PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Handout zur Vorlesung NJ_G200 Morfologie němčiny. Pronominale Flexion

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Transkript:

1. Pronominale und nominale Flexion Pronominale Flexion Neben der nominalen Flexion, mit der wir uns in den vorangegangenen Vorlesungen beschäftigt haben, gibt es im Deutschen ein weiteres Deklinationsmuster, das häufig pronominale Flexion genannt wird (z. B. Eisenberg 2006: 169). Der Grund für die Bezeichnung ist, dass es u. a. bei den Pronomina (z. B. er, dieser) auftritt. Im Vergleich zur nominalen Flexion gibt es wichtige Unterschiede: - die Kasus sind viel stärker voneinander unterschieden, vgl. er ihn und (der) Baum = (den) Baum; sie ihr und (die) Kanzlerin = (der) Kanzlerin; - das Genus ist deutlich markiert, vgl. (d)er (da)s (di)e und Zahn = Garn = Bahn; 1 - es werden teilweise andere Flexive verwendet, z. B. -er im Nom. m. Sg., -em oder -er im Dat. Sg., -er im Gen. Pl. Tabelle 1: Flexive der pronominalen Deklination (Eisenberg 2006: 170) NOM er es e e AKK en es e e DAT em em er en GEN es es er er 2. Personalpronomina Das Paradigma für das Personalpronomen der 3. Person sieht folgendermaßen aus: Tabelle 2: Personalpronomen der 3. Pers. NOM er es sie sie AKK ihn es sie sie DAT ihm ihm ihr ihnen GEN seiner seiner ihrer ihrer Obwohl die Flexion pronominal genannt wird und das Personalpronomen der 3. Ps. häufig als das typische Pronomen angesehen wird, erscheinen die Flexive aus Tab. 1 am Personalpronomen nicht in der typischen Form. In manchen Fällen fehlt der Schwa-Vokal bzw. wird durch a ersetzt (Neutrum), der Gen. Sg. m./n. zeigt eine völlig andere Form 2 und 1 Man kann verschiedener Ansicht sein, ob das pronominale Flexiv -e für Femininum dem auslautenden e bei vielen Substantiven entspricht (Blume, Lampe, Straße, Zange u. v. a.). Gegen die Annahme, dass e beim femininen Substantiv ein Flexiv ist, spricht, dass es in allen Kasus erhalten bleibt und gewöhnlich nicht abgetrennt werden kann, ohne dass die Form ungrammatisch wird (*Blum, *Straß etc.). Für die Behandlung als Flexiv könnte sprechen, dass e in manchen Ableitungen nicht erscheint (z. B. geblümt, blumig) und man daher eine Wurzel ohne e segmentieren könnte: Blum-e, ge-blüm-t, blum-ig. 2 Das normale Flexiv für den Genitiv (maskulin/neutral) in der pronominalen Flexion ist nicht -er (wie bei seiner), sondern -es (wie bei des, dieses, meines etc.). Thieroff/Vogel (2008: 83) erklären den Unterschied dadurch, dass die Form auf -es nicht ohne folgendes Substantiv verwendet werden kann, vgl. Beim Anblick dieses Bildes wurde mir schlecht *Beim Anblick dieses wurde mir schlecht). Personalpronomina werden aber (zumindest nach der idealisierenden Sichtweise, die der Klassifizierung von Thieroff und Vogel zugrunde liegt) nur alleinstehend gebraucht und benötigen daher eine autonom verwendbare Form. Die Form seiner lehnt sich 1

maskulin feminin Plural PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 das Flexiv-e für Femininum und Plural erscheint nur in der Orthographie, nicht phonologisch. Eisenberg (2006: 170) benutzt zur Illustrierung daher das Demonstrativpronomen dieser. Die in Tabelle 1 und 2 gewählte Anordnung der Kasus und Genera ermöglicht es, gleiche Formen in einem Feld zusammenzufassen: Es entstehen Synkretismusfelder (Bierwisch 1975: 10; Wiese 1996; Eisenberg 2006: 172; Thieroff/Vogel 2008: 82): Tabelle 3: Personalpronomen in Synkretismusfeldern (Thieroff/Vogel 2008: 83, Tab. 2) NOM er es sie sie AKK ihn es sie sie DAT ihm ihm ihr ihnen GEN seiner seiner ihrer ihrer Anmerkung: Man könnte auch noch Feminin und Plural zusammenfassen; dabei würde aber das wichtige grammatische Merkmal [+Plural] verloren gehen. Die Zusammenfassung gleicher Formen in einem Feld hat mehrere Funktionen: - Für die linguistische Forschung bietet sie die Grundlage zur Untersuchung der tieferen Regularitäten des Sprachsystems. - Für den Fremdsprachenunterricht stellt sie eine Lernhilfe dar, da man sich die Formen besser einprägen kann, wenn gleiche Formen beieinander stehen. 3. Pronominale Deklination bei anderen Wörtern Nach dem Schema in Tabelle 1 3 werden nicht nur die Personalpronomen flektiert; dieselben Flexive zeigen auch andere Wörter, die entweder als Stellvertreter (Pro-Formen) für Nominalgruppen oder als Determinantien 3 (in der -Position) verwendet werden können. Tabelle 4: Maskulin Singular und Plural Pers. Pron. Best. Demonstrativum Interrogativum Interrogativpron. all- Adjektiv NOM er der dieser welcher wer - frischer AKK ihn den diesen welchen wen - frischen DAT ihm dem diesem welchem wem - frischem GEN (seiner) des dieses welches wessen - frischen NOM sie die diese welche - - frische AKK sie die diese welche - - frische DAT ihr der dieser welcher - - frischer GEN (ihrer) der dieser welcher - - frischer NOM sie die diese welche - alle frische AKK sie die diese welche - alle frische DAT ihnen den diesen welchen - allen frischen GEN ihrer der dieser welcher - aller frischer ganz offensichtlich an die Form der Pronomina der 1. und 2. Ps. (meiner, deiner) an. In Tabelle 4 sind die vom pronominalen Durchschnitt abweichenden Formen grau unterlegt. 3 Heringer (2009: 67, 126) verwendet für Elemente, die in der Initialposition von Nominalphrasen stehen, den an die englische Terminologie angelehnten Begriff Determinierer. 2

m. und n feminin Plural PdF Masaryk-Universität Frühjahrsemester 2015 Andere Determinantien (der unbestimmte, der Negationsartikel und die Possessiva) zeigen reduzierte Formen: - Die Markierung für Maskulinum/Nominativ und Neutrum/Nominativ-Akkusativ fehlt, wenn die Wörter in der position ( adnominal ) erscheinen. - Wenn die Wörter selbständig ( pronominal, autonom ) erscheinen, ist das Flexiv vorhanden (vgl. Punkt 7). Tabelle 5: Reduziertes System beim unbestimmten und Possessivum Best. Unbest. Neg.- Poss. 1. Sg. Poss. 1. Pl. NOM der/das ein_ kein_ mein_ unser_ AKK den/ einen/ keinen/ meinen/ unseren/ das ein_ kein_ mein_ unser_ DAT dem einem keinem meinem unserem GEN des eines keines meines unseres NOM die eine keine meine unsere AKK die eine keine meine unsere DAT der einer keiner meiner unserer GEN der einer keiner meiner unserer NOM die - keine meine unsere AKK die - keine meine unsere DAT den - keinen meinen unseren GEN der - keiner meiner unserer Die Unterschiede zur vollständigen pronominalen Flexion sind durch Schattierung gekennzeichnet: der ein, kein, mein, unser; das ein, kein, mein, unser. Achten Sie darauf, dass -er bei unser und euer kein Flexiv, sondern Bestandteil des Stammes ist. 4. Exkurs: Pronominale Deklination im Tschechischen Die Tatsache, dass Determinantien und Adjektive (in der Position von Determinantien) einer speziellen (der pronominalen ) Deklination folgen, kann kein Zufall sein. Dieselbe Erscheinung lässt sich auch in anderen Sprachen, z. B. im Tschechischen, beobachten: Tabelle 6: Pronominale Deklination im Tschechischen Pers. Best. Adjektiv Pronomen NOM (on) ten dobrý GEN (je)ho toho dobrého AKK (je)ho toho dobrého DAT (je)mu tomu dobrému INST jím tím dobrým LOC o něm o tom dobrém NOM (on)a ta dobrá GEN jí té (umg. tý) dobré DAT jí té (umg. tý) dobré AKK ji (mähr. ju) tu dobrou INST jí tou dobrou LOC o ní o té dobré 3

In der linguistischen Forschung gibt es daher Vorschläge, die pronominalen Flexive als selbständige Elemente in einer eigenen syntaktischen Position (der Determinierer-Position) zu betrachten, die erst nachträglich an andere Wörter angefügt werden (vgl. Bierwisch 1975). 5. Zweiteilige Deklination Eine Besonderheit, und zwar Binnenflexion (Flexion im Inneren des Wortes), findet sich bei derjenige ten, který und derselbe tentýž Der erste Teil des Wortes flektiert nach der pronominalen Deklination, der zweite Teil des Wortes nach der schwachen Deklination der Adjektive (vgl. nächste Vorlesung). Tabelle 6: Flexion von derjenige (Thieroff/Vogel 2008: 70) NOM derjenige dasjenige diejenige diejenigen AKK denjenigen dasjenige diejenige diejenigen DAT demjenigen demjenigen derjenigen denjenigen GEN desjenigen desjenigen derjenigen derjenigen Tabelle 7: Flexion von derselbe NOM derselbe dasselbe dieselbe dieselben AKK denselben dasselbe dieselbe dieselben DAT demselben demselben derselben denselben GEN desselben desselben derselben derselben Man könnte die Ansicht vertreten, dass die Formen in Tabelle 6 und 7 gar keine einheitliche Wortform sind, sondern aus zwei Wortformen zusammengesetzt sind. Dagegen wenden Thieroff/Vogel (2008: 71) ein, dass der zweite Bestandteil der Form (jenig, selb) entweder gar nicht oder nur sehr beschränkt alleine vorkommt (und damit keine eigenständige Wortform sein kann): (1) *dieser jenige Politiker, *ein jeniger Politiker; (2) dieser selbe Politiker, *sein selber Politiker; 6. Pronomina ohne pronominales Flexiv Die Pronomina (irgend)jemand, niemand, jedermann, man, (irgend)etwas und nichts verbinden sich nicht oder nicht konsequenten mit den pronominalen Flexiven (s. Thieroff/Vogel 2008: 84 86). man, (irgend)etwas und nichts flektieren überhaupt nicht. Bei man werden die fehlenden Formen für Akkusativ und Dativ durch die Formen von ein ersetzt: (3) a. Man braucht dazu Olivenöl. b. Das kann einen zur Verzweiflung bringen. c. Das kommt einem dann komisch vor. Da fällt einem nichts mehr ein. jedermann wird nach der nominalen Flexion (wie Mann) flektiert: Es erscheint nur das Flexiv -s für den Genitiv; Pluralformen existieren nicht: (4) Das ist nicht jedermanns Sache. 4

(irgend)jemand, niemand können sowohl nach der nominalen als auch (außer im Nominativ) nach der pronominalen Flexion flektiert werden; laut Thieroff/Vogel (2008: 85) ist die nominale Flexion die ältere: Tabelle 8: Flexion von jemand (Thieroff/Vogel 2008: 85) nominal pronominal NOM jemand jemand AKK jemand jemanden DAT jemand jemandem GEN jemandes jemandes 7. Problem: Wortartenzugehörigkeit und Wortidentität In Abschnitt 3, Tabelle 5 haben wir gesehen, dass den Determinatien ein, kein, mein, dein, sein, unser, euer das pronominale Flexiv für den Nominativ (und im Neutrum auch für den Akkusativ) fehlt: Es heißt z. B. ein Auto, nicht *eines Auto. Das pronominale Flexiv erscheint aber, sobald man die Formen ohne Substantiv ( autonom ) verwendet, vgl. (5a) und (5b): (5) a. Ich habe ein rotes Auto. b. Und meines ist grün. Man muss bei den angeführten Wörtern also eine adnominale Flexion (wenn sie vor einem Nomen/Substantiv stehen) und eine pronominale Flexion (wenn sie alleine, autonom verwendet werden) unterscheiden (die Unterschiede sind fett gedruckt): Tabelle 9: Flexion von jemand (Thieroff/Vogel 2008: 73) adnominal pronominal NOM kein kein keine keine keiner keines keine keine AKK keinen kein keine keine keinen keines keine keine DAT keinem keinem keiner keinen keinem keinem keiner keinen GEN keines keines keiner keiner keines keines keiner keiner Für die Linguistik ergibt sich daraus ein Problem: Handelt es sich in beiden Fällen um dasselbe Wort (oder genauer gesagt: um dasselbe Lexem), oder handelt es sich jeweils um zwei verschiedene Wörter (Lexeme)? Diese Frage hängt auch mit der Frage nach der Wortart der beiden (des einen?) Wortes zusammen: Da die Formen ohne das pronominale Flexiv im Nominativ (Akkusativ) immer vor Substantiven verwendet werden, könnte man sie einer anderen Wortart (z. B. der Wortart wort ) zurechnen als die Formen mit pronominalem Flexiv im Nominativ (Akkusativ). Die Formen mit pronominalem Flexiv könnte man, da sie immer autonom (als Vertreter für eine Nominalphrase) erscheinen, der Wortart Pronomen zurechnen. Eine solche Unterscheidung findet sich z. B. bei Eisenberg (2006: 175): Eisenberg unterscheidet (ohne Nom/Akk-Flexiv) und Pronomen (mit Nom/Akk-Flexiv): (6) ein, kein, mein einer, keiner, meiner (Eisenberg 2006: 175) 5

Gegen diese Analyse lässt sich einwenden, dass das Flexiv variabel ist und damit keine Basis für die Klassifizierung von Lexemen nach Wortarten bietet. Nach derselben Logik müsste man z. B. schönes und schön in (7) als zwei verschiedene Wörter betrachten, die zwei verschiedenen Wortarten angehören würden: (7) a. Heute haben wir schönes Wetter. b. Das Wetter ist schön. Thieroff/Vogel (2008) kritisieren dementsprechend: Allein das Fehlen bzw. Vorhandensein des Kasussuffixes in den drei Positionen rechtfertigt nicht die Annahme von zwei verschiedenen Wörtern. Thieroff/Vogel (2008: 73) Die Autoren schlagen daher vor, Determinantien wie mein(er) unabhängig vom Auftreten des Flexivs immer als ein Wort zu betrachten, das in zwei verschiedenen Positionen (adnominal und autonom) vorkommen kann. Die Wortart von Wörtern, die in diesen beiden Positionen vorkommen kann, bezeichnen Sie als Begleiter-Stellvertreter (2008: 68 f.). Zu dieser Wortart gehören z. B. auch Demonstrativa wie dieser, obwohl diese in beiden Positionen gleich flektieren. Daneben unterscheiden Thieroff/Vogel, d. h. Wörter, die nur adnominal vorkommen (der, ein), und Pronomen, die nur autonom vorkommen (er, jemand, nichts etc.): Tabelle 10: Wortarten im Bereich der Determinantien nach Thieroff/Vogel (2008: 68 f.): Begleiter-Stellvertreter Pronomen der, ein dieser, jener, mein(er), ich, du, er, sie, es, jemand, kein(er) u. a. niemand, nichts u. a. 8. Problem: Hat das Deutsche einen unbestimmten? Die Klassifizierung von Thieroff/Vogel hat einen Haken: Dasselbe Argument, das die Autoren auf mein(er), sein(er) usw. anwenden, müsste auch auf ein(er) angewendet werden. Stattdessen behaupten die Autoren (S. 67), dass ein ein ist, der (weil ) nur adnominal vorkommen kann: (8) a. Ein Mann ist gekommen. b. *Ein ist gekommen. (Thieroff/Vogel 2008: 67) Das Sternchen in (8b) zeigt aber nicht, dass ein in autonomer Verwendung ungrammatisch ist, sondern nur, dass in (8b) das Flexiv fehlt (Einer ist gekommen); und nach Thieroffs und Vogels eigenen Worten kann allein [ ] das Fehlen bzw. Vorhandensein des Kasussuffixes [ ] nicht die Annahme von zwei verschiedenen Wörtern rechtfertigen. Wir müssten also schließen, dass ein in (8a) und (8b) dasselbe Wort und nach der Klassifizierung von Thieroff/Vogel somit ein Begleiter-Stellvertreter ist. Daraus folgt: Im Deutschen gibt es nur einen (der), keinen unbestimmten. Diese nicht der Tradition entsprechende Schlussfolgerung wollen Thieroff/Vogel vermeiden. Solange man adnominal und autonom vorkommende Wortformen mit demselben Stamm zu einer Wortart zusammenfasst, sehe ich dazu aber keine Möglichkeit. Als kann man ein nur nach dem System von Eisenberg in (6) klassifizieren. 6

Zitierte Literatur: Bierwisch, Manfred (1975): Syntaktische Merkmale in der Morphologie: generelle Probleme der sogenannten pronominalen Flexion im Deutschen, in: Kiefer, Ferenc (Hrsg.): Morphologie und generative Grammatik. Frankfurt am Main: Athenaion, 1 55. Eisenberg, Peter (2006): Grundriss der deutschen Grammatik. Band 1: Das Wort. 3. Aufl. Stuttgart, Weimar: Metzler. Heringer, Hans Jürgen (2009): Morphologie. Paderborn: Wilhelm Fink. Thieroff, Rolf / Vogel, Petra M. (2008): Flexion. Heidelberg: Universitätsverlag Winter. Wiese, B. (1996): Iconicity and syncretism. On pronominal inflection in modern German, in: Sackmann, R. (Hg.): Theoretical linguistics and grammatical description. Amsterdam: xxx, 323 344. 7