Bludenzer Geschichtsblätter

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Bludenzer Geschichtsblätter Heft 80+81 (2006) Herausgegeben vom Geschichtsverein Region Bludenz Alois Niederstätter Karl Heinz Burmeister Hannes Liener Michael Kasper Peter Bußjäger Buchbesprechung Die Herren von Brunnenfeld Ein Rheticus-Mysterium Lehrer als Archivare und Forscher Eine ungewöhnliche Rauferei im Sommer 1746 in Gortipohl? Eine alltagshistorische Notiz 40 Jahre Agrargemeinschaft Nenzing Bürgerliche Selbstverwaltung oder Staat im Staat Zur Ideologie und Zukunft von Agrargemeinschaften

Inhalt Alois Niederstätter Die Herren von Brunnenfeld Karl Heinz Burmeister Sie nannten ihn Joachim Aeliopolitanus Ein Rheticus-Mysterium Hannes Liener Lehrer als Archivare und Forscher Der Beitrag der Bludenzer Lehrerschaft zur Landeskunde Michael Kasper Bericht in Betreff der ärgerlichen Aufführung des Priesters Lentsch Eine ungewöhnliche Rauferei im Sommer 1746 in Gortipohl? Eine alltagshistorische Notiz Peter Bußjäger 40 Jahre Agrargemeinschaft Nenzing. Bürgerliche Selbstverwaltung oder Staat im Staat Zur Ideologie und Zukunft von Agrargemeinschaften Rezension Hans Thöny, Hausbeschreibungen in Stuben am Arlberg, Geschichte eines Bergdorfes, o. O. 2005, Seite 143 226 (Helmut von Frizberg) 3 10 23 90 93 110

Alios Niederstätter Die Herren von Brunnenfeld Zum baulichen Kernbestand der alten Verkehrssiedlung Brunnenfeld zählt jenes Gebäude, das, nach einem Bludenzer Patriziergeschlecht benannt, als Zürcherhaus in die regionalgeschichtliche Literatur eingegangen ist. 1 Im späten Mittelalter sei es der Sitz eines örtlichen Adelsgeschlechts, der Herren von Brunnenfeld, gewesen. Auch wenn urkundliche bzw. bauanalytische Beweise bislang fehlen, erscheint diese Zuweisung plausibel. 2 Erstmals treten Angehörige des Geschlechts von Brunnenfeld am 4. Mai 1274 ins Licht der Geschichte, als ein Schiedsgericht in Zürich über Besitzungen und Leibeigene entschied, die einst dem Ritter Konrad von Martinez gehört hatten und um die nun die Marschälle von Montfort mit den Johannitern von Feldkirch stritten. Dabei wurde festgehalten, dass die Marschälle auch gegen die namentlich nicht genannten Brüder von Brunnenfeld in Schutz zu nehmen seien. 3 Vielleicht handelte es sich dabei um jene Brunnenfelder, deren Mutter, die domina Irmla, im ausgehenden 13. Jahrhundert an der Ludescher Pfarrkirche eine Jahrzeit stiftete. 4 Einer von ihnen war wohl Goswin von Brunnenfeld de valle Trusiana, 5 der 1283 als Zeuge im Oberengadiner Zuoz auftrat 6 und gleichfalls im Ludescher Jahrzeitbuch eingetragen ist. 7 In dieser Quelle finden sich außerdem unter der Jahreszahl 1303 Jakob von Brunnenfeld und sein Sohn Peter. 8 Jakob dürfte mit jenem Iaeclinus de Pludems identisch sein, der 1297 von der Tiroler Landesherrschaft eine Zollbefreiung für drei Weinfuhren über den Arlberg erhielt, 9 sowie mit Jack von Brunnenfeld, der ohne Datierung im Bludenzer Jahrzeitbuch verzeichnet ist. Jahrtage an der Bludenzer Pfarrkirche stifteten auch Ritter Gerung (bzw. Gering) und ein Ulrich von Brunnenfeld. 10 1309 verkauften Gerung und Friedrich von Brunnenfeld eine Leibeigene, der Vertrag nennt außerdem einen Dietrich als Angehörigen des Adelsge- 3

schlechts der Brunnenfelder. 11 Gerung war der prominenteste Vertreter des Geschlechts, er stand im Dienst Herzog Heinrichs von Kärnten-Tirol, der für kurze Zeit auch König von Böhmen war. 1317 und 1319 entlohnte ihn der Herzog für diplomatische Missionen nach Frankfurt. 12 1329 besaß der Brunnenfelder einen Weinberg bei Bludenz, 13 1339 nennt ihn ein Lehnsbrief als Zeuge, 14 1345 ließ er einige seiner Leibeigenen frei. 15 Ein letztes Mal scheint Gerung, der als Einziger des Geschlechts den Rittertitel führte, am 10. November 1348 auf, als er weitere Eigenleute der Bludenzer Pfarrkirche verkaufte. 16 Gerung von Brunnenfeld hinterließ eine Tochter namens Bride, die nach seinem Tod Güter in Schwarzenbach (bei Neuravensburg) und Oberhofen (Stadt Ravensburg) verkaufte und 1350 ins Bürgerrecht der Stadt Ravensburg trat. Bride war mit dem Ravensburger Bürger Hans dem Ziggler verheiratet. 17 Dietrich von Brunnenfeld hatte seinen Wirkungsschwerpunkt möglicherweise im Bündner Raum, jedenfalls verkaufte er 1359 in Chur einige Güter zu Malix an das Kloster Churwalden. 18 Ein jüngerer Ulrich von Brunnenfeld trug die Funktionsbezeichnung Meier, die ihn als Verwalter des Hofs zu St. Peter auf der Platte ausweist. Dieser Hof war die grundherrliche Zentrale und das Gericht für die Hofjünger, die landesherrlichen Eigenleute im Montafon. Im Montafoner Hofbrief vom 1. März 1382, der ältesten Rechtsordnung der Talschaft, trat er als Zeuge auf. 19 Zuvor hatten ihm die Grafen von Werdenberg 1341 sowie 1372 das Recht verliehen, im Forst Gasünd für den Eigenbedarf Brennholz schlagen zu dürfen. 20 Als erster Brunnenfelder im geistlichen Stand wird Jakob am 29. Mai 1321 genannt, als ihm Papst Johannes XXII. ein Kanonikat am Chorherrenstift Konstanz übertrug, obschon er mit dem Dekan von Feldkirch um ein Kanonikat an der Kirche von Chur, das durch den Tod Ulrichs von Ramschwag frei geworden war, prozessierte. 21 Vier Jahre später, am 3. Juli 1325, reservierte ihm der Papst eine Pfründe, deren Besetzung dem Benediktinerkloster Reichenau zustand, wiederum unbeschadet seines noch immer nicht entschiedenen Rechtsstreites um das Churer Kanonikat. 22 Im Jahrzeitbuch des freiweltlichen Damenstifts Lindau scheint der Priester Johann (Hans) von Brunnenfeld 4

auf, der Eintrag unter dem 26. September gehört dem 14. Jahrhundert an. Da ihn eine weitere Textstelle, betreffend die Lindauer Fürstäbtissin Katharina von Triesen, die 1368 ihr Amt niederlegte, noch als am Leben bezeichnet, 23 kann er erst nach diesem Jahr verstorben sein. Eine Urkunde von 1348 berichtet weitere Details: 24 Johann von Brunnenfeld besaß die Pfarrpfründe von Untervaz (Kanton Graubünden), er war ein Neffe der Äbtissin Katharina von Triesen, seine Mutter, eine geborene von Triesen, hieß Margarete. Eine von 1338 25 an erwähnte Schwester Guta gehörte als Nonne dem Konvent des Dominikanerinnenklosters St. Peter in Bludenz an, ebenso wie eine Adelheid von Brunnenfeld (1348). 26 Klara von Brunnenfeld brachte es zu Beginn des 15. Jahrhunderts zur Priorin von St. Peter. 27 Als letzten namentlich bekannten männlichen Vertreter des Edelgeschlechts nennen die Quellen zwischen 1377 und 1394 Philipp von Brunnenfeld, der ausdrücklich als Bludenzer Bürger bezeichnet wird. Er war mit Margarete, einer Tochter des gleichfalls dienstadeligen Hermann Bürser und Witwe des Johann von Siegberg, verheiratet. 28 Philipp betätigte sich anscheinend ziemlich unstandesgemäß als Weinhändler und Gastwirt. 1394 befreite ihn Graf Albrecht von Werdenberg vom Umgeld, einer Getränkesteuer auf Wein, sowie vom Weinzehnt. Er durfte nunmehr völlig uneingeschränkt Wein aus seinen Gütern in der Stadt ausschenken. Flür vermutete, dass ihm im ausgehenden 14. Jahrhundert das Gasthaus Krone gehört habe. 29 Offenbar verschaffte ihm diese Tätigkeit einen hinreichenden finanziellen Spielraum für Investitionen: 1377 kaufte er einen Weingarten samt Torkel zu Gasünd und 1381 von seinem Neffen Rudi Liphart, genannt von Gasünd, einen Leibeigenen namens Hans Pungail. 30 1389 teilte Philipp von Brunnenfeld mit der Landesherrschaft Leibeigene. 31 Außerdem besaß er Lehnsgüter des Bischofs von Chur in Fraxern, darunter Zehntrechte, einen Hof und einen Weingarten. 32 Mit Margarete von Brunnenfeld, genannt von Malär, die 1411 gemeinsam mit ihrem Stiefvater Klaus Schreiber, Bürger von Ilanz (Kanton Graubünden), Güter an das Kloster Valduna verkauft, dürfte das Geschlecht erloschen sein. 33 5

Weitgehend unbeachtet blieb hierzulande, dass die Herren von Brunnenfeld auch im Vinschgau beheimatet waren. 34 1318 taucht Alber oder Albero von Brunnenfeld in Glurns auf, als er von seinem Schwiegervater Nannus von Lichtenberg Zinseinkünfte erwarb. 1319 folgte der Kauf des Hofs Blasenegg in Schlanders. 35 Außerdem besaß er Lehngüter des Tiroler Landesfürsten, darunter einen Weingarten in Algund. Alber wohnte in Prer, einem Ortsteil von Laatsch, nach dem er gelegentlich auch benannt wurde. Seine Frau war Christina von Lichtenberg, sein Vater der damals bereits verstorbene Jakob von Brunnenfeld, wohl jener Jakob, Jaeclinus oder Jack, der in den Vorarlberger Quellen an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert aufscheint. Ob Egno von Prer, der mit Juta eine weitere Tochter Nannos von Lichtenberg zur Frau hatte, mit Alber blutsverwandt war, wie Mercedes Blaas vermutet, muss offen bleiben. 36 Alber von Brunnenfeld starb vor 1339, er hinterließ neben seiner Gattin zumindest noch eine Tochter. Sie war mit Hartmann von Braz, einem Adeligen aus dem Bludenzer Ambiente vermählt, 37 der gleichfalls in Laatsch begütert war, dort 1368 ein Haus mit Keller, Scheune und Mühle verkaufte. In Algund verfügte er über die Einkünfte aus dem Pludinser guot. 38 Mit Hartmann von Braz, der zwischen 1370 und 1383 in Bludenz aufscheint und dort das Amt eines herrschaftlichen Vogtes und Richters innehatte, kann er nicht identisch sein, denn bereits 1373 teilten seine Kinder Agnes und Nikolaus die Güter des offenbar verstorbenen Vaters im Vinschgau, aber auch ultra Arlenperg (jenseits des Arlbergs, also in der Bludenzer Gegend). An Nikolaus, der im Jahr 1400 ausdrücklich als de Bludeniczz bezeichnet wird, 39 fiel unter anderem das Haus, das sein Großvater in Prer besessen hatte. Agnes heiratete Johann Ratgeb, der gleichfalls der sozialen Spitzengruppe von Laatsch angehörte. Gleich drei Brazerinnen waren an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert Nonnen im Benediktinerinnenkloster Müstair, Lucia von Braz stand ihm sogar von 1398 bis 1409 als Äbtissin vor, 1439 folgte ihr Elisabeth von Braz in dieser Würde nach. 40 Als letzter männlicher Brazer gilt Lorenz, Sohn des Johannes, der bis um 1435 in den Quellen genannt wird, darunter 1417 als Propst des Klosters Müstair. 41 6

Dass die Herren von Brunnenfeld im niederadeligen Milieu einen entsprechenden Rang beanspruchen konnten, belegt nicht zuletzt die Aufnahme ihres Wappens in die um 1340 angelegte Zürcher Wappenrolle. 42 Ihr zufolge führten sie in goldenem Schild einen schwarzen Schrägbalken, begleitet von zwei weißen Schrägleisten sowie als Kleinod auf rotem Kissen mit schwarzen Quasten eine liegende gelbe Mondsichel, die Hörner mit schwarzen Hahnenfederbüscheln bestekkt. Dieses Wappen zeigt auch das Siegel, mit dem Philipp von Brunnenfeld 1389 eine Urkunde beglaubigte. 43 Bride von Brunnenfeld führte hingegen ein Siegel, das als Wappen einen Zwillingsbalken schräglinks zeigt, 44 also, sofern die Beschreibung zutrifft, eine interessante Variante darstellen würde: Ein Zwillingsbalken erscheint nämlich auch im Siegel der Elisabeth von Braz, 1438 bis 1464 Äbtissin von Müstair. 45 Waren Brazer und Brunnenfelder eines Stammes? Die Herren von Brunnenfeld stammten wie ihre regionalen Standesgenossen aus der Ministerialität der Grafen von Werdenberg, die für ihre Herren Kriegs-, Verwaltungs- und Hofdienste leistete. 46 Wer die Möglichkeit dazu vorfand, schloss sich freilich auch Mächtigeren an, wie etwa den Tiroler Landesfürsten. Über die materielle Situation der Brunnerfelder wissen wir wenig, immerhin verfügten sie über Leibeigene, die im Verlauf des 14. Jahrhunderts gelegentlich Gegenstand von Rechtsgeschäften wurden. Brunnenfelder Jahrtagsstiftungen nennen ein Gut auf Zalum bei Bürs, die Elsalpe bei Bludenz, einen Baumgarten samt Stall vor dem Bludenzer Obertor. In der Bludenzer Parzelle Gasünd oberhalb von Bings lag ein weiterer Besitzschwerpunkt. Darüber hinaus zeichnet sich eine verhältnismäßig frühe, für den Vorarlberger Adel nicht unbedingt charakteristische Positionierung im Weinhandel ab, die vielleicht mit der Lage ihres Sitzes in der Verkehrssiedlung Brunnenfeld zusammenhängt. Den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten bildete offenkundig die Bludenzer Gegend, dass sich ihr Aktionsradius außerdem ins Rheintal, an den Bodensee, nach Graubünden sowie vor allem in den Vinschgau erstreckte, ist keineswegs ungewöhnlich. Wie die meisten Dienstmannengeschlechter, die hierzulande im 13. Jahrhundert ins Licht der Geschichte traten, erlosch auch das der Herren von Brunnenfeld im 7

15. Jahrhundert, obwohl sich Philipp von Brunnenfeld noch durchaus erfolgreich dem gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel des ausgehenden Mittelalters angepasst hatte. 47 Anmerkungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Die Kunstdenkmäler Vorarlbergs, bearb. von Gert AMMANN [u. a.] (DEHIO-Handbuch der Kunstdenkmäler Österreichs). Wien 1983, S. 39; Andreas ULMER, Die Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und Liechtensteins. Dornbirn 1978 (Nachdruck der Ausgabe 1925), S. 542 ff. Dass der Baukern ins 13. Jahrhundert zurückreiche (vgl. Kunstdenkmäler, wie Anm. 1), ist offensichtlich nur aus dem ersten urkundlichen Auftreten des Geschlechts erschlossen. Vorarlberger Landesarchiv (fortan: VLA), Urkunden, Nr. 5333: carnales fratres dicti de Brunevelt. VLA, Hs. u. Cod., Pfarrarchiv Ludesch, Nr. 1, S. 67. 13. Januar: domina Irmla, mater illorum de Brunevelt obiit. Zur Bezeichnung vallis Drusiana für den Walgau nunmehr Manfred TSCHAIKNER, Das spätmittelalterliche Land im Walgau. In: Das Land im Walgau. 600 Jahre Appenzellerkriege im südlichen Vorarlberg, hg. von Thomas GAMON. Nenzing 2005, S. 41-104. Bündner Urkundenbuch, Bd. 3 (neu): 1272-1303, bearb. von Otto P. CLAVADETSCHER/Lothar DEPLAZES. Chur 1997, Nr. 1330. Vgl. Anm. 4, nach S. 69. Ebenda, S. 68. Christoph HAIDACHER, Die älteren Tiroler Rechnungsbücher (IC. 277, MC. 8). Analyse und Edition (Tiroler Geschichtsquellen 33). Innsbruck 1993, S. 77. Isidor FLÜR, Kirchengeschichtliche Fragmente aus dem Walgau. 11. Heft: Der walgauische Adel im Mittelalter. Bregenz 1934, S. 104 f. Wie Anm. 4. Wie Anm. 9, [ ] domino Gerungo de Pludems [ ]. VLA, Urk., Nr. 10001 (ehemals Stadtarchiv Bludenz). Josef ZÖSMAIR, Alte Urkunden zur vorarlbergischen Geschichte. In: Jahres-Bericht des Vorarlberger Museum-Vereins über das Jahr 1895, S. 49-59, hier S. 55. VLA, Urk., Nr. 10005 (ehemals Stadtarchiv Bludenz). VLA, Hs. u. Cod., Stadtarchiv Bludenz, Nr. 1, S. 339 f. Liechtensteinisches Urkundenbuch I/5/A, bearb. von Benedikt BILGERI. Vaduz 1976/80, Nr. 248; Otto von ALBERTI, Württembergisches Adels- und Wappenbuch. Bd. 1. Stuttgart 1889-98, S. 93; Bürgerlisten der Reichsstadt Ravensburg von 1324-1436. Teil 1, bearb. von Albert HENGSTLER. Ravensburg 1959, S. 28. Der Widerspruch, dass Bride ihren Vater am 4. Juli 1347 als verstorben bezeichnete, Gerung von Brunnenfeld aber noch am 10. November 1348 urkundete, ist vorerst nicht aufzulösen. Der Güterverkauf Brides deutet darauf hin, dass ihr Vater erst kurz zuvor verstorben ist, will man nun einen zweiten Gerung, der den Rittertitel führte, annehmen, was an sich schon wenig wahrscheinlich ist, würde dieser nur 1348 aufscheinen. Codex Ciplomaticus. Sammlung der Urkunden zur Geschichte Cur-Rätiens und der Republik Graubünden, hg. von Conradin v. MOOR, Bd. 3. Chur 1861, Nr. 79. Editiert in: Vorarlberger Weisttümer. 1. Teil: Bludenz Blumenegg St. Gerold, hg. von Karl Heinz BURMEISTER (Österreichische Weistümer 18/1). Wien 1973, S. 55 ff. VLA, Urk., Nr. 10004 und 10015 (ehemals Stadtarchiv Bludenz). Bündner Urkundenbuch, Bd. 4: 1304-1327, bearb. von Otto P. CLAVADETSCHER/Lothar DE- PLAZES. Chur 2001, Nr. 2209. 8

22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 Ebenda, Nr. 2331. Necrologia Germaniae, hg. von Franz Ludwig BAUMANN (Monumenta Germaniae Historica, Necrologia 1). München 1988 (Nachdruck der Ausgabe Berlin 1888), S. 193. Liechtensteinisches Urkundenbuch (wie Anm. 17), Nr. 92 Ebenda, Nr. 84. Hermann SANDER, Beiträge zur Geschichte des Frauenklosters St. Peter bei Bludenz (Beiträge zur Geschichte von Bludenz, Montafon und Sonnenberg 4). Innsbruck 1901, Anhang. Ebenfalls in: Programm der k. k. Ober-Realschule in Innsbruck (1901), S. 3-111. Auch Margareta scheint im Lindauer Jahrzeitbuch auf, und zwar unter dem 4. Dezember. Necrologia (wie Anm. 23), S. 196. FLÜR, Fragmente (wie Anm. 10), S. 108, bezieht sich auf eine Urkunde vom 29. November 1407 im Klosterarchiv von St. Peter. Codex Diplomaticus. Sammlung der Urkunden zur Geschichte Cur-Rätiens und der Republik Graubünden, hg. von Conradin von MOOR, Bd. 4. Chur 1863, Nr. 24. FLÜR, Fragmente (wie Anm. 10), S. 109. VLA, Urk., Nr. 10016 und 10017 (ehemals Stadtarchiv Bludenz). VLA, Urk., Nr. 4934. FLÜR, Fragmente (wie Anm. 10), S. 109. VLA, Urk. n. 4740. Vgl. dazu Mercedes BLAAS, Laatsch. Festschrift, hg. anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Freiwilligen Feuerwehr Laatsch 1998. Lana 1998, S. 22 ff. Urkunden vom 8. April und 19. Juni 1318 sowie vom 5. März 1319, Originale im Staatsarchiv Trient. Bündner Urkundenbuch (wie Anm. 21), Nr. 2127, 2136; BLAAS, Laatsch (wie Anm. 34), S. 22. BLAAS, Laatsch (wie Anm. 34), S. 23 f. Ebenso bleibt der genealogische Zusammenhang der noch bis ins 16. Jahrhunderte belegten Herren von Prer mit den Brunnenfeldern ungesichert. Das Geschlecht scheint erstmals mit Walter von Braz 1282 auf. Liechtensteinisches Urkundenbuch I/5/B, bearb. von Benedikt BILGERI. Vaduz 1981/87, Nr. 339. Josef TARNELLER, Die Hofnamen im Burggrafenamt und in den angrenzenden Gemeinden (Meraner Gegend, Schnals, Passeir, Tschögglberg, Sarntal, Gericht Neuhaus, Gericht Maienburg, Deutschgegend auf dem Nons, Ulten und Martell), 1. Teil. (Archiv für österreichische Geschichte 100/1). Wien 1910, S. 122. Helvetia Sacra, Abteilung III: Die Orden mit Benediktinerregel, Bd. 1: Frühe Klöster, die Benediktiner und Benediktinerinnen in der Schweiz, Teil 3. Bern 1986, S. 1898. Ebenda 1898 f. BLAAS, Laatsch (wie Anm. 34), S. 23 f. Die Wappenrolle von Zürich, hg. von Walther MERZ/Friedrich HEGI. Zürich/Leipzig 1930, Nr. 326. VLA, Urk., Nr. 4934. Vgl. Viktor KLEINER/Hans HÄMMERLE, Vorarlberger Siegel. In: Alemannia 2 (1928) 2, S. 77-79, hier S. 77. Abb. in Alemannia 2 (1928) 1, Anhang. Liechtensteinisches Urkundenbuch (wie Anm. 17), S. 302. Blaas, Laatsch (wie Anm. 34), S. 24. Für die Vermutung Andreas Ulmers, die Brunnenfelder seien illegitime Nachkommen der Grafen von Werdenberg, fehlt jeglicher Beweis. ULMER, Burgen (wie Anm. 1), S. 543. Er begründet sie mit einer vorgeblichen Ähnlichkeit des Brunnenfelder Wappens mit dem der Grafschaft Heiligenberg, die sich im Besitz einer Linie der Werdenberger befand. Vgl. dazu etwa auch Alois NIEDERSTÄTTER, Die Burg Rüdberg (Kanton St. Gallen) als Sitz der Bludenzer Edlen von Rüdberg? In: Bludenzer Geschichtsblätter Heft 75 (2005), S. 3-19 sowie ders., Bludenz im Mittelalter (bis 1420). In: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, hg. von Manfred TSCHAIKNER. Sigmaringen 1996, S. 53-100, hier S. 79 f. 9