Physiologische, psychologische und systemergonomische Grundlagen der Mensch-Computer- Interaktion



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Transkript:

Lehrstuhl für Ergonomie Jurek Breuninger Physiologische, psychologische und systemergonomische Grundlagen der Mensch-Computer- Interaktion Physiological, Psychological and System Ergonomic Basics of Human-Computer-Interaction Lehrstuhl für Ergonomie Technische Universität München

Theoretische Semesterarbeit Verfasser: Jurek Breuninger Module: Betreuer: Elektronik und Informatik Informationstechnik Prof. Dr. rer. nat. Heiner Bubb Dipl.-Ing. Martin Wohlfarter: Ausgabe am: 28.08.2008 Abgabe am: 16.01.2009 SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 2

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Hiermit versichere ich, diese Studienarbeit ohne fremde Hilfe selbständig verfasst und nur die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet zu haben. Wörtlich oder dem Sinn nach aus anderen Werken entnommene Stellen sind unter Angabe der Quellen kenntlich gemacht. Garching, den Jurek Breuninger VEREINBARUNG ZUM URHEBERRECHT Hiermit gestatte ich dem Lehrstuhl für Ergonomie, diese Studienarbeit bzw. Teile davon nach eigenem Ermessen an Dritte weiterzugeben, zu veröffentlichen oder anderweitig zu nutzen. Mein persönliches Urheberrecht ist über diese Regelung hinaus nicht beeinträchtigt. Eventuelle Geheimhaltungsvereinbarungen über den Inhalt der Arbeit zwischen mir bzw. dem Lehrstuhl für Ergonomie und Dritten bleiben von dieser Vereinbarung unberührt. Garching, den Jurek Breuninger SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 3

EINLEITUNG 1 EINLEITUNG 6 1.1 Einordnung der Software-Ergonomie 6 1.2 Folgen schlechter Software-Ergonomie 9 1.3 Ziele der Software-Ergonomie 10 2 KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION 11 2.1 Geschichte der Maschine 11 2.2 Der Computer und die Entstehung graphischer Oberflächen 14 2.3 Weitere Gebiete der Mensch-Computer-Interaktion 29 3 GRUNDLAGEN 33 3.1 Die menschliche Wahrnehmung 33 3.1.1 Sensorik 33 3.1.2 Sehen 34 3.1.3 Wahrnehmungsfehler 38 3.1.4 Farben 42 3.1.5 Tiefensehen 45 3.1.6 Gestaltgesetze 49 3.1.7 Leserichtung 52 3.1.8 Hören 56 3.2 Gedächtnis und Erfahrung 59 3.2.1 Sensorisches Kurzzeitgedächtnis 60 3.2.2 Kurzzeitgedächtnis (Arbeitsgedächtnis, primäres Gedächtnis) 61 3.2.3 Langzeitgedächtnis (sekundäres Gedächtnis, tertiäres Gedächtnis) 63 3.2.4 Assoziationen und Metaphern 67 3.2.5 Mentale Modelle 67 3.2.6 Erfahrung 71 3.2.7 Lernunterstützung 73 3.3 Handlungsprozesse 74 3.3.1 Aufmerksamkeit 74 3.3.2 Handlungsregulation 75 3.3.3 Zeitverhalten 80 SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 4

EINLEITUNG 3.3.4 Die sieben Handlungsschritte von Norman 86 3.3.5 Affordances und Mappings 89 3.3.6 Das GOMS-Modell 90 3.3.7 Fitts Gesetz 91 3.3.8 Das Hicksche Gesetz 92 3.4 Kommunikation 93 3.4.1 Ebenen der Kommunikation 94 3.4.2 Dialogformen 97 3.4.3 Dialogprinzipien von Grice 98 3.4.4 Axiome der Kommunikation von Watzlawick 99 3.5 Systemergonomie 100 3.5.1 Der Systemgedanke 100 3.5.2 Einteilung von Mensch-Maschine-Systemen anhand der Funktion 102 3.5.3 Rückmeldung 109 3.5.4 Kompatibilität 109 4 LITERATURVERZEICHNIS 114 5 ABBILDUNGSVERZEICHNIS 116 ANHANG: LITERATUREMPFEHLUNG 119 SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 5

EINLEITUNG 1 Einleitung Warum sind manche Computerprogramme, Mobiltelefone, Navigationssysteme oder andere technische Geräte sofort intuitiv bedienbar? Ohne sich mit dem Handbuch beschäftigen zu müssen erfüllen sie ihre Funktionen so, wie wir es erwarten. Aber warum gibt es auch so viele Gegenbeispiele, bei denen sich die Funktionsweise sehr schlecht erschließt? Manche technische Möglichkeiten von Geräten oder Programmen bleiben immer ungenutzt, da sie nicht verinnerlicht werden oder gar unbekannt bleiben. Ein gutes technisches Produkt braucht für den wirtschaftlichen Erfolg nicht nur eine gute Funktionalität, ein ansprechendes Design und einen attraktiven Preis. Die Akzeptanz beim Kunden folgt auch aus seinen Erfahrungen mit dem Produkt in der Praxis. Die faszinierendsten Funktionen sind nicht nützlich, wenn sie nicht gut bedienbar sind. Ein Programm, das lange Ausbildung erfordert oder komplizierte und lange Prozesse bedingt, rechnet sich für ein Unternehmen nicht. Produktivität wird durch schlechtes Design der Mensch-Maschine-Schnittstelle gebremst oder gar verhindert. Wie kann man ein einfach bedienbares Produkt entwickeln? Warum ist es so schwierig und geht so oft schief? Diese Vorlesung beschäftigt sich mit den Regeln und Möglichkeiten des Entwurfs der Mensch-Maschine-Schnittstelle von softwaregesteuerten Systemen, also allen Computern und Geräten mit eingebetteten (embedded) Computern. Da dabei viele Konzepte der klassischen Ergonomie angewandt werden, die hier nicht alle im Detail behandelt werden können, sei auch auf die Vorlesung Produktergonomie hingewiesen, die einen tieferen Einblick gestattet, aber nicht Voraussetzung für das Verständnis dieser Vorlesung ist. 1.1 Einordnung der Software-Ergonomie All diese Systeme sollen uns durch ihre Funktionen helfen, eine Arbeit zu verrichten oder zu erleichtern. Dies gilt auch für die Geräte der Unterhaltungselektronik, auch wenn wir deren Funktionen nicht als Arbeit empfinden. Man kann statt Arbeit allgemeiner von Aufgabe sprechen. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 6

EINLEITUNG Die Wissenschaft, die sich mit dem Entwurf und der Integration dieser Arbeitsmittel beschäftigt ist, die Arbeitswissenschaft (engl. Ergonomics, amerik. Human Factors). Häufig spricht man auch von den Arbeitswissenschaften, da die Arbeitswissenschaft ein interdisziplinäres Gebiet ist, das sich der Erkenntnisse aus den Humanwissenschaften (z. B. Medizin, Psychologie, Soziologie, Pädagogik), den Ingenieurwissenschaften (Physik, Konstruktion, Mess- und Regelungstechnik), der Wirtschaftswissenschaft (Ökonomie) und der Sozialwissenschaft (Rechtswissenschaft) bedient. Die Arbeitswissenschaft kann man grob zweiteilen: In den Bereich, der sich mit der Gestaltung der Arbeitsmittel beschäftigt, der Ergonomie (engl. Micro Ergonomics) und in den Bereich, der sich mit der Gestaltung der Organisation, dem Betrieb und den Arbeitsgruppen innerhalb von Arbeitsprozessen beschäftigt, die Arbeitsorganisation (engl. Macro Ergonomics). Das Wort Ergonomie ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus ergon (gr. für Arbeit) und nomos (gr. für Gesetz, Gesetzmäßigkeit). In der Ergonomie beschäftigt man sich neben der aus dem Sprachgebrauch bekannten gesundheitlichen Verträglichkeit von Produkten auch mit dem Aspekt der einfachen Erfassbarkeit der Funktionen, der effizienten Ausführung, der Optimierung des Komforts und auch den Forderungen der Ästhetik. Es gibt neben Ergonomie eine Menge Begriffe für diesen Bereich, die in der Literatur teilweise unterschiedlich definiert und strukturiert werden. Die folgende Abbildung 1.1-1 zeigt einige: SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 7

EINLEITUNG (intuitiv e) Bedienbarkeit Dienlichkeit Benutzerf reundlichkeit usability Gebrauchstauglichkeit (dt. Übersetzung v on usability nach DIN 9241) Kommunikation Interaktion Schnittstelle Mensch- Maschine- Computer- Human- Machine- Computer- Communication Interaction Interf ace Abbildung 1.1-1: Eine Sammlung von Begriffen aus dem Bereich der Software- Ergonomie. Sie werden je nach Literatur oft synonym verwendet. Die Mensch-Computer-Interaktion, mit der wir uns im Rahmen dieser Vorlesung beschäftigen, ist eine Untermenge der Mensch-Maschine-Interaktion (Abbildung 1.1-2). Mensch-Maschine-Interaktion Mensch-Computer-Interaktion Hier wird die Besonderheit der Interaktion mit softwaregesteuerten Maschinen untersucht. Hardware- Ergonomie Software- Ergonomie Abbildung 1.1-2: Die Mensch-Computer-Interaktion ist eine Untermenge der Mensch- Maschine-Interaktion. Auch innerhalb dieses Gebietes gibt es wieder eine Aufteilung: Hardware- und Software-Ergonomie. Trotz des Titels der Vorlesung beschäftigen wir uns hier mit beiden, da sie eng miteinander verknüpft sind. Wenn man bei einer Produktentwicklung Einfluss auf die Hardware-Ergonomie hat (z. B. bei eingebetteten Systemen), hat dies SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 8

EINLEITUNG weitreichende Folgen für Software-Ergonomie. In manchen Publikationen wird die Hardware-Ergonomie sogar als Teil der Software-Ergonomie aufgefasst. Aber es gibt Bereiche (vor allem der PC-Bereich), in denen der Entwickler wenig oder gar keinen Einfluss auf die Hardware-Ergonomie hat. 1.2 Folgen schlechter Software-Ergonomie Gute Ergonomie wird leider meist kaum wahrgenommen. Erst wenn Dinge nicht so funktionieren, wie wir es erwarten, wird die Wichtigkeit dieses Themas ersichtlich. Dabei kann eine schlechte Gestaltung der Mensch-Computer-Interaktion weitreichende Folgen haben. Die meisten sind nur sehr aufwendig (das heißt teuer) oder gar nicht zu reparieren: Der Benutzer wird frustriert. Seine Motivation und Leistungsfähigkeit sinken (wichtig im betrieblichen Umfeld). Arbeitszeit wird in das Erreichen einer Funktion investiert und nicht in die Funktion selbst (workarounds). Diese Zeit ist verschwendet und kostet den Arbeitgeber Geld. Die durch die Anschaffung eines Gerätes oder einer Software erhoffte Steigerung an Produktivität wird durch schlechte Bedienbarkeit abgeschwächt oder zunichte gemacht. Die durch die Anschaffung eines Gerätes oder einer (automatisierten) Software erhoffte Entlastung des Personals tritt nicht ein. Der Kunde wendet sich vom Produkt ab zugunsten der Konkurrenz. Dies bedeutet einen Umsatzverlust. Ein Kunde, der keinen Produktivitätszwang hat (z. B. Unterhaltungselektronik), gibt nach wenigen Versuchen auf. Die Folge ist Kundenunzufriedenheit. Das Unternehmen, das mit dem Produkt assoziiert wird (meist der Hersteller, in manchen Fällen auch der Integrator), erleidet einen Imageverlust. Dieser ist langfristig meist folgenreicher als der unmittelbare Umsatzverlust. Da gewisse Eigenschaften vom Auftraggeber einklagbar sind (siehe Kapitel Normen), kann ein Produkt, das ohne Beachtung der Bedienbarkeit entwickelt SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 9

EINLEITUNG wurde, für den Hersteller unerwartete Verluste bedeuten (meist Minderung des Kaufpreises). Bei sicherheitskritischen Systemen kann eine schlecht gestaltete Mensch- Computer-Schnittstelle Gefahr für Gesundheit oder Leben der Beteiligten bedeuten. 1.3 Ziele der Software-Ergonomie Es ist natürlich im Interesse des Entwicklers, die oben genannten Folgen zu vermeiden. Er soll den Anwender bei der Erledigung seiner Aufgabe unterstützen. Dadurch ergeben sich die wichtigsten Ziele der Software-Ergonomie: Effektivität ( Wirkung) des Anwenders das heißt, er kann seine Aufgabe erfüllen Effizienz ( Wirkung pro Aufwand) des Anwenders das heißt, er erfüllt seine Aufgabe mit minimalem Aufwand (Zeit, Kosten, Übung) Zufriedenheit des Anwenders das heißt, er muss sich nicht ärgern beim Erfüllen seiner Aufgabe (besser noch es macht ihm Freude) Dies sind die von DIN ISO 9241 definierten Ziele. Zusätzlich fordert das U.S. Militär: Zuverlässigkeit der Kombination Anwender Software/Gerät Förderung von Standards innerhalb von Systemen und zwischen Systemen Literatur: Dahm 2006, S. 16-26 Shneiderman 2005, S. 4-14, S. 17-24 Bubb 2006, Kap. 1 SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 10

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION 2 Kleine Geschichte der Mensch-Maschine-Interaktion Doch zuerst ein kleiner Abriss, wie sich die Arbeit der Menschen mit ihren Maschinen entwickelt hat. In der Moderne mit besonderem Fokus auf die Entwicklung der Computer und ihrer Bedienoberflächen. 2.1 Geschichte der Maschine Der Mensch benutzt seit Jahrtausenden Werkzeuge, die ihm die Arbeit, das Erfüllen seiner Aufgaben erleichtern sollen. Für viele ist das eines der wichtigsten Unterschiede des Menschen zum Tier und die Voraussetzung für die Entwicklung einer Zivilisation. Die Abgrenzung zwischen Werkzeug und Maschine (von gr. mechané: Gerüst, Vorrichtung) ist oft ein fließender Übergang. Maschinen weisen eine höhere Komplexität als Werkzeuge auf und bestehen meist aus mehreren Maschinenelementen. Aristoteles bezeichnete im vierten Jahrhundert vor Christus Hebel und Schraube als Maschinen. Das sind nach unserem heutigen Verständnis aber nur Maschinenelemente. Aber bereits bei den Schöpfwerken (Abbildung 2.1-1) zur A- ckerbewässerung der Babylonier im siebten Jahrhundert vor Christus kann man nach unserem modernen Verständnis von Maschinen sprechen. Oft wird auch das Rad, aus heutiger Sicht ebenfalls ein Maschinenelement, und die ersten Karren als die erste Maschine gesehen. Das Rad entstand an wahrscheinlich mehreren Orten unabhängig voneinander etwa 4000 vor Christus. Vor allem für die Baukunst war bereits in der Frühantike der Flaschenzug (Abbildung 2.1-2) eine der wichtigsten Maschinen. Abbildung 2.1-1: Eine der ersten Maschinen, ein persisches Schöpfwerk (600 v.chr.) SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 11

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.1-2: Bereits seit der Antike bekannt: Der Flaschenzug In der Antike und im Mittelalter waren Maschinen von eingeschränkter Komplexität. Der Bediener war meist auch der Entwickler und der Erbauer; das Funktionsprinzip einfach erfassbar. Erst in der Neuzeit nahm die Komplexität rapide zu: z. B. Entwürfe für Kriegs- und Flugmaschinen von Leonardo da Vinci im 15. Jahrhundert (Abbildung 2.1-3), Rechenmaschinen von Pascal (Abbildung 2.1-4) und Leibnitz im 17. Jahrhundert, vollmechanisierter Webstuhl von Carthwright (Abbildung 2.1-5) im 18. Jahrhundert. Abbildung 2.1-3: Entwurf einer Flugmaschine von Leonardo da Vinci (1488) SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 12

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.1-4: Eine der ersten mechanischen Rechenmaschinen: Die Pascaline (1643) Abbildung 2.1-5: Webmaschine von Cartwright (1785) Mit dem Beginn der industriellen Revolution nahmen Maschinen einen bestimmenden Platz in der Gesellschaft ein. Durch die Erfindung der Dampfmaschine konnte die Arbeitskraft statt durch Menschen oder Tiere durch die Maschine erzeugt werden. Durch diese Entwicklung der Maschine wandelte sich das Arbeitsbild des Menschen. Die Rolle des Menschen änderte sich immer mehr vom ausführenden zum kontrollierenden und überwachenden Arbeiter. Die Maschine hilft ihm, physische Arbeit zu vermeiden und bringt neue Möglichkeiten und Notwendigkeiten geistiger Arbeit mit sich. Umso komplexer die Maschinen wurden, desto unverständlicher wurden deren interne Vorgänge für die bedienenden Arbeiter (Black-Box-Prinzip). Maschinen wurden nun meist von verschiedenen Menschen entwickelt, aufgebaut und bedient. Strandh 1992, S. 26ff., S. 37f., S. 74f., S. 77ff. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 13

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION 2.2 Der Computer und die Entstehung graphischer Oberflächen Einen weiteren Schub in Komplexität und Leistungsfähigkeit erlangte die Entwicklung der Maschinen im 20. Jahrhundert durch die Erfindung des integrierten Schaltkreises durch Kilby im Jahr 1958 (Abbildung 2.2-1). Abbildung 2.2-1: Der erste integrierte Schaltkreis von Kilby (1958) besteht aus einem Transistor und hat eine Größe von etwa 150 mm². Mit dieser Technik ist es möglich, Rechenmaschinen zu bauen, die mehrere Tausend Operationen pro Sekunde ausführen. Das Computerzeitalter hatte begonnen. Die Computertechnologie entwickelte sich schneller weiter als jede andere Technologie bis dahin. Sie folgt bis heute dem Moore schen Gesetz (Abbildung 2.2-3), das 1965 von Intel-Chef Gordon Moore postuliert wurde. Es besagt, dass sich die Komplexität (d. h. die Anzahl der Transistoren) auf einem Computerchip alle 18 bis 24 Monate verdoppelt. Da die Leistungsfähigkeit eines Chips stark an die Anzahl der Transistoren gekoppelt ist, kann man von einer Verdopplung der Leistungsfähigkeit alle zwei Jahre sprechen (Abbildung 2.2-2). Abbildung 2.2-2: Ein Intel Itanium II Prozessor (2008) vereint 2 Milliarden Transistoren auf einer Fläche von 600 mm². SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 14

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-3: Moore s Law: Die Anzahl der Transistoren in verschiedenen Prozessoren aufgetragen über ihr Erscheinungsdatum. Durch ihre extreme Arbeitsgeschwindigkeit und das Fehlen einer optisch erfassbaren Mechanik gilt für Computer das Black-Box-Prinzip besonders. Der Anwender kann nicht auf die Funktionsweise schließen. Hinzu kommt, dass Computer Universalmaschinen sind, die ihre Logik erst durch Programmierung erhalten. Zwei identische Computerchips können also durch unterschiedliche Programmierung völlig verschiedene Aufgaben lösen. Dies stellt besonders hohe Anforderungen an die Mensch- Maschine-Schnittstelle, da sie ohne dem Menschen ersichtliche physikalische Abhängigkeiten (z. B. Hebel bewegt Stellteil) auskommen muss. Außerdem kann die Bedienung einer Maschine durch die Computertechnik nun an einem anderen Ort erfolgen als die Maschine steht. Daraus folgt selbst für einfache mechanische Maschinen, dass der Arbeitsprozess für den Benutzer nicht mehr sichtbar ist. Die Bedienung von Computern änderte sich mit ihrer Zunahme an Komplexität. In der Anfangszeit war der Entwickler meist auch der Erbauer und Bediener (Programmierer). Lange Zeit war das Benutzen von Computern einer kleinen Gruppe vorbe- SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 15

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION halten, da Computer sehr groß und teuer waren und so nur von Forschungseinrichtungen, großen Firmen und dem Militär benutzt wurden. Die Anwender waren hoch spezialisiert und hatten gutes Verständnis der Funktionsweise. Die Steuerung der Computer erfolgte oft durch Eingriff in die Hardware, also das Verschalten einzelner Module je nach Anwendungszweck. Vor allem bei Analogcomputern bildeten große Steckbretter ein wichtiges Eingabeinstrument (Abbildung 2.2-4). Abbildung 2.2-4: Steckbretter, Schalter und Analoganzeigen eines Analogcomputers Die ersten programmierbaren Computer machten eine Speichermöglichkeit der Programme zur Wiederverwendung nötig. Erst benutzte man Lochkarten (Abbildung 2.2-5) und Widerstandsmatrizen, ab den 1950er Jahren auch Magnetspeicher (Bänder, später Festplatten, Abbildung 2.2-6). Abbildung 2.2-5: Die Eingabeeinheit eines IBM Lochkartenstanzers und eine Lochkarte SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 16

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-6: IBM 305 RAMAC (1956): Der erste Computer mit Festplatte (Die beiden Schränke links und in der Mitte enthalten je eine IBM 350 mit ca. 5 Megabyte Kapazität) Neben der Eingabe des Programms durch das Speichermedium waren Schalter anfangs die einzige Eingabemöglichkeit; die Ausgabe erfolgt über Analoginstrumente und Signalleuchten. Ab den 1950er Jahren wurden Fernschreiber, bald auch Bildschirme und alphanumerische Tastaturen benutzt. Mit dem Aufkommen der Großrechenanlagen in den 60ern konnten erstmals mehrere Benutzer über so genannte Terminals (eine Bildschirm-Tastatur-Einheit, Abbildung 2.2-7) einen Computer bedienen. Abbildung 2.2-7: Das bekannteste aller Terminals: Das VT100 von DEC (1979). Es enthält selber keinen vollständigen Computer, sondern ermöglicht den Zugriff auf eine entfernte Großrechenanlage SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 17

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Die Bedienung erfolgte durch Ein- und Ausgabe von Text, anfangs nur zeilenweise, später auch seitenweise. 1963 entstand mit Sketchpad (Abbildung 2.2-8), der Doktorarbeit von Ivan Sutherland am MIT (Sutherland 2003, S. 31-36), ein erster Schritt in Richtung graphische Benutzeroberfläche. Das Programm nutzte einen Lichtgriffel, mit dem auf einem Röhrenmonitor Positionen eingegeben werden konnten. Es war als rudimentäres Zeichen- und Konstruktionsprogramm ausgelegt. Es wurde später im amerikanischkanadischen computergesteuerten Luftverteidigungssystem zum Abfangen von Interkontinentalraketen als Steuerung der Radarerfassung eingesetzt. Abbildung 2.2-8: Sketchpad: Die erste GUI. Bedient wird sie mit einem Lichtgriffel. 1968 stellte Douglas Engelbart in der so genannten Mutter aller Demos das NLS (online System), das Ergebnis der vergangenen fünf Jahre Forschung am Stanford Research Institute, vor (Abbildung 2.2-9). Es nutzte erstmals den 1963 dafür entwickelten X-Y-Positions-Anzeiger für ein Bildschirmsystem, die spätere Computermaus. Neben der Maus und einer Akkordtastaur (Abbildung 2.2-10) zeigte NLS viele Fähigkeiten moderner Computer zum ersten Mal: interaktiver Text, Videokonferenz, Email und Hypertext. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 18

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-9: Ein Screenshot des NLS bei seiner ersten Präsentation 1968. Der Mauszeiger ist ein kleiner Strich, genannt Bug. Graphische Strukturierung von Information ist bereits möglich. Abbildung 2.2-10: Die Eingabeinstrumente des NLS sind neben einer alphanumerischen Tastatur erstmals die Maus und eine Akkordtastatur. Aufgrund der nun möglichen billigen Massenfertigung von Mikroprozessoren, wurden Computer immer kleiner und leistungsfähiger. Es entstanden die ersten Heimcomputer, anfangs als Bausatz, später in Serienproduktion. Diese Heimcomputer, die in den 80ern den Höhepunkt ihrer Popularität erreichten, unterschieden sich durch die vielen Hersteller stark. Es gab eine Vielzahl an Betriebssystemen, die sich in ihrer Bedienung unterschieden. Auch die Tastaturen waren meist je nach Herstellern verschieden in Umfang und Anordnung ihrer Zusatztasten (Abbildung 2.2-11, Abbildung 2.2-12, Abbildung 2.2-13, Abbildung 2.2-14). SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 19

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-11: Einer der ersten populären Heimcomputer: Der Apple II (1977) Abbildung 2.2-12: Der erste Heimcomputer von Commodore: Der PET 2001 (1977). Man beachte die Tastatur in Matrixanordnung, oft Micky-Maus-Tastatur genannt. Abbildung 2.2-13: Der Atari 400 (1979) mit Folientastatur SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 20

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-14: Zusammen mit seinem Nachfolger einer der bekanntesten Heimcomputer: Commodore VC-20 (1982), Vorgänger des C64 (1982), genannt Brotkasten 1973 entwickelte Xerox am Forschungszentrum Xerox PARC den Alto (Abbildung 2.2-15). Er war der erste Computer mit einer graphischen Benutzeroberfläche (graphical user interface, GUI) mit Fenstern, Menüs, Icons und Maussteuerung. Die Bedienung des Computers wurde erstmals durch die Schreibtischmetapher (Desktop) vereinfacht (Abbildung 2.2-16). Vor allem die Textverarbeitung wird durch das WYSIWYG-Prinzip (What you see is what you get) deutlich intuitiver. Abbildung 2.2-15: Ein Meilenstein in der Geschichte der Mensch-Computer- Interaktion: Der Xerox Alto. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 21

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-16: Die Benutzeroberfläche des Alto mit der Programmierumgebung für Smalltalk Das Forschungsprojekt wurde zum Xerox Star weiterentwickelt und kam 1981 auf den Markt, wurde aber wegen des hohen Preises ein kommerzieller Misserfolg. Mit einem sehr ähnlichen GUI-Konzept kam 1983 der Apple Lisa auf den Markt, war aber ebenfalls zu teuer. Erst der in der Hardware abgespeckte und deutlich billigere Apple Macintosh (Abbildung 2.2-18, Abbildung 2.2-19) brachte 1984 der GUI den Durchbruch. Abbildung 2.2-17: Der kommerzielle Erbe des Alto, der Xerox Star. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 22

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-18: Der erste kommerziell erfolgreiche Computer mit graphischer Bedienoberfläche: Der Apple Macintosh. Abbildung 2.2-19: Die GUI des Macintosh. Sie weist hohe Ähnlichkeit zu der von Xerox auf. Der Anfang der 80er bereits eingeführte IBM-PC (Personal Computer, Abbildung 2.2-20, ) wurde immer populärer und brachte dem Computermarkt einige Hardware- Standards, die andere Hersteller übernahmen. Bis 1990 verloren alle nicht IBMkompatiblen Computer außer denen von Apple weitgehend an Bedeutung. Auf Heimsystemen hatte sich mit Microsofts MS-DOS das Betriebssystem des IBM-PCs durchgesetzt, das weiterhin textbasiert gesteuert wurde. Zusatzprogramme, die DOS um eine graphische Oberfläche erweitern, konnten sich lange nicht durchsetzen (Abbildung 2.2-21). SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 23

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-20: Der IBM Personal Computer (1981) Abbildung 2.2-21: Die GUI GEM von Digital Research: Während sie auf dem Atari erfolgreich war, konnte sie sich auf dem PC nicht durchsetzen. Apple entwickelte das Betriebssystem des Macintosh (das seit Version 7.5 Mac OS heißt) kontinuierlich weiter. Apples Anteil am Computermarkt aber schwand, viele Entwicklungen blieben ohne Bedeutung für die breite Masse. Auf professionellen Computersystemen und an Universitäten hatten sich seit den 80er das Betriebssystem Unix und seine Derivate durchgesetzt. Dieses wurde weiterhin recht lange textgesteuert, da die Benutzer meist mit der Materie vertraute Experten oder gut geschult waren. Mit dem X-Window-System gibt es aber auch auf ihm bereits seit 1984 eine betriebssystemweite Möglichkeit der graphischen Ausga- SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 24

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION be. Basierend darauf setzte sich die Bedienoberfläche CDE (Common Desktop Environment, Abbildung 2.2-22) als Standardlösung für kommerzielle Unixsysteme durch. Abbildung 2.2-22: CDE auf dem Betriebssystem Sun Solaris. CDE war lange Zeit die Standard-GUI kommerzieller Unix-Systeme. Auch Microsoft versuchte seit 1983 mit Windows (Abbildung 2.2-23) einen graphischen Aufsatz für das populäre MS-DOS zu vermarkten. Doch erst mit Windows 3.1 (1992, Abbildung 2.2-24) gelang auch auf dem PC der Durchbruch der GUI. Windows NT 3.1 und Windows 95 waren dann die ersten rein graphischen Betriebssysteme von Microsoft, am Grundaufbau der Bedienoberfläche von Windows 95 (Abbildung 2.2-25) orientieren sich alle seine Nachfolger (Abbildung 2.2-26). Abbildung 2.2-23: Windows 1.0 (1983): Ein Vorläufer der Programmleiste (grüner Bereich), rudimentäres Multitasking, keine überlappenden Fenster SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 25

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-24: Windows 3.1 (1992): Die Programmleiste ist wieder verschwunden, dafür gibt es inzwischen überlappende Fenster. Abbildung 2.2-25: Windows 95 (1995): Startmenü, Programmleiste, Icons auf dem Desktop SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 26

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.2-26: Führt die Bedienoberflächenphilosophie von Microsoft weiter: Windows Vista (2007). Da Apple seit 1999 wieder an Marktanteilen gewinnt, hat auch sein Betriebssystem Mac OS wieder an Bedeutung gewonnen. Mit zahlreichen Neuerungen in der Oberfläche ist Mac OS X (2001, Abbildung 2.2-27) wieder ein wichtiger Vorantreiber der Entwicklung der graphischen Benutzeroberfläche. Abbildung 2.2-27: Apples Betriebssystem Mac OS X mit der Bedienoberfläche Aqua. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 27

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Auf Unix-kompatiblen Systemen haben sich seit Ende der 90er die Open-Source- Desktopoberflächen KDE (Abbildung 2.2-28) und Gnome (Abbildung 2.2-29) durchgesetzt. Abbildung 2.2-28: Einer der beiden wichtigsten Desktopoberflächen für Unix-Derivate wie Linux: KDE Abbildung 2.2-29: Eine weitere populäre GUI für Linux: Gnome. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 28

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Die Bedienoberflächen aller modernen Betriebssysteme beherrschen inzwischen auch durch die Grafikkarte beschleunigte Darstellung. (Mac OS seit 2001, Unix (compiz) seit 2004, Windows Vista seit 2007). Dies ermöglicht dreidimensionale und andere Effekte. http://arstechnica.com/old/content/2005/05/gui.ars http://www.computergeschichte.de/ http://www.heise.de/newsticker/vor-40-jahren-die-maus-kreisste-und-gebar-eine-neue-welt-- /meldung/120106 http://sloan.stanford.edu/mousesite/ http://www.mac-history.de/ http://winhistory.de/ 2.3 Weitere Gebiete der Mensch-Computer-Interaktion Neben den PCs nimmt auch die Entwicklung der eingebetteten Computer einen rasanten Verlauf. Durch die billige Massenherstellung kleiner Mikrochips werden immer mehr Geräte ab den 80er Jahren mit elektronischen Fähigkeiten ausgestattet. Vor allem der Siegeszug der Mobiltelefone in den 90er Jahren führt dazu, dass heute fast jeder einen eingebetteten Computer mit sich herumträgt. Die Entwicklung ihrer Bedienoberflächen vom einfachen Tastentelefon zum touchscreen-gesteuerten Smartphone (Abbildung 2.3-1) ähnelt der der Computer. Abbildung 2.3-1: 15 Jahre Mobiltelefonentwicklung: Motorola 3200 International von 1992, Siemens S10 mit Vier-Farben-Display von 1997, Apple iphone mit Touchscreen von 2007. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 29

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Militärflugzeuge (Abbildung 2.3-2) besitzen seit den 80ern, Zivilflugzeuge (Abbildung 2.3-3) seit den 90ern, so genannte MFDs (Multi-Function-Displays). Diese zeigen menügesteuert verschiedene Informationen an und sparen Schalter und Analoganzeigen. HUDs (Head-Up-Displays) ermöglichen optische Übermittlung von Information ohne den Blick vom Geschehen abzuwenden. Abbildung 2.3-2: Das Cockpit einer Saab Gripen mit HUD und drei MFDs. Abbildung 2.3-3: Das Cockpit des Airbus A350 mit zwei HUDs und zehn MFDs. Mit der Vorstellung des COMAND-Systems (Abbildung 2.3-4) in der Mercedes S- Klasse im Jahr 1998 hält die graphische Bedienung auch in Automobilen Einzug. BMW stellte 2001 den Siebener mit idrive (Abbildung 2.3-5) vor, dessen Bedienung auf viele Knöpfe verzichtet zugunsten einer menübasierten Steuerung mit einem einzigen Mehrwege-Schalter (Abbildung 2.3-6). Auch HUDs haben von den Flugzeugen ihren Weg in Autos gefunden. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 30

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION Abbildung 2.3-4: Das COMAND-System in der Mercedes S-Klasse war ab 1998 das erste software-basierte Infotainmentsystem mit Farbbildschirm im Auto. Abbildung 2.3-5: BMW brachte 2001 im Siebener mit dem idrive eine noch radikalere Lösung, bei der die Bedienung fast aller nicht sicherheitskritischen Funktionen über ein einzelnes Bedienelement erfolgt. Abbildung 2.3-6: Die überarbeitete Form des idrive-controllers mit Schnellwahltasten. SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 31

KLEINE GESCHICHTE DER MENSCH-MASCHINE-INTERAKTION In weiterer Zukunft wird Elektronik und damit softwarebasierte Bedienung in immer mehr Geräten zu finden sein. Die Computertechnik ist pervasiv, das heißt sie durchdringt alle Bereiche (Abbildung 2.3-7). Abbildung 2.3-7: Waschmaschine mit Touchscreen-Bedienung. Spitzer 2006, Kap. 7 Braess 2007, S. 682-690 SEMESTERARBEIT JUREK BREUNINGER 32