CASA NOVA GEN EIN FILM VON LUISE DONSCHEN

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Transkript:

CASA NOVA GEN EIN FILM VON LUISE DONSCHEN

INHALT Seite 4 Seite 5 Seite 6 Seite 7 Seite 8-18 Seite 11-14 Seite 19-22 Synopsis & Technische Angaben Darsteller Team Bio- & Filmographie der Regisseurin Die Arbeit am Film: Adnan Sofitić & Luise Donschen im Gespräch Filmstills Esther Buss: Taktile Verhältnisse 2-3

Synopsis: Ein Mensch betritt als Vogel verkleidet das Bild, John Malkovich legt in einer Garderobe das Kostüm des Casanovas ab. Der Rock einer jungen Frau ist ebenso orange wie der Schnabel eines singenden Zebrafinken im Käfig. Weiße Lilien stehen zu Füßen der Marienstatue, rote Rosen vor dem Fenster des SM-Studios. Dort das leise Spiel der Unterwerfung gegen Geld, im Museum die Umarmung mit einem Gedicht im Ohr. Ein Wald im Herbst, in dem Kinder spielen. Ein Wald im Sommer, Licht säumt seinen Rand. Ein Orgasmus und ein Tanz. CASANOVAGEN ist ein Film über Begehren. Technische Angaben: Deutschland 2018 67min Drehformat: Super 16mm, Farbe Kopie: DCP 24fps Bildformat: 1:1,78 Tonformat: 5.1 Sprache: Deutsch Untertitel: Deutsch, Englisch Uraufführung: Berlinale 2018, Forum 4-5 4-5 Darsteller FAISSAL AHMADZAY KARLA BAUER LUISE DONSCHEN MARLENE DONSCHEN WOLFGA NG FOR STM EIER JULIAN GILLMANN ER IK H A M A N N KARL HORRES REINER KNAACK LILA-ZOÉ KRAUSS SYLVIA KUHN V IK I K Ü H N MATTHEO LANGE LUMI LAUSAS JOH N M A LKOV ICH GUY MARSAN KARIN MARTIN A LEX A N DER N H A M ELIJA POT T DAVID REIBER UNDINE DE RIVIÈRE LUCIE DOS SANTOS A LI N E SAU ER CHRISTEL SCHÜTTE GURDEEP SINGH LISA SPERLING DANIEL STRYCZEK JOCHEN UNVERHAU LEI A W EN DLI NG MARTHA ZIEGLER ZACHARIAS ZITOUNI

Team Buch, Regie, Schnitt, Produktion Filmentwicklung ARRI MEDIA GMBH, LUISE DONSCHEN DEJONGHE FILM POSTPRODUCTION Abtastung ARRI MEDIA GMBH Kamera HELENA WITTMANN Head of Production Telecine Ton FINLAY BRAITHWAITE, NIKA FRIEDA OBERLIN BREITHAUPT, STEFFEN DANEK, LOUIS Tonmischung ROMAN VEHLKEN FRIED, KARSTEN KRAUSE, NIKOLAS Colour Grading TIM LIEBE KUHL, JULIA TIELKE, Titeldesign STEFFEN GOLDKAMP ROMAN VEHLKEN Übersetzung und Untertitelung Dramaturgie HERBERT SCHWARZE MAYA CONNORS Recherche THERESA GEORGE Kameraassistenz JOSEFINA GILL, Drehbuch, Materialsicherung und Festival- PAUL SPENGEMANN, JULIA TIELKE präsentation gefördert mit Mitteln der FILMFÖRDERUNG HAMBURG Dreh Toom Peerstall SCHLESWIG-HOLSTEIN Regieassistenz MANAKA NAGAI Kostüm KATHARINA DUVE Produktionsförderung Kurzfilm durch Choreographie GUY MARSAN DIE BEAUFTRAGTE DER BUNDES- Licht MARTIN MARF BRUNNBAUER, REGIERUNG FÜR KULTUR UND MEDIEN JULIAN GILLMANN Biographie der Regisseurin: Luise Donschen wurde 1982 in Berlin geboren. Sie studierte Ethnologie, Germanistik und Film in Hamburg und Belgrad. 2012 machte sie ihren Abschluss an der Hochschule für bildende Künste Hamburg mit dem Kurzfilm MACHT, DASS MIR INNE WIRD, WAS ICH DURCH EUCH VERLOREN HABE! Er lief erfolgreich auf internationalen Filmfestivals. CASANOVAGEN ist ihr Debutfilm. Filmographie: CASANOVAGEN CASANOVA GENE 2018, 67min., Super 16mm/DCP Musik ERIK MANOUZ Sounddesign NIKA BREITHAUPT Produktionsassistenz MELISSA ESPINA, PHILIPP HARTMANN Filmgeschäftsführung FRANK SCHEUFFELE Festivalpräsentation gefördert durch GERMAN FILMS MACHT, DASS MIR INNE WIRD, WAS ICH DURCH EUCH VERLOREN HABE! GIVE ME BACK MY OWN PICTURE PERFECT MEMORY! 2012, 25min., HD/DV/S8 ZWISCHEN DEN GRENZEN BETWEEN THE BORDERS gemeinsam mit Laura von Bierbrauer 2005, 25min., DV 6-7

Die Arbeit am Film: Adnan Sofitić und Luise Donschen im Gespräch Adnan Softić: Dein Film besteht aus sieben sehr unterschiedlichen Episoden, die sich jeweils auf ihre eigene Art und Weise dem Themenkomplex Begehren annähern und ihn hinterfragen. Entstanden ist er über einen Zeitraum von 5 Jahren. Wie hast Du begonnen? Luise Donschen: Es gab ein Drehbuch, weil ich von Anfang stark mit der Frage befasst war, wie die verschiedenen Teile im Film zusammenkommen können. Bestimmte Mittel einen Zusammenhang herzustellen wollte ich vermeiden und habe deshalb auf wiederkehrende Elemente in den vorgefundenen Welten geachtet: Gegenstände, Bewegungen, Kleidung. Das Drehbuch habe ich geschrieben, nachdem ich bereits viel Zeit mit den einzelnen Protagonisten verbracht hatte. Ich habe dann in Etappen über fünf Jahre verteilt gedreht. In dieser Zeit habe ich das Drehbuch immer wieder umgeschrieben, um von dem bereits Gefilmten ausgehend motivisch die Zusammenhänge zu stärken. Zu einem späteren Zeitpunkt hat dann der Schnitt das Drehbuch abgelöst und ich habe in diesen mit dem Drehen weitere Sequenzen hineingearbeitet. Aber richtig schneiden konnte ich erst, als das gesamte Material vor mir und der Dreh hinter mir lag. Gleich in der ersten Einstellung gibt es einen Auftritt: Eine als Flamingo verkleidete Person betritt die eindeutig in Venedig verortete Szenerie, die dann von Fotografen und Touristen sukzessive verstellt wird, bis der Flamingo verschwindet. Alles wirkt choreografiert, selbst die Touristen wissen scheinbar, was zu tun ist. Warum beginnst Du mit dieser Einstellung den Film? Diese Einstellung gehört zu den ersten, die wir gedreht haben. Am Anfang des Films steht sie, weil sie bereits vieles von dem in sich trägt, was später wieder auftaucht. Der von Dir erwähnte Auftritt ist wichtig wie auch das Ritualisierte im Ablauf: die Verkleidung, die genussvolle Bewegung, das Changieren zwischen den Geschlechtern. In alldem liegt eine große Schönheit und gleichzeitig etwas sehr Profanes. Der Film bietet nebenher Einblicke in die vogelkundliche Forschung. Das Männchen jagt das Weibchen in einem Käfig hin und her. Eine Wissenschaftlerin beobachtet das auf ihrem Computer. Das Bild, aber vor allem auch die Geräusche, die die Finken dabei machen, erinnerten mich stark an ein einfach programmiertes Videospiel von Anfang der 90er, in dem man durch eine Hüpfbewegung Punkte sammelt. Ein Zeitungsartikel über die Finken war der Ausgangspunkt für den Film. Ich erinnere mich an das Bild von einem männlichen Zebrafinken. Mir gefiel sein geschecktes Federkleid, der orangefarbene Schnabel und die grazile Schräglage seines Kopfes. In dem Artikel war dann vor allem von den Finkenweibchen und ihrem Fremdgehverhalten die Rede. Es wurde als genetischer Kollateralschaden der evolutionär sinnvollen Polygamie der Männchen beschrieben. Ich fand diese Verschränkung eines zutiefst konservativen Ansatzes mit dem modernen Gewand der Genetik interessant und fuhr nach Seewiesen an das Max-Planck-Institut für Ornithologie, um mit dem leitenden Wissenschaftler der Versuchsreihe zum sogenannten Casanova-Gen zu sprechen. Ich mochte den Ort sofort, diese Räume inmitten des Waldes, und ich mochte die Ernsthaftigkeit und Ruhe, mit der dort gearbeitet wurde. Der Balztanz der Finken war schön anzusehen und ich lernte bald die Weibchen von den Männchen anhand ihres Gesanges zu unterscheiden. Die Finken und ihre Forscher haben mich also vom Nachdenken ins Schauen und ins Hören gebracht. Diese Bewegung habe ich im Schnitt wieder aufgenommen. 8-9

Ich erinnere mich an eine Szene, wie der Dalai Lama verwundert war, als ihm Richard Gere erzählte, dass es nicht real sei, wenn er eine Rolle spielt. Der Dalai Lama wiederholte: Es ist nicht real? und lachte dabei ganz laut. Die Art, wie Du John Malkovich in Szene setzt, ist meiner Meinung nach genau in diesem ambivalenten Bereich des Spieles verortet: Er taucht als ein Schauspieler von Casanova, aber irgendwo auch als Casanova selbst auf. Man könnte sagen, dass das (Schau-)Spielen dazu da ist, uns auf das Reale (das, was nach dem Spiel ist) vorzubereiten. Doch gleichzeitig leugnet ein gutes Spiel immer seinen Nutzwert und erscheint so, als ob es nur seine eigenen Zwecke verfolgt: nämlich uns die Freude am Spiel zu schenken. Es gibt sozusagen immer etwas, was verdeckt bleiben oder gut verpackt werden muss, wenn es gut ankommen soll. Auch die eigene Rolle bleibt dabei bestenfalls ein Rätsel. Fellini erzählte Sutherland bekanntermaßen Lügen, also dass er der schönste Mann ist, damit dieser seine Rolle als Casanova perfekt rüberbringen und als eine laufende Erektion durchs Bild marschieren konnte. Die Sache mit Sutherland kommt einem Trick gleich, der fragwürdig ist. Mich interessiert es nicht, derart mit Menschen zu arbeiten. Grundsätzlich wohnt dem Indirekten aber eine Lust inne, die, wenn sie wohlwollend ist, sehr gut zum Arbeiten mit Darstellern taugt. Die Figur des Transmannes ist inszeniert, jedoch nicht frei erfunden. Im Zugang auf meine Protagonisten haben mich nur die Dinge interessiert, die öffentlich stattfinden. Ich wollte ihnen nichts entlocken. Den Menschen hinter der Figur des Transmannes habe ich über seine politische Aktivität kennengelernt. Da es dann aber doch um den sehr persönlichen Moment der Veränderung des eigenen Körpers ging, hatte ich bei dieser Figur das größte Schutzbedürfnis. Ich wollte sowohl den Menschen hinter der Figur als auch die 10-11

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Figur selbst schützen und habe deshalb angefangen zu inszenieren. Erst später ist mir die Inszenierung zu einer Möglichkeit der Zusammenhangstiftung für den gesamten Film geworden. Du kommst im Film auch selbst vor, als Filmemacherin zwar, aber nicht als eine unbeteiligte. Kannst Du mir etwas über Deine Beziehung zu den Protagonisten erzählen? Mir ist die Trennung zwischen dem Darsteller und dem Menschen dahinter wichtig. Der Darsteller schützt den Menschen, und ich habe immer darauf geachtet, auf welcher Seite der Grenze ich mich bewege. Dafür war es gut, dass die erste Einstellung, die wir überhaupt für den Film gedreht haben, die Szene mit John Malkovich war. Die Erfahrung des Sich-Zeigens und die Konkretheit des Materials haben mich durch den gesamten Dreh begleitet. Du kannst die Menschen nur bis zur Fertigstellung des Drehs beschützen, danach sind sie Figuren und wie das Material in ihrer Zwangsläufigkeit unnachgiebig. Auf der anderen Seite beobachten wir Undine. Bei ihr wird Sadomasochismus als Sexualtrieb kultiviert und zum Dienstleistungsangebot. Warum verzichtest Du dabei auf explizite und harte Szenen? Ich habe viele Sessions bei Undine im Studio gesehen und das meiste davon hat mich befremdet. Hingegen faszinierte mich von Anfang an ihre leise Stimme und ihre Fähigkeit, jeden so zu nehmen, wie er zu ihr kommt. Davon ausgehend haben wir dann gemeinsam die Session konzipiert, die im Film zu sehen ist. Und dann gibt es noch die Jesusfigur des Christentums als ein unfassbares, körperloses Subjekt der Begierde. In der Episode fällt auf, dass Du Deine Rolle der Beobachterin verlässt, selbst zur Akteurin wirst und Deine Beziehung zu dem Priester mit thematisierst. Ihr schaut Euch ein Gemälde mit Blumen an 14-15

und Du umarmst ihn plötzlich. In der Kunsthalle habe ich versucht, mit wenigen Einstellungen das zu erzählen, was unsere Beziehung ausmacht. Konstitutiv für sie ist, dass der Andere stets als solcher erhalten bleibt. Elija ist ein Mönch. Er glaubt. Ich glaube nicht. Im Versuch einer persönlichen Angleichung würde die Beziehung in sich zusammenfallen. Dadurch sind bestimmte Dinge nur über Umwege verhandelbar, beispielsweise über Kunst. Dennoch stehen wir uns nahe. Dafür habe ich die Bilder gefunden, die nun im Film sind. Der Priester kommt dabei nicht zu Wort. Auch kein anderer spricht direkt über sein Begehren. Gesprochen hätten die Menschen hinter den Figuren, die für mich eben nicht in diesen Film gehören. Wenn ein Priester über sein Begehren spricht, kommt das einer Rechtfertigung gleich. Die Episoden sind auf eine leise Art miteinander verkettet. Weder erzählen die Protagonisten von sich selbst, noch verwendest Du im Film eine Off-Stimme. Darüber hinaus inszenierst Du die Szenen jeweils auf eigene Art und Weise. Es war sicherlich eine sehr große Herausforderung, dem Ganzen ein Rhythmus und eine Ordnung zu geben. Die Montage war kompliziert. Über fünf Jahre habe ich immer wieder geschrieben, gedreht, geschnitten. Der letzte Dreh fand im Frühsommer des vergangenen Jahres statt. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass ich am Ende über Interviews oder einen Off-Text den Film zusammenhalten muss. Deshalb versuchte ich ganz sanft andere Zusammenhänge im Material herzustellen. Ich habe mit bestimmten Motiven gearbeitet, mit Bewegungen, mit Kleidung. Ich habe immer geschaut, was an den einzelnen Orten bereits da ist und was ich dem hinzufügen kann, ohne dass ein künstlicher Zusammenhang erzwungen wird. Der Film bietet eine eigene sinnliche Realität, die ihren Ursprung in meinem Begehren in Bezug auf die abgebildeten Welten hat. Diese Realität ist etwas eigenes, das ich nicht erklären kann und sie musste ich beim Schneiden ihre Form finden lassen. Ich habe dann von Inseln ausgehend nicht-linear geschnitten. Dabei spielt das Filmmaterial eine nicht unerhebliche Rolle: Du hast Dich für Super 16mm entschieden, was für den Zusammenhalt der sehr unterschiedlichen im Film verwandten Bildtypen sicher sinnvoll war. Von den Auswirkungen auf die Organisation des Drehs und die Gesamtproduktion her stelle ich mir das jedoch recht schwierig vor. Es ist ein Low-Budget-Film und Du konntest bestimmt nicht immer filmen, wann Du wolltest. Ich habe mir bestimmte Restriktionen selbst auferlegt und andere akzeptiert. Die Szene mit John Malkovich ist die erste, die wir für den Film gedreht haben. Um ihn überhaupt gewinnen zu können, habe ich beschlossen, das Gespräch in einer Einstellung zu filmen. Das heißt, John Malkovich ist nach seinem Auftritt von der Bühne gekommen und wir haben innerhalb von 11 Minuten, die Länge einer Rolle 16mm-Material, das Gespräch gefilmt. Danach war er umgezogen und hat die Garderobe verlassen. Ich habe diese Restriktion als Befreiung empfunden, um mich auf meine gleichzeitige Arbeit als Regisseurin und Darstellerin konzentrieren zu können. Anhand der konkreten Garderobe vor Ort und des Bildaufbaus zu Beginn der Szene haben die Kamerafrau Helena Wittmann und ich entschieden in 16:9 zu drehen. Damit waren Material und Format gesetzt. Als sich dann abzeichnete, dass wir nur die Fördersumme für einen Kurzfilm bekommen würden, beschloss ich mit dem Team gemeinsam trotzdem auf Super 16mm weiter zu drehen. Einfach weil uns das Arbeiten dadurch konzentrierter erschien. Es war klar, dass ich die Dreheinheiten sehr gut vorbereiten muss, aus Material- wie aus Zeitökonomiegründen. 16-17

Darüber hinaus war es auch für die Inszenierung der Barszene von Vorteil, dass Du mit diesem Filmmaterial gearbeitet hast. Die Szene und die Räumlichkeiten wirken nicht authentisch, die Handlung erscheint extrem durchchoreografiert. Man sieht zum Beispiel wie eine fremde Hand die Zigarette einer Frau anmacht, wie diese dann die aufgerauchte Zigarette auf den Boden fallen lässt und wie schließlich der Fuß des Fremden diese austritt. Auch hier gibt es etwas Rituelles, etwas Abgesprochenes und Zugeschriebenes. Ich habe die gesamte Barsituation aus der Erzählung des Transmannes entwickelt. Er hat vor allem an der gesellschaftlichen Zuschreibung als Frau gelitten, weniger am weiblichen Körper. Ich lasse nun die Darstellerin mit demselben Kostüm, was ich in der Malkovich-Szene trug, durch den Raum laufen und schauen. Aber ihre männliche Umgebung lässt sie nicht schauen, drängt sie stattdessen weg, lenkt sie ab. Sie beharrt auf ihrer Position, kehrt in sie zurück und beobachtet von dort aus den Tanz, mit dem der Film endet. Adnan Softić ist Autor, bildender Künstler und Regisseur. Er ist mit zahlreichen installativen, multimedialen Ausstellungen im In- und Ausland vertreten. Mehrfach ausgezeichnet war Softić zuletzt Stipendiat der Villa Massimo in Rom. Weiteres unter kinolom.com Esther Buss: Taktile Verhältnisse Blicke berühren sich, Hände streicheln über Rücken und Füße oder greifen ins feuchte Moos, Körper umarmen sich behutsam. Das durchs Fenster dringende Sonnenlicht flackert wie ein Filmprojektor in Trance und hinterlässt entrückte Reflektionen. Vielleicht nähert man sich Luise Donschens hybridem Debutfilm am besten über seine taktilen Verhältnisse. Casanovagen (2018) ist von Berührungen getragen Berührungen, die bedacht und leise, mitunter gar flüsternd sind. Und die nicht zuletzt durch das Filmmaterial selbst hergestellt werden: Von den mit einer 16mm-Kamera aufgenommenen Bildern mit ihren weichen, samtigen Texturen (Bildgestaltung: Helena Wittmann) wird man gleichsam angefasst. Allein der Begriff Casanova-Gen zeugt von einer eher widerspenstigen Verbindung. Das Bild des flamboyanten Verführers und Kosmopoliten mag sich mit dem nüchternen Klang von Wissenschaft und Forschung nur schlecht vertragen. Donschens Film nimmt seinen Ausgangspunkt von einer genetischen Langzeitstudie am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen. Gegenstand der Untersuchung ist die weibliche und männliche Untreue unter den überwiegend monogam lebenden Zebrafinken. Die Vorteile der Promiskuität für das Männchen sind naheliegend, kann es doch die Anzahl seiner Nachkommen erhöhen. Hingegen gelangte die Forschung mit Blick auf die Weibchen, die das Casanova-Gen von ihren Vätern geerbt hatten, zu der Erkenntnis, dass sich Fremdgehen evolutionsbiologisch für sie nicht auszahlt. Während Donschens Film in den ersten Minuten scheinbar noch 18-19

dem Modus eines klassischen Rechercheprojekts folgt mit streng kadrierten Tableaux von Videomonitoren, Käfigen und Volieren und einem richtigen Interview mit einem Wissenschaftler, wendet er sich schon bald anderen Gebieten, Figuren und filmerzählerischen Ansätzen zu. Mit einem aufmerksamen Blick für Menschen und Räume und dafür, wie sich Menschen in diesen bewegen beschreibt Casanovagen in durchweg statischen Einstellungen das eher offene Feld von Begehren, Körper und Verführung. Protagonist*innen des Films sind neben dem Wissenschaftler u. a. eine Domina, ein Transmann, ein Mönch und ein paar Kinder. Die Figur des Casanova ist im Film indes nur in Fragmenten und Nachbildern anwesend: durch atmosphärische Verwandtschaften (der Karneval in Venedig), Textzitate (einmal wird aus seinen Memoiren Geschichte meines Lebens vorgelesen) und durch den Casanova-Darsteller John Malkovich, der sich in einer verspiegelten Theatergarderobe mit dem Ablegen des Kostüms allmählich auch seiner Rolle entledigt, während ihn Donschen zu seinen Verführungsstrategien, seinem sanguinen Temperament und ähnlichen Dingen befragt. Über die disparaten Räume und gesellschaftlichen Milieus hinweg schreibt der Film auch ein Stück weit eine Motivgeschichte: Spiegel, rituelle Objekte wie Blumen und Kerzen, das An- und Auskleiden als essentieller Teil von Rollenspiel bzw. Rollenarbeit und die eingangs beschriebenen Berührungen ziehen sich als durchgehender Faden durch den Film. Das An- und Auskleiden wird in der Szene mit Malkovich auch zu einem Spiel mit Auf- und Abtritten: Nachdem der Schauspieler sich aus dem Bild entfernt hat, nimmt die Filmemacherin seinen Platz ein. Zu der Paarbildung, die der Titel des Films unvermeidlich aufruft, kommt es in Casanovagen nur punktuell. Wie der Wissenschaftler erklärt, dauert die Kopulation bei den aufgeregt von Sitzstange zu Sitzstange flatternden Zebrafinken gerade mal ein bis zwei Sekunden. Und auch wenn es zwischen der Sexarbeiterin und ihrem einen Hund spielenden Kunden zu Momenten von geradezu anrührender Nähe kommt die sanftmütigen Szenen im Studio widersprechen so ziemlich jedem BDSM-Klischee, überwiegen im Film insgesamt Selbstversunkenheit, Für-Sich-Sein wie auch andere Formen des Inbeziehungtretens: von der Bildbetrachtung im Museum über die Umarmung von Bäumen bis hin zur Vereinigung mit Gott in der Kommunion. In einer Barszene, die das eigentümliche Gemisch von Spannung, Abgelaschtheit, Langeweile, Kontaktsuche und Alleinseinwollen auf stilisierte Weise in Szene setzt, geht es dann auch nicht darum, wie zwei sich finden, sondern darum, wie etwas abhanden gekommen ist: Ein Mann, der einmal eine Frau war, spricht über das Verlustgefühl angesichts seiner nun fehlenden Gebärmutter. Eine kritische Reflektion über die im Forschungsprojekt einmal mehr manifestierte Geschlechterbinarität unternimmt Casanovagen nicht nur mit dieser transsexuellen Figur. Auch das Casanova-Zitat zeugt von geschlechterpolitischer Wachheit. So kommt der venezianische Schriftsteller ange- 20-21

sichts der Asymmetrie der Geschlechter er meint dabei hauptsächlich die Gefahr einer Schwangerschaft als Folge der weiblichen Lust schwer ins Nachdenken. Der Film stellt diesen weiblichen Misslichkeiten und Verdrießlichkeiten eine ganze Reihe von Autorinnenstimmen entgegen: Annette von Droste-Hülshoff, die niederländische Stilllebenmalerin Rachel Ruysch und Kate Bush. Zu ihrem exzentrischen Song Wuthering Heights gelangt in der letzten Filmszene das Begehren, das zuvor in Form von ausgearbeiteten Skripts, einstudierten Posen und festgeschriebenen Ritualen so kontrolliert zum Ausdruck kam, bei einem Tanz momenthaft zur Entfesselung: I m coming home! Esther Buss ist freie Film- und Kunstkritikerin und lebt in Berlin. Sie schreibt u. a. für Jungle World, Spex, der Freitag und Kolik.film. Produktion Luise Donschen luisedonschen@posteo.de + 49 (0) 170 91 26 730 Pressearbeit Sabine Boshamer s.boshamer@web.de + 49 (0) 160 90 12 09 98

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