Humanschwingungen an Flurförderzeugen Dr.-Ing. Joachim Röhr STILL GmbH Dipl.-Ing. Gabriel Fischer Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik, TUM 5. Mai 2011, Hannover fml Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wi.-Ing. W. A. Günthner Technische Universität München
Agenda 1. 2. 3. 4. 5. 6. Ausgangssituation und Zielsetzung Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen Ganzkörper-Vibrationen bei FFZ Aufbau der Mehrkörpermodelle Mehrkörpersimulationsstudie Zusammenfassung 2
1. Ausgangssituation und Zielsetzung Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (2007) Umsetzung der EU-Richtlinie 2002/44/EG Definition von Grenzwerten für die Vibrationsbelastung des Arbeitnehmers Die Verantwortung der Nachweisführung liegt beim Betreiber. Auftretende Probleme Herstellerangaben (Vibrationswerte nach DIN 13059) können nicht auf den eigenen Anwendungsfall übertragen werden. Vergleichsmessungen in Datenbanken existieren, eine Übertragbarkeit auf die eigene Situation ist jedoch nicht immer sichergestellt, insofern die Randbedingungen nicht definiert sind. Die Höhe der Exposition wird von mehreren Parametern (z.b. Be-ladungszustand, Fahrgeschwindigkeit, Fahrersitz) beeinflusst, deren Auswirkungen dem Anwender nicht klar ersichtlich sind. 3
1. Ausgangssituation und Zielsetzung Zielsetzung des Forschungsprojekts Ermittlung des Einflusses der einzelnen Parameter auf die Belastung der Fahrer, die sog. Tagesexposition. Untersuchung des Schwingungsverhaltens ausgewählter Flurförderzeuge mit Hilfe der Mehrkörpersimulation. Hierfür sind auch Messungen am realen Fahrzeug erforderlich. Entwicklung eines Planungswerkzeugs zur Unterstützung des Betreibers bei der Gefährdungsbeurteilung auf Basis von Schwingungsmesswerten und Erkenntnissen der Mehrkörpersimulation. Als Untersuchungsobjekte dienen sechs unterschiedliche Flurförderzeuge: 4
Agenda 1. 2. 3. 4. 5. 6. Ausgangssituation und Zielsetzung Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen Ganzkörper-Vibrationen bei FFZ Aufbau der Mehrkörpermodelle Mehrkörpersimulationsstudie Zusammenfassung 5
. 2. Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen 1 Messung der Beschleunigung a(t) x z y z 6
Frequenzbewertung [db]. 2. Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen 1 Messung der Beschleunigung a(t) a(t) 2 Frequenzbewertung a w (t) 10 0-10 Wk Wd -20-30 -40-50 -60-70 -80 0,1 1 10 100 1000 Frequenz [Hz] a w (t) 7
. 2. Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen 1 Messung der Beschleunigung a(t) a w (t) 2 Frequenzbewertung a w (t) 0 T 3 Effektivwert der frequ. Beschl. a wt 8
. 2. Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen 1 Messung der Beschleunigung a(t) a w (t) 2 Frequenzbewertung a w (t) 0 T 3 Effektivwert der frequ. Beschl. a wt 4 Tagesexposition A(8) T e : Einwirkungszeit 9
. 2. Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen 1 Messung der Beschleunigung a(t) 2 Frequenzbewertung a w (t) 3 Effektivwert der frequ. Beschl. a wt T e : Einwirkungszeit 4 Tagesexposition A(8) horizontal (x,y) vertikal (z) 5 Auslöse- und Grenzwerte Auslösewert A(8) = 0,5 m/s 2 A(8) = 0,5 m/s 2 Grenzwert A(8) = 1,15 m/s 2 A(8) = 0,8 m/s 2 10
2. Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen gewichteter Effektivwert a we [m/s 2 ] 4 3,5 3 < 0,5 m/s 2 0,5 0,8 m/s 2 0,8 1,15 m/s 2 > 1,15 m/s 2 2,5 2 1,5 1 0,5 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Einwirkungsdauer T e 11
2. Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen gewichteter Effektivwert a we [m/s 2 ] Einfluss der Einwirkungsdauer auf die Belastung 4 3, 5 3 2, 5 2 1,5 1 0,5 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Einwirkungsdauer T e < 0,5 m/s 2 0,5 0,8 m/s 2 0,8 1,15 m/s 2 > 1,15 m/s 2 Einsatzzeit Vibrationsfreie Zeit (z.b. Pausen) Arbeitstag (8 h) Einwirkungsdauer T e 12
Agenda 1. 2. 3. 4. 5. 6. Ausgangssituation und Zielsetzung Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen Ganzkörper-Vibrationen bei FFZ Aufbau der Mehrkörpermodelle Mehrkörpersimulationsstudie Zusammenfassung 13
3. Ganzkörper-Vibrationen bei FFZ Betriebszustände Die in das Fahrzeug eingeleiteten Vibrationen sind abhängig vom jeweiligen Betriebszustand. Verteilung der Betriebszustände 27% 15% 58% Heben Lehrlauf Fahren Quelle: DIN EN 12053 14
3. Ganzkörper-Vibrationen bei FFZ Beispiel aus der Praxis 1 Kommissionierung von Ware mit einem Schubmaststapler Mittlere Effektivwerte der frequenzbewerteten Beschleunigung [m/s 2 ]: Sitzkissen Sitzmontagepunkt x y z z Kommissionierung 0,20 0,08 0,13 0,32 Schwellenüberfahrt 0,19 0,13 0,20 0,55 15
3. Ganzkörper-Vibrationen bei FFZ Beispiel aus der Praxis 2 Kommissionierung von Ware mit Gegengewichtsgabelstapler und Beladung von LKWs im Hof Transport und Entleerung einer Kippmulde mit Schrott Mittlere Effektivwerte der frequenzbewerteten Beschleunigung [m/s 2 ]: Sitzkissen Sitzmontagepunkt x y z z Kommissionierung 0,37 0,28 0,4 0,49 Schrottentleerung 0,28 0,22 0,31 0,44 16
Agenda 1. 2. 3. 4. 5. 6. Ausgangssituation und Zielsetzung Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen Ganzkörper-Vibrationen bei FFZ Aufbau der Mehrkörpermodelle Mehrkörpersimulationsstudie Zusammenfassung 17
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Zielsetzung und Anforderungen an die Modelle Berechnung der Vibrationsbelastung des Fahrers an der Schnittstelle Mensch / Sitz Interaktion mit beliebigen Bodenunebenheiten (Torschwellen, unebener Fahrbahnbelag) Nachbildung des kompletten Schwingungsverhaltens der Flurförderzeuge Realisierung 18
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Zielsetzung und Anforderungen an die Modelle Berechnung der Vibrationsbelastung des Fahrers an der Schnittstelle Mensch / Sitz Interaktion mit beliebigen Bodenunebenheiten (Torschwellen, unebener Fahrbahnbelag) Nachbildung des kompletten Schwingungsverhaltens der Flurförderzeuge Realisierung 6 Mehrkörpermodelle ca. 60 Starrkörper pro Modell ca. 80 Bindungselemente pro Modell ca. 80 Freiheitsgrade pro Modell 19
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Modellaufbau des Gegengewichtsgabelstaplers EFG 20 Mehrkörper- Menschmodell Rollenführung Elastizität in Hubund Neigezylinder Mehrkörper- Sitzmodell Reifenmodell Elastische Kabinenlagerung 20
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Detaillierter Aufbau des Hubgerüsts Abbildung des Führungsspiels durch Kontaktpaarungen zwischen Mast und Rolle Y-Spiel X-Spiel Kontaktelement Führungsrolle 21
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Detaillierter Aufbau des Hubgerüsts Abbildung des Führungsspiels durch Kontaktpaarungen zwischen Mast und Rolle Berücksichtigung der Elastizität in den Schläuchen sowie der Kompressibilität des Öls Kennlinie eines Hubzylinders Kolben d Zyl c Zyl Rohr 22
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Modellierung der Sitze Die Sitze (MSG 20, MSG 65, MSG 85) wurden ebenso in ein Mehrkörpermodell überführt. Zur Bestimmung der einzelnen Kenngrößen wurden Versuche im Labor der Firma Grammer AG durchgeführt. u Sitzpolster c S,Pol d S,Pol s F S,FD obere Sitzplatte c S,o, d S,o c S,f d S,d F S,FD,rück x z Zwischenelement c S,x, d S,x c S,y, d S,y c S,u, d S,u y untere Sitzplatte 23
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Modellierung der Sitze Die Sitze (MSG 20, MSG 65, MSG 85) wurden ebenso in ein Mehrkörpermodell überführt. Zur Bestimmung der einzelnen Kenngrößen wurden Versuche im Labor der Firma Grammer AG durchgeführt. u Sitzpolster c S,Pol d S,Pol s F S,FD obere Sitzplatte c S,o, d S,o c S,f d S,d F S,FD,rück x z Zwischenelement c S,x, d S,x c S,y, d S,y c S,u, d S,u y untere Sitzplatte 24
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Modellierung der Sitze Die Sitze (MSG 20, MSG 65, MSG 85) wurden ebenso in ein Mehrkörpermodell überführt. Zur Bestimmung der einzelnen Kenngrößen wurden Versuche im Labor der Firma Grammer AG durchgeführt. u s F S,FD Sitzpolster c S,Pol d S,Pol obere Sitzplatte c S,o, d S,o c S,f d S,d F S,FD,rück Steifigkeitskennlinie Eigenfrequenz MSG 65 x z Zwischenelement c S,x, d S,x c S,y, d S,y c S,u, d S,u y untere Sitzplatte 25
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Modellierung der Sitze Die Sitze (MSG 20, MSG 65, MSG 85) wurden ebenso in ein Mehrkörpermodell überführt. Zur Bestimmung der einzelnen Kenngrößen wurden Versuche im Labor der Firma Grammer AG durchgeführt. u s F S,FD Sitzpolster c S,Pol d S,Pol obere Sitzplatte c S,o, d S,o c S,f d S,d F S,FD,rück Eigenfrequenz x z Zwischenelement c S,x, d S,x c S,y, d S,y c S,u, d S,u y untere Sitzplatte 26
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Validierung der Modelle Durchführung von Fahrversuchen auf einer Teststrecke auf dem Institutsgelände. Messung der Beschleunigungen an unterschiedlichen Referenzpunkten. 27
4. Aufbau der Mehrkörpermodelle Validierung der Modelle Durchführung von Fahrversuchen auf einer Teststrecke auf dem Institutsgelände. Messung der Beschleunigungen an unterschiedlichen Referenzpunkten. Vergleich von Messung und Simulation am Sitzmontagepunkt, EFG 20 2 Simulation Messung 1 2 3 4 5 Zeit [s] 28
Agenda 1. 2. 3. 4. 5. 6. Einleitung Erfassung der Ganzkörper-Vibrationen Ganzkörper-Vibrationen bei FFZ Grundlagenversuche Mehrkörpersimulationsstudie Zusammenfassung 29
5. Mehrkörpersimulationsstudie 2 Effektivwert [m/s ] 2 Effektivwert [m/s ] Einfluss von Beladungszustand und Geschwindigkeit Bei Gegengewichtsgabelstaplern wirkt sich die transportierte Last dämpfend auf das Gesamtsystem aus. Bei Fahrzeugen der Lagertechnik ist die Belastung i. d. R. unabhängig von der Höhe der Ladung. Schubmaststapler Beladung keine Last halbe Nennlast Nennlast Geschwindigkeit [km/h] Gegengewichtsgabelstapler Geschwindigkeit [km/h] 30
5. Mehrkörpersimulationsstudie Einfluss von Bodenunebenheiten Untersuchung von regellosen Böden (stochastische Unebenheiten) sowie herausragenden Einzelhindernissen wie Fugen oder Schwellen. Virtuelle Teststrecke für Schwellen: Start l Ziel Beschleunigen a b Bremsen h 31
5. Mehrkörpersimulationsstudie Effektivwert [m/s 2 ] Einfluss von Bodenunebenheiten Untersuchung von regellosen Böden (stochastische Unebenheiten) sowie herausragenden Einzelhindernissen wie Fugen oder Schwellen. Effektivwerte bei unterschiedlicher Schwellenhöhe und Fahrgeschwindigkeit (Beladung mit Nennlast) 8 7 6 Schwellenhöhe [mm] 5 4 3 2 4 6 8 10 Geschwindigkeit [km/h] 12 14 32
5. Mehrkörpersimulationsstudie Effektivwert [m/s 2 ] Effektivwert [m/s 2 ] Einfluss von Bodenunebenheiten Untersuchung von regellosen Böden (stochastische Unebenheiten) sowie herausragenden Einzelhindernissen wie Fugen oder Schwellen. Effektivwerte bei unterschiedlicher Schwellenhöhe und Fahrgeschwindigkeit (Beladung mit mit halber Nennlast) 8 10 8 7 6 6 Schwellenhöhe [mm] Schwellenhöhe [mm] 5 4 4 3 2 2 0 4 4 6 6 8 8 10 14 12 12 10 Geschwindigkeit [km/h] Geschwindigkeit [km/h] 16 14 33
5. Mehrkörpersimulationsstudie Prozent Auswirkung falsch eingestellter Sitze Der Sitz ist beim Gabelstapler das zentrale Element für die Reduktion der Schwingungsbelastung des Fahrers. Bei falscher Gewichtseinstellung ist die Schwingungsdämpfung nicht mehr optimal. Nur wenige Fahrer passen jedoch unaufgefordert den Sitz auf ihr Fahrergewicht an. 10% Studie mit 25 Staplerfahrern: Welche Funktionen wurden unaufgefordert eingestellt? 8% Fahrer 100 kg 6% 4% 2% 0% Längseinstellung Rückenlehne Gewichtseinstellung Lordoseneinstellung Quelle: Polster, A.; Der Fahrersitz Schnittstelle zwischen Mensch und Flurförderzeug im Fokus auf Gesundheit, Motivation und Effizienz, 7. Hamburger Staplertagung, 2008 34
5. Mehrkörpersimulationsstudie Auswirkung falsch eingestellter Sitze Der Sitz ist beim Gabelstapler das zentrale Element für die Reduktion der Schwingungsbelastung des Fahrers. Bei falscher Gewichtseinstellung ist die Schwingungsdämpfung nicht mehr optimal. Nur wenige Fahrer passen jedoch unaufgefordert den Sitz auf ihr Fahrergewicht an. SEAT-Werte bei einem Fahrergewicht von 75 kg und unterschiedlicher Sitzeinstellung, MSG 65, Prüfspektrum IT 2 Fahrer 100 kg 35
5. Mehrkörpersimulationsstudie Planungswerkzeug 36
5. Mehrkörpersimulationsstudie Planungswerkzeug Berechnung der Tagesexposition auf Basis von Einzeltätigkeiten Abbildung von schwingungsbeinflussenden Faktoren (z.b. Sitz) 37
Agenda 1. 2. 3. 4. 5. 6. Ausgangssituation und Zielsetzung Bestimmung von Ganzkörper-Vibrationen Ganzkörper-Vibrationen bei FFZ Aufbau der Mehrkörpermodelle Mehrkörpersimulationsstudie Zusammenfassung 38
6. Zusammenfasssung Durch den Einsatz der Mehrkörpersimulation ist das Schwingungsverhalten unterschiedlicher Flurförderzeuge untersucht worden. Zur Validierung der Mehrkörpermodelle wurde eine Vielzahl an Messungen auf Teststrecken mit unterschiedlichen Hindernissen durchgeführt. Einflussfaktoren wie Beladungszustand, Fahrgeschwindigkeit, Bodenanregungen oder Sitzeinstellung konnten herausgestellt werden. Es wurde ein Planungswerkzeug entwickelt, welches den Anwender bei der Berechnung der Tagesexposition auf Basis von Einzeltätigkeiten unterstützt und Einflussfaktoren abbilden kann. 39
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Das IGF-Vorhaben 15893 N/1 der Forschungsvereinigung Intralogistik / Fördertechnik und Logistiksysteme (IFL) e.v. wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. 40