Predigt Markus 10,17-27: Nachfolge und Reichtum Jesus und der reiche Mann (Reihe Markusevangelium XVII) Gehalten von Pfr. Markus Unholz am 7. Februar 2016 in St. Georgen Text Markus 10,17-27 17Und als er sich auf den Weg machte, kam einer gelaufen und warf sich vor ihm auf die Knie und fragte ihn: Guter Meister, was muss ich tun, um ewiges Leben zu erben? 18Jesus sagte zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut ausser Gott. 19Du kennst die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsches Zeugnis ablegen, du sollst niemanden berauben, ehre deinen Vater und deine Mutter. 20Er sagte zu ihm: Meister, das alles habe ich befolgt von Jugend an. 21Jesus blickte ihn an, gewann ihn lieb und sagte zu ihm: Eines fehlt dir. Geh, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir! 22Der aber war entsetzt über dieses Wort und ging traurig fort; denn er hatte viele Güter. 23Da blickt Jesus um sich und sagt zu seinen Jüngern: Wie schwer kommen doch die Begüterten ins Reich Gottes! 24Die Jünger aber erschraken über seine Worte. Jesus aber sagte noch einmal zu ihnen: Kinder, wie schwer ist es, in das Reich Gottes zu kommen. 25Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in das Reich Gottes. 26Sie aber waren bestürzt und sagten zueinander: Ja, wer kann dann gerettet werden? 27Jesus blickt sie an und spricht: Bei Menschen ist es unmöglich, nicht aber bei Gott. Denn alles ist möglich bei Gott.
Liebe Gemeinde Das sind harte Worte von Jesus. Sie haben die Jünger erschreckt. Wir hätten noch mehr Grund zu erschrecken als sie, leben die meisten von uns doch in finanziell viel besseren Verhältnissen als die Jünger. Andererseits sage ich mir: Ich schaue darauf und es wird vielen von Ihnen ebenso gehen -, dass ich haushälterisch mit meinem Geld umgehe. Zwar gönne ich mir schon auch mal etwas, würde mich aber dabei als massvoll bezeichnen. Ich spende auch da und dort etwas. Und mit unseren Steuern tragen wir alle das Unsere zur Erfüllung der gesellschaftlichen Aufgaben bei, auch zur Sozialhilfe an finanziell Schwächere. Hätte der reiche Mann tatsächlich verkauft, was er hatte und es den Armen gespendet, so wäre er bald selbst auf Spenden anderer angewiesen gewesen. Er wäre von sozialer Hilfe abhängig geworden. Dies wäre wenig sinnvoll gewesen. So haben die jüdischen Lehrer zu der Zeit Jesu, die Rabbinen, verboten, dass jemand mehr als einen Fünftel seines Besitzes verschenkt. Dies, damit er sich nicht aus religiösem Übereifer selbst in Armut stürzt und danach den anderen auf der Tasche liegen muss. Unsere Geschichte von Jesus und diesem Reichen schliesst m.e. unsere Überlegungen zu einer verantwortungsvollen Haushaltführung und zu einem vernünftigen Umgang mit unserem Geld nicht aus. Was Jesus da erzählte, ist in eine bestimmte Situation hinein gesprochen. Er stellt nicht eine allgemeingültige gesetzliche Regel über den Umgang mit Besitz für alle Zeiten auf. Was kann die Geschichte denn uns heute sagen? Ich habe immer wieder darüber nachstudiert in den letzten Wochen im Blick auf die heutige Predigt. Dabei habe ich nicht die eine schlüssige Antwort gefunden, wie die Geschichte in unser Leben hineinspricht. Es wäre ja auch vermessen, mit einer biblischen Geschichte auf solch simple Weise fertig werden zu wollen. Teilen möchte ich mit Ihnen Anstösse, die mir diese Geschichte gegeben hat. Schon die Einstiegsfrage des Mannes an Jesus hat es in sich: Was muss ich tun, damit ich ewiges Leben habe? Er sucht noch das Eigentliche. Er spürt eine Sehnsucht wie manche von uns auch und weiss nicht recht, wonach. Ewiges Leben nennt er es. Das war eine gängige Redewendung für erfülltes Leben, für Glück, Heil und Seligkeit, die Gott denen gibt, die nach ihm fragen. Dies erwartete man nach dem Tod als Belohnung für gute Taten. Jesus nannte
dieselbe Vorstellung ins Reich Gottes kommen oder gerettet werden. Im Unterschied zu seinen Zeitgenossen lehrte Jesus aber, dass das Reich Gottes schon im Hier und Jetzt ist; ewiges, erfülltes Leben, fängt schon vor dem Tod an. Deshalb entspricht es nicht der Botschaft Jesu, das irdische Leben als jammervollen Wartesaal auf die Freuden im Jenseits anzusehen. Der reiche Mann in unserer Geschichte hat zwar alles erreicht, wovon viele träumen. Materiell hat er ausgesorgt. Ich stelle mir vor, er könnte etwas geerbt und es dann mit seriöser Arbeit vermehrt haben. Er war auch beflissen, ein moralisches Leben zu führen, sagt er doch auf Jesu Bemerkung: Ja, ich habe die Gebote befolgt von Jugend an. Aber dennoch bleibt er unbefriedigt, voller Sehnsucht nach irgendetwas anderem, nach mehr. Was muss ich tun? Wenn er diese Frage formuliert, erwartet er: Wie ich geschäftlich und moralisch das Richtige getan habe, so kann und will ich etwas dafür tun, um dieses ersehnte Glück zu erlangen. Ich meine, da sucht er in die verkehrte Richtung. So wie ich vermute, dass wir es manchmal auch tun. Man hat es uns eingebläut: in der Schule, der Ausbildung, im Beruf möglichst viel Einsatz zu zeigen und dafür zu sorgen, dass wir gut vernetzt sind. Nichts gegen Einsatzfreude, nichts gegen weltlichen Erfolg. Aber ob wir damit wirklich Stufe um Stufe der Erfüllung unserer Sehnsucht entgegen steigen? Unser junger Mann hat die Stufen alle erklommen, seine irdischen Ziele erreicht und dabei erst noch die Gebote gehalten. Nur eines fehlt ihm: die Einsicht, auf welchem Weg er dem Entscheidenden näher kommen kann. Darum fragt er sinnwidrig: Was muss ich tun? Solange wir nach den weltlichen Massstäben, die uns in Fleisch und Blut übergegangen sind, glauben, dass wir etwas tun müssten, um das wahre, erfüllte Leben zu finden, dass wir es uns irgendwie verdienen und kaufen, verdienen, solange schuften wir für die Katze. Solange wir davon ausgehen, dass wir irgendwann einmal, wenn wir dieses oder jenes erarbeitet haben, das Glück finden, so lange mühen wir uns vergeblich im Hamsterrad. Denn Glück liegt nicht in der Zukunft. Während wir anderem nachjagen, ist es vielleicht schon da. Wir müssten es bloss entdecken und heben wie einen Schatz auf dem eigenen Grundstück. Unmittelbar vor unserer Geschichte sagt es Jesus in einfachen Worten: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. Er nimmt die Kinder, die man ihm bringt, in die Arme, und er segnet sie. Warum steigt Jesus hier aber, gegenüber dem reichen Mann, überhaupt auf dessen Frage nach dem Tun ein? Ich lese daraus ein Zweifaches: Er geht auf den reichen Mann ein. Und gleichzeitig zeigt er aber mit seiner Antwort an ihn
auch, wie absurd die Frage im Grunde genommen ist: Wenn du wirklich mit deinem Tun zum Ziel deiner Sehnsucht kommen willst, dann verkaufe eben alles zugunsten der Armen. Das Aufgeben des Besitzes malt Jesus hier als konkrete Art der Nachfolge für den Mann aus, den er liebgewonnen hat. Jesus stellt aber nicht eine allgemeingültige gesetzliche Vorschrift auf. Auch wenn wir diese Geschichte also nicht eins zu eins imitieren können und wollen, zeigt sich hier: Bei der Nachfolge Jesu geht es ums Ganze! Auch für uns. Es genügt nicht, sich im Leben gemütlich einzurichten und dann Jesus noch ein bisschen nachzufolgen. Am Anfang der Nachfolge Jesu steht, unabhängig davon, wie wir sie konkret ausgestalten, dass wir unser Leben grundsätzlich und ganz als von Gott geschenkt ansehen. So legen wir es Tag für Tag in seine Hände. Und wir gehen auch anders mit den Freuden der Welt um. Wir sind zunächst einfach dankbar für alles Schönes und Gute und dann auch demütig bereit, etwas davon zu teilen mit jenen, denen wir unsererseits damit etwas Gutes tun können. Und wir sind uns bewusst, dass unsere irdischen Lebensmöglichkeiten nur etwas Vorläufiges sind. Geld, andere materielle Güter und auch unsere Fähigkeiten missbrauchen wir dann nicht dafür, dass wir mit ihnen das ewige Leben, das letzte Glück sichern wollen. Hier malt Jesus uns das berühmte Bild vor Augen vom Kamel und dem Nadelöhr. Dass ein Kamel durch ein Nadelöhr hindurch kommt, ist unmöglich. Es gibt Ausleger, die dieses schroffe Bild abgeschwächt haben: Sie weisen darauf hin, dass ein ähnlich klingendes griechisches Wort wie Kamel übersetzt Schiffstau heisst. Andere blieben beim Kamel, meinten aber, mit dem Nadelöhr habe Jesus ein besonders enges Jerusalemer Stadttor bezeichnet, unter welchem ein Kamel nur hindurch gehen konnte, wenn es sich bückte und in die Knie ging. Ob es nun unmöglich oder schwer sei Jesus schwankt selbst zwischen beiden Einschätzungen, dass die Begüterten in das Reich Gottes kommen: Manche von ihnen trennt davon, dass sie sich nichts schenken lassen können und wollen. Sie sind es sich nicht gewöhnt, auf etwas angewiesen zu sein. Weil sie sich nie beschenken lassen, können sie es schliesslich nicht mehr. Diese Form von Reichsein ist nicht eine Eigenart einer bestimmten sozialen Klasse. Und Jesu hartes Kamelwort ist deshalb auch nicht einfach eine sozialkritische Abrechnung mit den Reichen, die nun den Armen Platz zu machen hätten.
Vielmehr wird die Schwierigkeit des reichen Mannes zur Schwierigkeit auch jener, die selbst nicht zu den materiell Reichen gehörten. Auch die Jünger als Arme sind erschrocken über Jesu Wort und haben nicht etwa selbstgerecht darüber frohlockt. Jesus sieht die Schwierigkeit für alle, aus eigener Kraft das Reich Gottes, d.h. letzten Sinn und Erfüllung, zu erlangen. Auch die Jünger haben in dieser Lage die tröstliche Zuwendung von Jesus nötig. Deshalb spricht er sie liebevoll an mit Kinder. Die Schwierigkeit besteht wohl darin und da sind wir, unabhängig vom Kontostand, wohl den Jüngern ähnlich, dass sie, wie wir, oftmals von der Welterfahrung ausgehen: Da wird einem nichts geschenkt. Alles, was ich erreichen will, muss ich hart erarbeiten. Und dann gehen wir fatalerweise davon aus, das sei in unserem Verhältnis zu Gott ebenso. Dabei ist es genau umgekehrt: Da lässt sich nichts erwerben, nichts erzwingen. Da können wir uns nur immer wieder neu dem Leben öffnen, das er uns schenkt, uns zuspielt, jetzt schon, immer wieder und dann am Ende unserer Tage nochmals in einem ganz neuen Anfang. Was von Gott her gilt, wird in Jesus sichtbar, auch für uns: Er blickte den reichen Mann an und gewann ihn lieb. Ich bin überzeugt: Er sieht auch jede und jeden von uns aufmerksam und mit einem liebevollen Blick an. Lassen wir uns davon bewegen, und zwar auf die je eigene Weise, die Gott uns zugedacht hat, Jesus nachzufolgen. Fragen wir uns immer neu, was das in unserer jeweiligen Lebenssituation für uns heisst, hier und heute. Amen.