweisen. Das schließt jedoch nicht aus, dass heute in Manufakturen nicht trotzdem Hightech-Maschinen zur Anwendung kommen. In der Realität verschwimmen die Grenzen häufig. Viele Manufakturen kennzeichnet ein fast symbiotisches Verhältnis zwischen präziser maschineller Basisfertigung einerseits und extremer künstlerisch-handwerklicher Veredelung andererseits. Der Deutsche Manufakturenführer 2015 deckt das gesamte Spektrum der faszinierenden Formen der hier mal kleinen Handwerksbetriebe, dort mal mittelständischen Unternehmen ab. Er lädt den 12

Reisenden ein, nach seinen gemachten Erfahrungen selbst zu entscheiden, wie viel Manufaktur in jedem der besuchten Häuser steckt. Handwerk mit Stil, Kultur und Geschmack Wird unter Luxus die Herstellung von außergewöhnlichen Produkten mit dem Charakter eines einzigartigen Weltrekords verstanden, die für neugierige Persönlichkeiten mit dem Anspruch an Stil, Kultur und Geschmack bestimmt sind, dann ist ein Manufakturerzeugnis Luxus pur. Manufakturen haben ihren Wert und sind es deshalb gerade wert, in einer komplexen Welt zu überstehen. Es gilt, ihre Traditionen zu bewahren; Neugründungen und Innovationen handwerklichen Könnens sind zu fördern. Wie schön ist in diesen Jahren beispielsweise die Renaissance der anspruchsvollen Herstellung hochwertigen klassischen Emailles und seiner feinen Bemalung. Eine im Bewusstsein der Gesellschaft fast vergessene Fähigkeit, die durch die Bereitschaft von Menschen wiederbelebt wurde, in Kunsthandwerk zu investieren. Doch die demografischen Entwicklungen in Deutschland machen es den Manufakturen schwer, Nachwuchs zu finden. Hier ist Aufklärung nötig, um teilweise aussterbende und doch so sinnvolle wie befriedigende Handwerksberufe zu erhalten und für die Jugend attraktiv zu gestalten. Gerade der Besuch abgelegener Manufakturen versinnbildlicht einer Belegschaft, dass ihr Tun von gesellschaftlicher Relevanz ist und macht sie stolz. Sollte der Deutsche Manufakturenführer helfen, die Idee von handwerklich orientierten Unternehmen als Reiseziel in der Öffentlichkeit besser zu verankern und dabei auch bestehende Schwellenängste zu reduzieren, dann ist ein wichtiger Beitrag für den Erhalt einer besonderen Wirtschaftskultur in Deutschland geleistet. Dabei darf der Blick bereits über die nationalen Grenzen hinausgehen. Europa ist voll von Manufakturen, die einen Abstecher lohnten hier sollte hoffentlich dann auch bald ein englisch-sprachiger Manufakturführer bei der Reiseplanung helfen. Unverwechselbare Unikate Mit großen Augen starrt unser Gast in der Glashütter Uhrenmanufaktur den Meistergraveur an. Soeben hatte er ihm seinen Zeitmesser gegeben, den er vor einigen Jahre zum runden Geburtstag geschenkt bekam. Der Experte schaut mit seinem Mikroskop durch das Saphirglas im Gehäuseboden der Uhr auf den aus sanft scheinendem Neusilber gefertigten Unruhkloben. Das war Frau Schilling, sagt er bestimmt, diese Uhr wurde von ihr finissiert. Denn obwohl alle Uhren der Manufaktur dasselbe historische und verbindliche Gravurmuster aufweisen, so hat doch jeder Zeitmesser seine spezifische Handschrift jeder ist ein unverwechselbares Unikat. Unglaublich, staunt der Gast nicht zum letzten Mal an diesem Tag. Schon Matthias Claudius wusste: Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen. 13