JUDENVERFOLGUNG IN DRESDEN

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Transkript:

Dr. Nora Goldenbogen JUDENVERFOLGUNG IN DRESDEN 1933 1945 25. April 1943, Ostersonntag vormittag Die Todesdrohungen immer näher und würgender: Juliusburger am Mittwoch verhaftet, am Freitag tot. Meinhard verhaftet und tot und gestern Abend die Nachricht von Conradis Verhaftung. Victor Klemperer 1

Judenverfolgungen in Dresden - 2 - Judenverfolgung in Dresden 1933 1945 der Anfang Die Ausgrenzung und Verfolgung der Juden zunächst in Deutschland, aber dann auch in den von Deutschland besetzten Ländern, erfolgte systematisch und mit deutscher Gründlichkeit. In Deutschland begann sie unmittelbar nach der Machtergreifung Hitlers und seiner NSDAP. Zu den ersten Aktionen zählten der reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte vom 1. April 1933 oder der Erlass des Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April. Dieses Gesetz enthielt den Passus, dass alle Beamten nichtarischer Abstammung in den Ruhestand zu versetzen sind. 1935 Gesetzliche Grundlage für alle weiteren Stufen der Verfolgung wurde der Erlass der sogenannten Nürnberger Gesetze vom 15. September 1935, darin das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre. Dieses und dessen Nachfolgeverordnungen definierte wer als Jude galt (mindestens drei jüdische Großelternteile) und wie Ehepaare und Kinder in sogenannten Mischehen einzuordnen waren. 1938 Die Pogrome in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 markierten in Deutschland den endgültigen Übergang zur gewalttätigen Verfolgung und Vernichtung der Juden. Hierbei spielte die Geheime Staatspolizei (Gestapo) eine entscheidende Rolle.

Judenverfolgungen in Dresden - 3 - Gestapo Bereits 1933 eingerichtet, unterstand sie ab 1939 dem Reichssicherheitshauptamt und hatte bereits vorher eine flächendeckende Struktur relativ früh auch in Sachsen. Die Gestapo konnte schon zu diesem Zeitpunkt jenseits von allen Bindungen an Recht und Gesetz agieren, Schutzhaft verhängen, Aussagen durch Folter erzwingen und Gefangene ermorden. Ihre Mitarbeiter waren Angehörige der SS. In Dresden befand sich der Sitz der Gestapo in der heutigen Bayrischen Straße hinter dem Hauptbahnhof. Ab März/ April 1942 führte SS-Untersturmbannführer Henry Schmidt das sogenannte Judenreferat. bis 1940 Bis zum März 1940 mussten alle Juden Dresdens ihre Wohnungen räumen und in eines der 32 dafür vorgesehenen Judenhäuser ziehen. Ausnahmen von dieser Regelung hingen mit den oben erwähnten Nachfolgeverordnungen zusammen. (Deshalb konnte Toni Weigmann nach der Scheidung von ihrem arischen Ehemann bei ihrem Sohn Horst wohnen.) Die Gestapo terrorisierte die Bewohner der Judenhäuser immer wieder durch Hausdurchsuchungen neue Einschränkungen In den darauffolgenden Jahren wurden immer wieder Polizeiverordnungen erlassen, die den Dresdner Juden jegliche Freiräume nahmen beispielsweise: Verbot des Besuchs der Brühlschen Terrasse und der großen Parkanlagen, Ausgehverbot am Abend, Verbot des Benutzens von öffentlichen Verkehrsmitteln, des Haltens von Haustieren, des Kaufs von Blumen, von Speiseeis usw.

Judenverfolgungen in Dresden - 4 - ab 1942 Am 21. Januar 1942 erfolgte die Deportation von 224 Juden aus dem Regierungsbezirk Dresden-Bautzen per Zug in das Ghetto Riga. Diese wie auch alle folgenden Deportationen wurden durch die Dresdner Gestapo überwacht. Es gab nur wenige Überlebende. Am 23./ 24. November 1942 wurde das sogenannte Judenlager Hellerberg eröffnet. Insgesamt 279 Menschen wurden aus den Judenhäusern Dresdens in dieses Lager gebracht. Die meisten von ihnen mussten Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion von Zeiss Ikon leisten. Am 2./3. März erfolgte ihr Transport in das Vernichtungslager Auschwitz. Zwischen dem 1. Juli 1942 und dem 11. Januar 1944 verließen außerdem 10 Deportationstransporte Dresden in Richtung Ghetto Theresienstadt. Die Transporte erfolgten per LKW ebenfalls unter Aufsicht der Dresdner Gestapo. 1943 27.Februar1943 2 Heute kam diese Karte wieder zurück. Stempel darauf: zurück. Bleistiftnotiz Abgewandert. Abgewandert für abgewandert worden. Harmloses Wort für vergewaltigen, vertreiben, in den Tod schicken. Gerade jetzt ist nicht mehr anzunehmen, dass irgendwelche Juden lebend aus Polen zurückkehren.

Judenverfolgungen in Dresden - 5-12. Juni 1943 Hirschel und Kahlenbergs, Mutter und Sohn, befinden sich bereits seit Donnerstag im Polizeipräsidium. Gleich nach Pfingsten werden diese letzten nicht in Mischehe lebenden Juden nach Theresienstadt abgeschoben. 25. April 1943 3 Jede Stunde kann es mich treffen. Und dann in der Zelle sitzen und von Minute zu Minute auf den Henker warten vielleicht erwürgt mich hier auch niemand, sondern ich sterbe erst auf dem Weg ins KZ ( bei Fluchtversuch erschossen ) oder in Auschwitz selber an Insuffizienz des Herzmuskels 1944 Am 8. Januar 1944 wird Toni Weigmann verhaftet. Ihr Sohn Horst kommt beim Versuch, seine Mutter zu befreien, um. Toni Weigmann wird mit dem letzten Transport aus Dresden nach Theresienstadt deportiert. 1945 Die letzte Deportation von Dresden in das Ghetto Theresienstadt war für den 16. Februar 1945 geplant. Sie fand nicht mehr statt, weil durch die Bombenangriffe am 13./ 14. Februar die gesamte Infrastruktur zerstört worden war. Das gab den wenigen noch in Dresden lebenden jüdischen Menschen die Chance zum Überleben des Naziregimes.

Judenverfolgungen in Dresden - 6 - Literatur Norbert Haase/ Stefi Jersch-Wenzel/ Hermann Simon (Hg.), Die Erinnerung hat ein Gesicht. Fotografien und Dokumente zur nationalsozialistischen Judenverfolgung in Dresden 1933-1945, Leipzig 1998. Irina Suttner, Juden in Sachsen während der Herrschaftszeit des Nationalsozialismus. In: Gunda Ulbricht /Olaf Glöckner (Hg.), Juden in Sachsen, Leipzig 2013, S. 152 ff 1 Klemperer, Tagebücher, 1942 1945, Aufbau-Verlag GmbH, Berlin 1995, Band 2, S. 354 2 Klemperer, S. 335, leicht geändert 3 Klemperer, S. 355