9 Thesen zur Zukunft der Logistik im Rhein-Main-Gebiet Erarbeitet von der Executive Commission Logistik unter Beteiligung von Dematic ECAD Fraport IBM Infraserv Hoechst Luft hansa Cargo Miebach Logistik NCR-teradata Railion RMV T-Systems Vitronic Copenhagen Business School European Business School Harvard Business School TU Darmstadt MIT Zaragoza Hessisches Ministerium für Verkehr, Wirtschaft und Landesentwicklung beim Wissenschaft sforum der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain am 26.06.2007 in Frankfurt am Main Aktualisierte und ergänzte Version vom 27.08.2007
Logistik in Hessen eine kurze Einleitung Die Logistik gehört in Hessen mit zu den wichtigsten Branchen: Nach Berechnungen der HessenAgentur arbeiten rund 170.000 sozialversicherungspfl ichtig Beschäftigte in der Logistik - dazu kommen noch zahlreiche Selbständige sowie geringfügig Beschäftigte ( 400-Euro-Jobs ). Auch in den jährlich veröffentlichten Rankings zur Logistik ist Hessen vorne mit dabei: So sind 20 Unternehmen der Top 100 der Logistik (DVZ-Verlag) in Hessen behei- matet - dazu kommen noch sämtliche Stückgutkooperationen, die allesamt in Hessen ihren Firmensitz haben. Allein die 20 Unternehmen aus den Top 100 erwirtschaften zusammen mit den Stückgutkooperation gut 10 Mrd. Euro im Jahr. Unter den Top 50 der Logistikdienstleister in Deutschland, veröffentlicht von der Zeitschrift Logistik Inside waren 2006 12 Unternehmen aus Hessen. Dabei ist die Logistik in Hessen breit aufgestellt: Im Raum Kassel-Bad Hersfeld-Fulda fi nden sich zahlreiche Hubs (Umschlagknoten) von KEPs (Kurier-, Express- und Paketdiensten) sowie einige Zentrallager, die Waren für die deutschland- oder europaweite Distribution vorhalten. In Südhessen hingegen ist der Frankfurter Flughafen mit seinem hohen Frachtumschlag (2006: über 2 Mio. t) ein bestimmender Faktor. Dazu kommen auch hier zahlreiche große Distributionszentren. Für Hessen spricht dabei vor allem die zentrale Lage in Verbindung mit einer hervorragenden Verkehrsinfrastruktur und einer guten Verfügbarkeit an hochqualifi zierten Arbeitskräften. Im Rhein-Main-Gebiet fi nden sich zudem zahlreiche Logistikdienstleister, die vom Supply-Chain-Management bis hin zur Dokumentenlogistik, Fabrikplanungen oder Software alle Leistungen rund um die Logistik anbieten. Zitiert von der Homepage des Hessischen Wirtschaftsministeriums, Einführungstext Logistik in Hessen ; www.wirtschaft.hessen.de, Stichwort Logistik in der Rubrik Verkehr
1 These zum Logistikverständnis Ein ganzheitliches Logistikverständnis bildet die Basis zur logistischen Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Rhein-Main-Gebietes. Logistik und Mobilität betreffen alle Aspekte von Wirtschaft und Gesellschaft im Rhein-Main-Gebiet: von der notwendigen Infrastruktur und Technologie über Transport, Umschlag und Lagerung sowie Beschaffung, Produktion, Distribution und Entsorgung bis zur ganzheitlichen Koordination von Güter-, Informations-, Dokumenten- und Personenströmen. Ohne die Beherrschung einer komplexen Logistik würde Rhein-Main in allen wirtschaftlichen Bereichen von Industrie und Handel bis zu Banken, Versicherungen und anderen Dienstleistungen zum Stillstand kommen. Dies gilt insbesondere auch für den Export eine der Stärken der Unternehmen in Rhein-Main. Logistik als grundlegende Querschnittsfunktion gilt es daher nachhaltig zu stärken, so dass die Region weiterhin als einer der führenden Standorte Deutschlands, Europas und der Welt bestehen kann. 2 These zur Bedeutung der Logistik Beschäftigungsaufbau, wirtschaftlicher Erfolg und Innovation prägen das Bild des Wettbewerbsfaktors Logistik in Rhein-Main. Logistik und Mobilität müssen ihr neues Selbstverständnis mit Selbstbewusstsein kommunizieren: Die Logistik in Rhein-Main gewährleistet die Verfügbarkeit von Gütern, Dienstleistungen und Informationen. Sie ermöglicht den wirtschaftlichen Austausch, ist Motor der Innovation und erleichtert die Anpassung an sich wandelnde wirtschaftliche Bedingungen. Eine leistungsfähige Logistik stellt damit einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar. Die Logistik ist einer der bestentwickelten Wirtschaftszweige der Region. Sie wächst jährlich und schafft zahlreiche neue Arbeitsplätze. Bereits heute weist die Logistik den zweithöchsten Beschäftigungsanteil in der Region auf. Insbesondere im Bereich Logistikdienstleistungen ist auch zukünftig eine dynamische Entwicklung zu erwarten. Politik und Logistikakteure müssen gemeinsam die positiven Effekte der Logistik für das Rhein-Main-Gebiet herausstellen und weit stärker als bisher öffentlich kommunizieren. 3 These zu Logistik und Regionalität Überregionale Kooperationen bilden die Basis zur Schaffung einer Grenzen überwindenden Logistik für das gesamte Rhein-Main-Gebiet. Güter-, Informations-, Dokumentenund Personenströme machen vor administrativen Grenzen nicht Halt. Die Logistik denkt nicht in regionalen oder föderalen, sondern in globalen Zusammenhängen. Grenzüberschreitende Aktivitäten stoßen oft an eine Reihe von rechtlichen und administrativen Hindernissen, sind jedoch für innovative Problemlösungen unabdingbar. Diese Kooperationen können der Logistik in Rhein-Main helfen, gezielt Nutzen aus den zahlreichen, aber oftmals unzureichend aufeinander abgestimmten logistischen Infrastrukturen, Ressourcen und Kompetenzen zu ziehen. Durch gemeinsame Anstrengungen der Logistikakteure und der Politik kann es gelingen, aus der regionalen Vielfalt zu einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten zu kommen.
4 These zu Logistik und Intermodalität Durch infrastrukturelle, informationstechnologische und managementorientierte Kopplung der Verkehrsträger werden die intermodalen Potenziale realisiert. Intermodalität, bezogen auf den Güter- und Personenverkehr, ist einer der zentralen Erfolgsfaktoren am Standort Rhein-Main und zugleich eine große Herausforderung. Durch die Ausschöpfung aller Vorteile der Intermodalität werden bestehende Leistungspotenziale genutzt. Dabei geht es nicht allein um die Vernetzung der Verkehrsinfrastruktur von Straße, Schiene, Wasser und Luft sowie deren informations- und kommunikationstechnologische Kopplung, sondern auch um die systematische Verbindung mit ganzheitlichen Managementkonzepten. Ziel muss es sein, die vorhandene Struktur intelligenter und effizienter zu nutzen: intelligenter, weil öffentliche Infrastrukturmaßnahmen in Zukunft nicht wesentlich zunehmen können; effizienter, weil neben beschränkten finanziellen Ressourcen der Faktor Zeit immer weiter an Bedeutung gewinnt. 5 These zu Logistik und globalen Supply Chains Die aktive Entwicklung des Flughafens verstärkt die Bedeutung der Rhein- Main-Region als Hub in globalen Supply Chains. Rhein-Main gehört zu den Gewinnern der europäischen Integration, der Öffnung Osteuropas und der Globalisierung. Insbesondere der Flughafen Frankfurt ist in seiner Funktion als globale Drehscheibe ein entscheidender Standortfaktor und wirkt als wirtschaftlicher Wachstumsmotor so lange die zeit- und mengenmäßigen Kapazitäten den Anforderungen der Marktteilnehmer entsprechen. Seine zukunftsfähige Entwicklung eröffnet für die ansässigen Unternehmen und Logistikakteure hervorragende Perspektiven zur Einbindung in globale Wertschöpfungsnetzwerke, zur Partizipation am Zukunftsmarkt Luftverkehr und zum Ausbau von Beschäftigung sowie der Mobilität der Beschäftigen aller Branchen. Um diese und weitere Potenziale auszuschöpfen, muss der Flughafen eine zentrale Position in einer regionalpolitischen Wachstumsoffensive einnehmen. 6 These zu Logistik und Nachhaltigkeit Eine nachhaltige Logistik in Rhein- Main berücksichtigt die Belange von Umwelt und Gesellschaft. Eine effiziente, grüne Logistik schont Ressourcen, ist sozialverträglich und schützt die Umwelt. Damit werden der Verbrauch an Treibstoff und Flächen, die Lärmbelastung sowie andere die Umwelt und Gesellschaft beeinträchtigende Auswirkungen minimiert; kurz: eine nachhaltige Logistik ist gefragt. Dazu zählen die Nutzung und Förderung umweltgerechter Antriebstechnologien, die positiven ökologischen Aspekte einer Vernetzung intermodaler Verkehre, eine intelligente Nutzung bestehender und neuer Flächen, die gemeinsame Nutzung regionaler Infrastrukturen wie Häfen und Güterverkehrszentren, Bahnhöfen und Flughäfen sowie Autobahnen und Bundesstraßen unter Nutzung der Bündelungsmöglichkeiten durch aktive Vernetzung, Telematik und IT. Die Logistik in Rhein-Main muss demnach durch Kooperation und Abstimmungsprozesse Strukturen zur Nutzung von Effizienzreserven schaffen. Green Logistics hilft, Anbieter und Nachfrager für die Folgen ineffizienter Logistik zu sensibilisieren und Logistik zukunftsfähig zu machen.
7 These zu Logistik und Technologie Logistik-Technologien aus Rhein- Main bilden das Rückgrat moderner Logistik-Systeme weltweit. Erfolgsentscheidende Bestandteile eines effizienten Logistiksystems sind aufeinander abgestimmte Informations-, Kommunikations- und Logistiktechnologien. Anbieter aus Rhein-Main exportieren und implementieren weltweit Technologien von Intralogistik-Systemen bis zur Verkehrssystemtechnik. Das dahinter liegende operative und analytische Informationsmanagement, z.b. ERP- Systeme bzw. Data Warehouse Management, liefert Informationen zur Planung, Steuerung und Koordination für die Logistik. Im Wettbewerb um die Technologieführerschaft gilt es daher, in Rhein-Main innovative Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Bereichen wie Auto-ID/RFID, Telematik oder Dokumentenlogistik weiter voranzutreiben, um eine Spitzenposition in diesen Zukunftstechnologien dauerhaft zu besetzen. 8 These zu Logistik und Innovation Die Schaffung, der Ausbau und die Bündelung von Logistikkompetenzen stärken die Innovationskraft des Wirtschaftssystems Rhein-Main. Rhein-Main hat das Potenzial eines Silicon Valley für komplexe, innovative Logistik. Die Region weist eine deutliche Konzentration von logistiknahen Dienstleistungen und Logistiktechnologie sowie eine entsprechende Nachfrage auf. Zudem erreichen die logistikbezogenen Innovationsindika- toren im deutschlandweiten Vergleich weit überdurchschnittliche Werte. Durch die Generierung und Bereitstellung neuer Produkte und Dienstleistungen leistet die Logistik bereits heute einen wesentlichen Beitrag zur Innovationsfähigkeit der gesamten Wirtschaft in Rhein-Main. Dabei spielen neben IT die Faktoren Mensch und Vertrauen eine zunehmend erfolgskritische Rolle. Zur kontinuierlichen Entwicklung eines innovationsfreundlichen Klimas sind somit regionalpolitische Prozesse gefragt, die den Aufbau von Kooperationen und Clustern fördern. Auf allen Stufen des Bildungssystems, insbesondere im Hochschul- und institutionellen Forschungsbereich, müssen die Ausbildungs- und Forschungskapazitäten sowie das Curriculum an den hohen Nachwuchskräftebedarf und die hohen Qualitätsanforderungen seitens der Unternehmen angepasst werden. 9 These zum Logistikwissen Eine aktive Vernetzung des Logistikwissens in Rhein-Main schafft Wettbewerbsvorteile für Unternehmen und die öffentliche Verwaltung. Unternehmen und die öffentliche Verwaltung benötigen aktuelles Logistikwissen, um ihre Güter- und Informationsströme effizient zu steuern. Das Rhein-Main-Gebiet verfügt bereits über eine Reihe renommierter An- bieter für logistikrelevante Produkte, Qualifizierung, Beratung, Bildung, Wissenschaft und Forschung. Durch eine Vernetzung der Kompetenzträger kann das bestehende Know-how um ein Vielfaches erhöht werden. Entsprechende Plattformen zur Bereitstellung, zum Austausch und zur Nutzung von Logistikwissen ein House of Logistics und eine international wettbewerbsfähige School of Global Supply Chain Leadership - müssen geschaffen werden. Dabei gilt es, die universitären und die Forschungskapazitäten erheblich auf- statt abzubauen und zu vernetzen. Ziel ist es, das gesamte Rhein-Main-Gebiet zu einer Region zu entwickeln, die für das Angebot und die Vermittlung von innovativem Logistikwissen bekannt ist.
Handlungsnotwendigkeiten Die genannten neun Thesen stellen eine gemeinsame Vision zur Zukunft des Logistikstandortes Rhein-Main dar. Sie richten sich sowohl an Politik, Wirtschaft und Wissenschaft als auch die Öffentlichkeit. Von den Thesen sollen Impulse für die Entwicklung des gesamten Rhein-Main-Gebietes ausgehen. Die Teilnehmer der Executive Commission Logistik unterstützen den beim Wissenschaftsforum eröffneten Weg und sehen die Thesen als ersten Schritt eines strukturierten Dialogs. Folgende Handlungsnotwendigkeiten werden durch die Executive Commission ausgesprochen: 1. Logistik muss als Chance für Innovation, Beschäftigung und wirtschaftlichen Aufschwung begriffen und entsprechend kommuniziert werden. Kompetenz und Wissen aus RheinMain muss international wettbewerbsfähig sein. 2. Es müssen unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit Kapazitäten und Ressourcen in den Bereichen Infrastruktur, Flächen, Technologie und Wissen erhalten und neu bereitgestellt werden, um weiteres Wachstum zu ermöglichen. 3. Wirtschaft und Wissenschaft müssen die Vernetzung der Logistikakteure regional und überregional vorantreiben: Ein neues Selbstverständnis und Selbstbewusstsein der Logistik in der Region muss die Selbstvernetzungsfähigkeit der Unternehmen stimuliert werden. 4. Ein aktivierendes Clustermanagement und die Vernetzung der Region sind Voraussetzungen für die gemeinsame Planung und Gestaltung des Logistik-Clusters RheinMain. Hier müssen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik kurzfristig ihren Führungsanspruch nachweisen und ihren Platz national und international reklamieren. Dazu muss ein nachhaltiges Gesamtkonzept entwickelt, wissenschaftlich unterlegt und gemeinschaftlich fi nanziert werden.