Ernährungsökologie von Sturmmöwen (Larus canus) verschiedener Kolonien Norddeutschlands*

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Transkript:

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997: 5-84 Ernährungsökologie von Sturmmöwen (Larus canus) verschiedener Kolonien Norddeutschlands* von Ulrike Kubetzki, Helgoland 1 Einleitung 6 2 Material und Methoden 7 2.1 Die Sturmmöwe 7 2.2 Die Untersuchungsgebiete 8 2.2.1 Amrum 8 2.2.2 Nordstrandischmoor 10 2.2.3 Pionierinsel/Lühesand 12 2.3 Datenerhebung 13 2.3.1 Nahrungsanalysen 13 2.3.2 Eimaße 20 2.3.3 Schiffsfolgerzählungen 20 2.3.4 Bestand und Bestandsentwicklung 21 3 Ergebnisse 21 3.1 Nahrungszusammensetzung 21 3.2 Eimaße 34 3.3 Sturmmöwen als Schiffsfolger 41 3.4 Bestand und Bestandsentwicklung 41 4 Diskussion 49 4.1 Nahrungsanalysen und Nahrungswahl 49 4.2 Ernährungsstrategien der Sturmmöwe 54 4.3 Eimaße 59 4.4 Sturmmöwen und Fischerei 65 4.5 Bestandsentwicklung 66 4.6 Ausblick 67 5 Danksagung 69 6 Zusammenfassung 71 7 Summary 72 8 Literatur 73 * Geringfügig veränderte Fassung einer Diplomarbeit aus der Inselstation Helgoland des Instituts für Vogelforschung "Vogelwarte Helgoland" und dem Institut für Angewandte Zoologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn

6 U. KuaErzki: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 1 EINLEITUNG Die Bestände vieler See- und Küstenvogelarten an der deutschen Nordseeküste haben in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen (z.b. BECKER & ERDELEN 1987, HÜPPOP et al. 1994, HÄLTERLEIN 1996). Insbesondere Lach-, Herings- und Silbermöwe (Larus ridibundus, L. fuscus, L. argentatus) weisen, wenn auch nicht zeitgleich, starke Brutbestandszunahmen an der Küste auf (zuletzt SÜDBECK & HÄLTERLEIN 1997). In der südlichen Nordsee vermuten HÜPPOP et al. (1994) als Hauptursache hierfür verbesserten Schutz an den Brutplätzen und die Nutzung von Schlachtabfällen und Beifängen (= Discards) der Fischerei. Interessanterweise weist die Sturmmöwe (Larus canus) in Norddeutschland regional unterschiedliche Brutbestandstrends auf. Während an der Nordseeküste einschließlich der Unterelbe Zunahmen im Brutbestand zu verzeichnen sind (GOETHE 1991a, HÄLTERLEIN 1996, MLODY 1996), stagnieren die Bestände in der Seenplatte Schleswig-Holsteins (BERNDT 1980, BERNDT & BUSCHE 1997). In den Hochmooren dieses Bundeslandes (BERNDT 1995) sowie vor allem an der dortigen Ostseeküste sind sogar starke Bestandsrückgänge zu verzeichnen (HARTWIG & PRÜTER 1990, KNIEF et al. 1995). Deutliche Bestandsabnahmen in Skandinavien und Nordost-Europa sind der Grund dafür, daß diese Art heute zu den europaweit gefährdeten Vogelarten gezählt wird (TUCKER & HEATH 1994). Umfangreiche Arbeiten über Seevögel haben gezeigt, daß die Nahrungswahl und damit einhergehend die Nahrungsbeschaffung ganz wesentlich die Biologie der Vögel beeinflußt - von unmittelbaren Einflüssen auf Aktivitätsrhythmus, Verbreitung und Energetik über Bruterfolg und Konkurrenz bis hin zu Nahrungserwerbstechniken und Überlebensraten (Übersichten z.b. in FURNESS & MONAGHAN 1987, AINLEY & BOEKELHEIDE 1990, CAREY 1996a). Über die Emährungsökologie der Sturmmöwe in der Deutschen Bucht ist bisher wenig bekannt. So gibt es lediglich zwei größere Studien außerhalb der Brutzeit auf Helgoland bzw. im schleswig-holsteinischen Wattenmeer (VAUK-HENTZELT & SCHUMANN 1980, DER- NEDDE 1993) sowie zwei Studien zur Brutzeit an der Unterelbe (NICKLAS 1983, BERLI- NER et al. 1995). Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit ist es, die Ernährung der Sturmmöwe an der deutschen Nordseeküste während der Brutzeit näher zu untersuchen. Es sollen daher Beiträge zur Klärung folgender Fragestellungen geliefert werden: Wovon ernähren sich brütende Sturmmöwen an der deutschen Nordseeküste?

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 7 Unterliegt die Nahrung im Verlauf der Brutsaison Veränderungen (vgl. FREYER 1995 u.a.)? Unterscheidet sich das Nahrungsspektrum zwischen den untersuchten Kolonien (vgl. z.b. SPAANS et al. 1994)? Hat die jeweilige Ernährung Auswirkungen auf die Eigröße als Maß für die Kondition der Weibchen (BOLTON et al. 1992, KILPI et al. 1996, ORO et al. 1996)? Wie intensiv nutzen Sturmmöwen marine Nahrung (vgl. GORKE 1990, SPAANS et al. 1994)? Welche Rolle spielen Discards für die Sturmmöwe (vgl. NOORDHUIS & SPAANS 1992)? Abschließend werden die Ernährungsstrategien der Sturmmöwe diskutiert und mit denen anderer Möwenarten im Untersuchungsgebiet verglichen. 2 MATERIAL UND METHODEN 2.1 DIE STURMMÖWE VERBREITUNG: Sturmmöwen kommen als Brutvögel mit insgesamt vier Unterarten im Norden Eurasiens sowie im Nordwesten Nordamerikas vor. Mitteleuropa beherbergt die Unterart Larus canus canus. BESTIMMUNG: Die Sturmmöwe kann auf den ersten Blick mit der Silbermöwe verwechselt werden. Sie ist aber kleiner und hat einen runderen Kopf mit dunkler Iris. Die Beine sind gelblichgrün gefärbt und dem gelben Schnabel fehlt der rote Gonysfleck, der für Großmöwen (L. fuscus, L. argentatus, L. marinus) typisch ist. WANDERUNGEN: Sturmmöwen gehören zu den sogenannten Stand-/Strichvögeln bzw. Kurzstreckenziehem. Dies bedeutet, daß sie entweder in ihrem Brutgebiet überwintern oder aber nur verhältnismäßig kurze Strecken bis zum Winterquartier zurücklegen. Die Brutvögel Norddeutschlands erreichen ihr Winterquartier im Westen bzw. Südwesten Europas im Verlaufe des Herbstes und Frühwinters. Die im Winter in Norddeutschland anzutreffenden Sturmmöwen sind weitgehend hier durchziehende und/oder überwintemde Brutvögel Nordund Nordosteuropas. Der Heimzug in die Brutgebiete Mitteleuropas erfolgt überwiegend im März. FORTPFLANZUNG: Sturmmöwen brüten zum ersten Mal im Alter von 2-4 Jahren. Sie führen eine monogame Saisonehe. Ihr Nest bauen sie im allgemeinen auf dem Boden, aber auch auf Baumstümpfen im Wasser oder Büschen. Die Auswahl des Nistplatzes wird meist durch das Männchen getroffen, welches eine ausgeprägtere Geburtsorttreue zeigt als das Weibchen. Dieses beginnt frühestens im letzten Aprildrittel mit dem Legen von durchschnittlich

8 U. KuBETzKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands drei Eiern, die eine bräunlich-olive Grundfarbe besitzen und mit schwarzen bis hellbraunen Flecken gemustert sind. Die Eier werden 23-28 Tage von beiden Partnern bebrütet. Die geschlüpften Küken verlassen ab dem vierten Tag die unmittelbare Nestumgebung, werden aber weiter am Nest selbst gefüttert. Dazu picken sie dem Altvogel auf die Schnabelspitze, welcher dann einen Nahrungsbrei herauswürgt. Dieser wird vom Küken entweder direkt vom Schnabel oder vom Boden aufgenommen. Die Jungvögel sind mit 28-33 Tagen flugfähig und kurze Zeit später in der Lage, für sich selbst zu sorgen. LEBENSALTER: Als Höchstalter hat man 26 Jahre (durch Beringung) nachgewiesen. (Zusammengefaßt nach GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1982 und BEZZEL 1985). 2.2 DIE UNTERSUCHUNGSGEBIETE Für die Untersuchungen im Frühjahr und Sommer 1995 wurden Brutkolonien auf der Insel Amrum, der Hallig Nordstrandischmoor und der Insel Lühesand ausgewählt. Diese Gebiete liegen alle im Einzugsbereich der Deutschen Bucht, wobei ihre Lage kleinräumig entscheidend differiert (Abb. 1): Amrum liegt im Übergangsbereich zwischen Wattenmeer und offener See, dem Bereich ohne zeitweise freifallende Wattflächen; Nordstrandischmoor befindet sich hingegen an der Grenze des Wattenmeeres zum Festland, mit relativ weiter Entfernung zur offenen See; Lühesand schließlich liegt etwa 50-60 km vom Meer entfernt im tidebeeinflußten, aber noch völlig limnisch geprägten Bereich der Unterelbe. 2.2.1 AMRUM Amrum (54 40' N, 8 21' E) zählt mit Sylt und Föhr zu den drei nordfriesischen Geestinseln, die früher mit dem Festland verbunden waren. Die landschaftliche Vielfalt ist relativ groß. So findet man neben Strand, Dünen und Salzwiesen auch Heide und Kiefernforste sowie Äcker und Grünland (LOHMANN & HAARMANN 1989). Zusammen mit dem westlich gelegenen ausgedehnten Strandabschnitt, dem Kniepsand, hat die Insel eine Fläche von etwa 20 km2. Es gibt zwei Naturschutzgebiete: die Odde an der Nordspitze und die Amrumer Dünen. Letztere nehmen ungefähr 45% der Inselfläche ein, wobei sie zwischen Nebel und Norddorf mit 1.000-1.500 m ihre größte Breitenausdehnung erreichen (MEIER 1987). Das Dünengebiet kann in bestimmten Bereichen auf Holzbohlenwegen durchwandert werden. So wird eine gewisse Kanalisation der Touristenströme und ein damit verbundener Schutz der empfindlichen Flora und Fauna erreicht. Im Dünenbereich brütet der größte Teil der Küstenvögel, wie z.b. Eiderente (Somateria mollissima), Austernfischer (Haematopus ostralegus), Sandregenpfeifer (Charadrius hiaticula),

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 9 55 Amrum o 1) CJ o Nordstrandischmoor 54 8 9 10 Abb. 1: Geographische Lage der Untersuchungsgebiete.

10 U. KuBETzki: Ernahrungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Sturm-, Silber- und Heringsmöwe sowie Fluß- und Küstenseeschwalbe (Sterna hirundo, S. paradisaea). Die Untersuchungen und Probenentnahmen wurden im Bereich der Nebeler Dünen durchgeführt, wo sich 1995 in sechs bis sieben Dünentalem eine kleine Sturmmöwenkolonie von etwa 150-200 Paaren befand. Da dort zeitgleich außer einem Austernfischerpaar und einer Eiderente ausschließlich Sturmmöwen brüteten, konnte eine Verwechslung ihrer Nahrungsreste mit denen anderer Möwenarten sowie eine Störung anderer, besonders empfindlicher Vogelarten ausgeschlossen werden. 2.2.2 NORDSTRANDISCHMOOR Die Hallig Nordstrandischmoor (54 33' N, 8 49' E) liegt im schleswig-holsteinischen Wattenmeer, etwa 2-3 km vom Festland, dem Beltringharder Koog, entfernt. Nordstrandischmoor bildet zusammen mit Pellworm, Nordstrand und der Hamburger Hallig die Über Sturmmöwenkolonie in den Dünen auf der Insel Amrum

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 11 reste der ehemaligen Insel Weststrand (Alt-Nordstrand), die im Jahre 1634 durch eine schwere Sturmflut zerstört wurde (POTT 1995). Der Wert der Halligen als Wellenbrecher und Sturmflutsicherung für den ganzen Küstenbereich wurde schon früh erkannt und so wird ihr Erhalt mit großen Geldsummen subventioniert. Die Hallig Nordstrandischmoor umfaßt heute eine Fläche von ca. 175 ha und ist größtenteils durch eine Steinlahnung geschützt. Es gibt insgesamt vier Warften mit 21 ständig dort lebenden Bewohnern. Nordstrandischmoor ist ein Rast- und Brutgebiet vieler Vogelarten. Die häufigsten Brutvogelarten sind Austemfischer, Lach-, Sturm-, Silbermöwe und Küstenseeschwalbe (SÜDBECK & HÄLTERLEIN 1997). Die Salzwiesenvegetation, geprägt durch zahllose Landüberflutungen pro Jahr, wird zur extensiven Schafbeweidung genutzt und die Grasnarbe dadurch entsprechend kurz gehalten. Eine 8 ha große Fläche, östlich des Hauptweges gelegen, wurde inzwischen eingezäunt und aus der Beweidung herausgenommen (KRUSE mdl.). Dadurch hat sich dort, im Vergleich zur restlichen Hallig, eine üppigere Vegetation entwickelt, die von den meisten Küstenvögeln dem kargen Wiesenbereich vorgezogen wird, so auch von der Sturmmöwe. Sturrnmöwenkolonie in den Salzwiesen auf der Hallig Nordstrandischmoor

12 U. Kum-rzki: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Insgesamt verteilten sich die 254 Paare im Jahr 1995 (SÜDBECK & HALTERLEIN 1997) hauptsächlich auf den nördlichen Teil der Hallig. Um Verwechslungen mit den teils benachbart brütenden Lachmöwen auszuschließen, wurden nur Nahrungsproben entnommen, die sich direkt am bzw. in einem Sturmmöwengelege befanden. 2.2.3 PIONIERINSEL / LÜHESAND Die Pionierinsel (53 35' N, 9 36' E) gehört zum Landkreis Stade und liegt südöstlich unmittelbar neben der größeren Insel Lühesand in der Unterelbe zwischen Hamburg und Cuxhaven. Sie wurde 1975 künstlich angelegt und war Teil eines Bundeswehr-Übungsplatzes. Die Pionierinsel ist etwa 540 m lang, maximal 75 m breit und liegt 50-100 m vom Elbufer entfernt. Das Gelände ist überwiegend mit trockenem Grasland bedeckt, welches episodisch kurzgehalten wird. Stellenweise wachsen einzelne Büsche oder Stauden (HÜPPOP 1987). Seit 1977 existiert hier eine gemischte Möwenkolonie, bestehend aus Sturmmöwenkolonie auf der Pionierinsel bei Lühesand

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 13 Sturm-, Silber- und wenigen Schwarzkopfmöwen. Die Sturmmöwe hat auf der Pionierinsel mit über tausend Brutpaaren (s. Kap. 3.4) ihre größte Kolonie in Niedersachsen (BEHM- BERKELMANN & HECKENROTH 1991). 2.3 DATENERHEBUNG 2.3.1 NAHRUNGSANALYSEN ALLGEMEINES Viele Vögel würgen unverdauliche Nahrungsbestandteile in Form von sogenannten Speiballen, wieder aus. Dies geschieht je nach Nahrungszusammensetzung und -verfügbarkeit in unterschiedlichen zeitlichen Abständen, zur Brutzeit vorwiegend in der Kolonie. Dort lassen sie sich bequem aufsammeln und entweder vor Ort oder später im Labor auf ihre Zusammensetzung hin überprüfen. Die Speiballenanalyse ist eine weitverbreitete Methode, um Einblicke in das Nahrungsspektrum von Vögeln zu erhalten (z.b. SPAANS 1971). Es müssen hierzu keine Tiere getötet werden, wie dies bei Mageninhaltsanalysen leider noch oft praktiziert wird. Alternativ hätten auch Magenspülungen nach WILSON (1984) durchgeführt werden können, wozu jedoch der aufwendige Fang der Tiere erforderlich gewesen wäre. Bei der Speiballenanalyse lassen sich allerdings weiche, leichtverdauliche Nahrungsbestandteile nur schlecht bzw. gar nicht nachweisen, so daß die Bedeutung hartschaliger und schwerverdaulicher Anteile in der Nahrung leicht überinterpretiert wird (DUFFY & JACKSON 1986). Trotz dieser Nachteile lassen sich durch die Untersuchung von Speiballen qualitative Aussagen hinsichtlich bestimmter Nahrungskomponenten treffen. Manche Nahrungsreste ließen aufrund fortgeschrittener Verdauung oftmals keine genaueren Artbestimmungen zu. Auswertungen wurden dann z.b. auf Klassen-, Ordnungsoder Familienniveau durchgeführt. Als Maß für die Repräsentanz von Nahrungsteilen in den Speiballen und Kotproben wurde die "Häufigkeit des Vorkommens in Prozent" gewählt, wie sie von DUFFY & JACKSON (1986) für Speiballen vorgeschlagen wird (vgl. Diskussion). Die Analyse der Nahrungsherkunft ergab vier Hauptbereiche, die wie folgt definiert sind: DISCARDS: Nahrung, die offensichtlich aus den ungenutzten Schlachtabfällen bzw. Beifängen (= Discards) der kommerziellen Fischerei erworben wurde. Zu den Discards zählt man Fische und Invertebraten, die entweder - unterhalb der offiziellen Anlande-Mindestlänge sind, - zu klein sind, um kommerziell genutzt zu werden, - einer Art angehören, für die kein Bedarf besteht oder

14 U. KUBETZKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands - nach Erschöpfung der Fangquote gefangen werden (also nicht mehr angelandet werden dürfen (vgl. GARTHE 1993). OFFENE SEE BZW. FLUSS: beinhaltet alle Tiere, die offensichtlich selbstständig (also z.b. nicht hinter Fischkuttern) auf dem offenen Wasser erbeutet wurden, also auch nicht in den Prielen des Wattenmeeres. WATT: Nahrung von den wenigstens teilweise freigefallenen Wattflächen bzw. aus den Prielen. LAND: beinhaltet alle Nahrungsobjekte, die an Land erworben wurden, also z.b. von Grünund Ackerland, Müllplätzen, aus bewohnten Bereichen usw. Die Zuordnung der Beute zu diesen vier Bereichen ist in Tab. 1 beschrieben. In einigen Fällen bereitete dies erhebliche Schwierigkeiten, da viele Nahrungsobjekte sowohl in dem einen als auch in dem anderen Bereich von den Sturmmöwen erbeutet worden sein konnten. Deshalb werden in den entsprechenden Tabellen auch Spannen angegeben. SPEIBALLEN In den drei Untersuchungsgebieten wurden im Jahr 1995 jeweils zur Eiablage-Phase (Mitte bis Ende Mai) und zur Kükenaufzucht-Phase (Ende Juni bis Anfang Juli) möglichst frische Speiballen in einem repräsentativen Querschnitt durch das Gebiet gesammelt (Abb. 2). Bereiche, in denen keine Verwechslungen mit Speiballen anderer Möwenarten möglich waren, wurden bevorzugt aufgesucht, Grenzgebiete hingegen gemieden. Die Speiballen wurden in leere Filmdosen überführt, beschriftet und anschließend mehrere Tage im Trockenschrank bei ca. 60 C getrocknet. Zur Analyse wurden sie in Petrischalen gelegt und vorsichtig auseinanderpräpariert. Mit Hilfe eines Binokulars (8-32fache Vergrößerung) folgte dann die Bestimmung der einzelnen Komponenten, so weit dies möglich war (s unten). Speiballen wurden als homogen definiert, wenn in ihnen nur eine Nahrungskomponente (also nur Polychaeten, nur Fische, nur Muscheln etc.) nachgewiesen wurde. Entsprechend wurden Speiballen, die mehr als eine Nahrungsart enthielten, als heterogen bezeichnet. Nahrungsobjekte, die so groß waren, daß sie nicht in typischer Speiballenform ausgewürgt wurden (z.b. ausgefressene Eier, ganze Muschelschalen), wurden als eigene Speiballen gewertet. Häufig fanden sich in den Proben Dunenfedern, die jedoch beim Putzen vom Vogel oft verschluckt werden (GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1982) und daher bei den Analysen nicht berücksichtigt wurden.

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 15 Tab. 1: Zuordnung der in den Speiballen und Kotproben nachgewiesenen Nahrungsobjekte zu ihrer wahrscheinlichen Herkunft OFFENE SEE BZW. FLUß Crustacea: Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis) Pisces: Hering (Clupea harengus), Sprotte (Sprattus sprattus) DISCARD Crustacea: Schwimmkrabben (Liocarcinus spec.), Einsiedlerkrebs (Eupagurus bernhardus), Garnelen (Crangon spec.; oder Watt) Pisces: Gadidae, Leierfisch (Callionymus lyra), Plattfische WATT LAND Bivalvia Gastropoda: Meeresschnecken Polychaeta Crustacea: Strandkrabbe (Carcinus maenas), Garnelen (Crangon spec.; oder Discard) Gastropoda: Landschnecken Oligochaeta Insecta Aves Mammalia Vegetabilien Müll KOTPROBEN Um genauere Aussagen zu weichen und leichtverdaulichen Nahrungskomponenten machen zu können, die in den Speiballen der Möwen nur schwer bzw. gar nicht nachweisbar sind, wurden von jeder Kolonie ca. 40 Kotproben gesammelt. Die Aufbewahrung erfolgte in ethanolgefüllten Schnappdeckelgläschen. Zur Analyse wurden zunächst die gröberen Komponenten unter dem Binokular, die feineren, wie z.b. Polychaetenborsten, unter dem Mikroskop analysiert. BESTIMMUNG DER BESTANDTEILE IN DEN SPEIBALLEN UND KOTPROBEN Waren die Nahrungsreste einigermaßen gut erhalten und die Verdauung nicht zu stark fortgeschritten, konnten sie mit Hilfe folgender Literatur bestimmt werden:

16 U. Kueum: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands CAMPBELL (1987), CHINERY (1987), DERNEDDE (1992), FRIEDRICH (1938), HÄRKÖ- NEN (1986), HARTMANN-SCHRÖDER (1971 und 1982), HAYWARD & RYLAND (1995), JANKE & KREMER (1988), KÜHLMANN et al. (1993), SCHMIDT (1968), ZAHRADNIK (1976), ZIEGELMEIER (1973 und 1974). Abb. 2: Beispiele verschiedener Speiballentypen: oberste Reihe von links nach rechts: Kieferzangen von Seeringelwürmern (Nereidae), Schalen ausgefressener Eier, Überreste eines verdauten Kükens, Kleinsäugerhaarfilz, Landschnecken (Clausiliidae) mittlere Reihe: Carapax und Extremitäten von Liocarcinus holsatus, Muschelschalen, Krähenbeeren und Fruchtkeme, Streufunde von Säugerknochen, Insekten unterste Reihe: Carapax und Extremitäten von Carcinus maenas, Fisch, Getreidespelzen, Grasfilz mit Insektenresten, Kirschkerne.

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 17 In der Regel ließen sich aus folgenden Überresten in der Regel gute Rückschlüsse auf die Nahrungszusammensetzung ziehen: Fisch: Wirbel, Gräten, Otolithen (Gehörsteinchen von Fischen, anhand derer sich die Fischart bestimmen und die Mindestfischlänge schätzen läßt, s. HÄRKÖNEN 1986), Schuppen, Kiemendeckel (Leierfisch), Gaskammer aus dem Kopf von Hering oder Sprotte Crustaceen: Carapaces, Scheren, Beine, Cuticulareste, Antennen. Die Unterscheidung von Liocarcinus und Carcinus erfolgte insbesondere anhand der Scheren (C. WINTER, J.P.H.M. ADEMA). Mit Hilfe von Abb. 3 war es sogar möglich, Scheren von nur 2-3 mm Größe den beiden Gattungen zuzuordnen. Die Unterscheidung zwischen Liocarcinus holsatus und Liocarcinus depurator, die beide in der Nordsee vorkommen, kann nur schwer bzw. gar nicht an den Scheren, sondem in erster Linie am Carapax erfolgen. In den von mir gesammelten Proben fanden sich jedoch nur wenige, meist stark beschädigte Carapaces, dagegen aber zahlreiche Scheren. Entsprechend wird in den Ergebnissen nur Liocarcinus spec. aufgelistet. lange, weiße Spitze kurze, braune Spitze unregelmäßige Zahnung regelmäßige Zahnung Liocarcinus holsatus Carcinus maenas Abb. 3: Unterscheidungsmerkmale zwischen den Scheren von Carcinus und Liocarcinus (Zeichnung von C. WINTER, Texel).

18 U. KueErzxi: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 1/ 1a Abb. 4: Hartstrukturen verschiedener Polychaeten, ergänzt nach DERNEDDE (1993). 1. Arenicola marina: a) Borste, b) distaler Abschnitt, c) Haken; 2. Lanice conchilega: a) Borste, b) Thoraxhaken; 3. Nephtys hombergii: Borste; 4. Scoloplos armiger. a) Borste, b) Teil einer Kapillarborste von vom, c) Teil einer Kapillarborste des Abdomens im Profil und d) von vom, e) Haken; 5. Nereis diversicolor a) und b) Borsten, c) Acicula

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 19 Mollusken: Schale. Insekten: Beine, Flügeldecken, Flügel, Chitinhülle. Polychaeten: Kieferzangen (Speiballen und Kot), Borsten (Kot), Haken (Kot). Viele Polychaeten ließen sich durch den Vergleich der Borsten und Haken unter dem Mikroskop mit den entsprechenden Zeichnungen in DERNEDDE (1992), FRIEDRICH (1938) und HARTMANN-SCHRÖDER (1971) auf Art- bzw. Gattungsniveau bestimmen (vgl. Abb. 4). Ergänzend lassen sich zur genaueren Bestimmung der Polychaeten selbstangefertigte Dauerpräparate zum Vergleich heranziehen. Dazu müssen einzelne Individuen mit Hilfe von Enzymen (z.b. enthalten im Waschpulver BIOTEX COLOR der Firma Blumener, Odense/DK) oder KOH aufgelöst und die Überreste auf Objektträger in Harz eingegossen werden. Oligochaeten: Borsten (vgl. Abb. 5). Mammalia: Haarbüschel, Knochen, Krallen, Zähne. Pflanzliches Material: Grashalme, Keme, Spelzen, Samen. Abb. 5: Borsten von Regenwürmem (aus ARBOUW & SWENNEN 1985).

20 U. KUBETZKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 2.3.2 EIMASSE Um Hinweise auf die Kondition der brütenden Sturmmöwen, zumindest die der Weibchen, zu erhalten, ohne dafür Tiere töten oder übermäßig stören zu müssen, bietet sich das Vermessen der Eier an (vgl. Kap. 4.1). Ende Mai 1995 wurde die Länge und Breite der Sturmmöweneier in den drei Kolonien mit einer Schieblehre auf 0,05 mm genau gemessen. Zu diesem Zeitpunkt konnte man davon ausgehen, überwiegend normale Erstgelege und fast keine Spät- oder Ersatzgelege vorzufinden (GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1982). Um repräsentative Ergebnisse zu erhalten, wurde darauf geachtet, sowohl Eier aus den Randgebieten der Kolonien als auch aus dem Zentrum auszuwählen. Um Doppelmessungen auszuschließen, erhielten alle Eier nach der Messung eine Filzstiftmarkierung. Aus den gewonnenen Daten wurde ein Volumen-Index (= Breite2 x Länge / 1000) berechnet (vgl. BECKER & ERDELEN 1986, HÜPPOP 1991). Da durch den kurzzeitigen Besuch der Brutkolonien nicht nachgeprüft werden konnte, ob die vermessenen Eier aus vollständigen oder unvollständigen Sturmmöwen-Gelegen stammten, wurde bei der Auswertung das Schwergewicht auf gut vergleichbare Parameter wie z.b. größtes Ei des Geleges, Volumen aller 3er-Gelege etc. gelegt. 2.3.3 SCHIFFSFOLGERZÄHLUNGEN Um zu quantifizieren, in welchem Maße Sturmmöwen die Beifänge der Fischerei in der Nordsee nutzen, habe ich Zählungen von Sturmmöwen ausgewertet, die hinter kommerziellen Fischkuttern und fischenden Forschungsschiffen als sogenannte Schiffsfolger registriert wurden. Als Schiffsfolger sind im Rahmen einer nordseeweit standardisierten Zählmethode (CAMPHUYSEN et al. 1995) alle Vögel definiert, die sich vom Auswerfen des Netzes bis zum Ende der Fangprozedur zumindest zeitweise hinter dem fischenden Schiff aufhalten, egal ob fliegend oder schwimmend, und dabei auch eine deutlich "positive" Reaktion auf die Fischereiaktivitäten zeigen. Zufällig vorbeifliegende Individuen werden nicht mitgezählt. Die Zählungen wurden von Bord verschiedener Schiffe aus durchgeführt. Schiffsfolger hinter kommerziellen Kuttern konnten nur notiert werden, wenn sich im Verlauf der jeweiligen Forschungsfahrt zufällig fischende Kutter näherten und die Sichtbedingungen z.b. Angaben zu Art und Gesamtzahl der Vögel zuließen. Die Datengrundlage für die Auswertungen in dieser Arbeit bilden alle Schiffsfolger-Zählungen der Monate Mai bis Juli aus den Jahren 1993 bis 1995. Für die späteren Berechnungen wurde stets die höchste Individuenzahl pro Art und Altersklasse je Hol (= Fischfang) verwendet.

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 21 Alle Daten stammen aus der Datenbank der Inselstation Helgoland des Instituts für Vogelforschung 'Vogelwarte Helgoland" und des Instituts für Meereskunde in Kiel (S. GARTHE, 0. HUPPOP). 2.3.4 BESTAND UND BESTANDSENTWICKLUNG Seit 1990 werden im Auftrag der "Arbeitsgemeinschaft Seevogelschutz" alljährliche Zählungen fast aller See- und Küstenvogelkolonien an der deutschen Nordseeküste durchgeführt. Anhand dieser Zahlungen läßt sich die Brutverbreitung der Sturmmöwe sowie eine Abschätzung ihrer Bestandsgrößen darstellen. Aus früheren Jahren liegen nur unvollständige Datenreihen vor. Von einigen wichtigen Kolonien gibt es jedoch Angaben z.t. schon seit Beginn dieses Jahrhunderts (BEHM-BERKELMANN & HECKENROTH 1991, HALTERLEIN 1996). Auch von der Ostseeküste gibt es für einige Kolonien umfassende Zählreihen. Vom schleswig-holsteinischen Binnenland liegen hingegen oftmals nur sehr unvollständige Erfassungen vor. Die Angaben entstammen dabei weitgehend den Aktivitäten der "Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Schleswig-Holstein und Hamburg e.v.". Bei der Auswahl für die Analyse der Bestandsentwicklungen der einzelnen Sturmmöwenkolonien mußte daher diese unterschiedliche Datenverfügbarkeit berücksichtigt werden. 3 ERGEBNISSE 3.1 NAHRUNGSZUSAMMENSETZUNG Die Zusammensetzung der Nahrung wird nachfolgend für jede Kolonie einzeln besprochen, wobei Speiballen und Kotproben jeweils nacheinander abgehandelt werden. Die Ergebnisse beziehen sich pro Kolonie jeweils auf die Eiablagephase (Phase 1) sowie die Kükenaufzuchtphase (Phase 2). Die Summen der Nahrungsbestandteile liegen in der Regel deutlich über 100%, da sich ein erheblicher Teil der Proben aus mehreren Komponenten zusammensetzte, also heterogen war. AMRUM SPEIBALLEN In den Speiballen der Sturmmöwen auf Amrum wurden während der Eiablagephase am

22 U. KUBETZKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Tab. 2: Häufigkeit von Nahrungskomponenten in den Speiballen der drei Brutkolonien, jeweils während der Eiablage und der Kükenaufzucht. Eiabl. = Eiablagephase, Küken. = Kükenaufzuchtphase Kolonie Amrum Nordstrandischmoor Lühesand Phase Eiabl. Küken. Eiabl. Küken. Eiabl. Küken. Anzahl Speiballen 90 110 96 68 97 107 MOLLUSCA BNALV1A 29% 14% 19% 4% - - Mytilus edulis 6 % - 3 % - - Cerastoderma edule 14 % 4 % 15 % 3 %. - Macoma balthica 2% - - - - Ensis directus 2 % 3 % - 1 % - - Spisula solide 1 % 1 % - - - - indet. 19 % 6 % 8 % - - - GASTROPODA 4 % 2 % 10 % 6 % 6 % - Hydrobia ulvae 1 % 2 % 9 % 4 `)/0 Littorina spec. 1 % 4 % 1 % - : L ndschnecken - - - 6 % - a ANNELIDA POLYCHAETA Nereis spec. 27 % 4 % 7 % - - - OLIGOCHAETA Lumbricus spec. 13 % 36 % 8 % 1 % 72 A, 49 ARTHROPODA CRUSTACEA 58% 18% 54% 50% - 5% Carcinus maenas 38 % 12 % 43 % 47 % - Liocarcinus spec. 24 % 5 % 18 % 1 % - Carcinus oder Liocarc. 1 % 2 % 3 % 1 % - - Eupagurus bernhardus 4 % 1 % 3 % - Crangon crangon 1 % - - 4 % - - Eriocheir sinensis indet. - - - - 1 % 1 % INSECTA 37 % 50 % 43 % 50 % 72 % 50 % VERTEBRATA PISC ES 28% 9% 18% 7% 5% 6% AVES 1 % 21 % 19% 19% 10% 4% Eischalen 1 % 20 % 19 % 19 % 10 % 3 % indet. 1 % - 1 % MAMMALIA 1 % 10 % 1 % 10 % 10 % 30 % VEGETABILIEN Gras 48 % 61 % 42 % 75 % 72 % 55 % Früchte 1 % 7 % - 4 % 25 % Getreide 12 % 1 % 10 % 1 % 20 % MÜLL 1 % 3% 5% - 7% 2% 5 A,

100 80 60 40 20 Amrum r Nordstrandischmoor Lühesand Bival Gastr Poly Oligo Crust Ins Pisces Ei Mam Gras Getr Frü Müll Abb. 6: Häufigkeit von Nahrungskomponenten in den Speiballen von Amrum (n = 90), Nordstrandischmoor (n = 96) und Lühesand (n = 97) während der Eiablage. Bival = Bivalvia, Gastr = Gastropoda, Poly = Polychaeta, Oligo = Oligochaeta, Crust = Crustacea, Ins = Insecta, Ei = Eischalen, Mam = Mammalia, Getr = Getreide, Frü = Früchte L 100 80 60 40 20 0 Ni Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997

U. KUBETZKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 1 1%1 80 lamrum Nordstrandischmoor MLiihesand 100 80 60 60 40 40 20, 20 0 Bival Gastr Poly Oligo Crust Ins Pisces Ei Mam Gras Getr Frü Müll 0 Abb. 7: Häufigkeit von Nahrungskomponenten in den Speiballen von Amrum (n = 110), Nordstrandischmoor (n = 68) und Lühesand (n = 107) während der Kükenaufzucht. Bival = Bivalvia, Gastr = Gastropoda, Poly = Polychaeta, Oligo = Oligochaeta, Crust = Crustacea, Ins = Insecta, Ei = Eischalen, Mam = Mammalia, Getr = Getreide, Frü = Früchte

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 25 häufigsten Crustaceen, Gras, Insekten, Fische und Muscheln nachgewiesen (Tab. 2, Abb. 6). Während der Kükenaufzuchtphase waren Gras, Insekten, Regenwürmer, Eischalen und Crustaceen am häufigsten (Tab. 2, Abb. 7). Das Nahrungsspektrum veränderte sich im Verlauf der Brutsaison. Während Crustaceen, Polychaeten und Fische (Tab. 3) in der späteren Phase viel seltener in den Speiballen vorkamen, konnten Regenwürmer und Eischalen deutlich öfter nachgewiesen werden (Tab. 2). Einzelne Speiballen enthielten bis zu sieben verschiedene Beutetypen (in einem Fall besonders unterschiedlicher Nahrung z.b. Muscheln, Polychaeten, Regenwürmer, Fisch, Insekten und Gras; Tab. 4). Die Herkunft der Speiballen war zur Eiablagephase recht vielfältig: Nahrungsobjekte aus dem Watt und vom Land fanden sich in jeweils gut zwei Dritteln der Speiballen, Organismen aus dem Discard-Bereich der Fischerei immerhin in einem Drittel bis der Hälfte der Speiballen (Tab. 5). Lediglich Beute der offenen See kam erheblich seltener vor. Während der Jungenaufzucht enthielten dann fast alle Speiballen Nahrungsobjekte terrestrischer Herkunft, solche marinen Ursprungs dagegen viel seltener als in der ersten Phase (Tab. 5). Auch die Homogenität bei der Herkunft der Speiballen veränderte sich entsprechend zwischen diesen beiden Phasen (Tab. 6). Zu Beginn der Brutzeit wurden überwiegend Speiballen heterogener Herkunft nachgewiesen, wobei diejenigen homogenen Ursprungs zu etwa gleichen Teilen dem Watt bzw. dem Land entstammten (Tab. 7). In der Kükenaufzuchtphase waren drei Viertel aller Speiballen homogener Herkunft und bestanden fast alle aus terrestrischen Nahrungsobjekten. KOTPROBEN Die Vielfalt der Nahrungskomponenten im Kot war nur geringfügig kleiner als die in den Speiballen. Im Gegensatz zu den Speiballen fanden sich hier auch zahlreiche Borsten verschiedener Polychaeten. Während der Eiablagephase wurden Polychaeten, Crustaceen und Gras am häufigsten nachgewiesen, zur Kükenaufzucht waren dies Polychaeten, Insekten, Crustaceen und Muscheln (Tab. 8, Abb. 8 und 9). Es wurden maximal sechs verschiedene Nahrungskomponenten in einer einzelnen Kotprobe festgestellt (Tab. 9). Der größte Teil der im Kot nachgewiesenen Nahrung kam zu beiden Phasen überwiegend aus den Lebensräumen Watt und Land (Tab. 10). Discard spielte möglicherweise eine nicht unwichtige Rolle. Die genaue Herkunft vieler Crustaceen und Fische in den Kotproben konnte durch die oftmals stark fortgeschrittene Verdauung der Reste aber meist nicht geklärt werden (Tab. 10). Der größere Teil der Kotproben entstammte mehr als einem Lebensraum (Tab. 11).

26 U. KuBETzKI Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Tab. 3: Anzahl der Speiballen der Brutkolonien Amrum und Nordstrandischmoor (beide Brutphasen zusammengefaßt), in denen Fischarten bzw. -gruppen bestimmt werden konnten, sowie die Mindestlänge der entsprechenden Fische, die anhand vollständiger Otolithen schätzbar war (beide Kolonien zusammengefaßt). Fischart/-gruppe Amrum Nordstr. Fischlängen Anzahl Speiballen 200 164 Platttische 3 - Kliesche (Limanda timende) 3-9, 14, 20 cm Seezunge (Solea solea) 1 17 cm Gadidae 4 5 Kabeljau (Gadus morhua) - 4 11, 17-18 cm Wittling (Merlangius mehangus) 1-7 cm unbestimmt 3 1 Hering (Clupea harengus) oder Sprotte (Sprattus sprattus) 2 Leierfisch (Callionymus lyra) 3 - * Die unbestimmten Gadiden (die Otolithen waren nicht sicher bestimmbar) aus Amrum waren, sofem es sich um Wittlinge handelt (nur für diese Art liegt die entsprechende Regression zwischen Otolithenlänge und Fischlänge vor), 4, 4-5 und 6-7 cm lang. Tab. 4: Anzahl der Nahrungskomponenten in den Speiballen der drei Brutkolonien. Eiabl. = Eiablagephase, Küken. = Kükenaufzuchtphase Kolonie Phase Amrum Eiabl. Küken. Nordstrandischmoor Eiabl. Küken. Lühesand Eiabl. Küken. Anzahl Speiballen 90 110 96 68 97 107 1 Komponente 25 34 31 12 12 39 2 Komponenten 21 22 35 31 19 18 3 Komponenten 23 43 8 20 55 42 4 Komponenten 10 8 13 5 11 8 5 Komponenten 7 1 8 - - 6 Komponenten 3 1 1 - - - 7 Komponenten 1 1 - - -

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 27 Tab. 5: Häufigkeit der Herkunft aller Speiballen aus den drei Brutkolonien, jeweils während der Eiablage und der Kükenaufzucht. Eiabl. = Eiablagephase, Küken. = Kükenaufzuchtphase Kolonie Phase Amrum Eiabl. Küken. Nordstrandischmoor Eiabl. Küken. Lühesand Eiabl. Küken. Anzahl Speiballen 90 110 96 68 98 107 offene See/Fluß 2-22 % 0-7 % 0-16 % 0-7 % 5 % 6 % Discard 30-46 % 8-18 % 22-34 % 4-15 % - Watt 71 % 25-27 % 60-61 % 53-56 % - 5 % Land 72% 88% 66% 90% 100% 97% Tab. 6: Häufigkeit von Speiballen aus den drei Brutkolonien, die bzgl. ihrer Herkunft homogen bzw. heterogen sind (s. Tab. 5). Eiabl. = Eiablagephase, Küken. = Kükenaufzuchtphase Kolonie Phase Amrum Eiabl. Küken. Nordstrandischmoor Eiabl. Küken. Lühesand Eiabl. Küken. Anzahl Speiballen 90 110 96 68 97 107 homogen 33 % 76 % 55 % 50 % 95 % 93 % heterogen 64 % 24 % 44 % 47 % 5 % 7 % fraglich 2 % - 1 % 3 % - - Tab. 7: Häufigkeit der Lebensräume, aus denen Speiballen stammen, die bzgl. ihrer Herkunft homogen sind Eiabl. = Eiablagephase, Küken. = Kükenaufzuchtphase Kolonie Amrum Nordstrandischmoor Lühesand Phase Eiabl. Küken. Eiabl. Küken. Eiabl. Küken. Anzahl Speiballen 30 84 53 34 92 99 offene See/Fluß -- - - - 1 % Discard 17 % - 6 % - - - Watt 43% 14% 40% 18% - 1 % Land 40% 86% 55% 82% 100% 98%

28 U. KuBETzKi: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Tab. 8: Häufigkeit von Nahrungskomponenten in Kotproben in den drei Brutkolonien, jeweils während der Eiablage und der Kükenaufzucht. Eiabl. = Eiablagephase, Küken. = Kükenaufzuchtphase Kolonie Amrum Nordstrandischmoor Lühesand Phase Eiabl. Küken. Eiabl. Küken. Eiabl. Küken. Anzahl Kotproben 19 22 15 23 17 20 MOLLUSCA BIVALVIA 37 % 41 % 13 % 35 % - - Mytilus edulis 16 % 14 % 7 % 9 % - _ Cerastoderma edule 26 % 36 % 7 % 17 % - - indet. 11 % 23 % 13 % 17 % - GASTROPODA Hydrobia ulvae. - 7 % 17 % - - ANNELIDA POLYCHAETÄ 68 % 64 % 40 % 65 % - _ Nereis diversicolor 21 % 23 % 7 % 22 % - - Nephtys hombergii 11 % 5 % - 13 % - - Arenicola marin 26 % 23 % 20 % 39 % - - Lanice conchilega 21 % 32 % 7 % 4 % - - Scoloplos armiger 11 % 14 % 7 % 13 % - - indet. - 11 % - OLIGOCHAETA Lumbricus spec. 32 % 9 % 7 % 4 % 76 % 60 % ARTHROPODA CRUSTACEA 68 % 41 % 60 % 78 % 6 % 10 % Carcinus maenas 21 % - 27 % 8 % - Liocarcinus spec. 11 % - - - - Carcinus oder Liocarc. 32 % 32 % 33 % 46 % - - Eupagurus bernhardus - - 8 % - - Eriocheir sinensis.. - - - 10 % indet. 11 % 14 % - 70 % 6 % INSECTA 42% 45% 33% 13% 94% 65% ECHINODERMATA Asterias rubens 11 % 9 % - 4 % - - VERTEBRATA PISCES 11% 14% 27% 9% 18% - AVES Eischalen - -6- % 5 % MAMMALIA - - - - 25 % VEGETABILIEN Gras 47% 23% 27% - 88% 45% Früchte 23 % 30 % 6 % 55 % Getreide - - - 41 % 50 % MÜLL - 7 % - - -

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 29 NORDSTRANDISCHMOOR SPEIBALLEN Die häufigsten Nahrungskomponenten zur Eiablagephase waren Crustaceen, Insekten, Gras, Muscheln und Eischalen (Tab. 2, Abb. 6). Während der Kükenaufzuchtphase fanden sich hauptsächlich Gras, Crustaceen, Insekten, Eischalen und Säuger (Tab. 2, Abb. 7). Das Nahrungsspektrum veränderte sich etwas zwischen den beiden Phasen. So wurden Gras und Säuger in der späteren Phase häufiger, Muscheln, Fisch, Regenwürmer und Getreide seltener nachgewiesen. Die Speiballen enthielten bis zu sechs verschiedene Komponenten (Tab. 4). Während der Eiablagephase enthielten die Speiballen von Nordstrandischmoor zu jeweils etwa zwei Dritteln Nahrungsobjekte des Wattbereichs bzw. des Landes. Tiere aus dem Discardbereich konnten immerhin noch in einem Viertel bis einem Drittel der Speiballen nachgewiesen werden (Tab. 5). Zur Kükenaufzuchtphase nahm die Häufigkeit terrestrischer Anteile weiter zu. Dagegen sank vor allem der Anteil des Discards in der Sturmmöwen-Nahrung. Speiballen waren zu beiden Phasen in etwa gleichen Anteilen homogener bzw. heterogener Herkunft (Tab. 6). Dabei enthielten solche homogenen Ursprungs während der frühen Phase zunächst fast ebenso oft Watt-Organismen wie Landbeute, der Anteil terrestrischer Nahrung stieg jedoch auf Kosten der Watt- und Discard-Nahrung deutlich an (Tab. 7). KOTPROBEN Die während der Eiablage der Sturmmöwen gesammelten Kotproben enthielten am häufigsten Crustaceen, Polychaeten und Insekten (Tab. 8, Abb. 8). Zur Kükenaufzuchtphase waren dies Crustaceen, Polychaeten und Muscheln (Tab. 8, Abb. 9). Die maximale Anzahl verschiedener Nahrungskomponenten in den Kotproben lag bei sechs (Tab. 9). Die im Kot nachgewiesene Nahrung enstammte zu beiden Phasen am häufigsten dem Watt, etwa die Hälfte der Proben enthielt Nahrung terrestrischer Herkunft (Tab. 10). Offene See und Discards spielten möglicherweise beide eine nicht unwichtige Rolle. Die genaue Herkunft der meisten Crustaceen und Fische in den Kotproben konnte durch fortgeschrittene Verdauung der Überreste aber nicht geklärt werden (Tab. 10). Der größere Teil der Kotproben entstammte offensichtlich (bei einem hohen Anteil ungeklärter Herkunft) mehr als einem Lebensraum (Tab. 11).

o U. KuBE-rzki: Emährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 100 100 Amrum r ANordstrandischmoor IN Lühesand 80-1- 80 60 60 40 1-40 20 0 7 F Bival Gastr 0 0 Poly Oligo Crust Ins Echi Pisces Ei Mam Gras Getr Frü Mil11 0 20 Abb. 8: Häufigkeit von Nahrungskomponenten in den Kotproben von Amrum (n = 19), Nordstrandischmoor (n = 15) und Lühesand (n = 17) wahrend der Eiablage. Bival = Bivalvia, Gastr = Gastropoda, Poly = Polychaeta, Oligo = Oligochaeta, Crust = Crustacea, Ins = Insecta, Echi = Echinodermata, Ei = Eischalen, Mam = Mammalia, Getr = Getreide, Frü = Früchte

z661 '6z.mes unep e Je6inqwek 100 Amrum Nordstrandischmoor Lühesand 100 80 80 60 60 40 40 20 7 20 0 Bival A Gastr A Poly Oligo Crust Ins Echi Pisces 7 1 Ei Mam Gras Getr Frü Müll 0 Abb. 9: Häufigkeit von Nahrungskomponenten in den Kotproben von Amrum (n = 22), Nordstrandischmoor (n = 23) und Lühesand (n = 20) während der Kükenaufzucht. Bival = Bivalvia, Gastr = Gastropoda, Poly = Polychaeta, Oligo = Oligochaeta, Crust = Crustacea, Ins = Insecta, Echi = Echinodermata, Ei = Eischalen, Mam = Mammalia, Getr = Getreide, Frü = Früchte

32 U. KUBETZKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Tab. 9: Anzahl der Nahrungskomponenten in den Kotproben der drei Brutkolonien. Eiabl. = Eiablagephase, Küken. = Kükenaufzuchtphase Kolonie Phase Elabl. Amrum Küken. Nordstrandischmoor Eiabl. Küken. Lühesand Eiabl. Küken. Anzahl Kotproben 19 22 15 23 17 20 1 Komponente 2 2 4 2 1 3 2 Komponenten 4 6 6 6 3 2 3 Komponenten 3 5 2 7 4 5 4 Komponenten 5 5 2 7 6 8 5 Komponenten 3 4 1-2 2 6 Komponenten 2-1 1 - Tab. 10: Häufigkeit der Herkunft von Kotproben aus den drei Brutkolonien, jeweils während der Eiablage und der Kükenaufzucht. Eiabl. = Eiablagephase, Küken. = Kükenaufzuchtphase Kolonie Phase Elabl. Amrum Küken. Nordstrandischmoor Eiabl. Küken. Lühesand Eiabl. Küken. Anzahl Kotproben 19 22 15 23 17 20 offene See/Fluß - 0-14 % 0-40 % 0-39 % 24 % - Discard 16-63 % 0-41 % 0-53 % 4-65 % - - Watt 84-95 % 68-82 % 67-73 % 78-96 % - 10 % Land 84 % 73 % 53 % 43 % 94 % 90 % Tab. 11: Häufigkeit von Kotproben aus den drei Brutkolonien, die bzgl. ihrer Herkunft homogen bzw. heterogen sind (s. Tab. 10). Eiabl. = Eiablagephase, Küken. = Kükenaufzuchtphase Kolonie Phase Eiabl. Amrum Küken. Nordstrandischmoor Eiabl. Küken. Lühesand Eiabl. Küken. Anzahl Kotproben 19 22 15 23 17 20 homogen 11 % 32 % 33 % 22 % 82 % 100 % heterogen 74 % 50 % 53 % 39 % 18 % - fraglich 16% 18% 13% 39% - -

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 33 LÜHESAND z SPEIBALLEN Regenwürmer, Insekten und Gras wurden in den Speiballen zur Eiablagephase auf Lühesand bei weitem am häufigsten gefunden (Tab. 2, Abb. 6). Während der Kükenaufzucht wurden Gras, Insekten, Regenwürmer, Säuger und Früchte am regelmäßigsten nachgewiesen (Tab. 2, Abb. 7). Während von der ersten zur zweiten Phase des Brutgeschäfts vor allem Regenwürmer, Insekten und Getreide an Bedeutung abnahmen, wurden Früchte und Säuger öfter in den Speiballen registriert (Tab. 2). Speiballen enthielten am häufigsten drei, in einigen Fällen auch bis zu vier verschiedene Nahrungskompenten (Tab. 4). Zu beiden Phasen enthielten nahezu alle Sturmmöwen-Speiballen von Lühesand Nahrung terrestrischen Ursprungs (Tab. 5). Beuteobjekte aus dem aquatischen Bereich spielten fast keine Rolle. Fast alle Speiballen waren homogener Herkunft (Tab. 6), wobei auch hier wiederum fast ausschließlich die terrestrischen Lebensräume aufgesucht wurden (Tab. 7). KOTPROBEN Sowohl während der Eiablage als auch während der Jungenaufzucht waren Insekten die am häufigsten nachgewiesene Nahrungskomponente im Kot Lühesander Sturmmöwen (Tab. 8). Darauf folgten zur frühen Phase Gras und Regenwürmer, zur späten Phase Regenwürmer und Früchte (Abb. 8 und 9). Die Kotproben enthielten gleichzeitig bis zu sechs verschiedene Nahrungskomponenten (Tab. 9). Zum überwiegenden Anteil entstammte die Nahrung terrestrischer Herkunft. Nur wenige Proben beinhalteten auch Objekte aquatischen Ursprungs (Tab. 10). In den Kolonien auf Nordstrandischmoor und Lühesand wurden in insgesamt drei Speiballen Partikel gefunden, die ihrer äußeren Erscheinung nach den bereits von LÖHMER & VAUK (1969) und anderen Autoren beschriebenen Plastikpellets entsprechen, die auf Helgoland in Mägen der Silbermöwe entdeckt wurden. Bei allen drei Kolonien in der Kükenaufzuchtphase (Amrum: x2 52,50, FG = 12, Nordstrandischmoor: x 2 = 109,25, FG = 12, Lühesand: x2= 45,68, FG = 9; alle p < 0,001) und bei Amrum auch in der Eiablagephase (x2 = 22,62, FG = 13, p < 0,05) zeigen sich signifikante Unterschiede in der Häufigkeit der einzelnen Nahrungskomponenten zwischen Speiballen und Kotproben (k x 2 - Felder - X2 - Test nach SACHS 1984).

34 U. KuBETzKi: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 3.2 EIMASSE Die in diesem Kapitel präsentierten Ergebnisse der Eimessungen haben zum Ziel, den Emährungszustand der Weibchen zum Zeitpunkt der Eiablage zu analysieren (vgl. Kap. 4.3). Folgende Messdaten bilden die Grundlage für die nachfolgenden Berechnungen zu den Volumen-lndices der jeweiligen Kolonie: AMRUM - 50 Gelege - 119 Eier - 6 Einer-Gelege - 19 Zweier-Gelege - 25 Dreier-Gelege NORDSTRANDISCHMOOR - 48 Gelege - 123 Eier - 5 Einer-Gelege - 11 Zweier-Gelege - 32 Dreier-Gelege LÜHESAND - 79 Gelege - 193 Eier - 15 Einer-Gelege - 14 Zweier-Gelege - 50 Dreier-Gelege VOLUMEN-INDICES 1995 Der Vergleich aller Eier aus allen vermessenen Gelegen in den drei Kolonien ergab, daß die Sturmmöwen auf Nordstrandischmoor die größten, auf Amrum die zweitgrößten und auf Lühesand die kleinsten Eier produzierten. Die Eivolumina auf Nordstrandischmoor waren signifikant größer als die aus der Kolonie Lühesand (Scheffe-Test; Tab. 12, Abb. 10). Keine signifikanten Unterschiede ließen sich dagegen bei folgenden Parametern finden (Tab. 12): - größtes Ei pro Gelege - kleinstes Ei pro Gelege - alle Eier aus 3er-Gelegen - die Summe der Volumen-Indices der Eier aller 3er-Gelege (Abb. 11) - Verhältnis von kleinstem zu größtem Ei bei 3er-Gelegen (Abb. 12) Trotz fehlender Signifikanzen in diesen Berechnungen läßt sich feststellen, daß die Kolonie auf Nordstrandischmoor bei allen Vergleichen die größten Eier aufwies. VERGLEICH VON 1985 BIS 1995 Unterschiede zwischen den Volumina von Lühesander Sturmmöwen-Eiem der Jahre 1985, 1988 und 1995 waren nicht signifikant, sowohl für die größten Eier pro Gelege als auch für alle Eier aus 3er Gelegen (Tab. 13). Es zeigt sich jedoch die Tendenz, daß sich die Ei- Volumina sowohl von 1985 auf 1988 als auch von 1988 auf 1995 nur geringfügig verringert haben.

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 35 Tab. 12: Vergleich der Volumen-Indices von Sturmmöwen-Eiern aus Amrum, Nordstrandischmoor und Lühesand. Alle Vergleiche zwischen den Kolonien wurden mit einer Oneway-ANOVA durchgeführt. (1) ALLE EIER DER UNTERSUCHTEN GELEGE, UNABHÄNGIG VON DER GELEGEGRÖSSE Kolonie Anzahl Volumen-Index: Eier Mittelwert ± Minimum Maximum Standardabw. Amrum 119 101,0 ± 8,4 70,8 119,0 Nordstrandischmoor 123 102,1 ± 8,5 82,9 123,1 Lühesand 193 99,3 ± 8,8 74,1 124,7 F = 4,23, p < 0,05 (2) GRÖSSTES EI PRO GELEGE Kolonie Anzahl Volumen-Index: Eier Mittelwert ± Minimum Maximum Standardabw. Amrum 50 104,8 ± 7,5 82,4 119,0 Nordstrandischmoor 48 105,2 ± 8,1 91,3 123,1 Lühesand 79 102,5 ± 8,5 75,8 124,7 F = 2,10, n.s. (p = 0,126) (3) KLEINSTES EI PRO 3ER-GELEGE Kolonie Anzahl Volumen-Index: Eier Mittelwert ± Minimum Maximum Standardabw. Amrum 25 93,78 ± 7,2 70,76 105,15 Nordstrandischmoor 32 97,63 ± 7,4 84,56 114,34 Lühesand 50 95,11 ±6,8 82,67 113,23 F = 2,28, n.s. (p = 0,108)

36 U. KueETzKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Forts. Tab. 12: (4) ALLE EIER AUS 3ER-GELEGEN Kolonie Anzahl Volumen-Index: Eier Mittelwert ± Minimum Maximum Standardabw. Amrum 75 100,3 ± 8,2 70,8 119,0 Nordstrandischmoor 96 102,4 ± 8,1 84,6 102,4 Lühesand 150 100,2 ± 8,5 82,7 100,2 F = 2,42, n.s. (p = 0.090) (5) SUMMIERTE VOLUMEN-INDICES ALLER 3ER-GELEGE Kolonie Anzahl Volumen-Index: Gelege Mittelwert ± Minimum Maximum Standardabw. Amrum 25 301,0 ± 18,7 250,9 334,4 Nordstrandischmoor 32 307,3 ± 20,9 270,3 356,2 Lühesand 50 300,5 ± 21,3 260,1 357,7 F = 1,18, n.s. (p = 0,312) (6) VERHÄLTNIS VON KLEINSTEM ZU GRÖSSTEM EI BEI 3ER GELEGEN Kolonie Anzahl Volumen-Index: Gelege Mittelwert ± Minimum Maximum Standardabw. Amrum 25 0,891 ± 0,053 0,775 0,955 Nordstrandischmoor 32 0,917 ± 0,042 0,822 0,994 Lühesand 50 0,911 ± 0,045 0,765 0,990 F = 2,35, n.s. (p = 0,100)

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 37 Anzahl der Eier AMRUM 60 50 40 30 20 10 0 rez 71-77 78-84 85-91 92-98 99-105 106-111 112-118 119-125 Volumen-Index 60 Anzahl der Eier NORDSTRANDISCHMOOR 50 40 30 20 10 0 71-77 78-84 85-91 r»,/ // A / / 7 92-98 99-105 Volumen-Index A er z.z/zz- 106-111 112-118 119-125 60 Anzahl der Eier LÜHESAND 50 40 30 20 10 0 71-77 78-84 85-91 92-98 99-105 106-111 112-118 119-125 Volumen-Index Abb. 10: Häufigkeitsverteilung der Volumen-Indices aller Eier aller untersuchten Gelege

38 U. KuBETzKi: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 12 10 8 6 4 Anzahl der Gelege AMRUM 2 0 iryy V I 251-260 261-270 271-280 281-290 291-300 30 1-3 10 311-320 321-330 331-340 341-350 351-360 Summe der Volumen-Indices 12 10 8 Anzahl der Gelege NORDSTRANDISCHMOOR 6 4 % / 3, A.%/, vz///// F, / / A A A A 251-260 261-270 271-280 281-290 291-300 301-310 311-320 321-330 331-340 341-350 351-360 Summe der Volumen-Indices 12 10 8 6 Anzahl der Gelege LÜHESAND 4 2 r A A 251-260 261-270 271-280 281-290 291-300 301-310 311-320 321-330 331-340 341-350 351-360 Summe der Volumen-Indices Abb. 11: Häufigkeitsverteilung der summierten Volumen-Indices aller Eier aller 3er- Gelege

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 39 AMRUM r 0,76-0,79 0,80-0,82 0,83-0,85 0,86-0,89 0,90-0,92 Verhältnis der Volumen-Indices 0,93-0,96 0,97-1,00 16 Anzahl der Gelege NORDSTRANDISCHMOOR 12 8 4 0 0,76-0,79 0,80-0,82 0,83-0,85 0,86-0,89 0,90-0,92 0,93-0,96 0,97-1,00 Verhältnis der Volumen-Indices Anzahl der Gelege LÜHESAND 0,76-0,79 0,80-0,82 0,83-0,85 0,86-0,89 0,90-0,92 0,93-0,96 0,97-1,00 Verhältnis der Volumen-Indices Abb. 12: Häufigkeitsverteilung der Verhältnisse von kleinstem zu größtem Ei bei allen 3er-Gelegen

40 U. KUBETZKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Tab. 13: Vergleich der Volumen-Indices von Sturmmöwen-Eiern der Insel Lühesand von 1985 bis 1995. Daten von 1985 und 1988: HÜPPOP briefl. (teilweise veröff. in HÜPPOP 1991), Daten von 1995: diese Arbeit (1) GRÖSSTES El PRO GELEGE Jahr Anzahl Volumen-Index: Gelege Mittelwert ± Minimum Maximum Standardabw. 1985 35 104,8 ± 8,5 89,7 126,0 1988 35 102,6 ± 9,8 84,2 128,0 1995 79 102,5 ± 8,5 75,8 124,7 F = 0,93, n.s. (p = 0,395) (2) ALLE EIER AUS 3ER-GELEGEN Jahr Anzahl Volumen-Index: Eier Mittelwert ± Minimum Maximum Standardabw. 1985 84 100,4 ± 9,7 81,3 126,0 1988 63 100,2 ± 10,3 77,8 128,0 1995 150 100,2 ± 8,5 82,7 124,7 F = 0,01, n.s. (p = 0,985) Tab. 14: Sturmmöwen als Schiffsfolger an kommerziellen Fischereifahrzeugen in der Deutschen Bucht von Mai bis Juli 1993-1995 Fischereityp Anzahl Präsenz Mittel- Maxi- Kutter wert mum Garnelenkutter 21 57 % 11,1 75 Stellnetzkutter 12 0 % 0 0 Baumkurrenkutter 22 5 % 0,5 10 Scherbrettkutter 5 0 % 0 0

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 41 3.3 STURMMÖWEN ALS SCHIFFSFOLGER Die Zählungen von Sturmmöwen hinter fischenden Kuttern bzw. Forschungsschiffen ergaben folgendes: Sturmmöwen zeigten als Schiffsfolger kommerzieller Fischkutter einen klaren Land-See- Gradienten. So traten sie als Schiffsfolger regelmäßig nur in der im Wattenmeer praktizierten Gamelenfischerei auf, während sie hinter anderen Fischereifahrzeugen selten bzw. gar nicht registriert wurden (Tab. 14). Außerhalb des Wattenmeeres wurden sie nur vereinzelt, allerdings auch recht küstenfern, registriert. Insgesamt ist die Anzahl an schiffsfolgenden Sturmmöwen in der Deutschen Bucht gering. 3.4 BESTAND UND BESTANDSENTWICKLUNG Die Küsten von Nord- und Ostsee einschließlich der Flußästuare beherbergen den allergrößten Teil (etwa 80%) der in Deutschland brütenden Sturmmöwen (Tab. 15). Die Binnenlandvorkommen sind nur in der ostholsteinischen Seenplatte nennenswert. Europaweit betrachtet sind die deutschen Brutbestände jedoch gering, sie umfassen nur etwa 3 % des gesamten Brutbestandes (Tab. 15). Die wichtigsten Brutvorkommen befinden sich in Norwegen, Schweden, Rußland und Finnland (TASKER 1994). Die für die Untersuchungen ausgewählten Brutkolonien Lühesand und Amrum sind die beiden größten der Nordseeküste einschließlich der Ästuare von Elbe und Weser. Nordstrandischmoor ist immerhin noch die zweitgröße Kolonie an der schleswig-holsteinschen Nordseeküste (Tab. 16). Der Bestand der Sturmmöwe hat sich in den einzelnen landschaftlichen Großräumen Norddeutschlands ganz unterschiedlich entwickelt (Tab. 17). So stiegen an der Nordseeküste in fast allen Kolonien die Bestände deutlich an. Der Gesamtbestand nahm dort allein von ca. 1.600 Paaren 1982 (TAUX 1984) auf ca. 6.900 Paare im Jahre 1995 (SÜDBECK & HÄLTERLEIN 1997, MLODY 1996) zu. Die Brutpaarzahlen der zahlenmäßig wichtigen Kolonien Langeoog, Mellum, Lühesand und Trischen stiegen vor allem seit Anfang der 80er Jahre deutlich an (Abb. 13); lediglich für die Amrum-Odde (es handelt sich hier nur um einen Teil des Brutplatzes Amrum) kann dieser Trend nicht bestätigt werden. Der Bestand im Binnenland ist hingegen, bei lokal unterschiedlichen Trends, in etwa gleichgeblieben. Nach nur rund 800 Paaren im Zeitraum 1971-1973 schätzt BERNDT (1980) den Bestand in der Seenplatte des Östlichen Hügellandes für 1978-79 auf etwa 2.200 Paare. KOOP (lt. Archiv OAG Schleswig-Holstein und Hamburg e.v.) ermittelte 1996 im gleichen Bereich rund 2.500 Paare. In den Hochmooren Schleswig-Holsteins gingen die Zahlen von

N U. KuBETzKi: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Tab. 15: Brutbestand der Sturmmöwe in Deutschland und Europa. Es wurden jeweils die aktuellsten verfügbaren Angaben verwendet. Die Zahlenangaben sind meist gerundet. Staaten mit Beständen unter 100 Paaren sowie Einzelvorkommen in Deutschland sind nicht aufgelistet. k.a. = keine Angabe DEUTSCHLAND: Gebiet Bestand Zeitraum Quelle Nordseeküste Schleswig-Holstein 2.700 1995 SÜDBECK & HÄLTERLEIN (1997), MLODY (1996) Ostseeküste Schleswig-Holstein ca. 2.700 1995 BERNDT (briefl.), Jahresberichte Verein Jordsand Binnenland Schleswig-Holstein 2.700-2.900 1996 KOOP lt. Archiv OAG Schl.-Holst., BERNDT (1995) Nordseeküste Niedersachsen 4.200 1995 SÜDBECK & HÄLTERLEIN (1997) Ostseeküste Meckl.-Vorpommern 4.700 1995 KOEPPEN (1997) Binnenland Niedersachsen 115 1987 GOETHE (1991a) Nordrhein 200-250 1996 MEYER & SUDMANN (1996) Binnenl. ostdeutsche Bundesländer 250-500 1980er NICOLAI (1993)

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 Forts. Tab. 15: EUROPA: Gebiet Bestand Zeitraum Quelle Deutschland 17.600-18.100 s. oben s. oben Niederlande 7.900 1992 VAN DIJK & MEININGER (1995) Großbritannien, Küste 14.800 1985-87 LLOYD et al. (1991) Großbritannien, Binnenland 53.000 1985-87 LLOYD et al. (1991) Irland, Küste 900 1985-87 LLOYD et al. (1991) Irland, Binnenland 2.700 1985-87 LLOYD et al. (1991) Polen 3.500-4.300 k.a. TASKER (1994) Lettland 600 1986 PRIEDNIEKS et al. (1989) Weißrußland 500-1.200 1987 TASKER (1994) Dänemark 29.000-29.300 1988 TASKER (1994) Faröer-Inseln 500-1.000 1981 TASKER (1994) Estland 10.000-15.000 k.a. TASKER (1994) Finnland 50.000-60.000 1992 TASKER (1994) Island 300-400 k.a. TASKER (1994) Litauen 100-150 1985-88 TASKER (1994) Norwegen mind. 150.000 1974-89 LORENTSEN (1994) Rußland 40.000-60.000 1984-88 TASKER (1994) Schweden 100.000-200.000 1987 TASKER (1994)

44 U. KuBETzK1: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Tab. 16: Übersicht über die größten Sturmmöwenkolonien an der deutschen Nordseeküste im Jahr 1995 (aus MLODY 1996 und SÜDBECK & HÄLTERLEIN 1997). Einige Gebiete wurden zusammengefaßt; nur Gebiete mit mehr als 50 Paaren sind aufgelistet. Schleswig-Holstein: Nordfriesland: Amrum 1120 Hallig Nordstrandischmoor 254 Hallig Langeneß 245 Hallig Südfall 133 Sylt 120 Vorland Hamburger Hallig 120 Hallig Hooge 108 Föhr 107 Hallig Gröde 72 Dithmarschen: Trischen 87 Unterelbe: Pagensand 120 Niedersachsen: Ostfriesland: Spiekeroog 517 Langeoog 333 Norderney 227 Borkum 150 Juist 115 Memmert 65 Weser-Jade-Ästuar: Mellum 270 Minsener Oog 90 Unterelbe: Lühesand 2300 Hullen 86

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 45 Tab. 17: Bestandsentwicklung der Sturmmöwe in ausgewählten Brutgebieten Norddeutschlands. Die Bestandsentwicklung ist als Zu-/Abnahme des aktuellen Bestandes in % gegenüber dem Bestand vor 5 bzw. 11 bzw. 18 bzw. 25 Jahren angegeben. Der aktuelle Bestand für die Nord- und Ostseeküste stammt von 1995, der für die Seenplatte von 1996. Quellen: BEHM-BERKELMANN & HECKENROTH (1991), BERNDT (1980 und briefl.), ERFURT & DIERSCHKE (1992), HÄLTERLEIN (1996), HÄLTERLEIN & BEHM-BERKELMANN (1991), KOOP lt. Archiv OAG Schleswig-Holstein und Hamburg e.v., MLODY (1996), SUDBECK & HÄLTERLEIN (1997), TAUX (1986), Jahresberichte des Vereins Jordsand in der Zeitschrift "Seevögel". - = keine Bestandsangabe aktueller Zu- bzw. Abnahme gegenüber Bestand dem Bestand vor... 5 Jahren 11 Jahren 18 Jahren 24 Jahren NORDSEEKÜSTE INCL. ÄSTUARE: Langeoog 333-50 % + 56 % + 446 % + 851 % Mellum 270 + 80 % + 218 % + 718 % + 1700 % Lühesand 2300 + 61 % + 272 % + 1725 % + 576 % Trischen 87 ± 0 % + 335 % + 867 % + 988 % Nordstrandischmoor 254 + 218 % + 291 % Amrum 1120 + 5 % + 96 % OSTSEEKÜSTE: Oehe-Schleimünde 563 + 28 % - 44 % - 68 % - 72 % Graswarder 2100-5 % - 40 % - 12 % - 58 % BINNENLAND: Gr. Plöner See 932 + 37 % + 145 % Lanker See 820 + 17 % + 720 % Behler See 300-14 % + 20 %

46 U. KuBETzki: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 250 Paare AMRUM-ODDE 120 Paare TRISCHEN 200 150 100 50 0 50 55 60 65 70 75 Jahr 80 85 90 95 100 80 60 40 20 01 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 Jahr 300 Paare MELLUM 250 200 150 100 Paare 700 600 500 400 300 200 LANGEOOG 50 100 0 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 Jahr Jahr Paare 2500 LÜHESAND Quellen: BEHM-BERKELMANN & HECKEN- ROTH (1991), HÄLTERLEIN (1996, briefl.), HÄLTERLEIN & STEINHARDT (1993), HÄLTERLEIN & SÜDBECK (1996), MLODY (1996), SÜDBECK & HÄLTERLEIN (1994, 1995, 1997) Jahr Abb. 13: Bestandsentwicklung der Sturmmöwe in wichtigen Brutgebieten im Einzugsbereich der deutschen Nordseeküste von 1950 bis 1995.

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 47 Paare 3000 OEHE-SCHLEIMÜNDE 2500 2000 1500 1000 r 500 0 T I I 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 Jahr Paare 7000 GRASWARDER 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 I I ---I--- 7 --- I--- 50 55 60 65 70 75 80 85 90 95 Jahr Abb. 14: Bestandsentwicklung der Sturmmöwe in den beiden großen Brutgebieten an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste von 1950 bis 1995. Quellen: ERFURT & DIERSCHKE (1992) sowie Jahresberichte des Vereins Jordsand für Oehe-Schleimünde in der Zeitschrift "Seevögel", BERNDT (briefl.) für Graswarder.

48 U. KuaErzki: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 350 Paaren im Jahre 1968 (DRENCKHAHN et al. 1968) auf ca. 180 Paare Mitte der 90er Jahre (BERNDT 1995) zurück. Hier kam es wiederholt zu Kolonieauflösungen und - neugründungen (THIES 1978, BERNDT 1995). Den nordseenahen Kolonien stehen schließlich deutliche Bestandsabnahmen in den beiden Hauptkolonien der Ostseeküste (Oehe-Schleimünde und Graswarder) gegenüber (Abb. 14). Auf Oehe-Schleimünde kam es ab Anfang der 70er Jahre zu einem krassen Bestandsrückgang, der erst seit Mitte der 90er Jahre allmählich zum Stillstand kommt. Auch in Graswarder kam es zu einem starken Bestandsrückgang von 6.000 Paaren im Jahr 1970 auf 2.500 Paare im Jahr 1975. Gegen Mitte der 80er Jahre nahm der Bestand erneut deutlich zu, mit einem Maximum von 4.300 Paaren im Jahr 1987. Danach ging der Sturmmöwenbestand wiederum erheblich zurück (Abb. 14). Sturmmöwen auf der Pionierinsel bei Lühesand

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 49 4 DISKUSSION 4.1 NAHRUNGSANALYSEN UND NAHRUNGSWAHL In diesem Kapitel werden zum einen die Vor- und Nachteile der angewandten Methoden bei den von mir vorgenommenen Nahrungsanalysen kritisch hinterfragt und diskutiert. Zum anderen soll versucht werden, die Nahrungswahl der Sturmmöwe möglichst genau zu rekonstruieren. Dies beinhaltet, daß die unterschiedliche Gewichtung und Repräsentanz der einzelnen Nahrungskomponenten, die sich bei der Analyse von Speiballen und Kotproben zwangsläufig ergibt, berücksichtigt wird (s. unten). Intra- und interspezifische Vergleiche zu anderen Studien und anderen Möwenarten folgen im anschließenden Kapitel "Ernährungsstrategien der Sturmmöwe". Die Analyse der Nahrung von Seevögeln kann auf verschiedenste Art und Weise durchgeführt werden (Übersichten z.b. in DUFFY & JACKSON 1986). Sofern Methoden gewählt werden, die die Tiere selbst schonen, muß in Kauf genommen werden, daß die erzielten Ergebnisse eine gewisse Gewichtung zur Folge haben. Am weitesten verbreitet sind Analysen von Speiballen und Kotproben, von Auswürgungen der noch frischen Nahrung, die meist von Küken produziert werden und Magenspülungen. Da die alleinige Anwendung der einzelnen Analysemethoden zu oftmals recht stark voneinander abweichenden Ergebnissen führt (DUFFY & JACKSON 1986, BROWN & EWINS 1996), wurde in dieser Arbeit auf eine reine Speiballen-Untersuchung verzichtet und in Kombination zusätzlich Kotproben analysiert. Durch Küken ausgewürgte Nahrungsreste konnten in der späteren Phase nur in unzureichendem Maße gewonnen werden und finden daher in dieser Arbeit keine Berücksichtigung. Auf das störungsintensive Fangen von Altvögeln mit dem Ziel, sie zum Auswürgen von Nahrung zu bringen, wurde gänzlich verzichtet. BROWN & EWINS (1996) unternahmen an nordamerikanischen Ringschnabelmöwen (Larus delawarensis) Vergleiche zwischen Altvogel-Speiballen und Auswürgungen von Küken und Altvögeln. Sie kamen zu dem Ergebnis, daß es bei den Auswürgungen keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Alt- und Jungvögeln gab. Allerdings unterschieden sich Speiballen und ausgewürgte Nahrung sehr deutlich voneinander, wobei Speiballen aber kaum die leichtverdaulichen Komponenten wie z.b. Regenwürmer und Fische widerspiegelten. Übertragen auf meine Untersuchungen an den Sturmmöwen könnte gefolgert werden, daß die Analyse von ausgewürgter Nahrung durch Altvögel zu ganz anderen Gewichtungen der einzelnen Nahrungskomponenten geführt hätte. Daher muß die Interpretation bezüglich der Nahrungswahl anhand der Analyse von Speiballen und Kotproben sehr sorgfältig gewertet und gewichtet werden. Der größte Wert bei der von mir verwendeten Methode liegt offensichtlich im Studium der

50 U. KueETzKi: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Unterschiede zwischen Gebieten, Individuen und Jahreszeiten. Desweiteren sollte bei der Probennahme berücksichtigt werden, daß Unterschiede zwischen Individuen, einzelnen Tagen und sogar Tageszeiten auftreten können (DUFFY & JACKSON 1986, BROWN & EWINS 1996). Ein aus Speiballen und Kotproben entworfenes Bild der Nahrung bleibt somit stets etwas subjektiv (FURNESS & MONAGHAN 1987). Erwartetermaßen konnten im Kot weiche, leichter verdauliche Tiere mit nur wenigen Überresten, insbesondere Polychaeten, besser nachgewiesen werden als in den Speiballen. Dafür waren im Kot z.b. Eischalen, Säugetiere und Otolithen weniger stark repräsentiert. Es ist daher augenfällig, daß eine Kombination der beiden Methoden sinnvoll ist. Nachfolgend soll versucht werden, die jeweils wichtigste Nahrung für die drei Kolonien und die beiden Phasen zu ermessen. Dabei wird die unterschiedliche Verdaulichkeit von Hartund Weichteilen (DUFFY & JACKSON 1986) ebenso berücksichtigt wie die unterschiedliche Biomasse der Nahrungskomponenten, der unterschiedliche Energiegehalt der Nahrung (z.b. CUMMINS & WUYCHECK 1971) und die assimilatorische Effizienz für verschiedene Nahrungstypen (CASTRO et al. 1989). Als Beispiel sei genannt: Fisch wird bei gleicher Häufigkeit in den Speiballen und Kotproben als viel wichtiger für die Ernährung der Sturmmöwe eingeschätzt als Muscheln (z.b. Cerastoderma edule). Ersterer ist relativ leicht verdaulich, energiereich mit meist hoher Biomasse und kann zudem vermutlich in den Nahrungsresten nicht immer nachgewiesen werden. Muscheln dagegen sind relativ energie- und biomassearm, durch ihre harte Schale schwerverdaulich und sie hinterlassen in den Exkrementen bzw. Speiballen der Vögel sicherlich stets Reste. So bewertet ergibt sich m.e daß die folgenden Komponenten die Hauptnahrung der Sturmmöwen ausmachten: Amrum: Eiablagephase: Polychaeten, Fisch, Crustaceen Kükenaufzuchtphase: Polychaeten, Regenwürmer, Fisch Nordstrandischmoor: Eiablagephase: Crustaceen, Fisch, Polychaeten Kükenaufzuchtphase: Crustaceen, Polychaeten Lühesand: Eiablagephase: Regenwürmer, Fisch, Insekten Kükenaufzuchtphase: Säugetiere, Regenwürmer, Kirschen

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 51 Insekten wurden in allen Kolonien recht häufig erbeutet, jedoch dürften sie aufgrund ihrer geringen Biomasse und dementsprechend geringen absoluten Energiegehaltes nicht zum wichtigsten Beutetyp der Sturmmöwen gehören, worauf auch ihr häufiges, aber mengenmäßig unbedeutendes Vorkommen in den meisten Speiballen schließen läßt. Hier zeigt sich erneut die Problematik bei der Nahrungsanalyse in Form der Häufigkeit des Vorkommens einer Nahrungskomponente (vgl. Material und Methode). In den Speiballen und Kotproben Lühesands wurden jedoch sehr oft und teils in beträchtlicher Anzahl Insekten gesichtet, so daß sie hier als ein wesentlicher Anteil bei der Sturmmöwen-Nahrung eingeschätzt werden. Gras wurde in sehr vielen, Getreide in einigen Speiballen und Kotproben nachgewiesen. Auch frühere Untersuchungen zur Ernährung der Sturmmöwe ergaben stets einen deutlichen, nicht unerheblichen Anteil an Vegetabilien. Fressen Möwen dieses pflanzliche Material wirklich aktiv oder gerät es nur passiv in die Speiballen? BROWN & EWINS (1996) fanden in Speiballen von Ringschnabelmöwen einen auffallend hohen Anteil an Grasresten, die sie sich mit der Unfähigkeit der Möwen, diese verdauen zu können, erklären. BROWN (pers. Mitt.) vermutet die zufällige Aufnahme von Gräsern während der Jagd auf Insekten und Regenwürmer. Da Speiballen in größeren zeitlichen Abständen (bis hin zu Wochen) produziert werden können, reichere es sich nach und nach in den Mägen an und sei bei der Analyse daher überrepräsentiert. Andere Autoren berichten, daß Ringschnabelmöwen zumindest aktiv Körner und Getreide fressen. BROWN spekuliert, daß er Beschwerden über Möwen an Vogelhäuschen, Futterstellen etc. erwarten würde, wenn dem wirklich so wäre. Er gibt allerdings zu, daß nur Versuche darüber genauen Aufschluß geben könnten, indem man in der Nähe einer Kolonie beispielsweise Gras, Körner und Getreidespelzen plaziert und beobachtet, ob die Möwen sie gezielt fressen. Der Leiter des Tierparks Neumünster bestätigte mir, daß die dortigen Sturmmöwen im Rahmen einer Mischkost u.a. auch Getreideschrot und -kömer erhalten und diese auch aktiv aufnehmen. Ob und wieviel davon allerdings verdaut wird, konnte bisher nicht geklärt werden. HERBST (zit. in GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1982) fand heraus, daß der Verdauungstrakt der Sturmmöwe wie der der anderen Landen zwar einem typischen Tierfresser-Darm entspricht, dank der kräftigen Muskulatur aber auch eine gewisse Zerkleinerung von (vor allem keimenden) Kömem erlaubt. Gesichert ist zumindest, daß schwerverdauliche Pflanzen eine viel höhere Verweildauer im Magen haben als leichtverdauliche Tiere, wie SWANSON & BARTONEK (1970) für Samen (> als 3 Tage) und Amphipoden (20 min) bei der Blauflügelente (Anas discors) zeigen. Meiner Meinung nach fressen Sturmmöwen gezielt Getreide und Körner und sind wohl auch durchaus in der Lage, diese zu verdauen. Die Aufnahme von Gras geschieht dagegen wohl eher zufällig, z.b. während der Jagd nach Insekten, Regenwürmern oder

52 U. KueETzKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Säugern. Die einzelnen Halme könnten sich dann im Verdauungstrakt anreichern, bis ein entsprechender Speiballen geformt und ausgespuckt wird. Für denkbar halte ich auch eine magenreinigende Wirkung des Grases. Man kennt dies z.b von Hunden oder Katzen, die ab und zu Gras fressen, um störende Substanzen aus dem Magen besser ausscheiden zu können. Es gibt eine ganze Reihe von Besonderheiten und Charakteristika bei der Nahrungswahl der Sturmmöwen in den drei Kolonien, auf die nachfolgend eingegangen werden soll. Auffällig ist der hohe Anteil von Kirschen in den Speiballen von Lühesand, insbesondere in der Kükenaufzuchtsphase. Die starke Nutzung dieser Nahrungsquelle kann gut dadurch erklärt werden, daß die Kolonie ganz in der Nähe von großen Kirschplantagen liegt. Süßkirschen reifen generell etwa Mitte Juni, Sauerkirschen Anfang Juli. BERLINER et al. (1995) fanden Kirschen sogar in über 60 % der Sturmmöwen-Speiballen, die zwischen Mitte Juni und Ende Juli 1992 produziert wurden. Sie schätzen den Gesamtkonsum von Kirschen der Kolonie Lühesand im darauffolgenden Jahr auf über 3.000.000 Stück bzw. rund 20.000 kg. Sturmmöwen werden daher bei den dortigen Bauern als Schädlinge angesehen. Wie Rainer Hawmann und die "Jugend-forscht-AG" vom Stader Vincent- Lübeck-Gymnasium nach den Angaben der Obstbauversuchsanstalt über Baumobsterhebungen und Erntemengen pro Hektar errechnet haben, liegt der durch die Möwen verursachte Emteausfall aber weit unter einem Prozent. Das Äquivalent zu den Kirschen auf Lühesand ist in der Amrumer Kolonie die Nutzung der Früchte der Krähenbeere Empetrum nigrum, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie die Nutzung der Kirschen auf Lühesand. Die Krähenbeeren werden ebenfalls ab Juni in den Dünen der Insel, also z.t. direkt in der Umgebung der Nester, gefressen. Wo jagen die Sturmmöwen ihre Beute? Hierzu wurde eine Unterteilung in vier Habitatgruppen vorgenommen, nämlich "offene See bzw. Fluß", "Discard", "Watt" und "Land". Die Zuordnung der einzelnen Komponenten zu diesen vier Kategorien (Tab. 1) ist nicht unproblematisch, da es eine Reihe von Unklarheiten gibt. Insbesondere die Fische können strenggenommen sowohl auf der offenen See, als Discards oder auch in Prielen des Wattenmeeres erbeutet worden sein. Fische, die klassischerweise zum Discard gezählt werden (Gadiden, Leierfisch; GARTHE 1993), machten bei ihrer Zuordnung dabei weniger Probleme als z.b. Clupeiden, die sowohl in der Discard-Fraktion (also in dem Teil des Fanges, der ungenutzt wieder über Bord geht) der Garnelenkutter (WALTER & BECKER 1994) als auch auch der offenen See erbeutet worden sein könnten (SPAANS et al. 1994, GARTHE 1997). Auch Plattfische gehören zum typischen Discard, sowohl der Garnelenkutter (z.b. WALTER & BECKER 1994), als auch der Baumkurrenkutter (z.b.

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 53 CAMPHUYSEN 1993). DERNEDDE (1993) beobachtete allerdings, wie Silbermöwen bis zu 20 cm lange Plattfische in Flachwasserbereichen des Wattes erbeuteten. Auch Sturmund Lachmöwen fraßen dort oft kleine Fische. Schwierig ist auch die Zuordnung der Schwimmkrabbe und des Einsiedlerkrebses zum Discard und der Strandkrabbe zum Watt, denn erstere könnten auch hin und wieder abseits der Fischkutter von Sturmmöwen gefressen worden sein, während letztere nach den untermaßigen Garnelen (also zu kleinen und wieder ins Meer zurückgeworfenen Individuen) immerhin die häufigste Komponente im Discard von Gamelenkuttem war (WALTER & BECKER 1994). Garnelen (Crangon crangon) schließlich können sowohl aus dem Watt als auch aus dem Discard stammen. Das Insekten nicht zwangsläufig an Land erbeutet worden sein müssen, belegen Beobachtungen von WINTER (1996), der an Bord eines Forschungsschiffes mitten in der Nordsee Sturmmöwen entdeckte, die dort Insekten fingen. Ähnliches entdeckte SCHWILCH (briefl.), die auf mehreren Forschungsfahrten oberflächennahe Planktonproben nahm und selbst fernab der Küste mitunter hohe Zahlen verschiedenster Insektengruppen fand. Trotz dieser interessanten Beobachtungen gehe ich davon aus, daß der überwiegende Teil der Insekten in den untersuchten Speiballen an Land erbeutet wurde, so daß sich die Zuordnung zur Habitatgruppe "Land" ergibt. Inwieweit nutzen Sturmmöwen der seewärtigen Kolonien Nahrung der offenen See, also außerhalb der Wattflächen und abseits der Fischkutter? GARTHE (1997) vermutet aufgrund der durch Forschungsschiffahrten ermittelten Verbreitung in der Deutschen Bucht im Sommer 1993 und 1994, daß die Sturmmöwe in nicht unerheblichen Maße auf See Nahrung erbeutet Er schlägt einen Zusammenhang zwischen den an Salzgehalts-Fronten laichenden Sprotten (Sprattus sprattus) und dort vielfach nahrungssuchend beobachteten Sturmmöwen vor. Allerdings konnte ich nur zweimal Clupeiden in Nahrungsproben der Sturmmöwe nachweisen. Inwieweit Sprotten einen Teil der vielen unbestimmten Fischreste ausmachen, kann nicht gesagt werden. Möglich ist ferner, daß einzelne Krebsreste von pelagischen Formen stammen. Eine zu weit fortgeschrittene Verdauung dieser Tiere ließ hier keine weiteren Schlußfolgerungen zu. Desweiteren sind Plastikpellets in den Speiballen ein Hinweis auf möglicherweise von der offenen See stammenden Nahrung. DENKINGER et al. (1990) stießen bei ihren Untersuchungen an Totfunden an der schleswig-holsteinischen Küste bei elf Eissturmvögeln und einer Dreizehenmöwe auf Plastikpellets in den Mägen der Tiere. Besagte Partikel bilden ein Rohprodukt (Polyethylen), welches von der Plastikindustrie zur Weiterverarbeitung eingeschmolzen wird. Das schwimmfähige Granulat gelangt durch unsachgemäße Handhabung bei Transport und Verladung im Hafenbereich ins Meer und von dort als "Irrläufer' in die Mägen der Vögel. Denkbar ist allerdings auch, daß die auf See in beachtlicher Dichte (GARTHE 1997) beobachteten Sturmmöwen Brutvögel anderer Kolonien als Amrum und Nordstrandischmoor sind, vielleicht aber auch

54 U. KuaErzki: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands im Juli (zum Zeitpunkt der Verbreitungsuntersuchungen auf See) nicht mehr am Brutgeschäft beteiligt waren (z.b. Individuen früher, gestörter oder abgebrochener Bruten). Betrachtet man die Nahrung der Sturmmöwen in den drei Kolonien, so stellt man leicht fest, wie vielfältig die Nahrungswahl dieser Art ist, sowohl bereits innerhalb der einzelnen Kolonien, als auch beim Vergleich zwischen den Kolonien. Kaum ein Nahrungstyp bleibt ungenutzt, viele potentielle Nahrungsobjekte konnten aufgrund ihrer leichten Verdauung - möglicherweise gar nicht erst festgestellt werden. Die Flexibilität bei der Ernährung wird auch deutlich, wenn man die Veränderungen zwischen den Brutphasen betrachtet. Bei Amrum und Nordstrandischmoor verliert die aquatische Beute im Verlauf der Brutzeit an Bedeutung, was etwas überrascht, denn gerade Möwen-Küken werden bevorzugt mit Fisch gefüttert (BROWN & EWINS 1996). Diese Diskrepanz ist aber wohl methodisch bedingt. Küken verwenden z.b. kalkhaltige Reste zur eigenen Knochenbildung und produzieren daher keine bzw. nur wenige Speiballen (HUPPOP briefl.). Die gesammelten Proben dürften daher in erster Linie die Nahrung der Alttiere wiedergeben. Die Sturmmöwen Lühesands ernähren sich nahezu ausschließlich von terrestrischer Nahrung. Dennoch ist auch hier ein starker Wandel festzustellen; so dürfte sich die Nutzung der im Mai kurzgrasigen Flächen am Deich und im Binnenland mit guter Regenwurm-Verfügbarkeit gegen Ende Juni/Anfang Juli deutlich verschlechtert haben, da dann die Flächen vielfach hochgewachsen und stark verfilzt sind (eigene Beobachtung). Dafür gewinnen die Kirschen (s. oben) und Säugetiere erheblich an Bedeutung. Auch DERNEDDE (1992) führt Veränderungen des Nahrungsspektrums in seiner Untersuchung im Königshafen/Sylt in erster Linie auf veränderte Verfügbarkeiten der einzelnen Nahrungsobjekte zurück. So sind z.b. für die Verfügbarkeit der Benthosbewohner die Seewassertemperaturen entscheidend; sie gingen bei seinen Untersuchungen von September bis Dezember von 17 C auf 5 C zurück. Viele benthische Wirbellose ziehen sich dann in größere Wasser- und/oder Sedimenttiefen zurück. 4.2 ERNÄHRUNGSSTRATEGIEN DER STURMMÖWE In diesem Kapitel soll zunächst ein Vergleich zwischen den Emährungstrategien der von mir untersuchten Sturmmöwen und denen anderer Studien stattfinden. Nachfolgend wird interspezifisch verglichen, da alle Koloniestandorte auch Brutplätze anderer Larus-Arten sind. Die Sturmmöwen der Unterelbe wurden bereits zweimal eingehender untersucht. BERLI- NER et al. (1995) analysierten Speiballen während der Brutsaison 1992 auf Lühesand. Sie

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 55 kamen im Großen und Ganzen zu recht ähnlichen Ergebnissen, nämlich geringe Bedeutung von aquatischen Organismen (Fische, Krebse), große Bedeutung von Kirschen und Säugetieren. Insekten fanden BERLINER et al. (1995) in geringerer Menge. Regenwürmer wurden überhaupt nicht nachgewiesen, was sicher auf ein Übersehen der Borsten (Abb. 5) in den Speiballen zurückzuführen ist. Auch HÜPPOP (1991) fand auf Lühesand Fische nur in zehn und Wollhandkrabben nur in vier von 98 Speiballen aus den Brutzeiten 1983 und 1985, während der Rest aus terrestrischer Nahrung bestand. Speiballenanalysen in der 17 km elbabwärts gelegenen Kolonie auf der Insel Schwarztonnensand führten 1980 und 1981 zu völlig anderen Ergebnissen (NICKLAS 1983). So bildeten damals Wollhandkrabben (Eriocheir sinensis) und Fische (vor allem Stint Osmerus eperlanus) die Hauptnahrung der Sturmmöwen. Terrestrische Nahrung kam 1980 nur in sehr wenigen, 1981 ca. in einem Drittel der Speiballen vor, wobei Mäuse und Getreidespelzen hier den Schwerpunkt bildeten. Von Küken ausgewürgte Nahrung enthielt in beiden Jahren hingegen keine Wollhandkrabben, dafür vor allem Stinte und Regenwürmer sowie Kaninchen (Oryctolagus cuniculus) und Mäuse. Ob die geringfügig Meer-nähere Lage der Insel Schwarztonnensand oder aber eine grundsätzlich andere Ernährungsweise der dortigen Individuen für diese fundamentalen Unterschiede verantwortlich sind, kann so nicht geklärt werden. Möglicherweise liegt die Ursache darin, daß auf Lühesand stets sehr viel mehr Sturmmöwen brüteten (zwischen 622 Paaren im Jahr 1983 und 2.400 Paaren im Jahr 1995; MLODY 1996) als auf Schwarztonnensand (1980: 56 Paare, 1981:61 Paare; NICKLAS 1983) und die Elbe möglicherweise nicht ausreichend Nahrung für alle Sturmmöwen bietet. Umfangreichere Untersuchungen zur Ernährung von Sturmmöwen an der deutschen Nordseeküste während der Brutzeit gibt es bisher nicht. Vergleiche liefern aber zwei Arbeiten aus den Niederlanden. ARBOUW & SWENNEN (1985) fanden in der Sturmmöwen- Nahrung zweier Kolonien auf Texel (Niederlande) Meeresfische, Muscheln, Regenwürmer, Insekten und Getreide. Insgesamt bestand der Hauptteil der Nahrung aus terrestrischen Komponenten. Interessanterweise gab es lokale Unterschiede innerhalb der beiden untersuchten Kolonien: die Sturmmöwen, die dichter am Meer brüteten, erbeuteten mehr Nahrung vom Strand und Meer als die Sturmmöwen, die sich dichter an landwirtschaftlichen Flächen niedergelassen hatten. Allerdings betrug auch hier die Entfernung zum offenen Meer nur ca. 3 km (ARBOUW & SWENNEN 1985). KEYL et al. (1986) untersuchten die Sturmmöwen-Nahrung während der Kükenaufzucht in der Brutkolonie von Schoorl (Niederlande), die südlich der westfriesischen Insel Texel liegt. Regenwürmer und Insekten waren dort die Hauptnahrung. Fisch und andere aquatische Nahrung wurden dagegen kaum genutzt, obwohl die Kolonie nur 2-3 km vom Meer entfernt liegt. Auch die Kükennahrung selbst ergab ähnliche Anteile. Es wird aus dem Vergleich zwischen den beiden niederländischen Arbeiten und den eigenen Ergebnissen von Amrum und Nordstrandischmoor

56 U. KUBETZKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands deutlich, daß die Sturmmöwen der deutschen Wattenküste zumindest im Jahr 1995 in erheblich stärkerem Maße die Wattflächen zum Nahrungserwerb nutzen als beispielsweise auf Texel. Dies zeigt sich besonders bei dem hohen Anteil von Crustaceen und Polychaeten. DERNEDDE (1993) analysierte anhand von Speiballen und Kotproben die Sturmmöwen-Nahrung im Spätsommer und Herbst 1991 im Königshafen/Sylt. Hier dominierten in der Nahrung, ähnlich wie bei meinen Analysen auf Amrum und Nordstrandischmoor, Organismen aus dem Wattbereich (vor allem Carcinus maenas, Nereis diversicolor und Mythus edulis). Ganz andere Zusammensetzungen von Sturmmöwenmägen fanden VAUK- HENTZELT & SCHUMANN (1980) im Winter im Bereich der Insel Helgoland. Fisch, fast ausschließlich als Schlachtabfälle und Discards aus der Kutterfischerei, bildete dort den Hauptteil der Nahrung. Weitere marine Nahrungsobjekte (Crustaceen, Polychaeten, Mollusken) sowie Insekten und pflanzliches Material ergänzten die Nahrung. Inwieweit unterscheidet sich die Nahrung der Sturmmöwe denn überhaupt von der anderer Möwen, die an gleicher Stelle oder in der Nähe brüten? Hierzu gibt es für alle drei Koloniestandorte Vergleichsmöglichkeiten zur Silbermöwe. Auf Lühesand ermittelte HÜPPOP (1991) Fische als Hauptnahrung der Silbermöwe, gefolgt von Wollhandkrabben. Terrestrische Nahrung spielte nur eine untergeordnete Rolle. Sturm- und Silbermöwen unterschieden sich auf dieser Insel also völlig - allein schon bei der Wahl des Nahrungshabitats. Auf Nordstrandischmoor fraßen Silbermöwen fast ausschließlich Crustaceen und Muscheln, ergänzt um wenige Fische des Discards und der offenen See (Hornhecht Betone betone). Auch von der Sturmmöwe wurde das Habitat Watt am häufigsten aufgesucht. Insgesamt zeigte das Nahrungsspektrum der Silbermöwe aber eine viel geringere Vielfalt (GARTHE pers. Mitt.). Ähnlich wie auf Nordstrandischmoor verhielt es sich mit der Nahrungswahl der Silbermöwen auf Amrum (FREYER 1995). Crustaceen und Mollusken machten hier den weit überwiegenden Teil der Nahrung aus, Fische wurden in den Speiballen kaum nachgewiesen. Die gesamte Aktivität der Silbermöwe war stark vom Gezeitenrhythmus geprägt (FREYER 1995), ähnlich wie bei der Silbermöwe auf Lühesand (HUP- POP 1987). Auch Heringsmöwen-Nahrung wurde 1994 auf Amrum untersucht (FREYER 1995). Sie unterschied sich deutlich von Silber- und Sturmmöwe, indem zumindest während der Jungenaufzuchtphase etwa zwei Drittel aller Speiballen Beute aus den Discards der Fischerei beinhalteten. Dies waren überwiegend Gadiden (vor allem Wittling Merlangius merlangus), Knurrhähne, Plattfische und Leierfisch (Callionymus lyra). Wattorganismen, vor allem Muscheln und Crustaceen, spielten während der Bebrütungsphase ebenso eine nicht unwichtige Rolle. Terrestrische Nahrung wurde dagegen während der ganzen Brutzeit kaum nachgewiesen (FREYER 1995, GARTHE pers. Mitt.).

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 57 Für die Lachmöwe gibt es Vergleichsmöglichkeiten zur Kolonie auf der Hallig Norderoog (GORKE 1990). Die Hauptbestandeile der Speiballen aus drei Brutperioden bildeten dort Mollusken, Polychaeten und Fische. GORKE konnte belegen, daß der klassische Binnenlandvogel Lachmöwe grundsätzlich dazu in der Lage ist, im Wattenmeer auch während der längeren und energetisch aufwendigeren Brut- und Fütterungszeit fast ausschließlich von litoral-mariner Nahrung zu leben. Für die Monate Dezember bis April hatte PRÜTER (1986) bereits herausgefunden, daß sich die auf Helgoland untersuchten, nicht brütenden Lachmöwen fast nur von litoral-marinen Komponenten wie Fischen, Seeringelwürmem (Nereidae) und Tangfliegen (Coelopidae) zu ernähren schienen. Die Einwanderung der Lachmöwe in das Gebiet der deutschen Nordseeküste muß folglich mit einer mehr oder weniger starken Umstellung in den Emährungsgewohnheiten verbunden gewesen sein. Dies belegen auch Untersuchungen auf Sylt (HARTWIG 1971), in Cuxhaven (SCHREY 1984), in Emden (LÜTTRINGHAUS & VAUK-HENTZELT 1983) sowie an der Elbmündung (HARTWIG et al. 1990). Zwar spielten in allen Arbeiten terrestrische Beuteobjekte wie z.b. Insekten und Regenwürmer noch eine vorherrschende Rolle, jedoch kamen umso häufiger marine Fische, Crustaceen und Muscheln in der Nahrung vor, je weiter das Festland entfernt war und je weniger die Vögel zur Nahrungssuche auf ein terrestrisches Hinterland ausweichen konnten. Die Lachmöwe weist sich folglich als in höchstem Maße anpassungsfähiger Nahrungsopportunist und Generalist aus (GORKE 1990). Unklar und dementsprechend Gegenstand vieler Arbeiten in der südlichen Nordsee (z.b. NOORDHUIS & SPAANS 1992, CAMPHUYSEN 1994 und 1995, FREYER 1995, WÖLKE 1996, GARTHE 1997) ist die Frage, inwieweit die an der Küste brütenden Möwenarten durch die Nutzung ähnlicher Nahrungsressourcen in Konkurrenz zueinander stehen oder ob die Arten doch so flexibel und unterschiedlich in ihrer Ernährung sind, daß sich erhebliche zwischenartliche Überlappungen vermeiden lassen. Die vier mehrfach genannten Möwenarten unterschieden sich in der Tat in einer ganzen Reihe von Parametern der Ernährungs- und Brutökologie, wobei die Heringsmöwe wohl die deutlichste Abgrenzung von den anderen drei Arten zeigt (Tab. 18). Ohne alle Einzelheiten wiederzugeben, läßt sich doch feststellen, daß die Möwen, insbesondere Lach-, Sturm- und Silbermöwe, durch ihre flexible Nutzung mariner und terrestrischer Nahrung in der Lage sein sollten, Konkurrenz stark zu reduzieren. Es ist allerdings nicht vorhersehbar, ob es bei weiter ansteigenden Beständen zu ähnlichen Verdrängungserscheinungen kommen könnte wie in Finnland bei der Heringsmöwe durch die Silbermöwe (HARIO 1994).

U. KuBETzKr Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Tab. 18: Vergleich einiger brut- und ernährungsökologischer Charakteristika der Sturmmöwe an der deutschen Nordseeküste mit denen von Lach-, Silber- und Heringsmöwe. Die Angaben sind stark verallgemeinert den nachfolgenden Quellen entnommen: diese Arbeit, CAMPHUYSEN (1995), FREYER (1995), GARTHE (1997 und pers. Mitt.), GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER (1982), GORKE (1990), HÄLTERLEIN (1996), WALTER & BECKER (1994) Parameter Sturmmöwe Lachmöwe Silbermöwe Heringsmöwe Nahrung: offene See wenig wenig wenig mittel Discard mittel mittel mittel viel Watt viel viel viel mittel Land viel mittel wenig wenig Einfluß der Fischerei auf Verbreitung gering groß groß gering Einfluß der Hydrographie auf Verbreitung groß mittel gering gering Brutvorkommen im Binnenland (D) gelegentlich häufig selten keine Aktionsradius Kolonie bis 50 km bis 25 km ca. 55 km ca. 135 km Bestandstrend Nordseeküste (D) zunehmend stagnierend stagnierend zunehmend Bestandstrend Mittel-/Nord-Europa unterschiedlich abnehmend unterschiedlich unterschiedlich

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 59 4.3 EIMASSE Die Brutsaison einschließlich der Eiproduktion, Bebrütung und Jungenaufzucht ist für Vögel mit hohen energetischen Kosten verbunden (BEZZEL & PRINZINGER 1990). Obwohl Möwen im Gegensatz zu Singvögeln eine höhere Körpermasse aufweisen und deutlich weniger Eier legen, ist ihr Energiebedarf für die Eiproduktion beträchtlich (z.b. HOUSTON et al. 1983, SALZER & LARKIN 1990, CAREY 1996b). Die Weibchen europäischer Möwenarten legen meist drei Eier pro Gelege, die zusammen z.b. bei Sturm- und Lachmöwen jeweils ca. 42 % und bei Herings- und Silbermöwen jeweils ca. 30 % der Körpermasse des Weibchens ausmachen können (Körper- und Eimassen nach BEZZEL 1985). FURNESS & MONAGHAN (1987) vermuteten noch, daß Nährstoffe die Eiproduktion nicht limitieren, da Möwen viel mehr Eier legen können als sie es normalerweise tun, wenn man vor Vollendung des Geleges die Eier nach und nach entfernt. Neuere Forschungsergebnisse deuten jedoch in eine andere Richtung. Man weiß, daß Parameter wie Aktivitätsmuster, Nahrungswahl und Bruterfolg von Seevögeln unter anderem die Nahrungsverfügbarkeiten während der Brutzeit widerspiegeln (Übersichten z.b. in CAIRNS 1987, MONTE- VECCHI 1993 und MONAGHAN 1996). Die Brutzeit umfaßt auch die Zeit vor der eigentlichen Eiablage, da die Weibchen für die Eiproduktion auf adäquates Futter angewiesen sind (z.b. CAREY 1996b). Mehrere Autoren fanden heraus, daß der Vorrat an bestimmten Proteinen bei weiblichen Heringsmöwen mit der Eiqualität korrelierte. Reine Fettreserven zeigten keinen solchen Einfluß (HOUSTON et al. 1983, BOLTON et al. 1992, 1993). Für eine möglichst gute Eiproduktion mit günstigem Embryo- und Kükenwachstum kommt es also nicht allein auf eine ausreichende Menge an Nahrung, sondern auch auf deren Qualität an. Dabei spielen sowohl Makronährstoffe (z.b. Fette, Proteine) als auch Mikronährstoffe (essentielle Fettsäuren, essentielle Aminosäuren, Vitamine und spezielle Ionen) eine Rolle (CAREY 1996b). Z.B. müssen die Weibchen vieler insekten- und körnerfressender Singvögel zusätzlich zu ihrer normalen Nahrung noch Calcium-reiches Material zu sich nehmen, um den Calcium-Bedarf für die Eischalenbildung zu decken (GRAVELAND & VAN GIJZEN 1994). Wie kann man nun anhand von Eimaßen Hinweise finden, ob die Kondition der weiblichen Brutvögel und indirekt das Nahrungsangebot im Gebiet der Kolonie im Untersuchungsjahr gut oder schlecht sind? Dazu sind folgende Fakten wichtig: die meisten Vogelarten haben spezifische Gelege- und Eigrößen, die aber gewissen Variationen unterworfen sind (BEZZEL & PRINZINGER 1990). Innerhalb einer Art schlüpfen aus größeren Eiern größere Küken, die in der Regel vor allem

60 U. KuBETzki: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands in den ersten Tagen bessere Überlebenschancen haben (Übersicht in CAREY 1996b). Möglichst große Eier sind also von Vorteil für die Vögel und werden bei guter Kondition der Weibchen angestrebt. Mehrfach wurde nachgewiesen, daß Möwen in Jahren mit gutem Futterangebot größere Eier legen als in Jahren mit schlechteren Futterbedingungen (BOL- TON et al. 1992, 1993, ORO 1996, ORO et al. 1996). Das Nahrungsangebot im Gebiet der Kolonie ist also mitentscheidend für die Eigrößen und hat Einfluß auf die daraus schlüpfenden Küken. Das möglicherweise beste Maß für die Nahrungsverfügbarkeit während der Eiproduktion bei Möwen ist das Verhältnis zwischen dem zuletzt (c-ei) und dem zuerst (a- Ei) gelegten Ei bei Dreiergelegen (z.b. PIEROTTI & BELLROSE 1986, KILPI et al. 1996). Allerdings gibt es noch zahlreiche weitere Faktoren, die die Eigrößen bei Landen beeinflussen können, wie z.b. Reihenfolge der gelegten Eier (z.b. BOLTON et al. 1992, KILPI et al. 1996), Alter des Weibchens (z.b. DAVIS 1975, COULSON et al. 1982), ausgewähltes Bruthabitat (z.b. PIEROTTI 1982, BECKER & ERDELEN 1986), Nestdichte und Lage in der Kolonie (z.b. COULSON et al. 1982), Legebeginn (z.b. PARSONS 1972), Umgebungstemperatur (z.b. WILLIAMS & COOCH 1996), geographische Variation (z.b. HOLZ & STARKE 1991) und evtl. auch Schadstoffeinflüsse (HÜPPOP 1991). Diese Parameter müssen daher bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden (s. unten). Anhand von drei Hypothesen soll nachfolgend versucht werden, die Zusammenhänge zwischen Emährung und Eimaßen genauer zu diskutieren. Dabei werden die eigenen Eimaße diesen Hypothesen zugeordnet. HYPOTHESE I Bei schlechten Nahrungsbedingungen werden kleinere Eier gelegt als bei guten Nahrungsverfügbarkeiten. Kolonien mit kleineren Eimaßen müßten demnach ein schlechteres Futterangebot aufweisen als Kolonien mit größeren Eiern. HYPOTHESE II Ungleiche Nahrungswahl mit unterschiedlichem Nährstoff- und Energiegehalt führt zu unterschiedlicher Kondition der Brutvögel. HYPOTHESE III Da Eigrößen ein Maß für die Reproduktionsgüte einer Kolonie sind, sollten die Kolonien mit den größten Eiern auch die Kolonien mit der größten Wachstumsrate sein. (Vergleich der Trends aller drei Kolonien)

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 61 ZU HYPOTHESE I (Bei schlechten Nahrungsbedingungen werden kleinere Eier gelegt als bei gutem Nahrungsangebot. Kolonien mit kleineren Eimaßen müßten demnach ein schlechteres Futterangebot aufweisen als Kolonien mit größeren Eiern.) Eine der besten Bestätigungen der o.a. Hypothese bilden die Untersuchungen von ORO (1996) an Heringsmöwen im Ebro-Delta in NE-Spanien. Diese nutzen ähnlich wie Heringsund Silbermöwen in der Nordsee (GARTHE 1993, CAMPHUYSEN et al. 1995) in großem Maße Fischereiabfälle und Discards. Seit 1991 ruht die Fischerei im Ebro-Delta alljährlich für einige Wochen, um einer Überfischung der Bestände vorzubeugen. Im ersten Untersuchungsjahr überschnitt sich der Fischereistop zeitlich mit der Phase der Eiablage, im zweiten Jahr erst mit der Kükenaufzuchtphase. Obwohl sich die Gelegegröße in beiden Jahren kaum veränderte, gab es signifikante Unterschiede bezüglich des durchschnittlichen Gelegevolumens. Die Heringsmöwen legten im Jahr mit schlechterem Nahrungsangebot während der Eiablagephase kleinere Eier, was auf eine Verschlechterung ihrer Körperkondition hindeuten könnte (HOUSTON et al. 1983, BOLTON et al. 1993). Weitere Untersuchungen von ORO et al. (1996) an Korallenmöwen im Ebro Delta, die ähnlich wie die dortigen Heringsmöwen Fischereiabfälle nutzen, führten zum selben Ergebnis. Überlappte das Moratorium mit der Eiablagephase, waren alle Eier in 3er Gelegen durchschnittlich kleiner als im Vergleichsjahr mit Fischereiaktivität zur gleichen Brutphase. Der signifikante Einfluß des Nahrungsangebots auf die Kondition der Brutvögel und somit auf die Eimaße wird hier besonders deutlich, da ein starker Einfluß weiterer möglicher Parameter hier recht unwahrscheinlich scheint. In Zeiten knapper Ressourcen für die Eiproduktion wird zunächst die Eigröße und danach die Gelegegröße reduziert, was somit einen viel geringeren Einfluß auf die Reproduktionsrate hat (MARTIN 1987). Andererseits wird die Gelegegröße selbst bei sehr guter Nahrungsverfügbarkeit fast nie erhöht (HIOM et al. 1991, MONAGHAN et al. 1995, HEA- NEY & MONAGHAN 1995). Die Eimaße der drei Kolonien Amrum, Nordstrandischmoor und Pionierinsel/Lühesand unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Bezugnehmend auf die oben angeführte Hypothese besteht einerseits die Möglichkeit, daß die Nahrungssituation in den drei Gebieten ähnlich gut oder ähnlich schlecht ist. Wäre sie in einer der Kolonien herausragend gut oder besonders schlecht, würden die Ergebnisse der Eimessungen vermutlich deutlichere Unterschiede aufweisen. Ordnet man die eigenen Daten in die Übersichtstabelle (Tab. 19) ein, liegen die Eier von Nordstrandischmoor hinter Langenwerder an zweiter Position, die von Amrum und Lühesand immerhin im europäischen Mittel. Daraus läßt sich

62 U. KuBETzKi: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands Tab. 19: Eimaße von Larus canus canus, geordnet nach dem Volumen-Index. Ergänzt und verändert aus HUPPOP (1991). Es wurden nur Messungen von mindestens 20 Eiern in die Tabelle aufgenommen. Herkunft Vol.- n Quelle Index' ) Sieben Inseln (Barentsee) 93,0 139 GORCAKOVSKAJA IN JUDIN & FIRSOVA (1990) Ville bei Köln 95,1 35 WITT (1976) Norwegen 96,2 1374 BARTH (1967)4) Niederlande 96,5 48 HELLEBREKERS (1967)41 Deutschland (teilweise) 98,1 64 BAU IN NIETHAMMER (1942) Sylt und Langenwerder 98,2 124 DIETRICH (1934)4) Großbritannien 98,7 100 JOURDAIN IN MAKATSCH (1974) Estland 99,2 24 HARMS (1929)4) Lühesand 99,3 193 1995; diese Arbeit Dänemark 99,5 100 HARBOE (1979)41 Europa 99,6 100 HELLEBREKERS (1950)4) Lühesand 99,9 180 1985 u. 1988; HÜPPOP (1991)2) Amrum-Dünen 100,3 60 1997; GARTHE (unveroff.) Mitteleuropa 100,6 50 REY (1905)4) Schweden 101,0 115 ROSENIUS IN MAKATSCH (1974) Amrum-Dünen 101,0 119 1995; diese Arbeit Hohe Schaar (Hamburg) 101,1 124 GRUNER (1986) gemäß HUPPOP (1991)3) Finnland 101,2 87 LINDFORS (1930)4) Niederrhein 101,2 37 MEYER & SUDMANN (1996) Kandalakscha Bucht (Weißes Meer) 101,7 425 BIANKI IN JUDIN & FIRSOVA (1990) Nordstrandischmoor 102,1 124 diese Arbeit Langenwerder 102,9 78 MAKATSCH (1974) 1) aus mittlerer Eilänge und -breite berechnet 2) vier Ausreißer nicht in den statistischen Berechnungen enthalten 3) Bereich aus Abbildung geschätzt 4) zitiert in HUPPOP (1991), nicht ins Literaturverzeichnis aufgenommen

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 63 vermuten, daß das Nahrungsangebot in allen drei Koloniegebieten eher ähnlich gut ist. Allerdings war die Gelegegröße bei den einzelnen Studien unterschiedlich, so daß die Ergebnisse nur bedingt vergleichbar sind. Da der Vergleich der Volumen-Indices von Lühesand aus den Jahren 1985, 1988 und 1995 weder bei den Daten von 3er Gelegen noch bei den Maßen der größten Eier aus allen Gelegen signifikante Unterschiede ergab, kann man annehmen, daß sich die Nahrungssituation für die dortigen Sturmmöwen in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert haben dürfte. Die Bestandstrends für Lühesand und die beiden anderen näher untersuchten Kolonien deuten alle in dieselbe Richtung, worauf in Hypothese III aber noch genauer eingegangen wird. ZU HYPOTHESE II (Ungleiche Nahrungswahl mit unterschiedlichem Nährstoff- und Energiegehalt beeinflußt die Kondition der Brutvögel.) Die Freilandversuche von BOLTON et al. (1992, 1993) und anderen ergaben, daß die Eiproduktion durch die Verfügbarkeit spezieller Nährstoffe limitiert sein kann (vgl. oben). Es bedeutet also nicht nur, daß kalorienreichere Nahrung im Gegensatz zu kalorienärmerer Nahrung zu besserer Kondition der Weibchen führt, sondern daß Nahrung mit bestimmtem Proteingehalt verfügbar sein sollte. Das bei Möwen häufig beobachtete Eierstehlen während der Eiablage kann daher auch so interpretiert werden, daß manche Weibchen sich so ihrer Nährstoff-Engpäße entledigen (BOLTON et al. 1992). SPAANS et al. (1994) vermuten anhand ihrer Eimaß-Daten, daß diejenigen Heringsmöwen, die regelmäßig an Land fressen, durch ihre Ernährung konditionell eher im Nachteil sind als diejenigen, die fast auschließlich marine Nahrung zu sich nehmen. In diesem Zusammenhang fällt auf, daß die Kolonie auf Lühesand, bei der die Sturmmöwen keinen Zugang zum Meer haben und die Elbe einschließlich ihres Litorals nur in geringem Maße nutzten, tatsächlich die schlechtesten Eimaße aufwies. Dies würde die Hypothese von SPAANS et al. (1994) im Prinzip gut stützen. Fraglich ist aber, ob die Eimaße in diesem Fall ausreichen, um eine solche Hypothese zu stärken oder zu widerlegen, oder ob gerade auf Lühesand nicht eher andere Faktoren verstärkt Einfluß ausüben. Evtl. spielt hier vorrangig die Nestdichte (s. oben) eine große Rolle und überdeckt den Faktor Nahrung. Brutplätze sind auf der kleinen Pionierinsel nur begrenzt vorhanden und möglicherweise ist die Kapazität diesbezüglich aufgrund der hohen Brutpaarzahlen inzwischen ausgeschöpft.

64 U. KuBETzKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands ZU HYPOTHESE III (Eigrößen sind ein Maß für die Reproduktionsgüte einer Kolonie. Die Kolonien mit den größten Eiern sollten auch die Kolonien mit der größten Wachstumsrate sein.) Auch für diese Hypothese muß festgestellt werden, daß aufgrund fehlender Signifikanzen die Ergebnisse mit Vorsicht betrachtet werden müssen. Dennoch fällt auf, daß die Kolonie mit den stärksten Wachstumsraten für die letzten fünf bzw. elf Jahre, nämlich Nordstrandischmoor, auch die besten Eivolumen-Parameter aufweist. Amrum, die im gleichen Zeitraum am wenigsten stark angewachsene Kolonie, hatte zumindest bei zwei Parametern die schlechtesten Werte. Diese Zusammenhänge deuten darauf hin, daß sich Konditions- /Emährungszustände auch in den Wachstumsraten widerspiegeln könnten. Ein noch deutlicheres Ergebnis wäre für die Ostsee-Brutkolonien Schleswig-Holsteins zu erwarten, da diese in der Bestandsgröße in den 1970er und teils noch in den 1980er Jahren stark abnahmen und erst seit Anfang/Mitte der 1990er Jahre in etwa stagnieren. Leider liegen aus diesen Kolonien keine Messungen vor. Zusammengefaßt muß zunächst festgestellt werden, daß durch das weitgehende Fehlen von Signifikanzen keine klaren Ergebnis(-Unterschiede) ermittelt werden konnten. Andererseits ließen sich für alle drei Hypothesen gut erklärbare Zusammenhänge zu meiner Arbeit finden. Wie gut sind Eimaße als Maß für die Nahrungsverfügbarkeit geeignet? Eimaße allein sind relativ ungenau, da die anderen Parameter im Verlauf meiner Untersuchungen nicht hinreichend ausgeschlossen werden konnten. Um allgemeine Tendenz aufzuzeigen, reichen sie aber wohl aus, da sich die Ergebnisse der Messungen mit der Literatur und den Bestandsentwicklungen der Kolonien gut decken. REGEHR & MONTEVECCHI (1997) beurteilen Eigrößen und Dauer der Jagdflüge als die robustesten Maße zur Beurteilung der Emährungsbedingungen bei Dreizehenmöwen (Rissa tridactyla). PIEROTTI & BELLROSE (1986), KILPI et al. (1996) und BOLTON (pers. Mitt.) zufolge ist das Verhältnis zwischen dem c-ei und dem a-ei ein sehr gutes, derzeit wohl das geeignetste Maß für die Nahrungsverfügbarkeit während der Eiproduktion bei Weibchen. Da die Reihenfolge der gelegten Eier in dieser Arbeit nicht ermittelt werden konnte, wurde stattdessen das Verhältnis zwischen dem kleinsten und größten Ei verwendet (vgl. SPAANS et al. 1994). BOLTON (pers. Mitt.) beurteilt dies als "zweitbesten" Ansatz, erwartet allerdings auch keinen Unterschied zu dem von ihm verwendeten c-ei/a-ei Verhältnis. Schwierig abzuschätzen ist der Einfluß ganz unterschiedlicher Faktoren auf die Eibildung

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 65 bei den Weibchen. So erscheint mir vorstellbar, daß der Einfluß des Alters, wie er mehrfach in der Literatur beschrieben wird (z.b. DAVIS 1975, COULSON et al. 1982) vielleicht doch nur eine indirekte Folge der Ernährung ist. Es ist bekannt, daß Altvögel meist viel erfolgreicher und effizienter bei der Nahrungsbeschaffung sind als Jungvögel (z.b. GREIG et al. 1983). Zudem sind sie an guten Nahrungsplätzen auch oftmals dominanter (z.b. MONAG- HAN 1980). 4.4 STURMMÖWEN UND FISCHEREI Fischereiabfälle, bei den Nahrungsanalysen zusammengefaßt unter der Herkunft "Discard" (vgl. Material und Methode), machen bei den beiden seewärtigen Brutkolonien Amrum und Nordstrandischmoor nur einen kleinen Teil der Nahrung aus. Dieses deckt sich recht gut mit der Häufigkeit von Sturmmöwen als Schiffsfolgern in der Deutschen Bucht (Kap. 3.3, GARTHE 1997). Fernab der Küste ist die Sturmmöwe als Schiffsfolger relativ selten. Während der Brutzeit wurden nur vereinzelte Individuen registriert. Dies stimmt auch mit den Beobachtungen an verschiedenen Fischereiflotten überein. Baumkurren- und Scherbrett- Kutter, die vor allem küstenferner fischen, werden kaum von Sturmmöwen begleitet. Allerdings lassen sich hinter den überwiegend küstennah arbeitenden Gamelenkutter recht viele Sturmmöwen als Schiffsfolger beobachten (s. auch CAMPHUYSEN et al. 1995). Dieses Bild steht in Übereinstimmung mit Berichten von BERGHAHN & RÖSNER (1992) für das schleswig-holsteinische und WALTER & BECKER (1994) für das niedersächsische Wattenmeer. Insgesamt decken sich die Nachweise der Sturmmöwe als Schiffsfolger gut mit ihrer Brutzeit-Verbreitung in der Deutschen Bucht, die ihre Schwerpunkte ebenfalls sehr küstennah hat (GARTHE et al. 1995). Interessanterweise hatte die Abundanz von Fischkuttern dabei keinen signifikanten Einfluß auf die Dichte der Sturmmöwen (GARTHE 1997). Bei Zählungen von Schiffen in der Deutschen Bucht in den Sommern 1993 und 1994 wurden alle See- und Küstenvögel registriert. Dabei wurde für jede Art auch der Anteil der Individuen bestimmt, die zufällig im Gebiet anwesenden Fischkuttern folgten. Bei der Sturmmöwe war dieser Anteil geringer als bei den anderen in der Deutschen Bucht brütenden Larus- Arten: während 41 % aller Lachmöwen und 38 % aller Silbermöwen Fischereifahrzeuge begleiteten, lagen diese Anteile bei Heringsmöwen mit 13 % und bei Sturmmöwen mit 8 % erheblich niedriger (GARTHE 1997). Aus der Zusammensetzung der Nahrung (Kap. 4.1 und 4.2) und den Beobachtungen an Fischkuttem kann somit gefolgert werden, daß die Sturmmöwe zwar Discards für ihre Ernährung nutzt, diese Nahrung für sie aber offensichtlich (viel) geringere Bedeutung hat als für Herings-, Silber- und Lachmöwe.

66 U. Kuaurzki: Emährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands 4.5 BESTANDSENTWICKLUNG Der Sturmmöwen-Brutbestand entwickelte sich in Norddeutschland ganz unterschiedlich. Während die Zahlen an der Nordseeküste stark zunahmen, gingen sie an der Ostseeküste im gleichen Zeitraum deutlich zurück. Insgesamt brüteten 1995-96 mit rund 8.100-8.300 Paaren geringfügig mehr Sturmmöwen in Schleswig-Holstein als 1978-79 mit etwa 6.800-7.600 Paaren (diverse Quellen, s. Tab. 17). Eine noch detailliertere Beschreibung der Bestände zu verschiedenen Phasen geht jedoch über den Rahmen dieser Arbeit deutlich hinaus. Es gilt aber, die möglichen Gründe für die unterschiedlichen Bestandstrends zu untersuchen: Die Zunahme der Sturmmöwe an der Nordseeküste zeigt eine Parallelität zu den Bestandstrends anderer Larus-Arten, mit denen sie oft sympatrisch brütet. So verzeichneten Silber-, Herings- und Lachmöwe alle deutliche Bestandszunahmen in der südlichen Nordsee, wobei jedoch zeitliche Unterschiede auftraten. Die Silbermöwe nahm vor allem zu Anfang des Jahrhunderts stark im Bestand zu, wurde dann in der Mitte des Jahrhunderts u.a. durch militärische Eingriffe, Eiersammler und sog. Bestandslenkungen auf einem niedrigen Bestandsniveau gehalten. Ab Ende der 70er Jahre nahmen die Zahlen dann wieder deutlich zu, stagnieren inzwischen aber vielerorts (GOETHE 1991b, HÄLTERLEIN 1996). Die Lachmöwe, eine typische Art des Binnenlandes (GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1982), zeigte einen deutlichen Anstieg des Küsten-Brutbestandes vor allem in der ersten Hälfte der 70er Jahre (z.b. BECKER & ERDELEN 1987, ZANG 1991). Die Heringsmöwen- Bestände schließlich stiegen vor allem von Ende der 80er Jahre bis heute ganz rapide an, nachdem die Art z.b. in Schleswig-Holstein noch bis Mitte der 60er Jahre nur selten brütete (HÄLTERLEIN 1996). HÜPPOP et al. (1994) vermuten als Gründe für die Zunahme einiger See- und Küstenvogelarten (1) einen verbesserten Schutz seit Beginn des Jahrhunderts, (2) ein verbessertes Nahrungsangebot durch Zunahme kleinerer Fische aufgrund der Übemutzung großer Fische, (3) ein erhöhtes Angebot an Discard und Abfall aus der Fischerei und (4) eine Zunahme von Fischbeständen wegen der Eutrophierung der Küstenregionen. Die Punkte (1) und (3) stehen hierarchisch an oberster Stelle und können sicherlich auch so auf die Sturmmöwe übertragen werden, jedoch ohne daß damit klar die Zunahme begründet werden kann. Die Nutzung mariner Nahrung ist bei den untersuchten Sturmmöwen- Kolonien unterschiedlich ausgeprägt, kann aber vielleicht eine wichtige Komponente zu Zeiten erhöhten Energiebedarfs bedeuten. BERNDT (1980) vermutet einen Zusammenhang zwischen dem Rückgang der Ostsee- Brutkolonien und der Intensivierung bzw. den Veränderungen der landwirtschaftlichen Arbeitsmethoden, die ein zunehmend schlechteres Nahrungsangebot für die Sturmmöwen

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 67 zur Folge haben könnten. Er diskutiert dies vor allem am Beispiel der Kolonie Graswarder. Ähnliches führt auch HARTWIG (1986) für die Sturmmöwen-Kolonie in Oehe-Schleimünde an, wobei in allen Fällen keine konkreten Daten zur Nahrungsverfügbarkeit vorliegen. ARBOUW & SWENNEN (1985) führen hingegen an, daß sich ihrer Meinung nach die intensivere Düngung landwirtschaftlicher Flächen positiv auf die Bestände der Sturmmöwe in den Niederlanden ausgewirkt haben. Prädation und Störungen sind weitere Ursachen, die laut HARTWIG (1986) zum Rückgang der Koloniegröße in Oehe-Schleimünde geführt haben könnten. Die Begründung von HARTWIG (1986), daß die stark heterogene Zusammensetzung der Speiballen ein Indiz für ein nicht ausreichendes Nahrungsangebot ist, muß anhand der eigenen Untersuchungen jedoch stark in Frage gestellt werden. Denn in allen drei untersuchten Kolonien, die großteils gute Zuwächse in den letzten Jahr(zehnt)en zeigten, bestanden die Speiballen aus vielen, oftmals verschiedensten Nahrungsobjekten (Kap. 3.1). Nahrung aus dem aquatischen Bereich hat bei Sturmmöwen von Oehe-Schleimünde von 1969 über 1974 auf 1991 stetig abgenommen und spielt mittlerweile nur noch eine untergeordenete Rolle (WEISER 1991). Da aber auch die Sturmmöwen der Elbinsel Lühesand kaum aquatische Nahrung zu sich nehmen (Kap. 3.1), kann dies allein noch keinen Bestandsrückgang erklären. Die Möglichkeit der Nutzung von anthropogenem Abfall (Mülldeponien, Wurstfabrik, lokale Fischerei) haben sich jedoch im Einzugsbereich der Kolonie von Oehe-Schleimünde deutlich verringert, was eine Nahrungsverknappung zur Folge haben dürfte (WEISER 1991). Inwieweit auch mögliche Umlagerungen der Brutverbreitung, z.b. durch Umsiedlung von der Ostsee an die Nordsee, eine Rolle bei den unterschiedlichen Bestandsverläufen spielt, kann mangels Ringfunden nicht geklärt werden. Die zahlenmäßig nur unbedeutenden Brutvorkommen in den Hochmooren Schleswig- Holsteins (DRENCKHAHN et al. 1968, BERNDT 1995) sind ebenfalls durch Nahrungsmangel, vor allem in Jahren mit großer Trockenheit in der Vorbrutzeit und Feldmaus- Mangel während der Jungenaufzuchtperiode zu erklären, wie THIES (1978) umfassend für Hochmoor-Brutplätze im Kreis Segeberg zeigt. 4.6 AUSBLICK Die Vielzahl der durch die Sturmmöwe als Brut- und/oder Nahrungshabitat genutzten Lebensräume wie Meer, Seen, Flüsse bis hin zu Hoch- und Niedermooren zeigt, welch unterschiedliche Gebiete diese Art nutzen kann. Es ist daher gerechtfertigt, sie als emährungsökologisch euryöke Art zu kennzeichnen. Sie erscheint damit in ihrer Emährung viel flexibler als Silber- und vor allem Heringsmöwen, was ihr die Besiedlung von mehr bzw. viel unterschiedlicheren Landschaftstypen ermöglicht. Allerdings sind Lach-, Herings- und Silbermöwen an der deutschen Nordseeküste und den

68 U. KuBETzki: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands angrenzenden Bereichen viel häufiger als Sturmmöwen. Möglicherweise steht die Sturmmöwe in Konkurrenz zu den anderen Arten und wird daher je nach Standort zu einer bestimmten, unterschiedlichen Nahrungswahl "gezwungen". Hier können nur weitere Studien Aufschluß geben. Es wäre ebenfalls interessant zu erkunden, ob Sturmmöwen ebenso wie Lachmöwen (GORKE 1990) während der Brutzeit in der Lage sind, sich von weitgehend mann-litoraler Nahrung zu ernähren (was im Winter nachweislich der Fall ist, vgl. VAUK-HENTZELT & SCHUMANN 1980). Daß sie in der Brutsaison praktisch nur von terrestrischer Nahrung leben kann, ist bekannt (Kap. 3.1; THIES 1978). Ein sich andeutender Zusammenhang zwischen Bestandsveränderungen und Eimaßen für die einzelnen Kolonien erscheint sehr vielversprechend, konnte in dieser Arbeit aber nur andiskutiert werden. Hierzu sind weitere Untersuchungen anzuraten, sowohl in Sturmmöwen-Kolonien, deren Bestände rückläufig sind, als auch in Kolonien anderer Möwenarten. Sturmmöwengelege in der Dünenkolonie auf Amrum

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 69 5 DANKSAGUNG Prof. Dr. Peter H. Becker und Prof. Dr. Gerhard Kneitz übernahmen freundlicherweise die Begutachtung dieser Arbeit. Dr. Ommo Hüppop haft bei der Formulierung des Themas, der Auswahl der Methoden und betreute mich vor Ort auf Helgoland. Er gab mir wertvolle Anregungen und war immer offen für Fragen und Diskussionen. Er und seine Frau Kathrin waren auf Helgoland stets herzliche Gastgeber. Prof. Dr. Dieter Adelung vom Institut für Meereskunde in Kiel sorgte dafür, daß ich die Nahrungsanalysen für meine Arbeit im Labor der Meereszoologie durchführen konnte. Der "Verein der Freunde und Förderer der Inselstation der Vogelwarte Helgoland e.v." unterstützte diese Arbeit freundlicherweise durch die Finanzierung der Reisekosten. Der "Arbeitskreis an der Staatlichen Vogelschutzwarte Hamburg" und die Redaktion der "Hamburger Avifaunistischen Beiträge" ermöglichten die Veröffentlichung der Diplomarbeit in der aktuellen Ausgabe der "hab". Meine Untersuchungen auf Nordstrandischmoor wurden von Ruth Kruse unterstützt. Sie spielte mit ihrer Lore mehrmals "Taxifahrer", zeigte mir die Brutplätze auf der Hallig und sorgte für nette und gemütliche Unterbringung auf der Norderwarft. Auf Amrum fand ich Unterstützung bei Hinrich Löffler im Oömrang Ferian e.v. und Georg Quedens, so daß ich die notwendige Betretungserlaubnis für die Amrumer Dünen schnell und unbürokratisch erhielt. Rainer Hawmann und seine "Jugend-forscht-AG" am Vincent-Lübeck-Gymnasium in Stade zeigten sich sehr kooperativ und unterstützten mich bei den Untersuchungen auf der Pionierinsel/Lühesand tatkräftig. Thorsten Metelmann und Martin Berliner sorgten zudem für eine sichere Überfahrt auf die Insel. Jacqueline Muhoz und Susanne Mickstein vom Institut für Vogelforschung in Wilhelmshaven, die zeitgleich auf der Pionierinsel arbeiteten, halfen mir freundlicherweise durch das Vermessen zahlreicher Sturmmöweneier. Tina Freyer begleitete mich auf meiner ersten Amrumreise und war mir bei der Feldarbeit

70 U. KUBETZKI: Ernährungsökologie von Sturmmöwen Norddeutschlands eine große Hilfe. Neben wichtiger Bestimmungsliteratur stellte sie mir zudem ihre umfangreiche Muschelreferenzsammlung zur Verfügung. Die "Pinguinologen" bzw. "Kormoranologen" der Kieler Hohenbergstraße, Abteilung Meereszoologie des Instituts für Meereskunde, Mandy Kierspel, Helgi Mempel, Klemens Pütz, Gerrit Peters, Rory P. VVilson, David Gremillet, Guillermo Luna-Jorquera und Sandra Storch verschafften mir eine ausgesprochen angenehme und lustige Zeit im Institut, zeigten stete Bereitschaft "mal kurz durch' s Bino zu schauen" und gaben viele Tips und Ratschläge für die Arbeit im Labor. (Ein Hinweis an die "Pinguinologen": Wetten, daß "real birds DO fly??") Chris Winter vom "Nederlands lnstituut voor Onderzoek der Zee" (NIOZ) war eine enorme Hilfe bei der Bestimmung schwieriger Speiballen-Komponenten. Er sorgte u.a. für Referenzexemplare, Zeichnungen und niederländische Bestimmungsliteratur. Thorsten Demedde zeigte sich sehr hilfsbereit und gab mir fernmündlich wertvolle Tips v.a. zur richtigen Durchführung der Kotanalysen. Rolf K. Bemdt von der "Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein und Hamburg e.v." überließ mir unveröffentlichte Daten zum Sturmmöwenbestand. Gerda Behrends stellte mir freundlicherweise ihre umfangreiche Otolithen-Referenzsammlung zur Verfügung. Stefan Garthe, Ommo Hüppop und Klemens Pütz sahen das Manuskript durch und machten wertvolle Verbesserungsvorschläge. Ihnen allen sei ganz herzlich gedankt! Ein ganz besonderes Dankeschön geht an dieser Stelle an Stefan Garthe, für die unzähligen, anregenden Diskussionen zu jeder möglichen und unmöglichen Tages- und Nachtzeit, die meinen Horizont weit über die Seevogelökologie hinaus erweiterten und viel zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben, für die tatkräftige Mithilfe bei der Feldarbeit, die einzigartige Begleitung durch gute und weniger gute Zeiten... und die unzähligen Kleinigkeiten, für die der Platz hier nicht ausreicht!

Hamburger avifaun. Beitr. 29, 1997 71 6 ZUSAMMENFASSUNG Ernährungsökologie von Sturmmöwen (Larus canus) verschiedener Kolonien Norddeutschlands (von U. KuBETzKi; Hamburger avifaun. Beitr. 29: 5-84; 1997) Die Nahrung der Sturmmöwe (Larus canus) wurde in der Brutzeit 1995 in drei Brutkolonien der deutschen Nordseeküste anhand von Speiballen und Kotproben analysiert Die Lage der Kolonien unterscheidet sich deutlich. Während sich die Insel Amrum im Übergangsbereich zwischen Wattenmeer und offener See befindet, liegt die Hallig Nordstrandischmoor an der Grenze des Wattenmeeres zum Festland. Lühesand ist eine Insel in der tidebeeinflußten, limnischen Unterelbe. Sowohl Speiballen als auch Kotproben waren überwiegend heterogen zusammengesetzt. Der Inhalt von Speiballen und Kotproben unterschied sich oft erheblich. Unter Berücksichtigung dieser Unterschiede und der generellen Probleme der Nahrungsanalysen durch Speiballen und Kotproben wurden folgende Nahrungskomponenten als die wichtigsten für die Ernährung der Sturmmöwe eingeschätzt: 1. Amrum. Zur Eiablagephase: Polychaeten, Fisch und Crustaceen; zur Kükenaufzuchtphase: Polychaeten, Regenwürmer und Fisch. 2. Nordstrandischmoor. Zur Eiablagephase: Crustaceen, Fisch und Polychaeten; zur Kükenaufzuchtphase: Crustaceen und Polychaeten. 3. Lühesand. Zur Eiablagephase: Regenwürmer, Fisch und Insekten; zur Kükenaufzuchtphase. Säugetiere, Regenwürmer und Kirschen. Während die Beute auf Lühesand fast ausschließlich terrestrischer Herkunft war, dominierten in der Nahrung der Sturmmöwen von Amrum und Nordstrandischmoor Komponenten aus dem Watt. Nebenprodukte der Fischerei, vor allem Discards (= ungenutzter Beifang), waren zumindest in der Eiablagephase der beiden Nordseekolonien von nicht unerheblicher Bedeutung für die Emährung. Desweiteren wurden in allen Kolonien Eigrößen als Maß für die Kondition der Weibchen vor und während der Eiablage bestimmt. Trotz meist geringer statistischer Aussagekraft ergab sich aus. diesen Berechnungen, daß die Ernährungssituation der untersuchten Sturmmöwen-Kolonien im europäischen Vergleich als gut einzuschätzen ist. Die Bestandsentwicklung in Norddeutschland verlief sehr unterschiedlich, wobei Bestandszunahmen an der Nordseeküste ebenso starken Abnahmen an der Ostseeküste gegenüberstehen.

72 U. KuBErzki: Ernahrungstikologie von Sturmmowen Norddeutschlands 7 SUMMARY Feeding ecology of Mew Gulls (Larus canus) at different colonies in North Germany (by U. KUBETZKI; Hamburger avifaun. Beitr. 29: 5-84; 1997) During the breeding period 1995 the diet of Mew Gulls (Larus canus) was analysed from pellets and faeces. Three geographically well-separated colonies were selected for the study. One colony was located close to the open North Sea (Amrum Island; 54040' N, 8 21' E), one at the inner edge of the Wadden Sea (Nordstrandischmoor Island; 54 33' N, 8 49' E), and one in the tidal river Elbe (Li hesand Island; 53 35' N, 9 36' E). Both pellets and faeces were predominantly heterogeneous. Their composition often differed considerably. Consideration of this, coupled with the general problems associated with food analyses from pellets and faeces, was used to define the following prey types as being the most important for Mew Gulls during this study: 1. Amrum. For the early incubation period: polychaetes, fish, crustaceans; for the chickrearing period: polychaetes, earthworms and fish. 2. Nordstrandischmoor. For the early incubation period: crustaceans, fish and polychaetes; for the chick-rearing period: crustaceans and polychaetes. 3. LUhesand. For the early incubation period: earthworms, fish and insects; for the chickrearing period: mammals, earthworms and fruits. At Li hesand Island Mew Gulls fed predominantly on terrestrial food. These birds hardly utilized the river Elbe and associated freshwater tidal flats. On Amrum and Nordstrandischmoor prey types from the tidal flats were most numerous. Discards from fisheries were relatively important during the early incubation period on Amrum and Nordstrandischmoor. In order to derive information about the body condition of female gulls, eggs from all colonies were measured (maximum length and width) were measured with callipers to the nearest 0.05 mm. Egg volume was expressed by the index: volume index = width2 x length / 1000. Eggs were not significantly different, but, if the index is an appropriate measure of food availability, compared with other colonies in Europe the food situation in the three colonies investigated seemed to be good. The population trends of the Mew Gulls in North Germany differ with the breeding populations at the North Sea appearing to be increasing while the Baltic Sea populations are decreasing.

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