Herausforderungen der Europäischen und Internationalen Klimapolitik Ringvorlesung Universität Köln Köln, 21. Oktober 2013 Prof. Dr. Ottmar Edenhofer
Gliederung 1. Gibt es überhaupt ein Klimaproblem? 2. Die Atmosphäre als globale Allmende 3. Die Energiewende in europäischer und internationaler Perspektive 4. Was kann getan werden, auch wenn ein internationales Klimaabkommen noch in weiter Ferne liegt?
Gliederung 1. Gibt es überhaupt ein Klimaproblem? 2. Die Atmosphäre als globale Allmende 3. Die Energiewende in europäischer und internationaler Perspektive 4. Was kann getan werden, auch wenn ein internationales Klimaabkommen noch in weiter Ferne liegt?
SPM WG I, IPCC 2013 Ist die globale Erwärmung beendet? 4
Ist die globale Erwärmung beendet? Santer et al., 2011 Mit Blick auf die letzten 10 Jahre scheint sich die globale Erwärmung verlangsamt zu haben oder sogar zum Stillstand gekommen zu sein Hat der IPCC einen bedeutenden Fehler gemacht? Gibt es die globale Erwärmung überhaupt? 5
Der Einfluss des Zerschneidens von Daten! Santer et al., 2011 Vielfache Gründe für stabile Temperaturen der letzten Dekade: Verlangsamung im letzten Jahrzehnt liegt im Rahmen natürlicher Schwankungen (La Niña, Sonne und Vulkane); mehr Wärme im tiefen Ozean konsistent mit verstärktem La Niña 1997/98 außergewöhnlich warm aufgrund von El Niño Kühlungseffekt der steigenden Luftverschmutzung, besonders des Schwefels Weiterer Temperaturanstieg wahrscheinlich, sobald politische Massnahmen zur Luftreinhaltung auch in Schwellenländern in Kraft treten Der Blick auf längerfristige Trends zeigt, dass die globale Erwärmung keinesfalls zum Stillstand gekommen ist 6
Die globale Erwärmung ist nicht beendet SPM WG I, IPCC 2013 Die letzte Dekade war im Durchschnitt die wärmste seit 1850 7
Gliederung 1. Gibt es überhaupt ein Klimaproblem? 2. Die Atmosphäre als globale Allmende 3. Die Energiewende in europäischer und internationaler Perspektive 4. Was kann getan werden, auch wenn ein internationales Klimaabkommen noch in weiter Ferne liegt?
Der Lotteriegewinn des fossilen Ressourcenbestandes! 7000 7 6000 6 Per Capita GDP (1990$) 5000 Emissions Population Per Capita GDP 5 4000 4 3000 3 2000 2 Emissions (GtC/yr) Population (Billions) 1000 1 0 0 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 2000 Year Edenhofer et al. 2012 9
Klimapolitik als Versicherung IPCC SRREN 2011 GHG-emissions resulting from the provision of energy services contribute significantly to the increase in atmospheric GHG-concentrations. 10
Preisentwicklung steigert Attraktivität der Kohle Preise von Energieträgern (in US$ pro Barrel Öläquivalent) IMF 2011 11
Wir sind nicht auf dem richtigen Weg SRREN, Edenhofer et al. 2011 12
Knappheit fossiler Rohstoffe kann Klimawandel nicht verhindern SRREN, Edenhofer et al. 2011 13
Die Atmosphäre als globales Gemeinschaftsgut ( Global Common ) Atmosphäre: Begrenzte Senke ~ 230 GtC Ressourcenextraktion > 12.000 GtC 14
Das gegenwärtige globale Energiesystem ist durch die fossilen Energieträger dominiert Anteile von Energieträgern am globalen Primärenergieangebot in 2008 Traditional biomass 6% Modern bioenergy 4% In allen 164 Szenarien werden die Erneuerbaren weiter ausgebaut. IPCC SRREN 2011 15
Die große Transformation Energiebedingte CO 2 -Emissionen und Minderungsbeiträge verschiedener Technologien Klimaschutzkosten: 1-2% des globalen BSP Luderer et al. 2013, ERL 16
Der Zusammenhang zwischen Klimazielen und den Kosten des Klimaschutzes 500 $/tco 2 Klimaschutzkosten [% BSP] ^ 200 $/tco 2 100 $/tco 2 50 $/tco 2 30 $/tco 2 Kosten steigen mit zunehmender Stringenz des Klimaziels stark an 10 $/tco 2 Globale Erwärmung Luderer et al. 2013, ERL 17
Was passiert, wenn ein globales Klimaabkommen sich weiter verzögert? ΔT 3.5 C ΔT < 2 C G. Luderer et al. : Feasibility of 2 C Luderer et al. 2013, ERL 18 18
Verzögerte Klimapolitik und kurzfristige Klimaschutzkosten Reduktion des Wirtschaftswachstums* [%] Erreichtes Klimaziel *Reduktion des Wirtschaftswachstums während der ersten 10 Jahre nach Einführung des globalen Klimaregimes [%] Luderer et al. 2013, ERL 19
Der Einfluss der Technologieauswahl auf Energiepreise Energiepreisanstieg [%] Energiepreisanstieg* [%] Erreichtes Klimaziel *Politikbedingter Anstieg des globalen Energiepreisniveaus innerhalb der ersten 10 Jahre nach Einführung des Klimaregimes [%] Luderer et al. 2013, ERL 20
Zusammenwirken von Technologieauswahl und Klimapolitik Reduktion des Wirtschaftswachstums* [%] Begrenzte Bioenergie (LimBio) *Reduktion des Wirtschaftswachstums während der ersten 10 Jahre nach Einführung des globalen Klimaregimes [%] Luderer et al. 2013, ERL 21
Zusammenwirken von Technologieauswahl und Klimapolitik Reduktion des Wirtschaftswachstums* [%] Keine CCS-Nutzung (NoCCS) Nicht möglich Je später es zu einem globalen Klimaregime kommt, desto stärker ist die Welt auf Bioenergie und CCS angewiesen. *Reduktion des Wirtschaftswachstums während der ersten 10 10 Jahre nach Einführung des globalen Klimaregimes [%] Luderer et al. 2013, ERL 22
Gliederung 1. Gibt es überhaupt ein Klimaproblem? 2. Die Atmosphäre als globale Allmende 3. Die Energiewende in europäischer und internationaler Perspektive 4. Was kann getan werden, auch wenn ein internationales Klimaabkommen noch in weiter Ferne liegt?
Die Kosten der Erneuerbaren sind meist noch höher als die der Nicht-Erneuerbaren, aber... SRREN, Edenhofer et al. 2011 24
...manche EE-Technologien sind bereits wettbewerbsfähig Der linke Rand der Kostenbandbreite repräsentiert günstige geographische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Co-Feuerung, KWK-Anlagen, Direktbefeuerung Windkraft an Land Pelletheizkessel Geothermische Fernheizung Ethanol aus Mais, Weizen, Zuckerrohr; Biodiesel aus Soja SRREN, Edenhofer et al. 2011 Die aufgeführten Beispiele sollten nicht als allgemein gültige Rangordnung von Technologien bewertet werden, da die tatsächlichen Erzeugungskosten höchst kontext-spezifisch sind. 25
Europa: steigende Bedeutung der Erneuerbaren Energien Modellvergleich zur EU Energy Roadmap mit 12 Modellen; 80% THG-Minderung 25-75% quartile Knopf et al. 2013; EMF28 Modellvergleich 26
Warum ein CO 2 -Preis für die Energiewende unverzichtbar ist Spannbreite der Nachfrage Preis Preisspanne Spitzenkraftwerk Erdgas Steinkohle Braunkohle Angebot Altes System: Angebot konventionell; Nachfrage fluktuierend Preis wird durch Grenzkraftwerk bestimmt, meistens Gaskraftwerk mittlerer Preis entspricht in etwa den Grenzkosten des Gaskraftwerks große Preisspanne aufgrund der Variation bei der Nachfrage 27
Veränderungen auf dem Strommarkt Spannbreite der Nachfrage Preis Spitzenkraftwerk Erdgas Steinkohle Braunkohle Preisspanne Erneuerbare Angebot Neues System: Erneuerbare kommen mit Grenzkosten von null in den Markt Spitzenkraftwerke und weniger effiziente Gaskraftwerke werden nicht mehr gebraucht Anlagen werden stillgelegt niedriger mittlerer Preis reduziert den Anreiz für Neuinvestitionen niedrige Preisspanne reduziert den Anreiz für Speichertechnologien 28
Kohle wird wieder rentabel Spannbreite der Nachfrage Preis Preisspanne Preisspanne Spitzenkraftwerk Peaking plants Erdgas Natural gas Steinkohle Hard coal Braunkohle Lignite Erneuerbare Fluktuation Angebot Fluktuationen sind bedeutend bei hohem Anteil der Erneuerbaren Linksverschiebung des konventionellen Angebots, wenn das Angebot der Erneuerbaren niedrig ist nicht genügend Angebot, wenn gleichzeitig die Nachfrage hoch ist Verlässlichkeit / Versorgungssicherheit ist gefährdet 29
Der optimale Anteil variabler Erneuerbarer Energien LCOE of Wind DWL Subsidy Average Price Learning CO 2, flexibility Dynamic effects Market Value of Wind Hirth 2013, submitted to the Energy Journal 30
Die Kosten der Variabilität Figure 20: Comparing all sensitivity runs for 30% cost reductions. 16 out of 20 runs are in the range of 16% - 25% optimal share. Hirth 2013, submitted to the Energy Journal 31
Welche Steuerungswirkung hat der CO 2 -Preis? Figure 15: Optimal wind share under 100 /tco 2 and different technology assumptions. Excluding low-carbon alternatives leads to dramatically higher shares of wind (and solar) power. The top line decreases because solar power investments are triggered. The combined VRE share keeps rising with cost reductions. Figure 16: Contour plot of the 40% wind share. The lines indicate which LEC / CO 2 price combination would be needed to achieve 40% wind penetration without wind subsidies. Above/left of the lines wind penetration is above 40%, below/right of the lines it is below 40%. Without restrictions on technologies, wind LEC need to fall below 40 /MWh to trigger 40% penetration, no matter what the CO 2 price is. The investment cost for nuclear is 4000 /kw. Hirth 2013, submitted to the Energy Journal 32
Was ist falsch am EU ETS? 2500 25,0 2000 20,0 Cap Mt CO2 eq 1500 1000 500 15,0 10,0 5,0 Euros Emissions Offsets CO2 price 0 15000 2005 2009 2013 0,0 billions 10000 5000 GDP(actual) GDP Baseline (PRIMES 2007) Share of Gross Final Consumption 0 25 20 15 10 5 0 2005 2009 2013 2005 2009 2013 Sources: Grosjean (2013), own compilation based on: Beurskens and Hekkenberg (2011), EEA (2013), European Commission (2007), Eurostat (2013), Point Carbon (2013). REN Elect. (actual) REN Elect. (expected) REN Energy (actual) 33
Gliederung 1. Gibt es überhaupt ein Klimaproblem? 2. Die Atmosphäre als globale Allmende 3. Die Energiewende in europäischer und internationaler Perspektive 4. Was kann getan werden, auch wenn ein internationales Klimaabkommen noch in weiter Ferne liegt?
Wie hoch sind CO 2 -Preise & soziale Kosten von Kohlenstoff? Kopenhagen Plus ist die Fortführung freiwilliger Minderungsverpflichtungen ( non-binding pledges ) (ReMIND) Bauer et al. 2013 EPA berechnet die sozialen Kosten für Kohlenstoff für Regulierung (Clean Air Act) Nordhaus berechnet CO 2 -Preise mit Kosten- Nutzen-Analyse Zentrale Ergebnisse Nordhaus und EPA starten auf hohem Niveau, nehmen aber nur linear zu Stabilisierungspreise starten relativ niedrig, aber nehmen exponentiell zu einigten wir uns auf einen Konsens, wäre die Bandbreite viel geringer 35
Knappheitsrente für fossile Brennstoffe und Kohlenstoff Kohlerente ist gering, Ölrente hoch Bauer et al. 2013 Fossile Renten nehmen zu, wenn Klimaziele strenger werden Kohle - Rente verschwindet fast gänzlich - Reserven bleiben teilweise im Boden Öl - Rente sinkt, aber nicht signifikant - Ölkonsum übersteigt Reserven - nur Ressourcen bleiben teilweise im Boden Überkompensierung durch Klimarente Strengere Klimapolitik allerdings kann die höhere Klimarente nicht den GDP-Verlust ausgleichen 36
Das alte double dividend -Argument Einführung einer CO 2 -Steuer ermöglicht Senkung von Steuern auf Arbeit und Kapital Einführung von steuerlichem Grenzausgleich (border adjustments) einige Studien (z. B. Fischer/Fox 2012) berechnen einen Netto- Wohlfahrtsgewinn für diese Politik Das Problem dieses Arguments: die Produktivitätszuwächse von Infrastrukturinvestitionen werden vernachlässigt die Herausforderung von Steuerwettbewerb zwischen Regierungen wird übergangen notwendige Handlungsspielräume der Nationalstaaten ausgeblendet 37
Die dreifache Dividende Finanzierung durch CO 2 hat weniger verzerrende Wirkung als die Besteuerung durch Kapital und Arbeit, wenn CO 2 der relativ fixere Produktionsfaktor ist. Investition in die Infrastruktur erlaubt eine hohe soziale Rendite. Besteuerung durch CO 2 erlaubt das Erreichen anderer wichtiger energie- und umweltpolitischer Ziele, wie z. B. Verminderung der lokalen Luftverschmutzung und Verminderung der Abhängigkeit von Ölimporten. 38
Die dreifache Dividende Finanzierung durch CO 2 hat weniger verzerrende Wirkung als die Besteuerung durch Kapital und Arbeit, wenn CO 2 der relativ fixere Produktionsfaktor ist. Investition in die Infrastruktur erlaubt eine hohe soziale Rendite. Besteuerung durch CO 2 erlaubt das Erreichen anderer wichtiger energie- und umweltpolitischer Ziele, wie z. B. Verminderung der lokalen Luftverschmutzung und Verminderung der Abhängigkeit von Ölimporten. Das Problem: Höhere Besteuerung von Kapital ist ineffizient, von Arbeit politisch nicht möglich und die Verlagerung von Industriestandorten und deren Emissionen eine Gefahr. Infrastrukturinvestitionen: Gesellschaftlicher Nutzen ist viel höher als der individuelle Nutzen, daher die Tendenz zur Unterinvestition. 39
Entwicklung der Struktur der Besteuerung Besteuerung mobiler und immobiler Produktionsfaktoren in der EU Benassy-Quere 2010 a) Corporate tax rate b) Standard VAT rate in the EU Besteuerung der Renten als Ausweg? 40
Öffentliche Unterinvestition in Infrastruktur? Autobahnbau in den USA (Gramlich 1994): Wartungsarbeiten: 35% Neubauprojekte in Städten: 15% Neubauprojekte auf dem Land: (low) Return on ordinary investments in den USA (1926 2000): 8.8 % Positive Korrelation zwischen Wachstum und Infrastrukturbestand (Calderon and Serven 2004): 0.15 für Telefone 0.13 für Stromerzeugungskapazität 0.21 für Straßenlänge 41
Die Lösung Besteuerung von CO 2 ist die bevorzugte Alternative, um Infrastrukturprojekte zu finanzieren (selbst wenn Klimaschutz keine politischen Mehrheiten hätte), weil hohe social return on investment Investitionen in Infrastruktur wachstumsfördernd sind Verlagerung von Industriestandorten und Investitionen durch Besteuerung fixer Produktionsfaktoren auch bei hoher Kapitalmobilität gebändigt wird. 42
Vergleich zwischen Ressourcen- bzw. Landrente und öffentlichen Investitionen 30% 25% 20% non producible factors' income share [% of GDP, 1996] public investment [% of GDP, aver. 2006 2011] 15% 10% 5% 0% Data sources: (1) Non producible factors income share: Caselli and Feyrer (2007); (2) Public investment: OECD (2013); ISO3 country codes. Besteuerung von Knappheitsrenten birgt das Potential, öffentliche Güter zu finanzieren! 43
Zugang zur Infrastruktur Selected infrastructure access rates, 2010 Percent access to electricty Percent access to all weather roads Percent access to safe water Percent access to sanitation Percent access to mobile phones Percent 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Low income economies Lower middle income economies Upper middle income economies High income economies WC WC WC WC Note: Used 2010 for all categories except roads which only extends through 2005; Access to all weather roads refers to the percentage of the rural population with access. Source: WDI 2010 2011 Rothman et al. 2012 44
Was folgt daraus für die Klimapolitik? Klimapolitik führt zu einer hohen Klimarente. Diese überkompensiert den Verlust der Ressourcenrente auf fossile Rohstoffe. Klimarente ermöglicht (internationale) Umverteilung und/oder öffentliche Investitionen. Entwicklungsländer könnten Infrastruktur und andere wachstumsfördernde Investitionen finanzieren (e. g. Bildung, Gesundheit, Zugang zu Energiedienstleistungen ). Rentenbesteuerung ist besonders sinnvoll für Länder, die sich im Steuerwettbewerb befinden. Es gibt außerdem positive Synergien zwischen Minderung von CO 2 -Emissionen und anderen Politikzielen, wie z. B. Luftqualität und Energiesicherheit. 45
Vielen Dank! Ringvorlesung Universität Köln Köln, 21. Oktober 2013 Prof. Dr. Ottmar Edenhofer