SanStrat Ganzheitliche Sanierungsstrategien für Wohnbauten und Siedlungen der 1940er bis 1970er Jahre

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Transkript:

Zusammenfassung Basel Landskronstrasse Basel Baumgartnerhäuser Basel Zum Blauen Luzern Friedberg Luzern Atto Luzern Heiterweid Luzern Museggstrasse Luzern Schädrütistrasse St. Gallen Lämmlisbrunnenstrasse St. Gallen Buch St. Gallen Torstrasse St. Gallen Rosenbergweg Zug Seepark SanStrat Ganzheitliche Sanierungsstrategien für Wohnbauten und Siedlungen der 1940er bis 1970er Jahre Hochschule Luzern - Technik & Architektur (HSLU T&A) Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) - Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik Institut Energie am Bau (IEBau) August 2012

Informationen zum Projekt Forschungsprojekt ganzheitliche Sanierungsstrategien für Wohnbauten und Siedlungen der 1940er bis 1970er Jahre (Projekt SanStrat) KTI-Nr. 11654.1 PFES-ES Projektlaufzeit Mai 2010 August 2012 Projektpartner STUTZ AG, Hatswil Behördenvertreter Kanton Basel Stadt Behördenvertreter der Stadt Luzern Behördenvertreter der Stadt St.Gallen Behördenvertreter der Stadt Zug Projektträger Stiftung zur Förderung der Denkmalpflege, Zürich Kommission für Technologie und Innovation (KTI) Nationales Kompetenznetzwerk Gebäudetechnik und erneuerbare Energien (brenet) Projektverantwortung Hochschule Luzern Technik & Architektur (HSLU T&A) Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) Robert Fischer (Projektleiter), Doris Ehrbar, Prof. Dr. Peter Schwehr Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) Hochschule Architektur, Bau und Geomatik Institut Energie am Bau (IEBau) René Kobler Kontakt Doris Ehrbar, doris.ehrbar@hslu.ch, 041 349 34 62 Seite 2/11

1. Einleitung Wollen die Ziele der 2000-Watt- bzw. 1-Tonnen- CO 2 -Gesellschaft erreicht werden, müssen bis 2050 90% des schweizerischen Gebäudebestandes (Stand 2006) energetisch saniert werden 1. Dem öffentlichen Interesse einer energetischen Sanierung unserer Gebäude stehen oftmals aber andere öffentliche Interessen, wie beispielsweise der Erhalt von baukulturellen Werten, gegenüber. Hinzu kommen private Interessen von Nutzenden und Gebäudeeigentümern nach zeitgemässen, günstigen und marktfähigen Wohnungen. In der Schweiz befindet sich jede vierte Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, welches in den 1940er bis 1970er Jahren erbaut wurde 2. Diese Wohnbauten und Siedlungen prägen ganze Quartiere und sind wertvolle Identitätsträger für ihre Bewohner und deren Quartier. Obschon sie mehrheitlich (noch) nicht unter Schutz stehen, erlangen sie vermehrt denkmalpflegerisches Interesse. Zur Wahrung der öffentlichen und privaten Interessen gilt es nun, diesen komplexen Themenbereich detailliert zu analysieren, die einzelnen Positionen abzuwägen und ganzheitliche Sanierungsstrategien mit Mehrwert für alle Beteiligten zu entwickeln. Nur so kann das Ziel einer zeitnahen, ganzheitlichen, energetisch und baukulturell wertvollen Sanierung des Gebäudeparks erreicht und ein grosser Multiplikationsfaktor erzielt werden. 1.1. Methodik SanStrat untersuchte disziplinübergreifend die verschiedenen öffentlichen und privaten Interessen bei der Sanierung von Wohnbauten und Siedlungen der 1940er bis 1970er Jahre. Ein wichtiger Aspekt dieser Studie war der aktive Einbezug von Akteuren aus Energie, Baukultur und Stadtentwicklung sowie Gebäudeeigentümern und Umsetzenden (Planer, Unternehmer). Fig. 1 Projektorganisation Das Forschungsprojekt basierte auf 13 Fallstudien der Städte Basel, Luzern, St. Gallen und Zug. In 6 Entwurfsworkshops erarbeiteten die an der Studie beteiligten Behördenvertreter der Fallstudien- Städte zusammen mit den Gebäudeeigentümern und Umsetzenden konkrete Sanierungsstrategien 1 [BFE, 2006] 2 [BFS, 2004] Seite 3/11

für die ganzheitliche Sanierung der einzelnen Fallstudien (Fig. 1). Die auf die einzelnen Fallstudien zugeschnittenen Sanierungsstrategien wurden in Folge abwechslungsweise in disziplinären Fachgruppen und interdisziplinären Städteteams diskutiert und weiterentwickelt, bis sie von allen beteiligten Akteuren getragen werden konnte. Der Auftrag der Denkmalpflege basierte auf den kantonalen und kommunalen Erlassen 3. Für die energetische Beurteilung der Sanierungsstrategien diente die dem Vollzug zugrundeliegende Norm SIA 380/1 4. Die Analyse der Argumente der einzelnen Fachgruppen, die exemplarischen Prozesse und die während den Workshops ausgearbeiteten Sanierungsoptionen bildeten die Basis für die Entwicklung der ganzheitlichen Sanierungsstrategien der einzelnen Fallstudien wie auch für dir Planungswerkzeuge und die Leitlinien zur Erarbeitung von ganzheitlichen Sanierungsstrategien mit grossem Multiplikationsfaktor. 1.2. Zielsetzung Das Ziel dieser Studie war es, mit einem praxisnahen Beitrag die zum Teil emotional geführte Diskussion zwischen den öffentlichen Interessen nach Reduktion des Energieverbrauchs und dem Erhalt der Baukultur zu versachlichen. Die neu entwickelten, prozessbegleitenden Planungswerkzeuge, die Dokumentationen der erarbeiteten Sanierungsstrategien und die Leitlinien sollen den an der Sanierung beteiligten Akteuren konkrete Hilfestellungen für die Umsetzung ganzheitlicher Sanierungen geben. 3 Basierend auf dem Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz von 1966, das Bundesgesetz über die Raumplanung von 1979, sowie die Rechts- und Gerichtspraxis. 4 Norm SIA 380/1 Thermische Energie im Hochbau, Ausgabe 2009. Seite 4/11

2. Resultate Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten Resultate dieser Studie gegeben. Dies sind die beiden Planungswerkzeuge Koordinationsmatrix und Wolkengrafik (2.1), die ganzheitlichen Sanierungsstrategien am Beispiel der Fallstudie Zum Blauen in Basel (2.2), die erzielte Reduktion des Heizwärmebedarfs (2.3) und die Eigentümerfeedbacks (2.4). 2.1. Planungswerkzeuge Koordinationsmatrix Während der Projektzeit wurde die Koordinationsmatrix entwickelt. Sie dient zum Aufbau einer frühen und umfassenden Informationsbasis, auf der der gemeinsame Lösungsfindungsprozess aufgebaut werden kann. Sie ist in drei Hauptbereiche, die Ausgangslage, die Diskussion und den Entscheid, gegliedert (Fig. 2). Fig. 2: Schematischer Aufbau der Koordinationsmatrix Eigentümer, Behörden und Umsetzende tragen zu Beginn der strategischen Planung möglichst präzise und verbindliche disziplinäre Informationen in den Bereich Ausgangslage ein. Aufbauend auf diesen Informationen werden mögliche Sanierungsmassnahmen in den Bereich Diskussion aufgenommen und die Beurteilung durch Behörden, Planende und Umsetzende festgehalten. Im Bereich Entscheid werden schliesslich konkrete Massnahmen und Konstruktionen oder weitere Prozessschritte, wie beispielsweise die Bemusterung einer Sanierungsoption als Basis für eine endgültige Entscheidungsfindung, festgelegt. Seite 5/11

Wolkengrafik Als komplementäres Instrument zu der Koordinationsmatrix wurde die Wolkengrafik entwickelt. Die Wolkengrafik dient als visuelles Hilfsmittel zur Diskussion verschiedener Sanierungsoptionen und zur Erarbeitung von Sanierungsstrategien. Sie besteht aus möglichen Grundriss- und Schnitt- Piktogramme, die den drei Spalten Hülle, Technik und Raum, zugeordnet sind (Fig. 3). Fig. 3 Struktur der Wolkengrafik (am Beispiel der Fallstudie Zum Blauen in Basel) Mittels einer Wolke (Umfassungslinie) werden Sanierungsoptionen der verschiedenen Bereiche zu Sanierungsstrategien zusammengefasst. Aus der Diskussion und Dokumentation verschiedener Strategie-Varianten oder durch die Überlagerung der Wunsch-Strategien der verschiedenen Fachperspektiven werden Lösungsstrategien mit kleinstem und grösstem gemeinsamen Nenner sichtbar gemacht. Diese Grundlage ermöglicht die Ausarbeitung einer von allen Beteiligten getragenen, ganzheitlichen Sanierungsstrategie. Dabei bleibt die Bandbreite an Optionen, wie auch Eingriffstiefe, Eingriffsmenge, mögliche Synergien und in der Strategie nicht berücksichtigter Optionen über den ganzen Prozess übersichtlich dokumentiert. Durch das Offenlegen der wichtigsten Informationen und die Visualisierung der Bandbreite an Sanierungsoptionen sind die Koordinationsmatrix und die Wolkengrafik wichtige, den gesamten Prozess von der strategischen Planung bis zur Umsetzung begleitende Instrumente, die den gegenseitigen Austausch erleichtern und das gemeinsame Verständnis fördern. Seite 6/11

2.2. Sanierungsstrategie Fallstudie Zum Blauen 5 Basel, Zum Blauen Baujahr: 1952 Kontext: Siedlung Schutzstatus: Inventarobjekt Zone: Zone 4 Heizwärmebedarf: 375 MJ/m 2 a (gem. SIA 380/1) Fig. 4 Steckbrief Genossenschaft Zum Blauen in Basel Das Projekt SanStrat erarbeitete für die Wohngenossenschaft Zum Blauen eine Sanierungsstrategie mit folgenden Massnahmenpaketen (vgl. Fig. 3): Massnahmen im Dachbereich Im Zuge der Dämmung des Dachbereichs sollen die unbeheizten Dachräume und die Mansardenzimmer ausgebaut und zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden (R2). Die leicht geneigten Dächer der Dachgauben werden mit Photovoltaik ausgerüstet. In Absprache mit der Denkmalpflege können auch Teile der Schrägdachflächen mit Photovoltaik ausgerüstet werden (T2). Massnahmen im Aussenwandbereich Durch den Einbau eines zusätzlichen Abschlusses im Eingangsbereich entsteht ein Windfang (H3). Dadurch können Lüftungs- und Transmissionsverluste reduziert werden und die originale Türe behalten werden. Bei Mieterwechseln wird in Absprache mit dem Bauphysiker auf den Aussenwänden eine Innendämmung aufgebracht (H7) 6. Durch den Ersatz der Doppelverglasung durch eine Dreifachverglasungen (H8) können die qualitativ hochstehenden Fenster- und Flügelrahmen aus dem Jahre 1997 erhalten werden. In Absprache mit der Denkmalpflege und in Abwägung mit anderen Massnahmen kann die Aussendämmung der Giebelfassaden (H5) grundsätzlich in Betracht gezogen werden. Massnahmen im Deckenbereich Die Dämmung der Kellerdecke (H1b) ist in jedem Fall realisierbar. Die Vergrösserung der Balkone (R3) ist grundsätzlich möglich; die Bewilligungsfähigkeit hängt jedoch von der konkreten Gestaltung ab. Mit dem Ersatz der Balkone können sowohl die bestehenden Wärmebrücken reduziert wie auch die Bedürfnisse der Bewohner nach grösseren Balkonen befriedigt werden. Massnahmen Haustechnik Die Ölheizung der beiden Querbauten sollen analog zu den Längszeilen ebenfalls durch Fernwärme (T1) ersetzt werden. Gleichzeitig soll die gesamte Haustechnik überprüft und optimiert werden. Räumliche Massnahmen Durch das Verschieben der Wohnungstrennwand zwischen zwei aneinandergrenzende Dreizimmerwohnungen kann eine Zwei- und eine Vierzimmerwohnung geschaffen werden (R1) 7. Durch den Einbau eines Lifts (R4) in einem der Gebäude und der hindernisfreien Sanierung von 5 Die Ausgangslage mit Eigentümerportrait, Würdigung der Denkmalpflege, Plänen und Fotos, etc., sowie der ausführliche Beschrieb der Massnahmen sind in der Fallstudiendokumentation dargelegt. 6 Diese Massnahme erfolgt bereits heute 7 Beurteilung durch Präsidenten der Genossenschaft (12. Juni 2012, Basel): Die Verschiebung der Wohnungstrennwand ist in Bezug auf die technische Umsetzung und die zu erwartenden Kosten kritisch. Seite 7/11

Bädern und Küchen kann das Wohnungsangebot massgeblich diversifiziert werden 8. Die steigende Attraktivität für Familien und die Möglichkeit für den Umzug von alleinstehenden älteren Bewohnenden kann eine bessere Belegung der Wohnungen erzielt und der Flächenbedarf pro Person gesenkt werden 9. Die Ausnützung der Siedlung Zum Blauen kann durch zwei kopfständige Anbauten an die Längsbauten (R5) verdichtet werden 10. Die neuen Gebäudekörper müssen sorgfältig in den bestehenden Siedlungscharakter eingepasst werden und begleitet von Denkmalpflege in einem Projekt überprüft werden. Die Neubauten sollen einen hohen energetischen Standard aufweisen und die Bedürfnisse neuer Nutzergruppen befriedigen. Der Erhalt einer der Pavillonbauten soll geprüft werden. Die vorab beschriebenen Massnahmen sind im Rahmen des Erhalts der Schutzwürdigkeit realisierbar. Dabei kann der berechnete Heizwärmebedarf von rund 342 MJ/m 2 a 11 auf rund 122 MJ/m 2 a gesenkt werden. Durch die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien (Fernwärme und PV) kann der verbleibende Betriebsenergiebedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Ausserdem können die Mieter während der Sanierungsmassnahmen in den Wohnungen bleiben. Die Option Lifteinbau verursacht allerdings erhebliche Beeinträchtigungen, die den Auszug der Mietenden bedingen können. 2.3. Reduktion des Heizwärmebedarfs Fig.5 Berechneter Heizwärmebedarf (MJ/m 2 a) bei Bestand (weiss) und ganzheitlicher Sanierung (gelb) im Vergleich zum Grenzwert nach SIA 380/1 (schwarz). 8 Rund 75% der Wohnungen der Familiengenossenschaft sind 3-Zimmer Wohnungen mit rund 75m 2 Wohnfläche. Diese werden zur Zeit von 1 bis 2 Personen bewohnt. 9 Die Belegungsdichte ist ein wichtiges Kriterium zur Senkung des Energiebedarfs und zur Reduktion der Treibhausgase pro Person 10 Die Genossenschaft Zum Blauen hat eine Ausnützungsreserve von rund 40%. 11 Bei der Genossenschaft Zum Blauen in Basel wie auch bei den meisten anderen Fallstudien (vgl. Tab. 1) wurden bereits energetische Sanierungen vorgenommen. Aus diesem Grund liegt der berechnete und der effektive Heizenergiebedarf weit unter den statistischen Werten. Seite 8/11

Der Heizwärmebedarf 12 kann durch die im SanStrat Projekt erarbeitete Sanierungsstrategien bei gleichzeitigem Erhalt der Schutzwürdigkeit erheblich gesenkt werden. Bei den 13 Fallstudien konnte eine durchschnittliche Einsparung des Heizenergiebedarfs von 50 % erzielt werden. Der berechnete Heizwärmebedarf pro m 2 Energiebezugsfläche sank von einem durchschnittlichen Bereich von 400 bis 500 MJ/m 2 a auf einen durchschnittlichen Bereich von 200 bis 250 MJ/m 2 a (Fig. 5). Damit liegen die Fallstudien nach der Sanierung durchschnittlich gut 50% über dem Grenzwert nach SIA 380/1. Gemäss der gemeinsam erarbeiteten ganzheitlichen Sanierungsstrategie kann der restliche Heizwärmebedarf in 6 Fallstudien ganz und in 7 Fallstudien teilweise mit erneuerbaren Energien gedeckt werden. Unter Einbezug des Potentials für die Realisierung von erneuerbaren Energien können die energetischen Anforderungen bei den meisten Fallstudien erreicht werden. 2.4. Eigentümer Feedbacks Die von SanStrat vorgeschlagenen Sanierungsstrategien wurden von den Eigentümern der 13 Fallstudien mehrheitlich positiv aufgenommen. Auf die Frage Erachten Sie die von SanStrat vorgeschlagene Strategie bei Ihrer Liegenschaft als umsetzbar? wurde mehrheitlich mit Ja beantwortet. Die meisten Eigentümer planen in den kommenden 5 Jahren Sanierungsmassnahmen vorzunehmen 13. Dabei wird die Etappierbarkeit 14 der Sanierungsstrategien als wichtig erachtet. Fallstudie Antworten Vorschlag umsetzbar? Etappierbarkeit wichtig? Nächste Investitionen? Basel Baumgartner Ja Ja mittelfristig Basel Landskronstrasse Ja Ja 2012 Basel Zum Blauen Ja Ja frühestens 2017 15 Luzern Atto Ja Ja 2015 Luzern Fluhhöhe Ja, mit Vorbehalt Ja 2012 Luzern Heiterweid Ja, mit Zusatz weniger wichtig vorerst nicht Luzern Museggstrasse Ja Ja 2012 Luzern Schädrütistrasse Ja Nein 2012 St. Gallen Buch Ja Ja 2013 St. Gallen Torstrasse Ja, mit Vorbehalt Ja 2013 St. Gallen Rosenbergweg Ja Ja 2013 oder 2014 St. Gallen Lämmlisbrunnen Ja, mit Vorbehalt Ja 2013 Zug Seepark Ja, mit Vorbehalt Ja noch offen Tab.1 Zusammenfassung der Eigentümerfeedbacks 12 plausibilisierte SIA 380/1-Berechnungen 13 Frage: Wann möchten Sie die ersten Massnahmen realisieren? 14 Frage: Ist für Sie die Etappierbarkeit der Sanierungsstrategie wichtig? 15 Die Umsetzung der Sanierungsstrategien hängt vom Weiterbestehen der Genossenschaft respektive den Baurechtszinsverhandlungen ab. Wenn alles gut läuft, können im Jahr 2017 oder 2018 ersten Massnahmen umgesetzt werden Seite 9/11

3. Schlussfolgerungen Die Fallstudien haben gezeigt, dass die für die Mehrfamilienhäuser und Siedlungen der 1940er bis 1970er Jahre ausgearbeiteten ganzheitlichen Sanierungsstrategien eine weitgehende Vereinbarkeit der baukulturellen und energetischen Anliegen ermöglichen. Wichtig ist dabei, dass beide Seiten diese Vereinbarkeit anstreben und bei der Abwägung der öffentlichen Interessen nach Energieeinsparung und nach Erhalt des kulturellen Erbes stets die langfristige Gesamtstrategie verfolgen. Die Koordinationsmatrix und die Wolkengrafik unterstützen die gemeinsame Arbeit von Behörden, Umsetzenden und Eigentümern, indem sie das frühzeitige Offenlegen der Interessen fördern, den Überblick über Argumente und Strategien während dem gesamten Prozess gewähren und faktenbasierte, transparenten Entscheide herbeiführen. Alle am Projekt beteiligten Fachgruppen Stadtentwicklung, Energie, Baukultur, und Umsetzung hatten einen möglichst nachhaltigen Umgang mit den Bestandesbauten zum Ziel. Aus dem Vergleich der Massnahmen und Forderungen der Fachgruppen und der Eigentümer wurde festgestellt, dass die Dämmung der Fassaden ein zentraler Zielkonflikt der energetischen und baukulturellen Anliegen ist. Die Fachgruppe Energie fordert einen möglichst geschlossene Wärmedämmung der Gebäudehülle, während die Fassade ein baukulturell sensibler Bereich ist, der sowohl im Einzelschutz (Denkmalpflege) wie auch im zonen- und planungsrechtlichen Schutz (Städtebau) möglichst unverändert erhalten werden soll. In der objektspezifischen Abwägung müssen Alternativen zur konventionellen Aussendämmung der Fassade geprüft werden. Mit der Ausweitung des Fokus Energie vom Heizwärmebedarf auf die gesamte Betriebsenergie, die Energie für die Erstellung des Gebäudes und die durch das Gebäude induzierte Mobilität wie sie die 2000-Watt-Gesellschaft fördern, löst sich die Betrachtung von der Gebäudehülle und dem Energieverbrauch pro Quadratmeter beheizter Fläche. Mit einer Personen bezogenen Betrachtung des Energieverbrauchs und einer zusätzlichen Ausweitung der Systemgrenze vom Wohngebäude auf die Quartierebene ergeben sich viele zusätzliche Optionen, wie innerhalb des betrachteten Systems für jedes Gebäude die geeignete Strategie zu entwickeln, ohne die energetischen Zielforderungen und die baukulturellen Werte zu schmälern. Offen bleibt, wie bei dieser Betrachtung der Vollzug gewährleistet und die resultierenden Kosten verteilt werden kann. Die Rückmeldungen der Gebäudeeigentümer weisen auf eine gute Umsetzbarkeit der ausgearbeiteten ganzheitlichen Sanierungsstrategien mit abgewogenen baukulturellen und energetischen Interessen hin. Die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der diskutierten Sanierungsstrategien die nicht Gegenstand dieser Studie war wurde als wesentlicher Aspekt zur Förderung von angemessenen Sanierungen mit grosser Breitenwirkung identifiziert. 3.1. Forderungen Folgende Forderungen wurden im Projekt SanStrat erarbeitet, welche eine ganzheitliche Sanierungsstrategie erfüllen soll: 1. Angemessenheit Eine ganzheitliche Sanierungsstrategie findet angemessene Lösungen im Spannungsfeld von Anpassungsdruck und Erhaltungswille. Seite 10/11

2. Klare Zielvereinbarung Eine ganzheitliche Sanierungsstrategie basiert auf einer klaren Zielvereinbarung zwischen den Beteiligten. 3. Nutzung von Synergien Eine ganzheitliche Sanierungsstrategie nutzt technische und organisatorische Synergien optimal und über den gesamten verbleibenden Lebenszyklus. 4. Denken in Optionen Eine ganzheitliche Sanierungsstrategie wird aus einer Vielzahl von Sanierungsoptionen, welche zu Strategie-Varianten zusammengeführt werden, entwickelt. 5. Bestehendes in Wert setzen Eine ganzheitliche Sanierung nutzt das Bestehende als Quelle für die Schaffung von Mehrwert (Identität). 6. Mehrwert schaffen Eine ganzheitliche Sanierung schafft Mehrwert für alle Beteiligten, indem die Beteiligten frühzeitig in den Entscheidungsprozess einbezogen werden. 7. Ressourcen schonen Eine ganzheitliche Sanierungsstrategie limitiert den Verbrauch an Ressourcen und die Emission von Schadstoffen bei Erstellung und Betrieb des Gebäudes und der induzierten Mobilität. 8. Gebäude im System Bei ganzheitlichen Sanierungsstrategien wird das einzelne Gebäude als Teil eines grösseren Systems der gebauten Umwelt verstanden. 9. Gebäude als System Bei ganzheitlichen Sanierungsstrategien ist das Gebäude als Ganzes mehr als die Summe seiner Einzelteile. 3.2. Forschungsbedarf In verlaufe dieser Studie hat sich gezeigt, dass vertiefte Untersuchungen der Zusammenhänge zwischen Lebenszyklus und Nachhaltigkeitskriterien, Sanierungsinvestitionen und Erhaltungswille oder Mietwohnungsmarkt und Bedürfnisse der Vermietenden und Mietenden wichtige Indizien für die Abwägung der Sanierungsoptionen liefern könnten. Von Eigentümerseite bestand während der ganzen Projektdauer grosses Interesse nach vertieftem Wissen und Kriterien zur Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Sanierungsvarianten. Eine erste Vertiefung in Ökonomie hat gezeigt, dass rund die Hälfte der Kosten einer ganzheitlichen Sanierung durch Energieeinsparungen finanziert werden können. Wurden die nötigen Erhaltungsrückstellungen angespart, können ganzheitliche Sanierungsstrategien problemlos finanziert werden. Dabei wurde festgestellt, dass sich die Finanzierbarkeit verbessert, wenn qualitativ hochstehende, langlebige Baumaterialien und Konstruktionen die Standardwerte der Lebensdauer verlängern oder entflechtete und optimal gefügte Bauteile eine unterschiedliche Lebensdauer zulassen. Eine vertiefende Untersuchung der Wirtschaftlichkeit von verschiedenen Sanierungsstrategien, Eigentümerorganisationen, Berechnungs- und Zeitmodellen anhand der in SanStrat untersuchten Referenzgebäude wäre für die Gebäudeeigentümer wie auch für den Erhalt der baukulturell wertvollen Wohngebäude und Siedlungen der 1940er bis 1970er Jahre von grossem Wert. Diese Forschungslücke in diesem Projekt soll mit einem Folgeprojekt geschlossen werden (vgl. dazu die Projektantrag an die Stiftung zur Förderung der Denkmalpflege unter dem Titel Wirtschaftlichkeitsbewertungen bei Sanierungen von historisch wichtigen Bauten der späten 40er bis 70er Jahre im Fokus einer erweiterten Nachhaltigkeit. vom 30. Mai 2012). Seite 11/11