SchiedsamtsZeitung 56. Jahrgang 1985, Heft 05 Online-Archiv Seite Organ des BDS. Die Bedeutung des Schiedsmannsamtes in unserer Gesellschaft

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Transkript:

Die Bedeutung des Schiedsmannsamtes in unserer Gesellschaft Vortrag vor der Vertreterversammlung des Bundes Deutscher Schiedsmänner, gehalten am 20. Oktober 1984 in Dreieich- Sprendlingen von Präsident des Bundesgerichtshofes Prof. Dr. G. Pfeiffer (Fortsetzung aus Heft 4/85) Wenn wie es etwa bei der Schiedsstelle des Kfz-Handwerks der Fall ist ca. drei Viertel aller Schlichtungsanträge sachlich gar nicht behandelt, sondern wegen Unzuständigkeit abgewiesen werden, dann ermutigen solche Erfahrungen die Bürger sicherlich nicht, ihr Recht noch einmal bei einer Schiedsstelle zu suchen. Die Schiedsstellen sollten hier freier und großzügiger in der Behandlung der an sie angetragenen Entscheidungen verfahren, zumal sich die bestehenden Schlichtungsverfahren nicht in enger Bindung an geltende zivilprozessuale Normen vollziehen. Ferner wäre daran zu denken, in 209 Abs. II BGB eine Regelung einzuführen, dass mit der Anrufung einer Schieds- oder Schlichtungsstelle die Verjährung unterbrochen wird. Eine solche Unterbrechung der Verjährung sollte angesichts der kurzen Fristen im Kaufrecht in 477, im Mietrecht in 5 558 und im Werkvertragsrecht in 5 638 BGB ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Schließlich sollte durch entsprechende gebührenrechtliche Regelungen für die Anwälte ein Anreiz geschaffen werden, den außergerichtlichen Weg einzuschlagen. So könnte etwa dem Anwalt für das Verhandeln vor der Schiedsstelle und den erfolgreichen Vergleich je eine angemessene Gebühr zugesprochen werden. Um schließlich die Wirksamkeit des Verfahrens nicht in Frage zu stellen, müsste die Schlichtungsstelle als Gütestelle i. S. des 5 794 Abs. I Nr. 1 ZPO von den Landesjustizverwaltungen anerkannt werden, damit aus den Vergleichen gegebenenfalls die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Die Landesgesetzgeber hätten aber auch die Möglichkeit, über 5 801 ZPO durch Anerkennung der Vergleiche vor einer Schiedsstelle als Schuldtitel eine Rechtsgrundlage für eine eventuell notwendige Zwangsvollstreckung zu schaffen. III. Vor diesem von mir gezeichneten Rahmen ist die Tätigkeit des Schiedsmanns zu sehen, der ja schon 1827 in vier Regierungsbezirken der damaligen Provinz Preußen und 1879 für ganz Preußen eingeführt worden ist. Der 1924 erweiterte Aufgabenkatalog bildet noch heute im Wesentlichen die Grundlage für die landesgesetzlichen Schiedsmannsordnungen. Angesichts der wohl außer Frage Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/7

stehenden und auch von den Justizministern der Länder betonten dringenden Notwendigkeit, außergerichtliche vorhandene Schlichtungsformen zu stärken und auszubauen, erscheint es mir schwer verständlich, dass bis heute immer noch nicht in allen Bundesländern ein Schiedsverfahren mit entsprechender Schiedsmannsordnung vorgesehen ist. Im Vordergrund der Tätigkeit des Schiedsmanns steht seine schlichtende Arbeit bei der Durchführung der Sühneversuche bei Privatklagedelikten. Hier hat sich das vorgesehene Güteverfahren in hohem Maße bewährt. Ich möchte deshalb auch Möglichkeiten um den Ausbau eines Güteverfahrens im Strafrecht hier nicht weiter erörtern. Ich meine aber, dass eine Erweiterung der Sühnepflicht auch auf die Fälle der gefährlichen Körperverletzung nach 223 a StGB in Betracht gezogen werden sollte. Die Anrufung der Sühnestelle müsste auch zu einer Unterbrechung der Verjährung führen. Entsprechend wäre eine Änderung des 77b StGB vorzunehmen. Schließlich müsste im Hinblick auf diese Vorschläge formal 380 StPO ergänzt werden. Auf der strafrechtlichen Seite soll aber heute nicht der Schwerpunkt dieses Vortrages liegen, sondern auf der Bewältigung zivilrechtlicher Verfahren. dass hier die eigentlichen Probleme liegen, ist offenkundig: Waren allein in Preußen im Jahre 1890 noch 90 760 zivilrechtliche Güteverfahren anhängig, so sank diese Zahl im nachfolgenden permanent. 1975 betrug die Anzahl der in der Bundesrepublik durchgeführten Schiedsmannsverfahren nur noch 944 und 1980 gar nur noch 887. Die Gründe für den drastischen Rückgang der Schiedsverfahren sind soweit ersichtlich immer noch nicht eindeutig erforscht. Heute jedenfalls muss der Schiedsmann die in wachsender Anzahl vorhandenen außergerichtlichen Schlichtungsstellen als gegeben hinnehmen. Ein Ausbau des Schiedsmannswesens muss die Existenz der Vielzahl der Schieds- und Schlichtungsstellen als Realität ansehen. Bei den Überlegungen um die Einführung eines fakultativen oder zwingenden Güteverfahrens müssen wir ferner die schlechten Erfahrungen in Erinnerung behalten, die 1924 mit dem eingeführten obligatorischen Güteverfahren in Mietstreitigkeiten vor dem Amtsgericht gemacht worden sind. Bei dieser Bewertung darf aber keinesfalls außer acht gelassen werden, dass es seinerzeit allein den Berufsrichtern überlassen war, eine vergleichsweise Regelung der Streitigkeiten herbeizuführen. Die Richter aber waren auch damals schon in ihren großen Dezernaten ausgelastet und haben deshalb verständlicherweise wenig für die Schlichtung in einem besonderen Güteverfahren getan. Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die ähnliche Problematik zu sprechen kommen, wie sie im Rahmen des Prozeßkostenhilfeverfahrens besteht. Nach 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO kann das Gericht die Parteien im Prozeßkostenhilfeverfahren zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist. Diese Vorschrift läuft nach meinen Erfahrungen Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/7

in der Praxis fast leer. Ein alle Zivilprozesse umfassendes Güteverfahren sehe ich deshalb nicht als sinnvoll an. Hier muss vielmehr scharf nach dem Gegenstand des Rechtsstreits differenziert werden. Ich plädiere daher dort für die Vorschaltung eines Güteverfahrens, wo der Streitgegenstand in besonderer Weise einer Vermittlung durch den Schiedsmann zugänglich ist. Wenn wir uns deshalb hier Gedanken um die zukünftige Stellung des Schiedsmanns machen, so müssen wir den Rahmen, in dem der Schiedsmann arbeiten kann, noch näher umreißen. Ich habe zuvor dargestellt, dass dort, wo zur außergerichtlichen Lösung eines Konfliktes besonderer Sachverstand erforderlich ist, der eingeschlagene Weg über die von den Kammern, Innungen und Verbänden eingerichteten Schieds- und Schlichtungsstellen weitergegangen und das bisherige System in gewissem Umfange ausgebaut werden könnte. Dort liegt nicht das eigentliche Tätigkeitsfeld des Schiedsmanns. Seine Tätigkeit ist m. E. vielmehr auf die Beseitigung zwischen den Parteien bestehender sozialer Konflikte gerichtet. Seine vermittelnde Tätigkeit kann und sollte in erster Linie dort einsetzen, wo stärkere soziale Beziehungen Möglichkeiten zu einer Vermittlung des Konfliktes eröffnen. Ich spreche dabei aus meiner langen richterlichen Erfahrung vor allem solche Fälle an, wo es den Parteien oft nur vordergründig um die Lösung juristischer Probleme geht. Das sind die Fälle, wo die Ursache des Konfliktes im gestörten Zusammenleben oder Miteinander liegt und die Parteien Schwierigkeiten haben, einen Dialog miteinander zu führen. Ich habe es immer wieder festgestellt, dass die Parteien den Richter als einen unabhängigen, neutralen Dritten suchen, der sich ihre Sorgen und Beschwerden in aller Ruhe anhört. Kommt ein solcher Dialog dann zustande, sind die Parteien in erhöhtem Maße auch bereit, sich zu einigen oder die getroffene Entscheidung zu akzeptieren. Aus dieser Sicht heraus sind zunächst einmal nachbarrechtliche Streitigkeiten und diesen Begriff möchte ich in weitestem Sinne verstehen und dann aber auch mietrechtliche Streitigkeiten in gewissem Umfang zur Lösung durch den Schiedsmann geeignet. Es sollte für eine Reihe von Nachbarrechtsstreitigkeiten ein Güteverfahren vorgeschaltet werden. Zunächst geht es dabei um die Fälle des 906 BGB, also die sog. Immissionsabwehr mit Ausnahme derjenigen Immissionen, die von gewerblichen Betrieben ausgehen. Für ein Güteverfahren vor dem Schiedsmann eignen sich aber auch die Fälle der 910, 911 und 923 BGB. Das sind die Streitigkeiten um Überhang (S 910), Überfall ß 911) und Grenzbäume g 923). Dies sind Konflikte, die sich in der Regel ungewollt daraus entwickeln, dass entweder ein Baum in das nachbarliche Grundstück hineinwächst oder Früchte und Laub auf das Grundstück des Nachbarn fallen. Schließlich sind es die Streitigkeiten, die sich daraus entwickeln, dass ein auf der Grenze stehender Baum oder Strauch ganz beseitigt werden muss. In diesen nachbarrechtlichen Streitigkeiten erscheint mir ein Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/7

vorgeschaltetes Güteverfahren deshalb sinnvoll, weil die Parteien auch in Zukunft miteinander zusammenleben und es ist eine alte Weisheit, dass eine von den Parteien getroffene einverständliche Regelung um vieles besser ist als ein aufoktroyierter Richterspruch. Zahlenmäßig mögen diese Verfahren vor den Amtsgerichten nicht allzu sehr ins Gewicht fallen. Schätzungen gehen dahin, dass es knapp 1 % nachbarrechtliche Streitigkeiten sind. Dennoch könnte ein in diesen Fällen vorgeschaltetes Güteverfahren zu einer effektiven Entlastung der Gerichte führen. Denn diese Verfahren zeichnen sich häufig dadurch aus, dass die Parteien lang und zäh gegeneinander kämpfen. Die Natur dieser Streitigkeiten wird es nun oft mit sich bringen, dass eine gütliche Einigung nicht in einem Termin erzielt werden kann. Hierauf müssen die Verfahrensvorschriften Rücksicht nehmen. Die in den Schiedsmannsordnungen enthaltene Regelung, dass eine erfolglose Güteverhandlung nur wiederholt werden darf, wenn sich beide Parteien schriftlich damit einverstanden erklären, wie es sogar noch die sonst in vielen Bereichen fortschrittliche nordrhein-westfälische Schiedsordnung in 12 Abs. II vorsieht, ist zu starr. Sie lässt dem Schiedsmann im Einzelfall zu wenig Gestaltungsspielraum. Ich denke nur daran, dass in den nachbarrechtlichen Streitigkeiten die Durchführung von Ortsterminen beinahe regelmäßig angebracht sein dürfte. Gerade die Gespräche vor Ort, die Augenscheinseinnahme des casus belli erleichtert sehr häufig ein Vergleichsgespräch. In meinen Augen sind die sog. Verleumdungs- und Widerrufsklagen in ähnlicher Weise zur Verhandlung vor dem Schiedsmann geeignet wie die nachbarrechtlichen Streitigkeiten. Ich möchte eine große Anzahl dieser Verfahren sogar als nachbarrechtliche Streitigkeiten im weiteren Sinne verstehen, weil sie oftmals ihre Ursache in dem konfliktbeladenen Miteinander der Parteien haben. Auch diese Verfahren sind gemessen an der Anzahl der gesamten gerichtlichen Verfahren nicht sehr zahlreich, dafür aber sehr arbeitsaufwendig. Denn diese Verfahren werden von den Parteien häufig geradezu verbissen geführt. Derzeit gestatten die Schiedsordnungen keine Anrufung des Schiedsmanns in diesen Fällen, denn fast einheitlich ist die Zuständigkeit des Schiedsmanns nur für vermögensrechtliche Ansprüche gegründet. Selbst die neue nordrhein-westfälische Schiedsordnung sieht noch in ihrem 12 Abs. I ausdrücklich vor, dass ein Güteverfahren nur über vermögensrechtliche Ansprüche durchgeführt werden kann. Hier könnte durchaus jedenfalls für die Verleumdungs- und Widerrufsfälle eine Ausnahme eingeführt werden. Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass auch ein Teil der Mietstreitigkeiten durchaus geeignet ist, vor dem Schiedsmann verhandelt zu werden. Grundsätzliche Bedenken, wie sie von Röhl erhoben worden sind (SchsZtg. 1980, 98) teile ich nicht. Nun ist es allerdings nicht unbekannt, dass gerade das Mietrecht eine außerordentlich komplizierte Materie ist und hier beinahe auf jedem Sektor Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/7

schwierige Rechtsfragen auftauchen. Dennoch ist auch hier Raum für die Einschaltung eines Schiedsmanns und zwar in dem Verfahren auf Anhebung der Miete sowie den Räumungsverfahren. Vor Jahren habe ich schon darauf hingewiesen, dass in besonderer Weise die Mietanhebungsverfahren nach g 2 und 4 MHG Chancen für eine außergerichtliche Regelung bieten. Dabei könnte diese Güteverhandlung in Zusammenarbeit mit dem örtlichen Haus- und Grundbesitzerverein auf der einen Seite und dem örtlichen Mieterverein auf der anderen Seite erfolgen. Daneben sehe ich aber auch bei den Räumungsverfahren einen weiten Raum für das Einschalten eines Schiedsmanns. Wegen der Bedeutung dieser Frage möchte ich das kurz erläutern: Für die weit überwiegende Anzahl der Räumungsverfahren gibt es im großen und ganzen zwei Gründe: Entweder ist der Mieter aus persönlichen Gründen heraus nicht in der Lage, den fälligen Mietzins zu bezahlen etwa bei eingetretener längerer Arbeitslosigkeit oder aber es haben sich zwischen den Parteien über einen längeren Zeitraum so große Spannungen aufgebaut, dass ein Miteinander derart unerquicklich geworden ist, dass eine der Parteien die Lösung des Mietverhältnisses anstrebt. Die Spannung entlädt sich dann oft bei schon kleineren Anlässen und kann dann sogar zu außerordentlichen Kündigungen führen. Im Ergebnis und praktisch lässt sich eine befriedigende Lösung des Mietkonfliktes auf lange Sicht in derartigen Fällen nur dadurch erreichen, dass das Mietverhältnis einverständlich gelöst wird. Diese Einsicht haben auch die meisten Parteien und sie wächst ersichtlich mit zunehmender Verfahrensdauer. Im Prinzip geht es deshalb auch in der Praxis vor den Amtsgerichten und im besonderen Maße vor den Berufungsgerichten darum, nach der ausgesprochenen, nicht grundlosen Kündigung ich vermeide hierbei bewusst den Ausdruck der rechtmäßigen Kündigung dem Mieter eine seinen Vorstellungen entsprechende Räumungsfrist zu gewähren. Der Mieter braucht in der Regel viel Zeit, um sich mit Erfolg um eine neue Ersatzwohnung zu bemühen. Dieser Konflikt bietet besonders auch deshalb eine große Chance für eine erfolgreiche Vermittlung durch den Schiedsmann, weil die Mietpartei kein Interesse daran haben kann, dass ihr der Makel einer berechtigten Kündigung aufgedrückt wird. Dagegen sehe ich nur dann, wenn es sich bei dem Kündigungsgrund um einen punktuellen Umstand handelt, der ausgeräumt werden kann, eine gute Chance, dass die Parteien sich vor dem Schiedsmann auf eine Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses einigen. Neben diesen aufgezeigten Möglichkeiten gibt es sicherlich noch eine Reihe weiterer einzelner Streitigkeiten zivilrechtlicher Art, wo es sinnvoll erscheinen könnte, eine Vermittlung durch den Schiedsmann vorzuschalten. Damit auch in diesen Fällen ein Verfahren vor dem Schiedsmann durchgeführt wird, sollte in den landesgesetzlichen Schiedsmannsordnungen ähnlich wie in 22 Abs. I Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/7

der nordrhein-westfälischen Regelung angeordnet werden, dass die Parteien an dem von dem Schiedsmann anberaumten Termin persönlich zu erscheinen haben. dass Nordrhein-Westfalen mit seiner neuen Regelung auf dem richtigen Weg ist, zeigen die in diesem Jahr angestiegenen Zahlen der zivilrechtlichen Verfahren, die sich nach meinen letzten Informationen nahezu verdoppelt haben. Schließlich sollte noch erwogen werden, ob nicht die Gewährung von Prozeßkostenhilfe davon abhängig gemacht werden kann, dass in den vermögensrechtlichen Bagatellverfahren bei Streitwerten unter 1000, DM Prozeßkostenhilfe nur gewährt wird, wenn zuvor ein Güteverfahren vor dem Schiedsmann durchgeführt worden ist. Der Ausbau der außergerichtlichen Schlichtungseinrichtungen muss aber Hand in Hand gehen mit entsprechenden kostenrechtlichen Regelungen, wie es schon früh von Seetzen (DRiZ 1979, 177ff.) gefordert worden ist. Wir können und dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass sich allein in den letzten 12 Jahren die Zahl der niedergelassenen Anwälte von 23 599 auf 44 530 im Jahre 1983 erhöht und damit beinahe verdoppelt hat. Angesichts der fortschreitenden Juristenschwemme sind Hochrechnungen durchaus ernst zu nehmen, in denen ein weiteres Anwachsen der zugelassenen Anwälte in den nächsten zwölf Jahren auf ein Heer von 120 000 prognostiziert wird (vgl. Winters, Jahresbericht des Deutschen Anwaltvereins 1983/84 S.32). Eine der Gefahren, die von der Anwaltschwemme ausgeht, ist bekannt unter dem Schlagwort: Prozeßtreiberei statt Prozeßvermeidung im Hinblick auf die anfallenden Gebühren. Und von den Gebühren lebt der Anwalt schließlich! Um dieser nicht auszuschließenden ja ernsthaften Gefahr der Prozeßtreiberei wirksam entgegenzusteuern, sollte gesetzlich festgelegt werden, dass der Anwalt für die Verhandlung vor dem Schiedsmann eine angemessene Gebühr erhält und eine weitere angemessene Gebühr für den erfolgreichen Vergleichsabschluß. Um damit nicht diese Kostenregelung zum Bumerang für die Partei wird, müsste die BRGebO eine Bestimmung vorsehen, dass im Falle eines Scheiterns einer Einigung die Gebühr in einem späteren Streitverfahren in der gleichen Sache angerechnet wird. Der Schiedsmann und die Schiedsstellen werden nur dann eine effektive Alternative zur staatlichen Justiz werden, wenn auch die Anwaltschaft an dieser Konfliktlösung angemessen beteiligt wird. Keinesfalls soll und darf etwa über den Ausbau der außergerichtlichen Schlichtungseinrichtungen der Anwalt aus der Konfliktregelung herausgedrängt werden. Das bedeutet nicht, dass für das Güteverfahren ein Anwaltszwang eingeführt werden sollte. Vielmehr spreche ich die Fälle an, bei denen eine Partei etwa aufgrund vorhandener Rechtsschutzversicherung bereits anwaltlich vertreten ist. Dann lässt sich eine wirkungsvolle Mitwirkungsbereitschaft der Anwälte nur über finanzielle Anreize schaffen. Lassen Sie mich bitte zum Schluss noch einige allgemeine Worte finden. In dem von Nachdruck und Vervielfältigung Seite 6/7

mir skizzierten Umfang kommt dem Schiedsmann heute in seiner streitschlichtenden Funktion ein selbständiger Aufgabenbereich neben dem Richter zu. Er versteht sich dabei nicht als Friedensrichter, sondern als Mittler. Seine Aufgabe ist die Vermittlung bestehender, vorwiegend sozialer Konflikte. Unser Rechtsstaat hat gerichtlichen Rechtsschutz so perfekt entwickelt und ausgebaut, wie es ihn sonst auf dieser Welt nicht mehr gibt. Wir stoßen aber auf die Grenzen der Belastbarkeit durch permanente und ausufernde Inanspruchnahme des kostbaren Gutes Rechtsgewährung. Wir alle sind deshalb aufgerufen, das Bewusstsein bei unseren Mitbürgern dafür zu wecken, dass im Konfliktfalle nicht gleich die Gerichte in Anspruch genommen werden müssen. Der Bürger muss zur Erkenntnis kommen, dass eine Einigung unter seiner Beteiligung besser ist als eine ihm aufoktroyierte Entscheidung eines Gerichts. Wenn dies gelingt, wird auch der Schiedsmann eine Zukunft haben. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 7/7