Vortrag: Prof. Dr. Hartmut Zohm, Direktor des Max-Planck-Instituts für Plasmaforschung, 2015.

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Transkript:

Kernfusion Es geht um die Verschmelzung leichter Atomkerne zu schwereren Atomkernen. Dabei wird Energie frei. Die Kernfusion ist eine Energiequelle, sie ist die Energiequelle der Sterne. Unsere Sonne verbrennt 600 Millionen Tonnen Wasserstoff in der Sekunde zu 596 Millionen Tonnen Helium und die Massendifferenz Δm davon entspricht nach Einstein E = Δm c 2 [ kgm2 = Nm = J] einer sehr s 2 großen Energiemenge, die wir auf der Erde als Strahlungswärme spüren. Wasserstoff ist auf der Erde reichlich vorhanden, z.b. im Wasser. Wenn es gelänge diesen Prozess auf der Erde nachzuvollziehen, dann könnten ein großer Beitrag zum Energieproblem auf der Erde geleistet werden. Es gibt auf der Erde noch keinen Kernfusionsofen oder Kernfusionsreaktor. Gliederung des Vortrages: 1. Grundlagen der Kernfusion. 2. Vorstellungen zum Bau eines Fusionskraftwerks. 3. Was wurde bis heute erreicht, was muss noch getan werden. 4. Lohnt sich der Aufwand? Grundlagen der Kernfusion Kernkraft Warum verschmelzen Atomkerne und warum wird dabei Energie frei? Die Antwort liefert die Wechselwirkung zwischen den Kernbausteinen. Der Kern besteht aus den Elementarteilchen Neutronen und Protonen. Die starke Wechselwirkung, die Kernkraft, hält die Teilchen im Atomkern zusammen. Kommen sich Neutronen und Protonen sehr nahe, dann spüren sie diese anziehende Kraft. Sind sie miteinander verbunden, dann ist das ein energetisch günstiger Zustand und somit wird Energie frei. Man muss allerdings Proton und Neutron sehr nah zusammenbringen, ungefähr auf einen Kernradius, d.h. auf einen Abstand von 10 15 m, dann spüren die Kernbausteine die Kernkraft. Sind die Kernbausteine nah genug beieinander, so verbinden sie sich zu einem Atomkern. Am stärksten gebunden sind die Kernbausteine im Zentrum des Atomkerns, denn sie haben überall nächste Nachbarn, die Kernkraft wirkt von allen Seiten. Das ist nicht so für die Teilchen, die an der Oberfläche sitzen, ihnen fehlen die nächsten Nachbarn nach außen hin. Teilchen an der Oberfläche sind etwas weniger stark gebunden, als die Teilchen im Inneren des Atomkerns. Wegen der anziehenden Wirkung der Kernkraft versuchen die Teilchen im Kern sich so zu organisieren, dass der Kern eine möglichst kleine Oberfläche hat, bei einem möglichst großen Volumen. Allein die Kugelform erfüllt diese Anforderungen. Bringt man die Kernbausteine sehr nah zusammen, dann verschmelzen sie unter Minimierung der gemeinsamen Oberfläche zu einer Kugelform (Beispiel: Wassertropfen auf trockener Unterlage: werden einem Wassertropfen weitere Wassertropfen zugegeben, dann wächst der große Tropfen unter Beibehaltung seiner Kugelform). Elektrische Kraft Zur Kernkraft gibt es einen gegenläufigen Effekt der Abstoßung durch die elektrische Wechselwirkung. Protonen sind positiv geladene Elementarteilchen. Wegen ihrer gleichnamigen Ladungen stoßen sie sich ab. Wenn in einem Atomkern sehr viele Bausteine zusammenkommen, dann überwiegt die elektrische Abstoßung der Teilchen gegenüber der Kernkraft und diese Atomkerne sind immer weniger gebunden. Leichte Elemente, die aus wenigen Kernen bestehen sind nicht sehr stabil. Man kann mit ihnen Energie gewinnen, wenn man ihnen Kernteilchen hinzufügt. Das Kernmaximum stabiler Elemente liegt beim Eisen (Fe), schwerere Kerne haben die Tendenz instabil zu werden. Das schwerste noch stabile Element ist Uran. Alle weiteren Elemente sind nicht mehr stabil und tauchen auf der Erde Seite 1

nicht mehr in natürlicher Form auf. Man kann entweder Energie gewinnen, wenn man leichte Kerne verschmelzt oder wenn man sehr schwere Kerne nimmt und sie in leichtere Bruchstücke spaltet. Letzteres ist die Grundlage der Kernspaltung zur Energiegewinnung in Kernreaktoren. Um uns herum ist sehr viel Wasserstoff. Warum fusioniert der Wasserstoff auf der Erde nicht? Antwort: Auf Grund der elektrischen Kraft geladener Teilchen. Die Bewegungsenergie der Wasserstoffatome ist nicht groß genug um die elektrische Abstoßung zu überwinden. Ist die Bewegungsenergie zweier Wasserstoffatome jedoch groß genug, dass sich die Kernradien überlappen, dann verschmelzen sie zu einem schwereren Teilchen, einem Heliumatom und einem freien Neutron. Bei dieser Umwandlung von Elementen wird Energie frei. Wieviel Energie ist notwendig, dass sich Wasserstoffkerne so nah kommen und sich verschmelzen? Die thermische Energie, die auf Grund der Temperatur der ungeordneten Bewegung eines Wasserstoffgases bei Raumtemperatur herrscht, ist viel kleiner als die benötigte Verschmelzungsenergie. Ein Wasserstoffgas bei Raumtemperatur zeigt also keine Fusion! Die Fusionstemperatur muss sehr groß werden, wie im Sonneninneren auf 10 bis 20 Millionen Grad! Plasma Nun hat das Gas noch eine andere Eigenschaft. Wenn man ein Wasserstoffgas auf diese hohen Temperaturen erhitze, dann merkt man plötzlich, dass dieses Gas nicht nur aus neutralen Wasserstoffatomen besteht, sondern aus dem positiven Atomkern und den negativen Elektronen der Atomhülle. Im heißen Gas wird die Bindung zwischen den Kernen und ihren Hüllen aufgebrochen. Freie Ionen, Elektronen und Kerne bestimmen dann das Gas: man bezeichnet diesen Zustand als Plasma (der vierte Aggregatzustand, neben fest, flüssig und gasförmig). Fusionsplasmen liegen auf Grund ihrer großen Fusionstemperatur in Wesentlichen im Plasmazustand vor (Plasmaphysik). Für die Fusion ist es wichtig, dass ein Plasma durch elektrische Felder beeinflusst werden kann. Der Plasmazustand ist kein ungewöhnlicher Zustand (ungewöhnlich nur auf der Erde). Im Weltall selbst liegt mehr als 99% der sichtbaren Materie im Plasmazustand vor: Alles was leuchtet im Weltall liegt im Plasmazustand vor! Vorstellungen zum Bau eines Fusionskraftwerks Fusionsgleichung Wir müssen ein Wasserstoffgas in einem Behälter einschließen und dann auf sehr hohe Temperaturen erhitzen, wie sie im Inneren der Sterne herrschen. Es zeigt sich, dass die Reaktionen des Verbrennens von normalen Wasserstoff zu Helium, so wie sie in der Sonne abläuft auf der Erde viel zu langsam wäre, weil sie eine relativ geringe Wahrscheinlichkeit von Reaktionsprozessen hat. Die Frage steht also: Welche Reaktion hat die höchste Reaktionsrate und den höchsten Energiegewinn, welche Elemente sind am günstigsten für eine optimale Fusion geeignet. Das ist nicht 1 der normale Wasserstoff H 2 (ein Proton), besser geeignet sind Isotopen des Wasserstoffs. Sie haben die gleichen chemischen Eigenschaften wie der normale Wasserstoff, ihre Kerne sind aber 2 3 anders aufgebaut: Deuterium = H 2 hat ein Proton und ein Neutron. Tritium = H 2 hat ein Proton und zwei Neutronen. Bringt man diese Isotopen nahe genug zusammen, so findet die Fusion statt. Die Produkte, die dabei entstehen, sind das Edelgas Helium He mit zwei Protonen und zwei Neutronen, sowie einem freien Neutron. Sie tragen die Energie, die bei dieser Fusion frei wird. 2 H 2 3 + H 2 4 He + n + 17,6 MeV Welche Verhältnisse muss man im Inneren des Behälters für das Deuterium und das Tritium schaffen, damit Kernfusionsprozesse beginnen und zur Energiegewinnung führen. Sehen wir uns die Energiebilanz an: Das Neutron ist nicht elektrisch geladen, es wechselwirkt nicht mehr mit dem Plasma, es entweicht, wird auf die Behälterwand auftreffen und heizt sie dabei auf. Das Helium trägt Seite 2

elektrische Ladung, es wechselwirkt weiterhin mit dem Plasma, hat jetzt viel mehr Energie als die Plasmateilchen, stößt mit den Plasmateilchen zusammen und heizt damit das Plasma weiter auf. Wenn es gelingt, das Helium gut ins Plasma einzuschließen, dann wird eine Selbstheizung auftreten. Das Helium mit seiner großen Energie sorgt dafür, dass das Fusionsfeuer weiter brennt und von selbst aufrechterhalten wird. Die Bedingungen im Behälter sind so, dass die Energieverluste aus dem Plasma getragen werden und kompensiert werden durch die Heizung der Heliumkerne. Schließlich wird die entstehende Wärme im Behälter ganz konventionell zur Erzeugung von Wasserdampf abgeleitet und über Turbinen in elektrischen Strom umgewandelt. Energie-Einschluss-Zeit Energieverluste im Plasma können geschehen durch Strahlung, durch Wärmeleitung und durch Konvektion. Es ist nicht so ganz einfach diese Vorgänge im Detail zu beschreiben und auszurechnen. Da hilft man sich mit einem Trick: man definiert sich eine typische Zeitskala, die sog. Energie- Einschluss-Zeit [τ]. Vereinfacht sagt sie etwas darüber aus, wie lange es dauert, nachdem die Heizung des Ofens abgeschaltet wurde, bis der Ofen ausgeglüht ist. Zwei Beispiele: Die Energie-Einschluss-Zeit von heißem Kaffee in der Tasse ist etwa 12 Minuten, dann ist der Kaffee kalt. Um die Energie- Einschluss-Zeit zu erhöhen, gibt man den Kaffee in eine Thermoskanne, damit könnte sie auf 12 Stunden erhöht werden. Die Energie-Einschluss-Zeit sagt etwas aus über die Isolation des Plasmabehälters, wie hoch sind seine Wärmeverluste. Kriterium der Zündung Betrachtet man genauer, wie das Kriterium zum Zünden und zum Aufrechterhalten eines Plasmas aussieht (Lawson-Kriterium), so kommt man auf das Lawson-Diagramm: auf der Abszisse die Fusionstemperatur Mio[ ], auf der Ordinate das Produkt der Teilchendichte n [m 3 ] mit der Temperatur kt [kev] (k ist die Bolzmannkonstante) und der Energie-Einschluss-Zeit τ [s]. Die Zündung (Ignition) das Plasma beginnt zu brennen findet immer statt bei T = 200 Mio[ ], (zehnmal höher als im Kern der Sonne) und einem Druck von einigen Bar (mehrere Größenordnungen geringer als im Kern der Sonne). Wenn wir die Teilchendichte und die Einschluss-Zeit variieren können. Zunächst glaubte man, wenn man nur das Produkt aus Dichte und die Energie-Einschluss-Zeit auf einen bestimmtem Wert bringen muss, dass man dann völlig freie Wahl hat dafür, dem ist aber nicht so. Es gilt n kt = Druck; wenn man die Dichte hochtreibt, dann ist im Behälter ein immenser Druck, den man nicht aufrechterhalten kann. Wenn man fordert, dass der Druck im Bereich des Umgebungsdruckes sein soll, dann liegt die Teilchendichte fest, da die Fusionstemperatur von der Größenordnung T~100 Mio[ ] ist, also eine Millionen Mal höher als unsere Umgebung, muss die Teilchendichte eine Millionen Mal niedriger sein als der Atmosphärendruck. D.h. man muss das Wasserstoffgas verdünnen um einen Faktor von einer Million. Das ist der Druck eines guten Vakuums! Für die Energie-Einschluss-Zeit ergibt sich damit gerade τ 1s. Erfüllen wir diese drei Bedingungen, dann wird unser Fusionsofen zünden, dann haben wir das Feuer der Sterne auf die Erde geholt und können es bei uns nutzbar machen. Welches Gefäß hält eine Fusionstemperatur von T~100 Mio[ ] aus? Einen materiellen Behälter der das kann gibt es auf der Erde nicht. Aber wir wissen, dass ein Plasma durch elektromagnetische Felder beeinflussbar ist! Die geladenen Teilchen im Plasma spüren die elektrischen Felder. Ein Magnetfeld ist besonders gut geeignet um ein solches Plasma zu beeinflussen. Die Bahnen der geladenen Teilchen bewegen sich in Schraubenbewegungen entlang der Magnetfeldlinien. Ist das Magnetfeld so stark, dass der Radius der Schraubenbewegungen klein wird gegenüber den Abmessungen des Gefäßes, dann sieht es so aus, als ob die Teilchen festkleben an den Magnetlinien. Wenn das Volumen des Behälters vollständig vom Magnetfeld durchdrungen ist, dann folgen die Teilchen nur den Magnetfeldlinien und kommen nicht mehr mit der Behälterwand in Berührung. Die Seite 3

Kraft des Magnetfeldes auf die Teilchen wirkt jedoch nur senkrecht zu den Linien, parallel zu den Linien können sich die Teilchen frei bewegen. Um die Wand des Gefäßes nicht zu berühren wird das Magnetfeld gebogen, so dass die Magnetfeldlinien in sich zusammenlaufen und nirgendwo auf der Wand enden. Es entsteht die geometrische Form eines Torus. Die Magnetfeldlinien bewegen sich um den Torus herum und spannen, wie Jahresringe an einem Baum magnetische Flächen im Torus auf. Die Teilchen laufen im Kreis entlang des Magnetfeldes, sind aber senkrecht, also radial nach außen in ihrer Bewegung stark eingeschränkt. Im Zentrum des Torus, wo sich viele Teilchen bewegen, ist es sehr heiß. Nach außen, auf den benachbarten Flächen, nimmt der Druck und damit die Teilchenzahl ab. Im Kontakt zur Gefäßwand entsteht so ein großer Temperaturgradient, der relativ leicht aufrechterhalten werden kann. Magnetischer Käfig Wie kann man so einen Magnetfeldkäfig bauen? Man benötigt einige Tesla Magnetfeldstärke. Ein starker Hufeisenmagnet hat z.b. etwa ein halbes Tesla. Man kann also keine Permanentmagneten für diesen Fusionsaufbau nehmen, sondern muss Spulen nehmen. Durch sie fließen Ströme, die Magnetfelder induzieren. Es gibt grundsätzlich zwei Ansätze solche Magnetfeldkäfige zu bauen: der eine beruht auf der Idee, dass das gesamte Magnetfeld mit Spulen von außen erzeuge. Die sehr kompliziert geformten Spulen sind supraleitend gekühlt, damit der Strom durch die Leitungen widerstandslos fließen kann. Das ist relativ komplex, hat aber den Vorteil, dass man die volle Kontrolle über die Konfiguration habe. Man nennt dies Art magnetischen Käfigs: Stellarator (z.b. Wendelstein 7-x wird vom Max-Plank-Institut in Greifswald mit einem Radius vom 5 Metern aufgebaut). Die einfachere Möglichkeit ein Magnetfeld zu erzeugen besteht in einer toredal-symmetrischen Anordnung der Spulen, den sog. Tokamak, eine russische Erfindung. Die Spulen sind planar, zweidimensional, nicht kompliziert geformt, also einfacher zu fertigen. Ein Nachteil ist aber, dass dieser Tokamak nicht alle Magnetfeldkomponenten, die zum Anschluss notwendig sind mit den Spulen erzeugt werden können. Die Komponente die zur Verschraubung des Magnetfeldes führt muss durch einen starken durch das Plasma führenden Strom erzeugt werden. Dazu bedient man sich eines zusätzlichen Transformators im Zentrum der Anordnung. Der Strom ist ganz beträchtlich. Eine Eigenschaft eines solchen Plasmas ist auf Grund der vielen freien Ladungsträger, dass es eine sehr hohe elektrische Leitfähigkeit hat. Damit gelingt es mit einer Umfangsspannung von nur einem Volt einem Strom von einer Millionen Ampere zu betreiben! Dies zeigt, dass man in der Kernfusion ständig an der Grenze des Machbaren arbeitet. Das Plasma selbst ist so heiß, dass es für unsere Augen nicht sichtbar ist, sondern im Röntgenbereich strahlt. Was wurde bis heute erreicht, was muss noch getan werden Welche Parameter wollten wir gleichzeitig erreichen? Die Fusionstemperatur soll 200 Mio[ ] im Zentrum erreichen; die Teilchendichte soll so groß sein, dass sich ein Druck von einige Atmosphären einstellt; die Energie-Einschluss-Zeit, d.h. die Wärmeisolierung soll mehrere Sekunden betragen. Experimentelle Ergebnisse im Vergleich mit dem Lawson-Diagramm zeigen, dass man heute schon sehr nah in den Bereich der Zündung gekommen ist, aber erreicht haben wir ihn noch nicht! Richtig angezündet ist das Fusionsfeuer noch nicht. Woran liegt das? Es liegt nicht an der Temperatur. Das Aufheizen des Plasmas ist gut gelöst mit Hilfe von Mikrowellen (10 Tausend Megawatt). Auch an der Teilchendichte liegt es nicht, sie ist hoch genug um den Druck einige Atmosphären zu erreichen. Es liegt an der Wärmeisolation, an der Energie-Einschluss-Zeit. Zurzeit liegt sie bei nur einigen 100ms. Seite 4

Wärmeverluste Die Wärmeverluste durch Konvektion und Wärmeleitung ist zu groß. Wenn sie die Wärmeverluste ausrechnen, wie es in den 60ziger Jahren gemacht wurde, nur auf Grund das sich die Teilchen gegenseitig stoßen und über das Stoßen Energie nach außen verlieren, dann kämen sie zu der Schlussfolgerung, dass ein Fusionsofen bereits funktionieren würde, wenn er einen halben Meter im Durchmesser ist. Aber die Experimente haben gezeigt, dass die Wärmeverluste bis zu zehntausendmal höher sind als berechnet. Das liegt daran, dass die Annahme von reinen Stößen der Teilchen grundfalsch ist. Tatsächlich hat man heute herausgefunden, dass der Transport von Teilchen bzw. von Wärme wesentlich durch Turbolenzen bestimmt ist. Man kennt dieses Phänomen aus der Strömungslehre von Flüssigkeiten oder auch von Strömungen in der Atmosphäre (Wetterkarte). Es ist sehr schwierig verlässlich vorherzusagen wieviel Wärme im Fusionsbehälter durch Turbolenzen verloren geht (Wie bei der Wettervorhersage). Mit Computersimulationen können wir ein Verständnis von Wärmeverlusten bei der Fusionsreaktion erreichen, dass es uns dann erlaubt vorherzusagen wie groß das Experiment sein müsste in dem wir das Fusionsfeuer zünden wollen. Man kommt dabei auf einen Experimentierraum mit dem Durchmesser von 12 Metern, in dem verlässlich die Zündung demonstriert werden kann. Experimente Die Pläne für dieses Experiment werden umgesetzt im Projekt ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor). Der Reaktor beruht auf dem Tokamak-Prinzip und ist seit 2007 beim südfranzösischen Kernforschungszentrum Cadarache im Bau. Wir erwarten, dass dieses Experiment die Zündung zeigen kann oder zumindest die Selbstheizung des Plasmas demonstrieren kann, das Anzünden des Fusionsofens. Wenn wir die Zündung des Plasmas gezeigt haben, dann gibt es einige weitere Probleme zu lösen, die mehr auf dem technologischen Sektor sind. Von den Ingenieuren gilt es dieses umzusetzen und daraus eine Technologie zu machen, die letztendlich so funktioniert, dass man einen Schalter umlegen kann und Energieproduktion durch Kernfusion beginnt. Dabei gibt es weitere Probleme zu lösen wie: die Materialien des Plasmagefäßes, die dem Beschuss durch Plasmateilchen standhalten können. Die typischen Zeitskalen, die beim Bau solcher Experimente involviert sind, sind von der Größenordnung, 10 Jahre für den Aufbau, 20 Jahre für den Betrieb. Heute wird die dritte Generation von Fusionsreaktoren gebaut (ITER). Bis zur Markteinführung dieser Technologie werden wir bis 2050 wohl noch warten müssen. Lohnt sich der Aufwand? Es beginnt mit dem Brennstoff: Wasserstoffisotope sind im Prinzip in sehr großer Menge natürlich vorhanden. Das Deuterium im Meerwasser. Das Tritium, das selber radioaktiv ist mit einer kurzen Halbwertzeit von nur 12 Jahren muss erbrütet werden aus Lithium. Lithium selber ist in der Erdkruste im ausreichenden Maße vorhanden. Man kann sich einen Versorgungszeitraum von vielen Hunderttausend Jahren bis zu einer Million Jahren vorstellen. Eine nachhaltige Energieversorgung! Ein weiterer Vorteil dieser Brennstoffe ist, dass sie geographisch sehr homogen verteilt sind. Das Tritium ist radioaktiv. Es befindet sich aber nur im aller innersten Kern der Maschine und kann von dort nicht entweichen und ein großer Vorteil eines solchen Fusionsofens ist, dass er immer nur Brennstoff für drei bis fünf Sekunden in seinem Gefäß hat. Es gibt kein unkontrolliertes Durchgehen. Wenn irgendetwas schiefläuft in der Technik, dann schaltet sich die Maschine von selbst ab, das Fusionsfeuer kommt in der Fünfsekundenskala zum Erliegen und erlischt, dass ohne die Hülle beschädigt werden könnte. Die radioaktiven Abfälle, die erzeugt werden (die Neutronen aktivieren das Wandmaterial) können ein Problem sein. Tatsächlich erzeugt ein Fusionsreaktor radioaktive Abfälle. Ein sehr großer Vorteil der Fusion gegenüber der Spaltung ist aber, dass die radioaktiven Abfälle eine Lebensdauer von mehreren Zehn Jahren, nicht aber von mehreren Tausend Jahren haben. Wenn sie also daran denken, dass sie die Abfälle lagern müssten bevor sie sie Seite 5

wiederverwendet können, dann reden wir über einen Zeitraum von hundert Jahren nicht aber von tausenden von Jahren. Ein Endlagerproblem, wie wir es bei der Kernspaltung haben, gibt es bei der Kernfusion nicht. Die Umweltbelastung bei der Kernfusion ist zwar vorhanden, aber deutlich geringer als bei der Kernspaltung. Beim Verbrennen von Wasserstoff zu Helium wird kein Kohlendioxyd erzeugen, ein Problem in der Atmosphäre erzeugen wir mit dieser Art der Energiegewinnung nicht. Wir werden immer einen Energieträger brauchen, der die Grundlast abdeckt, der die Schwankungen der anderen Energieformen (Wind, Photovoltaik usw.) ausregelt und in einer großen Einheit Energie bereithält. Dafür ist die Kernfusion eine der Alternativen. Ein erfreulicher Aspekt an der Kernfusionsforschung ist, dass hier die Länder der Erde übergreifend zusammenarbeiten. DIAGRAMM: Bindungsenergie pro Nukleon als Funktion der Nukleonenzahl: Seite 6