Die slawische Gefahr Zwanzig Jahre Balkan-Erinnerungen von Dr. Edith Durham* Deutsch herausgegeben von Hermann Lutz Stuttgart 1920 Zur Person der Verfasserin Mary Edith Durham (1863-1944) britische Schriftstellerin und Publizistin Balkankennerin (Reiseberichte) Werke: The burden of the Balkans (1905), The struggle for Scutari (1914), *Twenty Years of Balkan Tangle (1920), Some Tribal Origins, Laws and Customs of the Balkans (1928)
Aus der Einleitung!Seit dem Ausbruch des russisch-türkischen rkischen Krieges vom Jahre 1877 und dem allgemeinen Anwachsens der Nationalitäts ts-bestrebungen wurde der Balkan mehr und mehr ein Sorgenkind der hohen Politik. Hier fließen en insbesondere die Interessen von Österreich-Ungarn mit denen Rußlands auseinander, während es bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein Englands Ziel war, Rußland von den Meerengen fernzuhalten. Daraus ergab sich ganz von selbst ein freundschaftliches Zusammengehen von Großbritannien und Österreich-Ungarn.
Auf dem Berliner Kongreß vom Jahre 1878 suchte Bismarck als ehrlicher Makler zwischen diesen Mächten zu vermitteln. Die Doppelmonarchie unterließ es damals lediglich aus Gründen der Zweckmäß äßigkeit, die ihr angebotenen Provinzen Bosnien und die Herzegowina ganz einzuverleiben, und begnügte gte sich damit, die zur militärischen Besetzung und Verwaltung zu übernehmen. Rußland aber, das anderweitige beträchtliche Vorteile errang, sah seine Pläne eines vom Zaren abhängigen groß- bulgarischen Reiches vor den Toren Konstantinopels gescheitert und seine Wut richtete sich zu Unrecht vornehmlich gegen Deutschland. Um diese Zeit entstand in panslawistischen Kreisen die Redensart: Der Weg nach Konstantinopel führt f über Berlin. Bismarck fand damals den europäischen Frieden nur durch Rußland land bedroht und schloß daher im Herbst 1879 das Verteidigungsbündnis ndnis mit Österreich-Ungarn, dem er eine ewige Dauer geben wollte. Obschon sich der erste Reichskanzler damit innerlich von Rußland abkehrte, war er doch eifrig bemüht, es zu einem offenen Bruch kommen zu lassen, um ein russisch- französisches Bündnis B möglichst m zu verhindern [ ][ England sollte seine Mittelmeerinteressen selber wahren. Und Bismarck machte es seinem Bundesgenossen öfters klar, daß für österreichische Balkanabenteuer deutsches Blut nicht zu haben sei.
[ ]] Und so kam es, daß der Balkan der Anlaß und eine der Hauptursachen des [Ersten] Weltkrieges wurde. Das vorliegende Buch von Fräulein M. Edith Durham schildert diesen Weg zum Kriege. Das Buch ist um so wertvoller, als es uns mit einem Winkel Europas vertraut macht, um den wir uns viel zu wenig gekümmert hatten. Der Leser betritt fast unbekanntes Neuland, das oft wie ein Überbleibsel aus dem Mittelalter anmutet, von leidenschaftsblinden und gewalttätigen tigen Menschen bewohnt,, wie man sie sich etwa zur Zeit der italienischen Renaissance vorzustellen pflegt: Beschwörungen, Fanatismus, machtlüsterne Ränke, R und vor allem Blut Die Verfasserin hat den Balkan seit dem Jahre 1900 kreuz und quer durchwandert und sich dabei in inniger Berührung mit dem Volke eine geradezu unerreichte Kenntnis von Land und Leute erworben, so daß Sie mit Recht in England den Ruf einer ersten sachverständigen auf diesem Gebiet genießt.. Fräulein Durham ist dabei mit zahlreichen führenden f Männern M des Balkans in Berührung gekommen, die das Schicksal der Welt haben formen helfen.. Und sie hat die manigfachsten Abenteuer und die bedeutsamsten Begebenheiten erlebt,, die sie mit tiefem geschichtlichem Verständnis und großer schriftstellerischer Begabung hier schildert.
Ihre politische Stellungnahme wird den so bös b verleumdeten Deutschen besonders wohltuend berühren, wie sich die vornehme Art der Verfasserin überhaupt die Zuneigung eines jeden Lesers erringen wird. Aber wir haben hier nicht nur ein außerordentlich unterhaltsames und belehrendes Buch, nicht nur ein Buch der Vergangenheit vor uns, sondern fast mehr noch ein Buch der Gegenwart und der Zukunft. Denn wir haben gesehen, wie sehr der Balkan mit unserem Elend verkettet ist.. Dieses hat seinen Ursprung aber nicht bloß in unserer Niederlage, sondern der Friedensvertrag von Versailles beruht ja ausdrücklich auf der alleinigen Schuld Deutschlands am Krieg.. Das hat uns Lloyd George am 3. März M 1921 ganz unzweideutig gesagt: Für r die Verbündeten ist die deutsche Verantwortung für r den Krieg grundlegend. Sie ist die Basis, auf der das Gebäude des Vertrages von Versailles errichtet wurde, und wenn diese Anerkennung zurückgewiesen oder preisgegeben wird, dann ist der Vertrag zerstört rt
Um aus unserer Knechtschaft herauszukommen, müssen wir daher die Legende von Deutschlands Alleinschuld vernichten. Die Mittel dazu liegen auch in diesem Buche. Denn Fräulein Durham weist hier unwiderleglich nach, daß der Panslawismus die Hauptursache des Weltkrieges war, und daß die eigentlich Schuldigen in Belgrad und St. Petersburg saßen en.. Die überaus vielseitigen Beobachtungen und Erfahrungen der Verfasserin decken sich mit allen Enthüllungen, die seit dem Kriege von früheren russischen oder serbischen Staatsmännern und Diplomaten, oder aus geheimen Archiven ans Licht gebracht wurden [ ][ Die Schuldfrage ist eine Lebensfrage des deutschen Volkes. Nur wenige vermögen sich ganz zu widmen, aber viele, viele sind in der Lage, der Verbreitung der Wahrheit im In- und Ausland eine Waffe zu bahnen. Die slawische Gefahr eignet sich vortrefflich dazu. Das Buch ist für f r den Historiker, den Politiker, für f jede Frau und jeden Mann eine Waffe in dem schweren Kampfe um unser gutes Recht und unseren guten Namen.
Aus dem Vorwort der Verfasserin Die Erzählung meiner Erlebnisse besteht nur aus kleinen Strohhalmen, aber ich habe sie sorgfältig gesammelt. Und kleine Strohhalme zeigen an, woher der Wind weht. Es gibt Luftströmungen und Gegenströmungen, aus denen sich ein Wirbelsturm bilden kann. Aus diesem Grunde scheint mir die Geschichte der Intrigen und Gegenintrigen, die ich den vielen Jahren meiner Balkanfahrten erlebt habe, des Erzählens wert zu sein. Ereignisse, die zu ihrer Zeit unverständlich ndlich waren, haben seitdem durch spätere Entwicklungen ihre Aufklärung erfahren, und ich selbst bin überrascht zu sehen, wie genau geringfügige, gige, in mein Tagebuch aufgezeichnete Vorfälle mit amtlichen Enthüllungen übereinstimmen. Jede Einzelheit, jeder neue Gesichtspunkt mag dem künftigen Geschichtsschreiber in ruhigeren Tagen als der Gegenwart ein gerechtes Verständnis der Weltkatastrophe erleichtern.. In dieser Hoffnung schreibe ich die wichtigsten Begebenheiten nieder, deren Zeuge ich war und in denen ich zuweilen eine Rolle spielte.
Inhaltsverzeichnis 1. Wie ich die Fäden F aufgriff 2. Montenegro und seine Herrscher 3. Die ersten Eindrücke von Land und Leuten 4. Serbien und der Weg dorthin 5. Was dahintersteckte 6. Die Groß-Serbische Idee 7. Was sich 1903 zutrug 8. Mazedonien 1903-1904 1904 9. Albanien 10. Nichts ist so fein gesponnen 11. Das Jahr 1905 12. Bosnien und die Herzegowina 13. Bosnien im Jahre 1906. Die Intrige verdichtet sich 14. Das Jahr 1907 15. 1908. Ein verhängnisvolles Jahr 16. Das Jahr 1909 17. Das Jahr 1910 18. 1911 und der Aufstand der Katholiken 19. 1912. Das erste Donnerrollen 20. Das Jahr 1914 21. Die Kriegsjahre
Für r die deutsche Ausgabe besorgter Nachtrag der Verfasserin vom September 1922 Die nach dem Weltkrieg auf dem Balkan gezogenen Grenzen werden wohl kaum von Dauer sein.. Das von den Serben annektierte Montenegro ist in übler Verfassung. Nur durch ein starkes Truppenaufgebot gelingt es den Serben, die Montenegriner unterdrückt zu halten. Auch in Bosnien, Mazedonien und Kroatien sind die Verhältnisse sehr schlecht. Und es ist gut möglich, m daß das heutige Groß-Serbien (Jugoslawien) nicht länger l bestehen wird, als das mittelalterliche Reich Stefan Duschans. Groß-Griechenland Griechenland verkrümelt sich eben jetzt in ein Klein-Griechenland. Der Verlust Thraziens droht. Und der Balkan-Wirrwarr verschlingt sich zu einem gordischen Knoten.