6 Thema 06 / 2011

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Transkript:

6 Thema www.kleinundgross.de 06 / 2011 Fotos S. 6 10: Fotolia

06 / 2011 www.kleinundgross.de Thema 7 Die Welt der tausend Reize Von hochsensitiven, wahrnehmungsbegabten Kindern Hochsensitivität ist in Deutschland sehr wenig bekannt. Auch die wissenschaftliche Forschung steckt diesbezüglich noch in den Kinderschuhen. Trotzdem oder gerade deswegen lohnt sich eine Auseinandersetzung mit diesem Thema: Auf diese Weise kann betroffenen Kindern Kummer und Leid aufgrund von Missverständnissen und Fehldiagnosen erspart und ihren besonderen Bedürfnissen und Begabungen verständnisvoller begegnet werden. Hedi Friedrich Was ist Hochsensitivität? Obwohl in der Literatur oft der Begriff hochsensibel verwendet wird, so soll hier von Hochsensitivität gesprochen werden. Von Highly Sensitive Personality (HSP) spricht E. Aron, eine amerikanische Professorin, die sich am längsten und intensivsten mit diesem Thema beschäftigt. Hochsensitivität drückt aus, dass es um eine besondere Sinneswahrnehmung geht, um Erwachsene, Jugendliche und Kinder, die sehr viel offener sind für alle Reize ihrer Umgebung und zwar schon gleich von Geburt an: für Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Empfinden. Sie können diese Sinneseindrücke sehr intensiv auch gleichzeitig wahrnehmen und müssen dann natürlich alle auch verarbeiten. Schon die Beschreibung zeigt, dass es sich hier um besondere Fähigkeiten, um eine Begabung in der Wahrnehmung handelt und nicht um eine Krankheit oder Störung. Der Anteil in der Bevölkerung wird auf 15 20 Prozent geschätzt. Was macht die Besonderheit von hochsensitiven Kindern aus? Auch wenn ihre überdurchschnittliche Offenheit für Reize aller Art zu individuell sehr unterschiedlichen Charaktereigenschaften und Persönlichkeitsentwicklungen führt (abhängig von der Person des Kindes, von seinen eigenen Wahrnehmungsfähigkeiten, seinen Lebensbedingungen) und wenn etliche Eigenheiten durchaus auch auf andere Kinder zutreffen können, so gibt es doch ein Muster von Gemeinsamkeiten in ihren Reaktionen und Verhaltenseigenwilligkeiten. Hochsensitive Kinder reagieren auf viele auch ganz feine Reize: Geräusche können zu laut sein, Licht zu grell, Essen zu scharf, der Pulli kann kratzen und es riecht zu unangenehm... Bei dieser Flut von Eindrücken sind die Kinder schnell überreizt und geraten aus dem inneren Gleichgewicht zumal sie viele Reize gleichzeitig wahrnehmen und diese so schnell Aus diesem Grund ist für sie eine verständnisvolle Bezugsperson von großer Bedeutung. kaum verarbeiten können. Dies zeigt sich besonders in den Schwierigkeiten, sich neuen, unvertrauten Situationen anzupassen. Hier reagieren hochsensitive Kinder oft ängstlich und zurückhaltend, und das weniger aus Furcht vor der Situation als vielmehr aus Furcht vor Reizüberflutung, die sie bei anderen Gelegenheiten schon als sehr unangenehm und sogar als bedrohlich erlebt haben.

8 Thema www.kleinundgross.de 06 / 2011 Sie empfinden vieles als sehr stressig und enorm anstrengend, was andere überhaupt nicht so wahrnehmen. Deshalb hilft ihnen gerade hier Verständnis seitens ihrer erwachsenen Bezugspersonen sehr, die ihnen Zeit und Schutz geben, sich auf alles Neue einzustellen. Ein bunter Strauß von Gefühlen Wenn hochsensitive Kinder quengeln, weinen oder schreien, dann in Situationen, die sie körperlich und seelisch überfordern, je nach Temperament des Kindes. Das hilft ihnen, sich wieder abzureagieren und sich zu beruhigen. Wenn sie in solchen Momenten nicht Geduld und Trost durch liebevolles Halten erfahren, sondern von ihren eigenen Gefühlen abgelenkt werden (weil die Erwachsenen vielleicht die kindlichen Gefühle nicht aushalten), dann können sie ihren Stress nicht abbauen und lernen außerdem, dass ihre Empfindungen falsch sind. Auf jeden Fall lernen sie so nicht, wie sie mit den für sie überwältigenden Situationen und Gefühlen umgehen können. Beispiel Da ist z. B. Per. Er ist vier Jahre alt. Er erklärt: Mama sagt, ich darf noch spielen. Er ahmt Mamas Lächeln nach. Papa sagt nein, ich muss ins Bett, weil er müde ist. Er ahmt ein müdes Gesicht nach und lehnt sich an den Stuhl. Du bist traurig heute Per ahmt die Erzieherin mit einer sehr treffenden Mimik und mit passenden Bewegungen nach. Dann legt er sich auf die Bank mit der Bemerkung: Ich bin jetzt auch müde! Wenn Per erzählt, was andere zu ihm sagen, begleitet er seine Aussagen mit der jeweils passenden Mimik der Erwachsenen. Per hat die unterschiedlichen Reaktionen seiner Bezugspersonen sehr genau beobachtet, hat Schlüsse daraus gezogen und sein Verhalten angepasst. Und wir merken, dass wir hier ein sehr wahrnehmungsbegabtes Kind vor uns haben. Hochsensitive Kinder können sehr tief fühlen. Sie spüren Kummer, Wut, Trauer und Freude sehr intensiv. Mit ihren feinen Antennen können sie diese Stimmungen auch bei ihren Mitmenschen wahrnehmen, selbst wenn diese sie verbergen wollen. Deswegen brauchen gerade diese Kinder im Vorschulalter Gespräche mit Erwachsenen, damit sie lernen können, ihre Wahrnehmungen besser einzuschätzen, welches ihre eigenen Empfindungen sind und wo sie mit anderen mitfühlen oder mitleiden. Welches sind meine eigenen Empfindungen und in welchen Fällen fühle ich mit anderen mit? Wenn wir hochsensitiven Kindern etwas vormachen, verwirrt es sie und überlässt sie alleine ihren Sorgen und Befürchtungen, die durch eine reiche Fantasie noch genährt werden können. Da sie ihre Eindrücke so intensiv verarbeiten, kann das sehr erschöpfend sein, das kostet sie jede Menge Anstrengung und Kraft. Besonders Streit und Konflikte in ihrer Umgebung nehmen die Kinder einfühlsam und intuitiv auf und leiden unter den Spannungen. Sind sie direkt betroffen, reagieren sie schnell verletzt und weinen schneller als andere. Auch Spott oder Beschimpfungen stecken sie schlechter weg. Das gilt auch für Filme und Geschichten, die sie schnell und nachhaltig beeindrucken; bestimmte Erlebnisse oder Szenen klingen noch lange in ihnen nach.

06 / 2011 www.kleinundgross.de Thema 9 Beispiel Der sechsjährige Timm erzählt ganz genau den Ablauf eines Krimis, den er zufällig bei dem Freund seines größeren Bruders vor drei Wochen sah. Er berichtet, dass er davon träumt; er macht sich genaue Gedanken zu den einzelnen Personen (zu Tätern wie Opfern) und überlegt, wie es ihnen jetzt geht. Sein tiefes Mitgefühl wird deutlich und er reagiert immer noch sehr aufgeregt beim Erzählen. Es wird noch länger dauern, bis er das verarbeitet hat. Das Reden darüber hilft ihm dabei, seine Empfindungen auszudrücken. Bleibt er damit alleine, löst jede Erinnerung an den Film erneute Aufregung aus und im Körper werden immer wieder bestimmte Stresshormone aktiviert. Begegnen hochsensitive Kinder häufiger aufregenden Ereignissen, real, in Filmen oder virtuell, dann wird ihr Stoffwechsel immer wieder in Alarmbereitschaft versetzt. Anhaltender Stress, der nicht durch Verarbeiten, Entspannen und Wohlfühlen abgebaut werden kann, belastet aber den gesamten Stoffwechsel und kann zu Schlafstörungen, Depressionen und anderen psychosomatischen Reaktionen bis hin zu Erkrankungen führen, auch bei ganz kleinen Kindern schon. Ein besonderer Blick auf die Welt Bereits auffallend früh machen sich hochsensitive Kinder erstaunlich tiefsinnige Gedanken über soziale, manchmal auch philosophische oder spirituelle Zusammenhänge, die andere Gleichaltrige noch gar nicht interessieren. Häufig haben diese Kinder eine tiefe Beziehung zu Natur und Tieren; sie können z. B. sehr viele Kleinigkeiten am Wegrand oder bei einer Begegnung wahrnehmen, die kaum jemandem aufgefallen wären. (Die fünfjährige Julia steht einmal sinnend vor einer großen Birke und fragt: Hat der Baum ein Herz? ) Große Gruppen sind für hochsensitive Kinder meist sehr anstrengend. Sie stehen häufig am Rand und schauen sich das Geschehen ganz genau an, bevor sie entscheiden, ob sie teilnehmen wollen oder lieber in eine für sie ruhigere Situation flüchten möchten. Am liebsten spielen sie mit wenigen Kindern. Wegen ihrer Fantasie und ihrer kreativen Ideen sind sie als Spielkameraden durchaus beliebt. Sie können sich in ein Spiel oder in eine Betrachtung ausdauernd und konzentriert vertiefen, wenn sie darin einen Sinn entdecken und wenn es ihnen Spaß macht. Unruhig und sprunghaft werden sie hauptsächlich in Überforderungssituationen. Hat der Baum ein Herz? Viele Kinder und Erwachsene genießen das Zusammensein mit hochsensitiven Kindern, denn mit ihnen kann man viele Besonderheiten und Feinheiten in der Welt entdecken. Sie können auch abenteuerlustig sein und haben eine hohe soziale und emotionale Intelligenz, auch wenn sie nicht unbedingt im Mittelpunkt des Geschehens stehen wollen. Verständnisvolle Bezugspersonen sind wichtig Was bedeutet es nun aber für ein Kind, wenn es mit einer solchen Offenheit für alle Eindrücke um es herum, mit solch einer besonderen Wahrnehmungsfähigkeit in unsere von Tempo und Leistung geprägten Gesellschaft hineingeboren wird und aufwächst? Auf jeden Fall spielt das verständnisvolle Reagieren der wichtigsten Bezugspersonen eine große Rolle, wie ein Kind lernt, mit seinen Begabungen und Empfindsamkeiten zu leben.

10 Thema www.kleinundgross.de 06 / 2011 Leider fallen all die wunderbaren Fähigkeiten der hochsensitiven Kinder den Erwachsenen im Alltag weniger auf als die Probleme, welche die Kinder bei der Verarbeitung ihrer Eindrücke haben. Deswegen bekommen sie häufig abwertende Kommentare zu hören: Stell dich nicht so an, Heulsuse, Angsthase, Jetzt reiß dich mal zusammen, die anderen können das doch auch. Positive oder negative Selbsteinschätzung und Scham beginnen sich auf diesem Weg zu entwickeln Schon ganz früh sind für den kleinen Menschen alle Reaktionen seiner wichtigsten Bezugspersonen wie ein Spiegel, in den er blickt. Er beginnt, sich selbst dementsprechend wahrzunehmen und einzuschätzen. Je nachdem ob ein Kind sich verstanden, geliebt und geborgen fühlt oder negativ bewertet und verletzt, nimmt es (besonders in den ersten Lebensjahren) alle diese Erfahrungen und Eindrücke auf und bildet sich so ein Urteil über sich selbst. Positive oder negative Selbsteinschätzung und Scham beginnen sich auf diesem Weg zu entwickeln. Das Selbstbild des Kindes bestimmt sein Denken und Handeln Welches Bild ein hochsensitives Kind von sich selbst erwirbt und ob ihm diese Selbsteinschätzung bei der Lebensbewältigung hilft oder sie eher erschwert, hängt von einer Vielzahl von Eindrücken ab und davon, wie das Kind dies alles erlebt und verarbeiten kann. Auf jeden Fall bestimmt das Selbstbild des Kindes sein weiteres Denken und Handeln. Neue Erfahrungen werden durch diese Brille gesehen. Vieles, was für den Umgang mit hochsensitiven Kindern empfohlen wird, tut auch allen anderen Kindern gut, aber für die ersteren ist es überlebenswichtig, damit sie in der Welt der tausend Reize nicht untergehen und nur als schwierig oder irgendwie auffällig wahrgenommen werden. Wenn hochsensitive Kinder die Unterstützung erfahren, die sie brauchen, um ihre besonderen Begabungen entfalten zu können, wenn sie geschätzt und gefördert werden und wenn sie lernen, mit ihren Besonderheiten im Alltag umzugehen, dann können sie Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl entwickeln und sind eine Bereicherung für jede Gemeinschaft. Hedi Friedrich, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Frankfurt Literatur Aron, Elaine N.: Das hochsensible Kind. mvg Verlag, München 2008 Friedrich, Hedi: Beziehungen zu Kindern gestalten. Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin 2008 Solter, Aletha J.: Auch kleine Kinder haben großen Kummer. Kösel Verlag, München 2009