Der ungläubige Thomas denkt um Predigttext: Johannes 20, 19-29 Anlass: Quasimodogeniti Datum: 12. April 2015 Autor: Ort: Robert Augustin Hammelburg Johannes 20, 19-29 Am Abend aber dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! 20 Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den Herrn sahen. 21 Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. 22 Und als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! 23 Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie Seite 1
erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. 24 Thomas aber, der Zwilling genannt wird, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. 25 Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er aber sprach zu ihnen: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben. 26 Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch! 27 Danach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29 Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Seite 2
Predigt Liebe Gemeinde, bis heute wird der Name Thomas mit einem bestimmten Adjektiv verbunden: Nicht der schöne Thomas, nicht der tapfere Thomas sondern der [weiß es jemand?]... ungläubige Thomas. Das rührt von unserem Evangelium her und ist bis heute sprichwörtlich. Das Evangelium spielt an zwei auf einander folgenden Sonntagen. Am ersten Sonntag, dem originalen Ostersonntag, erscheint Jesus seinen Jüngern. Gut zwei Tage nach der Kreuzigung Jesu wäre es recht riskant gewesen, öffentlich aufzutreten. Es war damit zu rechnen, dass nach der Hinrichtung Jesu nun auch seinen Nachfolgern der Prozess gemacht würde. Für die Jünger bestand Lebensgefahr. Deswegen schlossen sich die Jünger ein, verriegelten alle Türen, um sich sicher zu fühlen. Und plötzlich steht Jesus da. Durch die Wände, durch die verschlossene Tür: Irgendwie ist er hereingekommen. Friede sei mit euch! - das sind seine ersten Worte. Jesus erscheint und mit ihm ein Frieden, der nicht von Menschen stammt. Paulus nennt ihn einen Frieden, der höher ist als alle Vernunft. Ich stelle mir diesen Frieden vor, wie eine Duftwolke, die Jesus mit sich zieht, wo immer er auftaucht. Und wenn Jesus da ist, dann umhüllt uns dieser Seite 3
Frieden: verändert unser Denken und Planen, verändert unser Miteinander. Und wenn ich dann den Unfrieden ansehe, den es gibt, im Kleinen und im Großen, dann wird aus einer Predigt schnell ein Friedensgebet: Jesus, du Auferstandener, komme mitten unter uns mit deiner Friedensduftwolke: Komm in unsere Familien, in unsere Gemeinden, nach Syrien, Ägypten, Israel in alle Länder unserer Welt. Wir brauchen dich! - Jesus... trat mitten unter sie und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Als nächstes identifiziert Jesus sich. Er braucht dazu keinen Ausweis. Sondern er zeigt den Jüngern seine Hände und die Wunder an seiner Seite. Es gibt Geschichten von Soldaten, die vom Krieg oder der Gefangenschaft heimkehrten und so verunstaltet waren, dass sie selbst von den nächsten Verwandten zuerst nicht wiedererkannt worden waren. Erst durch ein eindeutiges körperliches Kennzeichen, z.b. ein Muttermal auf der Schulter, waren die Angehörigen sicher, dass er es wirklich ist. Jesus war nicht im Krieg gewesen, aber tot und begraben. Da muss man natürlich auf zweimal hingucken, bis man glaubt, was man sieht. Jesus macht es den Jüngern leicht. Sie halluzinieren nicht, sie träumen nicht: Sie sind sicher, dass es Jesus ist. Und das macht sie froh. Wieder sagt Jesus: Friede sei mit euch! Und im Laufe unseres Abschnittes wird er es noch ein drittes Mal sagen, acht Tage Seite 4
später. Nun folgt eine besondere Beauftragung der Jünger, über die man eine eigene Predigt halten könnte, auf die ich heute aber nicht den Schwerpunkt setzen möchte:... als er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmt hin den Heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. - Aus diesen Worten leitet die Kirche bis heute die Bevollmächtigung zur Beichte, insbesondere zur Freisprechung von Sünde in Jesu Namen ab. Wir Lutheraner erkennen die Beichte nur deshalb neben Taufe und Hl. Abendmahl nicht als drittes Sakrament ab, weil Jesus kein äußeres Zeichen damit verbunden hat, so wie das Wasser der Taufe wie soeben erlebt oder Brot und Wein beim Hl. Mahl. Wichtige Info zu diesem ersten Sonntag: Als das alles passierte, war einer der zwölf Apostel, nämlich Thomas, gerade nicht da. Als er kommt, wird s spannend. Wie wird Thomas reagieren, wenn die anderen ihm erzählen, was sie erlebt haben? Liebe Gemeinde, obwohl wir 2000 Jahre später leben als Thomas, möchte ich behaupten, dass wir heute das gleiche erfahren, wie Thomas damals: Andere, nämlich die Apostel, haben Jesus den Auferstanden gesehen. Sie sind sicher, dass er es war. Und sie erzählen es uns vermittelst des Neuen Tes Seite 5
taments der Bibel. Und uns geht es genau wie Thomas: Glauben oder nicht glauben, das ist hier die Frage! Thomas zweifelt. Er glaubt den anderen Zehn nicht! Was tun sie mit ihm? Exkommunizieren? Wer nicht an die Auferstehung von Jesus Christus glaubt, ist kein Christ! Raus! - Nein! Thomas der Zweifler will und darf in der Gemeinschaft der Glaubenden, in der Gemeinschaft der Apostel bleiben. Das ist ein starker Impuls für uns als Kirche, für uns als Gemeinde. Menschen, die selbst grundlegende Glaubensaussagen der Kirche, wie z.b. die Auferstehung Jesu, nicht glauben können, fliegen nicht einfach raus. Sie gehören dazu mitsamt ihrem Zweifel. Das unterscheidet uns von Sekten und Ideologien, die Abweichler mit allen Mitteln neu einnorden oder, wenn das nicht klappt, abservieren. Freilich wird erwartet, dass der Zweifler das Bekenntnis der Kirche grundsätzlich akzeptiert und nicht versucht, es umzukrempeln. Das Problem des Thomas: Er kann nicht glauben, solange er nicht Beweise sieht. Drastisch sagt er: Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben. - So geht es vielen heute auch. Sie merken: Diese Geschichten von Jesus werden ernsthaft erzählt. Der Pfarrer z.b. glaubt sie und betrachtet sie als authentische Berichte. Aber der Seite 6
kann mir viel erzählen. Ich möchte erst Beweise sehen. Und wenn die mir vorliegen, dann werde ich's auch glauben. Und die Apostel damals und alle Zeugen des christlichen Glaubens heute haben dasselbe Problem: Sie können's nicht beweisen, nur bezeugen. Zweiter Teil. Acht Tage später. Gleiche Situation. Wieder sonntags. Thomas ist immer noch in der Gemeinde: weder 'rausgeflogen noch ausgetreten. Jesus erscheint, und diesmal ist Thomas dabei. Wieder sagt Jesus: Friede sei mit euch! - Thomas begegnet Jesus und glaubt sofort. Die persönliche Begegnung mit Jesus überzeugt ihn. So wird es übrigens etwas später auch Paulus erleben, der durch eine Jesusbegegnung vom Verfolger zum Völkerapostel werden wird. Und so haben es auch viele Menschen, die heute leben, erfahren, sicher auch einige, die jetzt hier in der Kirche sitzen. Seltene, aber unvergessliche Augenblicke, in denen du erfährst: Jesus, der Auferstandene ist da. Sein Friede legt sich wie eine Duftwolke um dich herum. Du hörst ihn deinen Namen sagen. Und du weißt: Er liebt dich. Du bist geborgen. Er hat seine Liebe um deine Sünden drumherumgewickelt: Sie sind vergeben. Du bist sicher. Und brauchst keine Beweise mehr. Das ist das Kuriose bei Thomas: Jesus fordert ihn auf, seine Identität zu überprüfen: Na los, leg deine Finger in meine Nägelmale und deine Hand in mei Seite 7
ne Seite. Überzeuge dich. Gerade der Zweifler Thomas hätte dieses Angebot doch annehmen müssen. Jesus, ich prüfe jetzt genau, ob du's wirklich bist. Aber Thomas tut's nicht. Der zu erwartende Vers: Und Thomas legte seine Hände in seine Wundmale und in seine Seite..., der fehlt in der Bibel. Den gibt s nicht. Sondern Thomas legt sofort ein Bekenntnis ab: Mein Herr und mein Gott! - Sein persönliche Bekenntnis. Ein kurzes und umso kraftvolleres Bekenntnis. Versuchen Sie es mal, heute oder in den nächsten Tagen, wenn Sie alleine sind, wenn Sie Zeit haben, wenn Sie spazieren gehen. Sagen Sie zu Jesus: Mein Herr und mein Gott! - leise oder laut, langsam und immer wieder. Das ist eine starke Erfahrung. Eine Form des Herzensgebets. Diese fünf starken Worte stehen so nur in unserem Predigttext in der Bibel. Und hätten die Apostel den Zweifler Thomas damals exkommuniziert, hätten wir diese Worte nicht. Die Antwort Jesu ist zunächst ein persönliches Wort an Thomas: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Durch die Blume redet Jesus aber auch uns an. Beweise für Jesus fordern ist nicht der Weg. Sondern es ist die persönliche Begegnung mit dem Auferstandenen Jesus, die sicher macht und alle Beweise überflüssig macht. Seite 8
Und wenn es eine solche Begegnung noch nicht gab, dann ist es vielleicht tatsächlich geschickt, das Zeugnis der Anderen, zuallererst der Apostel, nicht gleich in den Wind zu schlagen, sondern ihren Worten zu vertrauen und ihnen zu glauben. Vielleicht sind es nicht acht Tage, sondern acht Monate oder acht Jahre oder 80 Jahre, die Jesus sich Zeit lässt, bis er sich einem Menschen persönlich zeigt und ihn seiner Gegenwart gewiss macht. Sein Wort ist auf jeden Fall schon da, das da lautet: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben! Es macht Mut, durchzuhalten. Seite 9