Informationen zum Wohnungsverweis bei häuslicher Gewalt

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Transkript:

Informationen zum Wohnungsverweis bei häuslicher Gewalt

Verteilerhinweis: Diese Informationsschrift wird von der Landesregierung in Baden-Württemberg im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von deren Kandidatinnen und Kandidaten oder Helferinnen und Helfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für alle Wahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Parteien sowie das Einlegen, Aufdrucken und Aufkleben parteipolitischer Informationen oder Werbemittel. Untersagt ist auch die Weitergabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevorstehenden Wahl darf die vorliegende Druckschrift nicht so verwendet werden, dass dies als Parteinahme des Herausgebers zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte. Diese Beschränkungen gelten unabhängig vom Vertriebsweg, also unabhängig davon, auf welchem Wege und in welcher Anzahl diese Informationsschrift dem Empfänger zugegangen ist. Erlaubt ist es jedoch den Parteien, diese Informationsschrift zur Unterrichtung ihrer Mitglieder zu verwenden. Herausgegen vom: Ministerium für Soziales und Integration Baden-Württemberg Schellingstraße 15 70174 Stuttgart Telefon: 07 11 123-0 Telefax: 07 11 123-39 99 Internet: www.sozialministerium-bw.de Veränderte Online-Auflage vom August 2016 Stand der Broschüre: 1.11.2015

Informationen zum Wohnungsverweisverfahren in Fällen häuslicher Gewalt INHALT Vorwort...........................................................2 Das Wohnungsverweisverfahren in Fällen häuslicher Gewalt...............4 Tipps und Antworten auf häufig gestellte Fragen zum polizeilichen Wohnungsverweis...............................5 zur Beratung....................................................7 zum zivilrechtlichen Schutz.......................................9 zum Strafverfahren..............................................12 Rechtsgrundlage...................................................14

Vorwort Gewalt im häuslichen Bereich ist keine Privatsache. Den meist weiblichen Opfern von häuslicher Gewalt muss daher ein besonderer Schutz gewährt werden. Rund 25 Prozent der Frauen zwischen 16 und 85 Jahren haben bereits mindestens einmal körperliche oder sexuelle Gewalt manchmal auch beides durch Beziehungspartner erlebt. Häusliche Gewalt ist niemals zu rechtfertigen, auch nicht mit dem Hinweis auf Alkohol, Stress oder Provokation. Die Verantwortung für die Gewalt liegt immer bei der Person, die sie ausübt. Wer dagegen von Gewalt betroffen ist, hat Anspruch auf Schutz und Hilfe. Der Begriff häusliche Gewalt umfasst alle Formen der körperlichen, sexuellen und seelischen Gewalt, die zwischen erwachsenen Menschen stattfindet, die in einer nahen Beziehung zueinander stehen oder gestanden haben. Das sind vor allem Personen in Lebensgemeinschaften, aber auch in Verwandtschaftsbeziehungen. Häusliche Gewalt ist unabhängig vom Tatort. Die Landesregierung nimmt ihre Aufgabe sehr ernst, den von Gewalt betroffenen Frauen Schutz und Unterstützung zu bieten. Daher haben wir im Jahr 2014 den Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen vorgelegt, der in einem zweijährigen Prozess und im Dialog mit allen beteiligten Organisationen erarbeitet worden war. Mit dem Aktionsplan verfügt Baden- Württemberg über ein umfassendes Konzept, das zum einen die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zum Ziel hat. 2

Zum anderen widmet sich der Plan aber auch der bedarfsgerechten Versorgung von Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt, sexueller Gewalt, Zwangsverheiratung oder Zwangsprostitution geworden sind. Der Landesaktionsplan zeigt deutlich, dass der Wohnungsverweis eine schnelle und wirkungsvolle Maßnahme zum Schutz von Frauen und deren Kindern ist. Den Opfern kann nicht zugemutet werden, selbst für ihren Schutz zu sorgen und dabei auch noch den Verlust der vertrauten Umgebung in Kauf nehmen zu müssen. Der Staat gibt den Tätern mit dem Wohnungsverweis ein deutliches Signal: Gewalt ist kein Mittel zur Konfliktlösung. Wer seine Rechte nicht kennt, kann sie auch nicht wahrnehmen. Daher sollte allen Opfern bewusst sein, dass der Schutz vor Gewalt ein Menschenrecht ist, das auch zuhause gilt. Diese Informationsbroschüre soll alle, die häusliche Gewalt erleiden, über die aktuelle Rechtslage informieren. Und sie gibt Antworten auf die häufigsten Fragen, die im Zusammenhang mit dem Wohnungsverweis auftauchen. Manne Lucha MdL Minister für Soziales und Integration Baden-Württemberg 3

Das Wohnungsverweisverfahren in Fällen häuslicher Gewalt Das Wohnungsverweisverfahren besteht aus mehreren Maßnahmen, die in ihrem Zusammenwirken zu einer Vermeidung weiterer häuslicher Gewalt beitragen sollen. Die erste wirkungsvolle Maßnahme des Wohnungsverweisverfahrens ist der polizeiliche Wohnungsverweis nach 27 a des Polizeigesetzes. Die Polizei - in der Regel die Streifenwagenbesatzung, die zu einem Einsatz gerufen wird - erteilt dem Täter ein befristetes Hausverbot, wenn die Gefahr besteht, dass es zu erneuten tätlichen Auseinandersetzungen kommt und das Hausverbot zur Abwendung der Gefahr geeignet ist. Als Opfer dürfen Sie in der Wohnung bleiben. Besteht die Gefahr auch nach Verlassen der Wohnung fort, kann die Polizei der verwiesenen Person verbieten, in die Wohnung oder den unmittelbar angrenzenden Bereich zurückzukehren (Rückkehrverbot) und sich der verletzten oder bedrohten Person anzunähern (Annäherungsverbot). Polizeiliche Maßnahmen sind grundsätzlich nur von vorübergehender Dauer. Einen länger dauernden Schutz bieten zivilrechtliche Schutzanordnungen. Hierfür können Sie sich an Ihr Amtsgericht wenden und eine einstweilige Anordnung auf die Zuweisung der Wohnung und/oder ein Näherungs- bzw. Kontaktverbot des Täters beantragen. Weitere Bestandteile des Wohnungsverweisverfahrens sind die Beratung der Betroffenen, die konsequente Strafverfolgung. Je besser die Maßnahmen aufeinander abgestimmt sind, desto eher kann das Wohnungsverweisverfahren dazu beitragen, die gegen Sie gerichtete Gewalt dauerhaft zu beenden. 4 DAS WOHNUNGSVERWEISVERFAHREN IN FÄLLEN HÄUSLICHER GEWALT

In vielen Fällen häuslicher Gewalt können - aus unterschiedlichen Gründen - nur einzelne Maßnahmen zum Tragen kommen. So können zum Beispiel zivilrechtliche Schutzmaßnahmen beantragt werden, unabhängig davon, ob ein polizeilicher Wohnungsverweis verhängt wurde oder nicht. Auch die Beratungsangebote stehen unabhängig von einem polizeilichen Wohnungsverweis zur Verfügung. Tipps und Antworten auf häufig gestellte Fragen zum polizeilichen Wohnungsverweis WAS BEDEUTET DER WOHNUNGSVERWEIS? Der Wohnungsverweis bedeutet, dass der Täter die Wohnung verlassen muss. Sie können in der Wohnung bleiben. Der Täter muss in der Regel die Hausschlüssel abgeben. Solange der Wohnungsverweis gilt, darf er nicht zurückkommen. WIE LANGE GILT DER WOHNUNGSVERWEIS? Das Ordnungsamt entscheidet über die Dauer des Wohnungsverweises je nach Gefährdung im Einzelfall. In den meisten Fällen dauert der Wohnungsverweis zwischen 4 und 14 Tage. FRAGEN ZUM POLIZEILICHEN WOHNUNGSVERWEIS 5

KANN DER WOHNUNGSVERWEIS VERLÄNGERT WERDEN? Ja. Die Entscheidung über einen ersten - kurzfristigen - Wohnungsverweis - etwa über das Wochenende - trifft in der Regel die Streifenwagenbesatzung vor Ort. Über die weitere Dauer (bis höchstens zwei Wochen) entscheidet das Ordnungsamt der Gemeinde bzw. der Stadt. Eine weitere Verlängerung durch das Ordnungsamt der Gemeinde bzw. der Stadt (höchstens für weitere zwei Wochen) ist nur möglich, wenn Sie Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz beantragen. WAS MACHE ICH, WENN DER TÄTER ZURÜCKKOMMT? Dann sollten Sie sofort die Polizei rufen. Verstößt der Täter gegen den Wohnungsverweis, so kann die Polizei ihn erforderlichenfalls in Gewahrsam nehmen. WAS MACHE ICH, WENN ICH TROTZ DES WOHNUNGSVERWEISES ANGST VOR DEM TÄTER HABE? Dann sollten Sie mit der Polizei und mit der Beratungsstelle über Ihre Befürchtungen sprechen. Fühlen Sie sich durch den Wohnungsverweis nicht ausreichend geschützt, so können Sie zum Beispiel auch vorübergehend in einem Frauen- und Kinderschutzhaus wohnen. KANN ICH DIE AUFHEBUNG DES WOHNUNGSVERWEISES BEANTRAGEN? Nein. Der Wohnungsverweis ist nicht von Ihrem Antrag abhängig. Die Polizei hebt einen Wohnungsverweis nur dann auf, wenn sie zu der Auffassung kommt, dass keine Gefahr mehr besteht. Bei der Einschätzung, ob weitere gewalttätige Auseinandersetzungen zu erwarten sind, ist Ihre Meinung natürlich wichtig. Die Polizei kann die Situation gegebenenfalls jedoch anders einschätzen als Sie. 6 FRAGEN ZUM POLIZEILICHEN WOHNUNGSVERWEIS

KANN DER WOHNUNGSVERWEIS AUCH AUF DAUER ANGEORDNET WERDEN? Nein. Polizeiliche Maßnahmen sind grundsätzlich nur von vorübergehender Dauer. Für längerfristige Schutzanordnungen ist das Zivilgericht zuständig. zur Beratung WO BEKOMME ICH RAT UND UNTERSTÜTZUNG? Es gibt viele Beratungsstellen, die Sie in Fällen häuslicher Gewalt kompetent beraten. In einigen Stadt- und Landkreisen wurden speziell für das Wohnungsverweisverfahren bzw. für häusliche Gewalt Beratungsstellen eingerichtet. Qualifizierte und verständnisvolle Beraterinnen und Berater finden Sie bei den Allgemeinen Sozialen Diensten und bei Beratungsstellen von Vereinen oder Wohlfahrtsverbänden. An vielen Orten gibt es Frauenberatungsstellen mit hoher Fachkompetenz zum Thema Gewalt. Im Telefonbuch finden Sie Telefonnummern und Adressen von Beratungsstellen in Ihrer Nähe. Ferner finden Sie die Telefonnummer des nächstgelegenen Frauen- und Kinderschutzhauses. Vielen dieser Broschüren ist eine Adressenliste über das örtliche Beratungsangebot beigefügt. WIE FINDE ICH DIE FÜR MICH GEEIGNETE BERATUNGSSTELLE? Das Wichtigste ist, dass Sie zu der Beraterin bzw. dem Berater ein Vertrauensverhältnis entwickeln können. Welche Beratungsstelle am besten geeignet ist, ist in einem Gespräch zu klären. Deshalb gibt es in vielen Orten so genannte Anlaufstellen. Dort erhalten Sie Informationen über das Wohnungsverweisverfahren und Tipps, wie Sie weiter vorgehen können. Wenn Sie dies wünschen, werden Sie an eine andere Beratungsstelle weitervermittelt. FRAGEN ZUR BERATUNG 7

KANN MEINE AUSSAGE DAZU FÜHREN, DASS MIR DIE KINDER WEGGENOMMEN WERDEN? Nein. Der Täter ist für die Gewalt verantwortlich, nicht Sie! WAS GESCHIEHT MIT DEN KINDERN? Für Mädchen und Jungen ist häusliche Gewalt eine Belastung. Deshalb wird Sie nach dem Wohnungsverweis eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter des Jugendamtes anrufen, um mit Ihnen zu besprechen, welche Unterstützungsangebote - zum Beispiel Gespräche mit einer Psychologin oder einem Psychologen - für Ihr Kind bzw. Ihre Kinder geeignet sind. WER HILFT MIR BEI FINANZIELLEN PROBLEMEN? Wenn nach dem Wohnungsverweis keinerlei Mittel zur Verfügung stehen, können Sie sich an das Sozialamt wenden. WO KANN ICH MEINE VERLETZUNGEN BEHANDELN LASSEN? Sie sollten sich, je nach Schwere der Verletzung, von Ihrem Hausarzt, einem Facharzt oder in einem Krankenhaus ärztlich versorgen lassen. Bitten Sie den Arzt bzw. die Ärztin um ein Attest. Dieses können Sie dem Gericht als Beweismittel vorlegen. 8 FRAGEN ZUR BERATUNG

zum zivilrechtlichen Schutz WO KANN ICH ZIVILRECHTLICHEN SCHUTZ BEANTRAGEN? Beim örtlich zuständigen Familiengericht. Sie können den Antrag schriftlich einreichen. Wollen Sie den Antrag mündlich stellen, so ist er von der Rechtsantragsstelle bzw. der Geschäftsstelle des Gerichts zu protokollieren. WAS KANN ICH BEANTRAGEN? Nach dem neuen Gewaltschutzgesetz können Sie insbesondere zweierlei beantragen: 1. Die Zuweisung der Wohnung zur alleinigen Nutzung. 2. Ein Verbot gegenüber dem Täter, Kontakt mit Ihnen aufzunehmen und sich Ihnen zu nähern. IST EINE WOHNUNGSZUWEISUNG MÖGLICH, WENN GEGEN DEN TÄTER KEIN WOHNUNGSVERWEIS VERHÄNGT WURDE? Ja. Voraussetzung für eine Wohnungszuweisung ist, dass der Täter gegen Sie Gewalt ausgeübt hat und mit Ihnen gemeinsam in einer Wohnung wohnt. In bestimmten Fällen reicht auch die Drohung mit Gewalt aus. IST EINE WOHNUNGSZUWEISUNG MÖGLICH, WENN DER TÄTER EIGEN- TÜMER ODER MIETER DER WOHNUNG IST? Ja. FRAGEN ZUM ZIVILRECHTLICHEN SCHUTZ 9

WIE LANGE KANN ICH DIE WOHNUNG ALLEINE NUTZEN? Sind Sie alleinige Eigentümerin oder Mieterin, so kann die Wohnungszuweisung auf Dauer erfolgen. Ist der Täter alleiniger Eigentümer oder Mieter, so wird die alleinige Wohnungszuweisung auf maximal sechs Monate befristet. Gelingt es Ihnen in dieser Frist nicht, eine Ersatzwohnung zu finden, kann das Gericht die Frist um höchstens sechs weitere Monate verlängern. Wenn Sie und der Täter gemeinsam die Wohnung gemietet haben oder diese in Ihrem gemeinsamen Eigentum steht, wird das Gericht gleichfalls die alleinige Nutzungsüberlassung befristen. WIE KANN ICH BEWEISEN, DASS DER TÄTER MICH GESCHLAGEN ODER BEDROHT HAT? Wurde gegen den Täter ein Wohnungsverweis verhängt, so informieren Sie das Gericht darüber. Das Gericht kann die Unterlagen der Polizei für seine Entscheidung anfordern. Hilfreich sind auch ärztliche Atteste und Fotografien von Verletzungen. Wenn möglich, benennen Sie Zeugen. KANN ICH VERHINDERN, DASS DER TÄTER SICH MIT DEN KINDERN TRIFFT? Grundsätzlich haben Vater und Mutter das Recht auf und die Pflicht zum Umgang mit dem Kind. Besteht für Sie und die Kinder die Gefahr von Misshandlungen, so können Sie beim Familiengericht beantragen, dass Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr getroffen werden. Dies können insbesondere Kontakt- und Näherungsverbote, aber auch die Einschränkung oder Entziehung der elterlichen Sorge sein. Gegebenenfalls kommt die Anordnung eines betreuten Umgangs in Betracht, das heißt die Besuche finden in Gegenwart einer vertrauten Person bzw. einer Mitarbeiterin bzw. eines Mitarbeiters des Jugendamtes statt. 10 FRAGEN ZUM ZIVILRECHTLICHEN SCHUTZ

KANN MICH DAS GERICHT AUCH VOR BELÄSTIGUNGEN SCHÜTZEN? Ja. Bei unzumutbaren Belästigungen kann das Familiengericht Schutzanordnungen erlassen. Unzumutbare Belästigungen sind beispielsweise das ständige Verfolgen und Beobachten, Telefonterror oder Terror durch E-Mails, SMS etc. BRAUCHE ICH EINE RECHTSANWÄLTIN ODER EINEN RECHTSANWALT? Nein, eine anwaltliche Vertretung ist nicht erforderlich. Eine Beratung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Familienrecht ist jedoch sinnvoll. WER TRÄGT DIE ANWALTSKOSTEN? In finanziellen Notlagen haben Sie Anspruch auf eine kostenlose anwaltliche Beratung. Gegebenenfalls können Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen. Informationen hierzu erhalten Sie bei der Rechtsantragsstelle bzw. der Geschäftsstelle des Amtsgerichts. WAS PASSIERT, WENN DER TÄTER GEGEN DIE ZIVILRECHTLICHE ANORDNUNG VERSTÖßT? Dann sollten Sie die Polizei rufen. Denn Verstöße gegen Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz sind strafbar. WIE LANGE DAUERT ES, BIS DAS GERICHT ÜBER MEINEN ANTRAG ENTSCHEIDET? Wenn Sie eine schnelle Entscheidung brauchen, können Sie einen Eilantrag stellen. In dringenden Fällen kann eine Schutzanordnung im Eilverfahren auch innerhalb eines Tages erlassen werden. FRAGEN ZUM ZIVILRECHTLICHEN SCHUTZ 11

Zum Strafverfahren WAS GESCHIEHT BEI DER STAATSANWALTSCHAFT UND BEI GERICHT? Wird die Staatsanwaltschaft über einen Polizeieinsatz informiert, so prüft sie, ob der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt und ob die Indizien und Beweise ausreichen, um Anklage bei Gericht zu erheben. Kommt es zu einer Hauptverhandlung, so muss sich das Gericht in der Hauptverhandlung ein eigenes Bild von der Schuld des Angeklagten machen. Sofern das Gericht Sie zur Verhandlung lädt, werden Sie dort als Zeugin über Ihre Wahrnehmungen befragt. MUSS ICH VOR DER STAATSANWALTSCHAFT BZW. VOR GERICHT ERSCHEINEN, WENN ICH GELADEN WERDE? Ja. MUSS ICH DIE FRAGEN DER STAATSANWALTSCHAFT BZW. DES GERICHTS BEANTWORTEN? Grundsätzlich sind Sie zur Aussage vor der Staatsanwaltschaft und dem Gericht verpflichtet. Wenn Sie mit dem Täter verwandt, verlobt oder verheiratet sind oder mit ihm in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, steht Ihnen ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Sie müssen dann zwar auf eine entsprechende Ladung vor der Staatsanwaltschaft oder vor Gericht erscheinen, aber Sie können sich weigern, zur Tat Angaben zu machen. 12 FRAGEN ZUM STRAFVERFAHREN

KANN ICH DAS STRAFVERFAHREN STOPPEN? In der Regel nicht. In vielen Verfahren reichen jedoch die Beweismittel ohne die Zeugenaussage des Opfers für eine Verurteilung nicht aus. Machen Sie in einem solchen Fall von Ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, so muss das Verfahren möglicherweise eingestellt bzw. der Angeklagte freigesprochen werden. WIRD DER TÄTER AUCH OHNE MEINE AUSSAGE VERURTEILT? Wenn genügend andere Beweise vorliegen, kann der Angeklagte auch ohne Ihre Zeugenaussage verurteilt werden. KANN ICH MIR EINEN RECHTSANWALT ODER EINE RECHTSANWÄLTIN NEHMEN? Sie können sich jederzeit von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin Ihrer Wahl beraten oder vertreten lassen. Es besteht die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe zu beantragen. FRAGEN ZUM STRAFVERFAHREN 13

Rechtsgrundlage Der Wohnungsverweis, das Rückkehrverbot und das Annäherungsverbot haben ihre Rechtsgrundlage in 27 a des Polizeigesetzes Baden-Württemberg in der Fassung vom 13. Januar 1992 (GBl. S. 1, ber. S. 596, 1993 S. 155) zuletzt geändert durch Gesetz vom 04.05.2009 (GBl. S. 195) mit Wirkung vom 1. September 2009. Die Vorschrift des 27 a wurde eingefügt durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes vom 18.11.2008 (GBl. S. 390) m.w.v. 22.11.2008. 27a Platzverweis, Aufenthaltsverbot, Wohnungsverweis, Rückkehrverbot, Annäherungsverbot (1) Die Polizei kann zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten (Platzverweis). (2) Die Polizei kann einer Person verbieten, einen bestimmten Ort, ein bestimmtes Gebiet innerhalb einer Gemeinde oder ein Gemeindegebiet zu betreten oder sich dort aufzuhalten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird (Aufenthaltsverbot). Das Aufenthaltsverbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken und darf räumlich nicht den Zugang zur Wohnung der betroffenen Person umfassen. Es darf die Dauer von drei Monaten nicht überschreiten. (3) Die Polizei kann eine Person aus ihrer Wohnung und dem unmittelbar angrenzenden Bereich verweisen, wenn dies zum Schutz einer anderen Bewohnerin oder eines anderen Bewohners dieser Wohnung 14 RECHTSGRUNDLAGE

(verletzte oder bedrohte Person) vor einer unmittelbar bevorstehenden erheblichen Gefahr erforderlich ist (Wohnungsverweis). Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass die erhebliche Gefahr nach Verlassen der Wohnung fortbesteht, kann die Polizei der der Wohnung verwiesenen Person verbieten, in die Wohnung oder den unmittelbar angrenzenden Bereich zurückzukehren (Rückkehrverbot) und sich der verletzten oder bedrohten Person anzunähern (Annäherungsverbot). (4) Maßnahmen nach Absatz 3 sind bei Anordnung durch den Polizeivollzugsdienst auf höchstens vier Werktage und bei Anordnung durch die Polizeibehörde auf höchstens zwei Wochen zu befristen. Beantragt die verletzte oder bedrohte Person vor Ablauf der Frist Schutzmaßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz, kann die Polizeibehörde die Frist um höchstens zwei Wochen verlängern, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 weiter vorliegen und dies unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der der Wohnung verwiesenen Person erforderlich erscheint. Die Maßnahmen enden mit dem Tag der wirksamen gerichtlichen Entscheidung, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer einstweiligen Anordnung. (5) Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz sowie hierauf erfolgte Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche oder einstweilige Anordnungen, insbesondere die angeordneten Maßnahmen, die Dauer der Maßnahmen sowie Verstöße gegen die Auflagen, teilt das Gericht der zuständigen Polizeibehörde und der zuständigen Polizeidienststelle unverzüglich mit. RECHTSGRUNDLAGE 15

Hinweis: Die Informationsbroschüre des Justizministeriums Baden-Württemberg zum Gewaltschutzgesetz Stark gegen häusliche Gewalt ist erhältlich über das Justizministerium Baden-Württemberg, Schillerplatz 4, 70173 Stuttgart, Telefon 0711 / 279-0, und steht auf der Homepage des Justizministeriums unter www.jum.baden-wuerttemberg.de zum Download zur Verfügung. 16 HINWEIS