Zusammenfassung Die Zeiten, zu denen man nur zur jährlichen Kontrolle zum Zahnarzt ging oder nur dann, wenn man Schmerzen hatte, sind vorbei. Heutzutage sind Prophylaxe und regelmäßige Kontrollen immer öfter eine Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus besuchen immer mehr Patienten die Praxen mit dem Wunsch, das optische Erscheinungsbild und die Funktion der Zähne ohne langwierige Behandlungen und große Eingriffe verbessern zu lassen. Ideal ist dabei, wenn möglichst substanzschonend bzw. noninvasiv gearbeitet werden kann. Der nachfolgend beschriebene Patientenfall betrifft eine Versorgung mit so genannten Non-Prep Veneers aus dialog TM Komposit zum Verschluss eines ausgeprägten Diastemas zwischen den Inzisivi. Maximaler Substanzerhalt bei maximaler Ästhetik Indizes Non-Prep Veneers, Ästhetik, noninvasive Restauration, Komposit, Test-Veneers, dialog TM System Annette von Hajmasy, Herbert Schorn In den letzten Jahren macht das Wort der minimalinvasiven Therapie verstärkt die Runde. Es steht als Synonym für die behutsame Regulierung oder Beseitigung vorhandener Zahnschäden, während gleichzeitig möglichst viel gesunde Zahnhartsubstanz erhalten bleibt. Die Erfahrungen sind gut, denn einerseits kann bei minimalinvasiven Restaurationen weitgehend auf Metalle verzichtet werden. Andererseits werden die Zähne dank moderner Materialien nach Erfahrungen der Autoren mit bester Langzeitprognose versorgt. Minimalinvasive Therapien sind daher in aller Munde. Mit dem zunehmenden Trend zu rein ästhetisch begründeten Zahnbehandlungen setzen sich zwischenzeitlich auch noninvasive Therapien immer mehr durch. Hierbei wird keine gesunde Zahnsubstanz abgetragen, sodass noninvasive Eingriffe besonders schonend sind. Vor allem moderne Komposite bieten bei dieser Entwicklung hervorragende ästhetische Korrekturmöglichkeiten. Im vorgestellten Fall besuchte eine etwa 30-jährige Patientin das Labor (Abb. 1). Sie zeigte eine stark ausgeprägte Lückenstellung in ihrer Oberkieferfront. Die ansonsten positiv eingestellte Frau hegte schon seit Langem den Wunsch, diese Lücke schließen zu lassen. Da ihr aber bislang niemand ein eventuelles Ergebnis vorab hatte visualisieren können, hatte Einleitung Patientenfall 352 Zahntech 2010;36(3):352-356
Abb. 1 Die Ausgangssituation: Die Patientin zeigte eine stark ausgeprägtes Diastema in der Oberkieferfront. Abb. 2 Die Patientin hatte einen ausgeprägten Wunsch nach einem lückenlosen Gebiss. Abb. 3 Die Situation wurde mit Silikon abgeformt und einartikuliert. Abb. 4 Zur Verbesserung der Schneidekantenführung wurden im Labor am Modell die Zähne 12 und 22 und 13 und 23 verlängert. sie sich noch nicht zu diesem endgültigen Schritt entscheiden wollen (Abb. 2). Um ihr für ihre Entscheidung mehr Sicherheit zu geben, nutzten die Autoren im Labor die Möglichkeiten eines Mock-ups (Probierzähne aus Kunststoff). Über die Informationen des Mockups konnte der Behandler der Patientin eine noninvasive Versorgung vorschlagen, die aus hauchdünnen Veneers (Verblendschalen) bestehen sollte, die lediglich auf die natürlichen Zähne aufgesetzt und verklebt werden. Auf diese Weise könnte das Erscheinungsbild der Patientin ästhetisch grundlegend verändert werden, ohne dass der Behandler präparativ vorgehen muss. Die Patientin war von dem Vorschlag begeistert. Patientengerechte Planung Bei der vorangegangenen zahnärztlichen Anamnese hatte sich bei der Patientin eine erstklassige Mundhygiene gezeigt. Die Analyse von Parodontium und Sulkus belegte ebenfalls eine tadellose Ausgangssituation. Auch funktionell hatte die Patientin keinerlei Probleme. Die gesunden Zähne aus kosmetischen Gründen zu beschleifen, wäre aus Sicht der Verfasser daher medizinisch kaum zu rechtfertigen und höchst zweifelhaft gewesen. In derselben Sitzung wurden die beiden Kiefer mit Silikon abgeformt, damit die Situation via Modelle in den Artikulator überführt werden konnte (Abb. 3). Daraufhin konnten im Labor die Mock-ups gefertigt werden. Mit ihnen konnte der Schneidekantenverlauf korrigiert werden, indem die Zähne 12, 22 und 13 und 23 etwas mehr verlängert wurden als 11 und 21. Das Diastema wurde geschlossen (Abb. 4). Zahntech 2010;36(3):352-356 353
Abb. 5 und 6 Die Einprobe des Mock-ups. Die Patientin hatte ihre Wünsche geäußert, die darauf hinausliefen, dass ein vollständiger Lückenschluss zwischen 11 und 21 bei Erhalt der Mittellinie erreicht werden sollte. Abb. 7 Die En-face-Aufnahme mit Mock-up zeigte der Patientin schon frühzeitig das angestrebte Ergebnis, mit dem sie einverstanden war. Im Stadium der ersten Demonstration war die Patientin vor allem auf das vollständige Schließen des Diastemas und das Einhalten der Mittellinie fixiert (Abb. 5). So kam es, dass in Absprache mit ihr das verbliebene inzisale Dreieck zwischen 11 und 21 vollständig geschlossen wurde (Abb. 6). Schon über dieses Mock-up freute sich die Patientin und konnte den Fortgang der Arbeit und das endgültige Ergebnis kaum abwarten (Abb. 7). Generell besteht bei einer Behandlung mit der hier vorgestellten Versorgungsform die Möglichkeit, die definitiven Veneers entweder aus Keramik oder aus Komposit zu fertigen. Aus Sicht vieler Praktiker spricht dabei vieles für Komposit. Im Gegensatz zu Keramik-Veneers ist es bei diesem Werkstoff nicht erforderlich, zusätzlich zum Sägemodell über Duplierformen auch noch feuerfeste Stümpfe herzustellen. Stattdessen werden die Veneers direkt auf den leicht ausgewachsten Sägestümpfen gefertigt. Dies verkürzt den gesamten Zeitaufwand in der Herstellung. Der entscheidende Vorteil von Komposit gegenüber Keramik-Veneers oder Additionals liegt jedoch in der Möglichkeit der Einprobe. Hier können jederzeit die Farbe und die Form überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Chairside wird Komposit in vielen Zahnarztpraxen bereits seit vielen Jahren für minimalinvasive Restaurationen verwendet. Viele Zahnärzte sind von den heutigen werkstoffkundlichen Eigenschaften der modernen Komposite überzeugt. Ein zusätzlicher Vorteil liegt ebenso darin, dass Restauration und Klebematerial derselben Werkstoffgruppe angehören. Im vorgestellten Patientenfall wurden die Veneers aus dem modernen Hybrid-Komposit dialog TM Vario Occlusal (Schütz Dental, Rosbach) angefertigt. Es besteht nach Herstellerangaben zu einem hohen Anteil von 75 Gewichtsprozent aus anorganischen Füllstoffanteilen wie beispielsweise Siliziumdioxid (Quarz), unterschiedlichen Gläsern und Silikaten. Die Kombination aus Makro- und Mikrofüllkörpern gibt dem Material eine hohe Härte von mindestens 560 MPa (zum Vergleich: Glaskeramiken = 550 bis 620 MPa) und eine extrem gute Polierbarkeit durch die Anordnung seiner Füllkörper. Dadurch ergibt sich eine hohe Plaqueresistenz. Leichter und besser als bei Keramik kann man allerdings bei dieser unpräparierten Versorgungsform die Farbe anpassen. Dazu wird zunächst die Grundfarbe bestimmt (Abb. 8). Komposit versus Keramik Moderne Komposite 354 Zahntech 2010;36(3):352-356
Abb. 8 Die Farbnahme. CASE REPORT Abb. 9 Zur Bestimmung der Massen werden Test-Veneers angefertigt. Abb. 10 Die Front des Sägemodells wird hauchdünn mit einer Wachsschicht überzogen. Sie dient als Platzhalter für den flüssigen Komposit-Kleber. Abb. 11 Die fertige Arbeit auf dem Modell und ohne optische Stufe. Entgegen der ersten Planung wurden auch auf den Zähnen 14 bis 24 Veneers aus schneidefarbenem Komposit gefertigt. Anschließend werden mit den ausgewählten Komposit-Massen einfache Test-Veneers hergestellt (Abb. 9). Mit ihnen kann die Farbe sofort kontrolliert werden. Da die Zähne nicht präpariert werden, sind hierbei die Schneidekanten der natürlichen Zähne deutlich durch den Komposit-Werkstoff hindurch zu erkennen. Daraufhin wird das Sägemodell für das individuelle Schichten vorbereitet. Hauchdünn wird dabei eine Wachsschicht aufgezogen, die einen Platzhalter für den flüssigen Komposit-Kleber darstellt, mit dem die Veneers später im Mund auf den Zähnen befestigt werden (Abb. 10). Leichte Ausblockungen schaffen ebenfalls Raum für die dentinfarbene Masse, die nach dem Inkorporieren die gerade Schneidekante abdecken wird und so die Übergänge optisch weicher gestaltet. Zu Beginn der Arbeiten im Labor wurden lediglich die Zähne 13 bis 23 durch Mock-ups verlängert, bzw. verbreitert. Um die optischen Eigenschaften zu verbessern ohne die funktionellen Eigenschaften zu beeinträchtigen, wurden für die definitive Arbeit 14 und 24 in die noninvasive Restauration miteinbezogen (siehe Abb. 4). Die Ränder auf der Labialfläche der fertigen Veneers wirken dabei sehr unregelmäßig (Abb. 11). Da vonseiten des Zahnarztes bei dieser noninvasiven Technik keine Präparationsgrenzen vorgegeben werden, ergibt sich dieser unregelmäßige Verlauf der Ränder automatisch beim Ausarbeiten bzw. Polieren der Veneers. Die auslaufenden Ränder haben eine zusätzliche Funktion beim Inkorporieren: Durch ihre leichte Überdimensionierung kann der Behandler die Veneers optimal auf den Zähnen fixieren und nach dem Kleben die Übergänge beschleifen und polieren. Bevor die hauchdünnen Kappen zum Inkorporieren in die Praxis geschickt werden, werden sie zum Abschluss der laborseitigen Arbeiten noch vorsichtig und mit geringem Zahntech 2010;36(3):352-356 355
Abb. 12 Die fertigen Veneers. Die Ränder auf den Labialflächen der Veneers sind hauchdünn und unregelmäßig. Sie werden nach dem Einsetzen vom Behandler hauchfein anpoliert. Abb. 13 Die fertige Arbeit in situ nach zwei Sitzungen. Ohne Präparation konnte ein maximales ästhetisches Ergebnis erreicht werden. Abb. 14 Die zufriedene Patientin mit den definitiven Veneers in situ. Druck mit Aluminiumoxid bei 50 μm ausgestrahlt und gereinigt (Abb. 12). Danach sind sie fertig und können vom Behandler in der Praxis problemlos auf die natürlichen Zähne aufgesetzt und in Adhäsivtechnik mit Tetric Flow (Ivoclar Vivadent, Schaan, Liechtenstein) befestigt werden (Abb. 13 und 14). Fazit Adressen der Verfasser Eine Versorgung wie diese zeigt, dass für eine ästhetische Versorgung nicht zwangsläufig die Verwendung von Keramik notwendig ist. Gleichsam muss nicht automatisch für eine kosmetische Verbesserung gesunde Zahnsubstanz präpariert werden. Die Versorgung mit hauchdünnen Veneers aus dialog TM Occlusal-Komposit ist daher durchaus eine überlegenswerte Alternative zur Verwendung von Keramik. Annette von Hajmasy, Annette von Hajmasy Zahntechnik, Am Wassermann 29, 50829 Köln E-Mail: kontakt@hajmasy.de Dr. Herbert Schorn, Fürst-Pückler-Straße 16, 50935 Köln E-Mail: Dr-herbert-schorn@t-online.de 356 Zahntech 2010;36(3):352-356