Stolpersteine. Erkner, Ahornallee 34. Lebensdaten von Familie Seligmann



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Transkript:

Aktion Stolpersteine Die 1992 durch den Kölner Künstler Gunter Demnig ins Leben gerufene Aktion Stolpersteine ist europaweit bereits mit tausenden Steinen realisiert worden. Ziel dieser Aktion ist es, durch die Verlegung von Messingplatten n im Gehweg die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Juden, der Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, der Homosexuellen, der Zeugen Jehovas und der Euthanasieopfer im Nationalsozialismus lebendig zu halten. In Erkner wurde diese Aktion auf Initiative der Evangelischen Kirchengemeinde in die Tat umgesetzt. Auf der Grundlage der Ausarbeitungen von Dr. Horst Präkel zu jüdischem Leben in Erkner traf sich eineinhalb Jahre lang regelmäßig elmäßig eine Arbeitsgruppe bestehend aus Vertretern der Evangelischen und Katholischen Kirchengemeinde, des Heimat- und Tourismusvereins, der Wohnstätten Gottesschutz, der Schulen, der SPD und der Linken sowie der Stadtverwaltung, tverwaltung, um über ihre Recherchen zu berichten und die Verlegung von Stolpersteinen in Erkner vorzubereiten. In der Ahornallee 34 erinnern vier Messingplatten an die Familie Seligmann, in der Friedrichstraße 9 zwei an das Ehepaar Karfunkelstein und in der Friedrichstraße 46 vier an die Familie Dymak.. In den Wohnstätten Gottesschutz wurden zwei Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an Elly Wachtel und Herta Striem.

Lebensdaten von Familie Seligmann Alfred Seligmann 1877 4.5. in Barmen geboren Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft radikaler Pazifist, aktiv in der Friedensarbeit, Pressearbeit für die Friedenswarte und anderen Organen der Friedensbewegung 1909 Heirat mit Margarete Seligmann, geb. Fritz Engrosgeschäft in Berlin, Hausvogteiplatz 1923 Umzug nach Erkner 1937 Umzug nach Berlin Deportation nach Auschwitz 1943 18.7. in Auschwitz ermordet Stolpersteine Erkner, Ahornallee 34 Margarete Seligmann, geb. Fritz Pianistin Mitglied des Bundes entschiedener Schulreformer 1942 Ehemann versteckt von Nachbarn denunziert und bei der Gestapo vorgeladen in Berlin ausgebombt 1961 Umzug zur Tochter Eva nach Bremen Raimund Seligmann 1914 in Berlin geboren hochbegabter junger Mann, 1933 Abitur, Dorotheenschule Berlin-Köpenick durfte aus rassischen Gründen nicht studieren Flucht in den Tod Eva Seligmann 1912 in Berlin geboren während der Schulzeit Mitglied der pazifistischen Weltjugendliga 1933 die Ausübung ihres Berufes als Lehrerin verwehrt Flucht ins Exil nach England Vorbereitung mit gleich gesinnten Pädagogen auf Rückkehr nach Deutschland, um am Aufbau eines dem. Bildungswesens mitzuarbeiten 1946 Rückkehr nach Deutschland Schulrätin für Sonderschulwesen in Bremen beschreitet mit behinderten Kindern neue Wege, um ihrer Ausgrenzung entgegenwirkten. 1997 1.6. in Bremen gestorben gefertigt und verlegt vom Kölner Künstler Gunter Demnig, in Zusammenarbeit mit der Erkneraner Initiative Stolpersteine

Wir erinnern an die jüdische Familie Seligmann. Sie wohnte in Erkner in der Ahornallee 34. 1923 kaufte die Familie in Erkner ein Haus. Die Tochter, Eva Seligmann, erinnert sich an diese Zeit: In den zwanziger Jahren kam die Inflation. Mein Vater hatte ein kleines Geschäft in Berlin am Hausvogteiplatz mit später sehr großen Problemen, ein kleines Engrosgeschäft, das Konfektionsfirmen in Berlin mit Kurzwaren belieferte. Mit einem eigenen Haus mit Garten konnte man damals die Auswirkungen der Inflation wenigstens etwas mindern. Wir zogen also nach Erkner in ein Zweifamilienhaus, dessen Obergeschoss aus finanziellen Gründen vermietet wurde. Alfred Seligmann Zum Haus gehörte ein großer Garten, den meine Mutter bearbeitete. Sie war Pianistin, gab Klavierstunden und arbeitete mit Musikern, die sich auf öffentliche Auftritte vorbereiteten. Margarete Seligmann Vieles aus dieser Zeit ist verdrängt worden, weil die späteren Jahre so voller Spannung waren. Wenn ich heute darüber nachdenke, hatten wir in Erkner wenig Kontakt zu Nachbarn. Ich habe jetzt den Eindruck, dass der Antisemitismus damals in Erkner schon verbreitet war und allmählich immer schlimmere Züge annahm: Wir hatten einen sehr schönen Hund, der wurde vergiftet. Wir hatten mehrere Katzen, die wurden auch nacheinander vergiftet. Und wir hatten Nachbarn, die einen hohen Zaun gegen unser Grundstück bauten. Als Kinder nahmen wir das gar nicht zur Kenntnis. Auch unser Mieter drangsalierte uns mit den Jahren immer häufiger und offener. Er machte antisemitische Äußerungen und zeigte eine wachsende Abneigung gegen meinen Vater. Ende der zwanziger Jahre, kurz bevor ich Abitur machte, wurden diese Spannungen fast unerträglich. Meine Eltern haben sehr darunter gelitten. Mein Bruder Raimund war ein hochbegabter junger Mann, mathematisch und naturwissenschaftlich sehr interessiert. Er machte 1933 Abitur aber durfte aus rassischen Gründen nicht studieren. Er flüchtet in den Tod. Meine Eltern zogen wieder nach Berlin. Alle meine Verwandten väterlicherseits sind umgekommen, im Warschauer Ghetto oder in KZs. Mein Vater in Auschwitz, mein Verlobter ebenso. Meine Mutter hatte ihn noch bis Ende 1942 immer wieder bei sich versteckt, wenn er Angst hatte, dass man ihn zu Hause aufspüren würde. Nachdem sie von Nachbarn denunziert und bei der Gestapo vorgeladen worden war, ist er nicht mehr zu ihr gegangen. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen. Raimund Seligmann Text und Bilder aus: Eva Seligmann - Erinnerungen einer streitbaren Pädagogin. Hsg. von der schulgeschichtlichen Sammlung in Bremen. Eva Seligmann ist 1933 aus rassistischen Gründen nicht als Lehrerin in den Staatsdienst aufgenommen worden. Sie ging nach England als au-pair" und arbeitete in verschiedenen Familien als Kindermädchen und Putzfrau.1939 ging sie nach Schweden, von dort wieder nach England in die endgültige Emigration. Sie hat Krankenschwester und Hebamme gelernt, war tätig in der Nähe von Leeds. 1945/46 hat sie mit Freunden in England ein Heim für aus Konzentrationslagern befreite Kinder eingerichtet, bis für alle Kinder Pflegefamilien gefunden waren. 1946 kehrte sie nach Deutschland zurück und leitete von 1951-56 ein heilpädagogisches Heim mit Schule der Arbeiterwohlfahrt bei Fulda. Ab 1956 arbeitete sie als Lehrerin und Schulrätin für ein reformpädagogisches Schulsystem in Bremen, wobei ihr besonderes Engagement der Integration benachteiligter Kinder galt. Eva Seligmann Texte und Bildauswahl Cordula Heilmann, Erkner, Mai 2006

Lebensdaten von Alfred Karfunkelstein und Irma Luise geb. Golz 1892 19. Mai Irma Luise Golz in Berlin geboren. 1894 27. Juli Alfred Willy Karfunkelstein in Breslau geboren. 1920 28.Juli Eheschließung von Alfred Karfunkelstein mit Irma Luise, geb. Golz. 1924 12. August Fritz Adolf Moritz Karfunkelstein geboren in Neu-Zittau. 1938 November in Haft KZ Oranienburg 1939 Februar Pro-Forma-Scheidung Stolpersteine Erkner, Friedrichstraße 9 Gefängnis Golm für 1 ½ Jahre. Danach Leben im Untergrund. 1945 28 Juli erneute Eheschließung 1951 28. März Sohn ändert Familiennamen in Karsten. 1971 13. Oktober Alfred Karfunkelstein gestorben. 1975 15. Februar Irma Karfunkelstein, geb. Golz gestorben. Literaturhinweis Gebrochenes Licht" Vergegenwärtigung einer gespaltenen Jugend Fritz Karsten, ehem. Fritz Karfunkelstein Päsenz-Verlag Gnadenthal 2001 gefertigt und verlegt vom Kölner Künstler Gunter Demnig, in Zusammenarbeit mit der Erkneraner Initiative Stolpersteine

Wir erinnern an die jüdische Familie Karfunkelstein. Sie arbeitete in Erkner in der Friedrichstraße 9. Alfred Karfunkelstein und Irma, geb. Golz seine Gattin, haben biographische Daten, die die Zeit des Nationalsozialismus im damaligen Deutschland kennzeichnen und uns heute erschrecken lassen ob der Gewalt, Ausgrenzung und Erniedrigung, die sie erfahren mussten. Sie werden Opfer der Rassegesetze. Wie viele der damals in Deutschland friedfertig lebenden Juden erleiden Sie plötzlich den Hass vieler aus der Bevölkerung, der von den Machthabern systematisch geschürt wird. Die Reichspogromnacht von 1938 und deren Folgen zwingen Alfred Karfunkelstein ins Konzentrationslager Oranienburg. Nachdem er dort zwei Monate durchlitt, kam er als gebrochener Mensch nach Hause zurück. Sein Sohn merkt an: Aber er kam gebrochen, als ein völlig verwandelter Mensch zurück: Kahl geschoren - so sehe ich ihn noch heute vor mir stoppelig und schweigsam. Er muss Furchtbares erlebt haben. Der sonst so lebenslustige Mann jetzt war er zittrig und völlig erstarrt. Eines Tages habe ich ihn in unserer Küche in Neu Zittau gefunden, den Gasschlauch im Mund. Er wollte uns nicht länger zur Last fallen. Zum Glück konnte ich ihm den Schlauch noch rechtzeitig entreißen. Die Eheleute Karfunkelstein sahen sich gezwungen, wegen der Rassegesetze die Ehe pro forma zu scheiden. Auch die Frage der Auswanderung stand an. In diesem Zusammenhang wurde Alfred Karfunkelstein in das Gefängnis Golm für 1 ½ Jahre verbracht, weil er verbotene Geldtransaktionen vorgenommen hat, also des Devisenvergehens für schuldig befunden wurde bzw. weil er illegal ausreisen wollte, was für Juden streng verboten war. Die Beschlüsse der berüchtigten Wannseekonferenz Januar 1942 machten ein normales Leben für jüdische Bürger unmöglich. Alfred Karfunkelstein tauchte in die Anonymität unter. Nur die regelmäßigen, sehr gefährlichen Treffen mit seiner Frau in Berlin ermöglichten ihm das Überleben, denn sie brachte Lebensmittelkarten mit. Im Mai 1945 erst konnte Alfred Karfunkelstein aus dem Untergrund auftauchen. Die pro forma- Scheidung wurde aufgehoben durch die erneute Trauung, genau am Tag der Silberhochzeit, 28. Juli 1945. Was diese schwere Zeit auch für den Sohn der Familie, Fritz Karfunkelstein, der heute den Namen Karsten trägt, bedeutete, kann man in einem sehr bewegenden Lebensbild unter dem Titel Gebrochenes Licht im Eigenverlag nachlesen. Erneut wollte die Familie nicht einem Unrechtsregime anheim fallen, diesmal der Ideologie des Sozialismus und Stalinismus. Daher verlegte die Familie ihren Wohnsitz in das damalige Westberlin. Alfred Karfunkelstein und seine Gattin haben den Holocaust überlebt. Es ist wichtig, solche Menschen nicht der Vergessenheit anheim fallen zu lassen. Was sie an Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit erlitten haben, darf uns nicht ruhen lassen, dafür zu sorgen, dass derart gestalteter Boden nie mehr fruchtbar werden kann in unserer Gesellschaft. Texte und Bildauswahl Josef Rudolf, Erkner, Mai 2006 Literaturhinweis siehe letzte Seite

Bruno Dymak geb. 29. 09. 1898 ausgewiesen 1943 Richtung Osten Lina Dymak, geb. Schachne geb. 24. 09. 1862 in Schrimm (Posen) am 07. 08. 1942 deportiert nach Theresienstadt ermordet in Minsk Henriette Dymak geb. am 17.5.1894 in Schwersenz (Posen) mit dem 29. Transport vom 19.2. 43 nach Auschwitz deportiert Rudolf Dymak geb. 1.8.1890 in Schwersenz (Posen) mit dem 16. Transport am 26.6.42 ausgewiesen Richtung Osten Stolpersteine Erkner Friedrichstraße 46 In Gedenken an Margot, geb. Frankenstein, und Gertrud, geb. Becker, Dymak. Auszüge aus dem Straßenverzeichnis von Erkner Friedrichstr. 46, 1928: Friedrichstr. 46, 1933-34: gefertigt und verlegt vom Kölner Künstler Gunter Demnig, in Zusammenarbeit mit der Erkneraner Initiative Stolpersteine

Zum Gedenken an die jüdische Familie Dymak in Erkner In den intensiven Nachforschungen ist davon auszugehen, dass ein Teil der Familie Dymak erst nach 1928 von Berlin nach Erkner kam und in der Friedrichstraße 46 wohnte. In dem vorliegenden Auszug von 1928 des Straßenverzeichnisses von Erkner sind alle Bewohner der Friedrichstraße 46 verzeichnet, der Name Dymak ist nicht aufgeführt. Dagegen sind in dem Straßenverzeichnis, das auch als Verzeichnis der Niederbarnimer Nachrichten von 1933/1934 vorliegt, neben anderen folgende Bewohner der Friedrichstraße 46 benannt. Bruno Dymak, Henriette Dymak, Lina Dymak, Rudolf Dymak, Verkäufer Verkäuferin Witwe Verkäufer Weitere Mitglieder der Familie Dymak sind hier nicht aufgeführt. Aus einer Zeitungsnotiz ist bekannt, das Bruno und Rudolf Dymak Brüder waren. Lina war offensichtlich deren Mutter, während Henriette die Ehefrau von einem der Brüder war. Es ist durch verschiedene Zeitzeugen belegt, dass die Familie Dymak einen Wirtschaftswarenladen und eine elektrische Wäscherolle betrieb, der im Souterrainbereich des Hauses der Friedrichstraße 46 lag. Hier sehen Sie ein Bild des Hauses mit den Ladenbereichen. Dieses Bild ist kein originales, sondern zeigt ein vergleichbares Haus in der Berliner Straße. Zeitzeugen sagen aus, dass das Haus der Familie Dymak so ähnlich aussah. Leider gibt es trotz intensiver Nachforschung keine Bilddokumente aus diesem Bereich der Friedrichstraße. Aus den Befragungen geht hervor, dass der Wirtschaftswarenladen sehr beliebt war und viele Leute dort einkauften oder die Wäschemangel benutzten. Es ist belegt, dass in den letzten Monaten vor der Reichspogromnacht 1938 immer wieder Bürger aufgefordert wurden, dort bei den Juden nicht mehr einkaufen zu gehen. Zeitzeugen berichten, dass sie als Schulkinder von ihren Eltern Bestellzettel mitbekamen, die sie bei Dymaks abgaben. Erst am Abend wurde die Ware persönlich von Mitgliedern der Familie Dymak an ihre Besteller ausgeliefert, damit sie sich und andere nicht in Gefahr brachten. Aber am 9. November 1938 war es soweit, das unvorstellbare geschah: Am Vormittag des 9. November 1938 fand sich eine Gruppe SA- Männer unter Aufsicht des Polizeiinspektors Möschk vor dem Laden ein und begann die Scheiben zu zertrümmern, Porzellan zu zerschlagen und den Laden zu verwüsten. Nach der Zerstörung zogen die SA- Männer weiter zur Alten Hausstelle. Es ist belegt, dass der Laden der Familie Dymak nicht mehr betreten und betrieben werden durfte. Unterschiedlich waren die Angaben zum Verbleib der Familie nach den Ausschreitungen 1938. Uns liegt ein Auszug der Volkszählung von Mai 1939 aus Erkner zur Erfassung der Juden (dankenswerter Weise vom Bundesarchiv übergeben) vor, wo die Familie Dymak mit Namen und Adressen als Volljuden erfasst wurden. Damit ist belegt, dass sie bis Mitte 1939 noch in Erkner lebten. Sie sind erst später nach Berlin in die Grenadier Straße 7 und Grohmannstraße 27-28 gekommen von wo aus die Sammeltransporte zusammengestellt wurden. Hier werden erstmals weitere Mitglieder der Familie Dymak genannt: Margot Dymak und Gertrud Dymak, deren Verwandtschaftsgrad wir nicht ermitteln konnten. Von Berlin aus wurde nach den bisherigen Erkenntnissen die gesamte Familie mit Transporten 1942/43 in die Konzentrationslager Richtung Osten geschickt. Sie sind dort umgekommen oder gelten als verschollen. Mit der Verlegung der vier Stolpersteine, stellvertretend für die vier Namen der Erkneraner Familie Dymak, ehren wir gleichzeitig alle Angehörigen der Familie, die durch den Naziterror unermessliches Leid erfahren haben. Text: Heimatmuseum" Erkner

Wohnstätten Gottesschutz" Erkner Die in wald- und seenreicher Umgebung östlich von Berlin gelegenen Wohnstätten "Gottesschutz" Erkner verfügen über insgesamt 172 Plätze. Der Kern pädagogischen Handelns ist die Befähigung zu sinnerfüllter und selbständiger Lebensführung. Dazu gehören neben den Wohnstätten auch die Einbindung in das kommunale Leben und die örtliche Kirchengemeinde mit ihrem seelsorgerischen Angebot und regelmäßigen Veranstaltungen. Neben Arbeitsmöglichkeiten in der Werkstatt für behinderte Menschen sind Beschäftigungsangebote im Rahmen einer Seniorenwerkstatt auf dem Gelände vorhanden. Stolpersteine Erkner Wohnstätten Gottesschutz Darüber hinaus gibt es im Rahmen der Werkstatt für behinderte Menschen einen Förder- und Beschäftigungsbereich im Nachbarort Gosen. Weitere Angebote bestehen im Bereich der Physiotherapie sowie im Rahmen eines Kinderbauernhofes, der sich auf dem Gelände befindet. Hoffnungstaler Anstalten Lobetal Wohnstätten Gottesschutz" Erkner Sonnenweg 4 15537 Erkner Leiterin: Dr. Bettina Muttzall-Thiel Tel. 033 62 / 58 15 12, Fax 033 62 / 58 15 10 e-mail: behindertenhilfe@lobetal.de gefertigt und verlegt vom Kölner Künstler Gunter Demnig, in Zusammenarbeit mit der Erkneraner Initiative Stolpersteine

Wir erinnern an Elly Wachtel. Sie lebte und arbeitete in den Wohnstätten Gottesschutz. Wir erinnern an Herta Striem. Sie lebte und arbeitete in den Wohnstätten Gottesschutz. Elly Wachtel geboren am 08.08.1895 in Berlin Frau Elly Susanna Wachtel war mosaische Jüdin. Einen Beruf hat sie nicht erlernt, sie half im elterlichen Geschäft aus. Ihr Vater verstarb 1916, die Mutter verstarb 1933. Bekannt ist, dass sie einen Bruder hatte, der Arzt war. Am 02.07.1933 erfolgte die Aufnahme im Heim Gottesschutz. Sie war weder schwachsinnig noch geisteskrank", darum - so schrieb die Heimleiterin - musste sie auch nicht angegeben werden. (vor dem Hintergrund der Euthanasieaktionen) Am 12.01.1942 erfolgte die Verlegung in das jüdische Frauenheim Berlin und von dort aus einige Monate später die Deportation nach Theresienstadt. Es war der zweite große Abtransport vom 14.09.1942 nach Theresienstadt; Todesort Auschwitz, Frau Elly Susanna Wachtel galt als verschollen. (lt. Eintrag im Gedenkbuch) Aus unseren Aufzeichnungen ist ein einjähriger Briefverkehr zur Kostenübernahme für Frau Elly Wachtel im Heim Gottesschutz nachvollziehbar, dieser wurde auf Grund der Verordnung über die öffentliche Fürsorge für Juden vom 19.11.1938 abgelehnt. Es wurde die Verlegung in ein jüdisches Heim angeraten, da sie nicht für eine private Pflegestelle geeignet war (lt. ärztlicher Gutachten). Herta Striem geboren am 14.10.1900 in Filehne Frau Herta Sara Striem, Konfession evangelisch, sie war ausgebildete Kranken - und Missionsschwester (Sara = jüdischer Vorname). Seit 1921 lebte sie in Berlin, Vater verstorben, die Anschrift der Mutter unbekannt. Bis 1937 war Frau Striem in Arbeit. Am 16.09.1939 erfolgte die Aufnahme in Erkner, zuvor war sie bereits in vier verschiedenen kirchlichen Einrichtungen. Frau Striem kam von sich aus nach Erkner. Die Übernahme der Pflegekosten konnte nicht geregelt werden. Auf eigenen Wunsch verläßt am 06.10.1939 Frau Striem die Einrichtung Heim Gottesschutz in Erkner und geht nach Berlin. Im Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus erscheint folgende Eintragung: Herta Striem: geboren am 14.10,1900 in Filehne (Posen), mit dem 19. Transport vom 05.09.1942 nach Riga deportiert, Todesort Riga, verschollen. Texte: Wohnstätten Gottesschutz" Erkner

Stolpersteine Erkner, Siedlerweg 14 Zahlreiche Siedler zeichneten einen Anteil von jeweils 500 P beim Erwerb ihrer Parzelle. Sie glaubten, dass die Zeit für ein landwirtschaftliches Modell herangereift sei. So auch Egon Hönigsberg. Die Töchter machten in Haifa erfolgreich ihre Abschlüsse auf englischsprachigen Schulen. Sulamith arbeitete zunächst in einem Büro. Gabriele bereitete sich auf ein Pharmaziestudium vor. Auch Ruth Hönigsberg lernte intensiv Englisch. Egon Hönigbergs Vater starb 1940, seine Mutter und deren Schwester lebten ebenfalls in Haifa. 1949 starb Dr. Hönigsberg nach zweieinhalbjähriger Krankheit, von deren Schwere er seiner Familie nichts gesagt hatte. Die Töchter hatte er zuvor nach Manchester zum Studium geschickt. Dort machte Sulamith einen Abschluss in Englisch, Deutsch und Psychologie. Sie plante im Anschluss daran noch das Studium der Assyrologie. Gabriele studierte dann in Manchester Musik. Eine Schülergruppe des Carl Bechstein Gymnasiums wird versuchen, den weiteren Lebenslauf der Töchter zu erforschen. Der Förderverein des Gymnasiums unterstützt dieses Vorhaben ausdrücklich und hat die Finanzierung der heutigen Stolperstein-Verlegung übernommen. Texte Cordula Heilmann und Jörg Schulze, Juni 2008 Fotos: Akademie der Künste Berlin, Baukunstarchiv Layout: Friedrich Heilmann gefertigt und verlegt vom Kölner Künstler Gunter Demnig, in Zusammenarbeit mit der Erkneraner Initiative Stolpersteine

Wir erinnern an die jüdische Familie Hönigsberg. Sie lebte in Erkner im Siedlerweg 14. Dr. Horst Präkel (1933-2002) konnte in seinen Recherchen zum jüdischen Leben in unserer Stadt Aufschlussreiches zur Persönlichkeit des Mediziners zusammentragen. Danach beschrieben ihn Zeitzeugen als sozial sehr engagiert: Er sei Arzt der Arbeiter-Samariter-Kolonne Erkner gewesen, arme Leute habe er oft kostenlos behandelt und er soll ständig zwei bedürftige Kinder an seinem Mittagstisch gehabt haben. 1933 floh er mit seiner Familie nach Haifa / Palästina. Haus der Familie Hönigsberg im Siedlerweg 14 in Erkner Der 1899 in Bernkastel an der Mittelmosel geborene Dr. Egon Hönigsberg war hier in Erkner als praktischer Arzt tätig. Er wohnte in dem Haus in der Bahnhofssiedlung mit seiner Ehefrau Ruth geb. Frankenstein, sie ist 20.4.1902 geboren. Die Familie hatte zwei Töchter. Sulamith wurde am 30. Juni 1925 in Berlin-Charlottenburg und Gabriele am 5. September 1928 in Erkner geboren. Es ist bekannt, dass das beim Bombenangriff auf Erkner 1944 zerstörte Wohnhaus der Hönigsbergs von einem Freund der Familie, dem Architekten Harry Rosenthal, errichtet bzw. umgebaut worden war. Im Archiv der Akademie der Künste in Berlin liegt dessen Nachlass. Die Abiturientin Christin Hecht vom Carl Bechstein Gymnasium fand hier ein schmales Konvolut von Briefen. Aus ihnen lässt sich Folgendes entnehmen: Dr. Egon Hönigsberg praktizierte und lebte in Haifa im Stadtteil Hadar Hacarmel. Töchter Gabriele und Sulamith Davor war er der erste Arzt Nahariyas. Dies ist eine intensivlandwirtschaftliche Mittelstandssiedlung. Sie entstand unter der historischen Besonderheit der "Fünften Einwanderungswelle" zwischen 1933 und 1939 nach Eretz Israel. Dies war eng mit den antisemitischen Pogromen in Deutschland verbunden, wo in den ersten sechs Jahren der nationalsozialistischen Diktatur eine systematische öffentliche Diskriminierungspolitik 220.000 jüdische Bürger zur Auswanderung nötigte, ehe 1939 die Vernichtung der europäischen Juden angekündigt und mit der Wannseekonferenz 1942 besiegelt wurde. Etwa 40.000 deutschsprachige Juden kamen zwischen 1933 und 1938 in Eretz Israel an.