Spiritualität ist kein Placebo Die religiös-spirituellen Dimensionen von Gesundheit und Palliative Care: SPIRITUALITÄT & GESUNDHEIT Eine Tagung zu Spiritual Care für Fachleute und Interessierte Inselspital Bern, 20. August 2014 Begleitmusik oder Leitmelodie? Birgit Heller Universität Wien Gertrude Degenhardt: Vagabondage ad mortem, 1995 Die religiös-kulturelle Zugehörigkeit ist integrativer Bestandteil des Gesundungs- und Sterbeprozesses verschiedene körperliche, emotionale, soziale und spirituelle Bedürfnisse verschiedene Einstellungen zu Leben und Tod zum Danach zu Leiden und Schmerzerleichterung zu Ernährung und Körperpflege zu religiösen Observanzen in der letzten Lebensphase zu Sterbe- und Totenritualen zu Verlust und Trauer Religion = christliche Kirchen? Spiritualität? 1
Spirituell oder religiös? Spirituell oder religiös? Religionen und Spiritualitäten gehören zusammen Basis und Kern jeder Religion ist Spiritualität Spiritualität und Mystik persönliche, erfahrungsbasierte Religiosität geistige Orientierung und konkrete Lebenspraxis Spannung zu institutionalisierter Religion 2
Religion = umfassendes Sinngebungssystem mit Transzendenzbezug Weltanschauungen/ Lebenseinstellungen Humanismus Nationalismus Materialismus Arbeit, Sport Gesundheit, Wellness Spiritualität = subjektive Dimension/ Aneignung von Religion Basis und Kern der religiösen Traditionen moderne Religiosität formalisierte institutionalisierte Religion 3
Spiritual Care: Spiritualitätskonzepte im Gesundheitsbereich Interreligiös-spirituelle Kompetenz als Qualitätsmerkmal der Gesundheitsberufe? Begriff schwankt zwischen konfessionellen, religiösen und anthropologischen Perspektiven Bekenntnis zur Orientierung am Subjekt wichtiger Anknüpfungspunkt: person-zentrierter und holistischer Ansatz in der Pflege Kategorien: Sinnsuche, Sinngebung, Fähigkeit zur Transzendenz, Beziehung/Verbundenheit Für alle: Spiritualität als Basisqualität des Menschen Vision: spirituelles Wachstum, Integrität und Ganzheit am Lebensende Spiritual Care: das neue Zauberwort Wer ist zuständig? Wie verankert? Ausbildung in Spiritual Care? Welche Rolle spielen religiöse/spirituelle Experten und Expertinnen? Wer ist zuständig für Spiritual Care? Ein heuristisches Modell - Biographiearbeit/Relecture - Sinnerschließung/Deutungszusammenhänge - Entlastung/Versöhnung/Integration Einfach zum Nachdenken: Der Mensch, das spirituelle Wesen? - Absichtslos umsorgen - Aktiv zuhören - Würdigen/Wertschätzen Compathische Begleitungskompetenz aller im Feld Sozialkommunikative, therapeutische, religiös-spirituelle Professionalität Spezialisierte Funktionen und Rollen in und durch Organisationen - Symbolisch rituelle Interaktionen - Sozial-kollektive Ritualisierung - Interpersonale, interdisziplinäre Settings USA: 29% der Amerikaner stufen sich als weder religiös noch spirituell ein und in Europa? Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung Klagenfurt I Graz I Wien A. Heller, B. Heller, 2008 4
1. Spiritual Care ist zuerst Selbstsorge und dann Sorge füreinander 2. Kompetenzen: Spirituelle Meister und Meisterinnen sind seltene Erscheinungen Position 1: Spiritualität ist in Kursen erlernbar Position 2: Es braucht heilige und heilende Menschen (Freundlichkeit, Toleranz, Geduld, Mitgefühl, Weisheit) 3. Spiritual Care ist keine planbare Technik, sondern wächst aus Beziehungen 4. Spiritualität ist kein Placebo Spirituelle Bedürfnisse erheben, dokumentieren, therapieren und evaluieren? Anamnesegespräch in einem Großklinikum: ein Ort spirituell-existenzieller Selbstmitteilung? 5
5. Spiritual Care als Konzept der Salutogenese Gesundheit und Krankheit als Phasen in einem ganzheitlichen Entwicklungsprozess Alles, einschließlich der Krankheit selbst, war sehr nützlich. Erst dadurch wurde ich angehalten, meine Prioritäten zu überdenken, in mich zu gehen, meinen Blickwinkel und vor allem mein Leben zu ändern. Und das ist das Einzige, was ich auch anderen raten kann: das Leben verändern, um gesund zu werden, das Leben verändern, um sich selbst zu verändern. (Tiziano Terzani: Noch eine Runde auf dem Karussell, 2006: 731) Marc Chagall: Der Jongleur, 1943 6. Spiritualität ist keine Leistung und kann im gebrochenen Leben aufleuchten Wie sind alle Gäste des Lebens (George Steiner) Marc Chagall: Hiob in der Verzweiflung, 1960 6