Volker Braun Nibelungen
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Volker Braun, Nibelungen henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag
Personen Brünhild Siegfried Gunter Hagen Gernot Volker Krimhild Drei Flußweiber Ute Giselher Aetius Legionär Dankwart Quintilius Zwei Agentes Rüdiger Iring Bledel Werbel Schwämmel Kind Etzel Rumolt Gefolge, Bauern, Krieger, Trümmerfrauen Die drei Teile des Stücks sind deutlich voneinander abzuheben: mythologisches Material / Familiendrama / Epochenstück. Die Frauenprotokolle spielen in einem Innenraum, im Deutschen Furor erscheint der Himmel, die Natur, die Geschichte. Dieselben Figuren haben in jedem Teil ein anderes Naturell. Am römischen Rhein sind die starken Burgunden noch Halbstarke; Giselher erst im dritten Teil erwachsen. Alle Handlungen sind in ihrem Alter und in ihrer Gegenwärtigkeit zu zeigen. 102
Siegfried. Kinderspiele ANEKDOTE AUS DEM ALTERTUM BRÜNHILD, DIE SICH VERMÄHLEN WOLLTE, SAH DEN GLEICHEN KOMMEN, DER IHR VERSPRO- CHEN WAR. SIEGFRIED RITT DURCH DIE FLAM- MEN VOR IHREN THRON. ER ISTS! RIEF SIE, ER IST ES, RIEF SIE SICH ZU. UND SIE LÖSTE FÜR IHN IHREN GÜRTEL. SIEGFRIED SAH DIE GLEI- CHE, DIE IHM VERSPROCHEN WAR, DIE HERRLI- CHE FRAU, UND DER SCHWEISS RANN AUS SEI- NEM PANZER HERVOR. ER NAHM SEIN SCHWERT ZU SICH UND WANDTE SICH UND SCHNITT EINEN AUSWEG IN DEN WALD. AUFBAU EINES HELDEN. DER NIBELUNGEN NOT In Nebelheim in der Eisenzeit Traten zwei Könige in den Dunst und sprachen: Ihr in der Erde, Nebelinge Tragt heraus eure Arbeit Waffen, Werkzeug, Metall Wir wollen sie teilen unter uns allen Beiden. Die schwarz und nackten Nibelungen schleppten den Schatz Aus der Fabrik vor die Herrn Den Raub. Wer hilft uns zählen Riefen die Könige, dies scharfe Schwert Ist sein. Der Schmied maulend 103
Murmelte: Siegfried Siegfried mach es, und die Gesellen Grinsten: Siegfried fang an. Siegfried tritt nicht auf: sein Agieren wird durch die Bewegung der Gruppe kommentiert. Aber kein Siegfried trat den Königen Nahe sondern verzählte sich In der Aufregung. Dummkopf Riefen die Könige, er betrügt mich nein mich Noch einmal von vorn. Und Siegfried Das Schwert in Händen und aber Die Arbeit aller Waffen Werkzeug Metall Kam nicht zurand. Die Könige Griffen sich in die Augen Um sich eins auszuwischen, und ihre zwölf Riesen Traten in den Dunst und sprachen: In die Erde, ihr Nebelinge, wollt ihr In der Steinzeit wohnen. Aber der Schmied Rasend flüsterte: Siegfried Siegfried bleib, wir brauchen dich Und der Gebrauchte wieder Handelte, sein Schwert in zwölf Händen Erschlug die Riesen. Dummkopf Schrien die Könige, betrügst du uns beide Wag es noch einmal. Und beide In Harnisch griffen den Nackten Während die Nibelungen sich dünne machten Und erwischten sich Und machten sich beide den Garaus. Der Schmied Die Arbeit aller Waffen Werkzeug Metall In Händen wieder und aber das blutige Schwert 104
Wollte in die Erde sinken Und umklammerte den Furchtbaren Aber der löste sich von dem Furchtsamen Und warf ihn zuboden. Was immer sie davon halten sollten Er stand vor ihnen Siegfried Siegfried Und sie lachten sacht, und in den Dunst Trat der Drache und sprach: Von meiner Erde ihr, Nebelinge. Wagt ihr mich zu wecken, und sein Feuer Fand die Fabrik, Nebelheim Sank in die Steinzeit. Die Schwarz und Nackten Zitternd schrien: Siegfried Siegfried jetzt hilf, du Held Du kriegst Besuch, Siegfried Jetzt zeige dich. Und sie zogen Den Zögernden aus ihrer Mitte Und standen bei ihm und deckten ihn Mit ihren Leibern, so daß er nicht zu sehen war. Und in der Tarnung aber Das Schwert in zwölf Händen Brüllend wie zwölf nackte Nibelungen Begann er den Kampf Und endete ihn und stieß den Drachen in Stücke. Und als sie zu Atem kamen Umarmten die Blutigen Den Unsichtbaren und sprachen: Jetzt soll dich kein Eisen ritzen Nach dem Blutbad. Und sie warfen ihn Hoch und ließen ihn auf die Waffen Schlagen Werkzeug Metall Die Arbeit aller, und aber der Schmied 105
Rief: Es ist seins Das Schwert und der Schatz Aus der Fabrik für den Herrn Weil er der Stärkste ist gekleidet In unsern Mut. Und im Jubel Trat Siegfried aus dem Dunst Und legte sein Schwert an den Wald Und versengte ihn, und sie sahen es an. Industrie-/Kriegslärm. FRISCH AUF, sprach Siegfried, HIER WIRD MEHR GETAN. AM RÖMISCHEN RHEIN Gunter, Hagen, Gernot, Volker kommen im Hemd aus dem Fluß, bauen sich in Reihenfolge auf. Krimhild bringt Gunter die Schuhe. hagen Du bist der Erste, Gunter. Dann kommt lange Nichts. gernot Dann Gernot. Volker, war dir bange. krimhild Dem war der Rhein zu kalt. Volker spritzt sie. Alte Sau gunter Ich hab ein Königreich und keine Frau. volker Solln dir die Römer zu dem kalten Rhein Eine Sklavin geben. gunter Will ich Sklave sein. 106
krimhild Könnt ihr das Thema wechseln. Immer Fraun. hagen Wie kommt der Mann dort über unsern Zaun. Siegfried über die Wiesen, Schwert und Tarnplane unter dem Arm. Hagen tritt ihm entgegen. siegfried Ich grüß dich, König Gunter von Burgund. Umarmt Gunter, der in die Knie geht. gernot Er kennt dich wohl. krimhild Er küßt ihn auf den Mund. volker Wer ist der Bauer. siegfried Siegfried, Niederland. Gernot, Volker, Hagen fliehen ins Wasser. Gib mir dein Reich in meine freie Hand. Gunter starrt ihn an, lacht. Ich weiß, sie haben es dir aufgedrängt. Jetzt stehe mir, ich will es nicht geschenkt. Gunter watet rasch ins Wasser. Es ist mal so: der Stärkste herrscht allein. Bist du das hier, oder muß ich das sein. volker Komm in das Wasser, Herr, er ist in Eisen. siegfried Ich kann nicht schwimmen und kanns nicht beweisen. Bleibe an Land, verdirb uns nicht das Spiel. Ich erbe auch ein Reich: das ich nicht will Und dir gehörts, wenn du mich unterkriegst. hagen Und auch der Hort? 107