Prof. Dr. Ute Sacksofsky, M.P.A. (Harvard)

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Transkript:

Goethe-Universität Frankfurt am Main Postfach 11 19 32, D-60054 Frankfurt am Main Prof. Dr. Ute Sacksofsky, M.P.A. (Harvard) Fachbereich Rechtswissenschaft Institut für öffentliches Recht Telefon +49 (0 69) 7 98-3 42 85 Telefax +49 (0 69) 7 98-3 45 13 E-Mail Sacksofsky@jur.uni-frankfurt.de Sekretariat.Sacksofsky@jur.uni-frankfurt.de www.jura.uni-frankfurt.de/sacksofsky/ Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Thema Betreuungsgeld am Montag, dem 4. Juli 2011, 13.00 bis 15.00 Uhr zu folgenden Vorlagen: 1. Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Achten Buches Sozialgesetzbuch Aufhebung der Ankündigung eines Betreuungsgeldes BT-Drucksache 17/1579 2. Antrag der Fraktion der SPD Auf die Einführung des Betreuungsgeldes verzichten BT-Drucksache 17/6088 Der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beabsichtigt die Streichung der Soll-Vorschrift zur Einführung eines Betreuungsgeldes nach 16 Abs. 4 SGB VIII; der Antrag der Fraktion der SPD verfolgt das gleiche Ziel. Die Begründungen des Antrags bzw. des Gesetzentwurfs machen deutlich, dass erhebliche sozialpolitische Einwände gegen die Einführung eines Betreuungsgeldes bestehen. Die hier vorgelegte Stellungnahme beschränkt sich jedoch auf juristische Aspekte. Campus Westend RuW Grüneburgplatz 1 60323 Frankfurt am Main

I. Gesetzessystematik Für eine Streichung des 16 Abs. 4 SGB VIII sprechen schon Gründe der Gesetzgebungslehre. 16 Abs. 4 SGB VIII ordnet noch nicht verbindlich ein Betreuungsgeld an. Zwar impliziert die Ausgestaltung als Soll-Vorschrift eine gewisse Absichtserklärung, doch mehr als eine normativ unverbindliche Ankündigung stellt dies nicht dar. Denn diese Soll-Vorschrift bindet den Gesetzgeber nicht für die Zukunft. Im demokratischen System ist der Gesetzgeber prinzipiell frei, Gesetze zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben. Beschränkungen des Gesetzgebers enthält allein die Verfassung. Soll ein einfaches Gesetz Bindungswirkung für spätere gesetzgeberische Akte entfalten, kann dies allenfalls dann angenommen werden, wenn das Grundgesetz selbst einen solchen Vorrang anordnet; dies wird etwa für das Haushaltsgrundsätzegesetz nach Art. 109 Abs. 4 GG diskutiert. Im vorliegenden Fall gibt es keinen Anhaltspunkt für eine solche Vorrangregelung. Der künftige Gesetzgeber ist daher völlig frei darin, ob er überhaupt ein Betreuungsgeld einführen will und wie er es gegebenenfalls ausgestalten würde, unabhängig davon, ob die Vorschrift bestehen bleibt oder gestrichen wird. Rechtlich gesehen ist die bestehende Vorschrift daher vollkommen folgenlos. Eine aussagelose Regelung in ein Gesetz zu gießen, widerspricht der Bedeutung von Gesetzen, die als zentrale Handlungsform im demokratischen Staat Grundlage für Rechte und Pflichten sein sollen. II. Verfassungsrechtliche Gründe Zu der verfassungsrechtlichen Bewertung der Einführung eines Betreuungsgeldes habe ich mich in dem im Oktober 2010 erstatteten Rechtsgutachten Vereinbarkeit des geplanten Betreuungsgeldes nach 16 Abs. 4 SGB VIII mit Art. 3 und Art. 6 GG ausführlich geäußert. Ich möchte daher hier nur die Ergebnisse des Gutachtens zusammenfassen: Die geplante Einführung eines Betreuungsgeldes verstößt sowohl gegen den Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG als auch gegen den Verfassungsauftrag zur Förderung der tatsächlichen Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG. Campus Westend RuW Grüneburgplatz 1 60323 Frankfurt am Main 2

1. Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG Art. 6 Abs. 1 GG verlangt, dass der Staat die Ausgestaltung der Kinderbetreuung der freien Entscheidung der Eltern überlässt. Grundsätzlich muss jede Familie dem Staat gleich viel wert sein, muss Familienförderung allen Familien zugutekommen. Will der Staat Familienförderung auf bestimmte Typen von Familien beschränken, muss er dafür gute Gründe haben. Keines der mit einem Betreuungsgeld verfolgten Ziele ist geeignet, die durch das Betreuungsgeld verursachte Ungleichbehandlung verschiedener Familienformen zu rechtfertigen. a) Offensichtlich scheidet eine Rechtfertigung aus sozialstaatlichen Gründen aus, da der Bezug des Elterngeldes nicht an die Bedürftigkeit der Empfängerfamilie geknüpft ist. b) Auch das vielfach angeführte Argument der Wahlfreiheit taugt zur Rechtfertigung nicht. Es ist offensichtlich, dass der Staat mit einer direkten Geldzahlung für ein bestimmtes Verhalten genau dieses Verhalten fördern will und nicht neutral gegenüber diesem Verhalten steht. Statt Wahlfreiheit zu gewährleisten, setzt das Betreuungsgeld einen Anreiz für ein bestimmtes Verhalten. c) Das Betreuungsgeld als Anerkennung nur einen Typs, nämlich der häuslichen, Kindererziehung widerspricht diametral dem Gebot des Art. 6 Abs. 1 GG, die freie Entscheidung der Eltern über Art und Ausgestaltung der Kinderbetreuung zu respektieren und zu schützen. Denn die Erziehungsleistung aller Eltern verdient Anerkennung. d) Auch der Gedanke des Ausgleichs trägt das Betreuungsgeld nicht. Der Ausgleichsgedanke wurde insbesondere im Hinblick auf den Einsatz finanzieller Mittel für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen bezogen. Doch eine Rechtfertigung in dieser Weise scheitert schon daran, dass der Staat mit dem Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen eine ihm auferlegte Aufgabe erfüllt, die auch das Bundesverfassungsgericht immer wieder hervorhebt. Erfüllt der Staat aber ihm obliegende Aufgaben, gibt es nichts auszugleichen. Dies gilt zumal, da die Transferleistungen der Campus Westend RuW Grüneburgplatz 1 60323 Frankfurt am Main 3

Familienförderung durch den Staat ein ungeheuer komplexes System darstellen, so dass ein Ausgleich auf der individuellen Ebene nicht berechenbar wäre. Ein Ausgleich kann auch nicht für die Nicht-Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung gewährt werden. Die staatliche Schaffung einer Einrichtung wird dadurch gerechtfertigt, dass sie im öffentlichen Interesse liegt. Dies hat zwar nicht zur Konsequenz, dass die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung deshalb immer kostenlos möglich sein müsste, doch die umgekehrte Variante, die Nicht-Nutzer zu bezahlen, entzieht der Schaffung der Einrichtung die notwendige Legitimation. Diejenigen, die keine Bücher aus öffentlichen Bibliotheken ausleihen, nicht schwimmen gehen oder keine Opern- oder Theateraufführungen besuchen, können staatlicherseits nicht für die Nicht-Inanspruchnahme entschädigt werden. Wenn der Staat ein Interesse daran hat, dass seine Bürgerinnen und Bürger die Einrichtung nicht nutzen, muss er die Schaffung dieser Einrichtung unterlassen. 2. Auftrag zur Gleichstellung der Geschlechter nach Art. 3 Abs. 2 GG Der Verfassungsauftrag nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG verbietet dem Staat, die überkommene Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen zu verfestigen. Zwar knüpft das Betreuungsgeld nicht unmittelbar an das Merkmal Geschlecht an, sondern kann grundsätzlich von Müttern wie Vätern beansprucht werden. Doch in der gesellschaftlichen Wirklichkeit wird auch heute noch die Betreuung von Kleinkindern ganz überwiegend von Müttern übernommen. Die mit dem längeren Ausscheiden aus dem Beruf einhergehenden Risiken werden daher vor allem Frauen betreffen. Das Betreuungsgeld hat den Effekt, die überkommene Rollenverteilung zu verfestigen. Es verstößt damit gegen den Verfassungsauftrag aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG. Campus Westend RuW Grüneburgplatz 1 60323 Frankfurt am Main 4

III. Fazit Die Streichung des 16 Abs. 4 SGB VIII ist uneingeschränkt zu empfehlen. Campus Westend RuW Grüneburgplatz 1 60323 Frankfurt am Main 5